128
Werke der Musik von geringem Umfang zu anderen Werken geringen Umfangs ist
im Rahmen des § 46 UrhG auch nicht tragend zu begründen. Wenngleich Sammlungen von Sprach- und Musikwerken auch in der neuen Medienwelt nach wie vor die
größte Bedeutung beanspruchen, ist diese Ungleichbehandlung zwischen den Werken geringen Umfangs untereinander an dieser Stelle nicht nachvollziehbar. Ein
Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot liegt auf der Hand.
bbb) Ungleichbehandlung spezifischer Bildungsmedien
Die öffentliche Zugänglichmachung eines für den Unterricht an Schulen bestimmten
Werkes wird fortan mittels einer an § 52 a Abs. 2 S. 1 UrhG angelehnten Bereichsausnahme aus dem Privilegierungstatbestand ausgenommen. Die hierin begründete
Besserstellung der spezifisch für den Schulunterricht geschaffenen Werke im Vergleich zu den anderen spezifisch für den Unterricht an den weiteren privilegierten
Einrichtungen geschaffenen Werken ist nicht durch hinreichend gewichtige Gründe
gerechtfertigt. Der Publikumskreis vieler eigens für den Unterricht aufbereiteter Bildungsmedien begrenzt sich auf den engen Absatzmarkt unter den Lehrenden und
Lernenden der betreffenden Bildungseinrichtungen. Eine sinnvolle Verwendung dieser besonderen Werke ist wegen ihrer speziellen Unterstützungsfunktion fast ausschließlich im Rahmen des Unterrichts der privilegierten Einrichtungen vorstellbar.481 Mit welcher verfassungsrechtlich tragbaren Begründung allein die für den
Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werke in den Genuss einer Bereichsausnahme kommen, ist diesseits nicht nachvollziehbar. Unter dem Vorzeichen des
verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots erscheint eine Korrektur zwingend geboten.
II. Privilegierte Vervielfältigungen
1. Bedeutung der Vervielfältigung für Bildung und Wissenschaft und ihr Schneidepunkt zum Urheberrecht
Das Vervielfältigungsrecht nach §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG als ausschließliches
Recht des Urhebers ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen,
gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher
Anzahl. Der Begriff der Vervielfältigung ist dabei weit auszulegen, so dass Vervielfältigung jede körperliche Festlegung ist, die geeignet ist, ein Werk auf irgendeine
46 UrhG ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers vermuten lässt. Im Einzelnen zur
Schrankenregelung des § 53 Abs. 3 UrhG. vgl. die Ausführungen unter II. 3., S. 148 ff.
481 Gounalakis, Elektronische Kopien für Unterricht und Forschung, S. 28 f.; zu der parallelen
Bereichsausnahme des § 52 a Abs. 2 S. 1 UrhG und den diesbezüglichen Bedenken, vgl. unter IV., 3. a) aa) bbb) ?), S. 189 f. und IV., 4. b) bb) bbb), S. 209 f.
129
Weise den menschlichen Sinnen unmittelbar oder mittelbar zugänglich zu machen.482 Vor diesem Hintergrund treffen Wissenschaftler, Lernende und Lehrende
fast täglich, oft ohne dass es ihnen vielleicht tatsächlich bewusst ist, auf das Urheberrecht. Der Nachdruck bzw. das Fotokopieren von Sprachwerken bzw. wissenschaftlichen und technischen Darstellungen weist immer als Vervielfältigung urheberrechtliche Relevanz auf. Auch das Aufzeichnen einer Sendung, sei es einer Hörfunk- oder Fernsehsendung, zum Zwecke einer späteren Ausstrahlung ist eine Vervielfältigung des Werkes, welche grundsätzlich ausschließlich dem Urheber bzw. als
gleichlaufendes Recht dem Sendunternehmen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG zusteht.483 Gleichermaßen ist jedes Überspielen einer digitalen Information auf ein anderes Speichermedium, wie beispielsweise eine Festplatte eines PC, eine CD oder
auch einen USB-Stick, unabhängig von ihrem Inhalt eine Vervielfältigung im Sinne
des § 16 UrhG.484 Desgleichen ist insbesondere auch das Ausdrucken oder Einscannen, d.h. das Digitalisieren von Schriftstücken oder Bildwerken, eine Vervielfältigung in diesem Sinne.485 All die vorstehenden Handlungen sind dem Alltag von Bildungsinstitutionen zuzuordnen bzw. werden zur Vor- oder Nachbereitung entsprechender Lehrveranstaltungen vorgenommen, so dass ein Zusammentreffen mit dem
Urheberrecht unvermeidbar ist. Im Folgenden sollen die wichtigsten Vervielfältigungen mit ihren Überschneidungen mit dem Urheberrecht beleuchtet werden.
2. Vervielfältigung audiovisueller Medien
a) Urheberrechtlich relevante Unterscheidung zwischen der Vervielfältigung
allgemeiner sowie spezifisch für die Schulnutzung vorgesehener
Sendeprogramme
Die Aufnahme von allgemeinen audiovisuellen Medien ist unter urheberrechtlichen
Gesichtspunkten von den spezifisch für die Schulnutzung angebotenen Sendeprogrammen zu unterscheiden. Eine gesetzliche Lizenz zugunsten bestimmter privilegierter Einrichtungen zur Herstellung von einzelnen Vervielfältigungsstücken von
Werken, die innerhalb einer Schulfunksendung gesendet werden, findet sich in § 47
UrhG. Eine weitergehende spezifische Erlaubnisnorm zum Vorteil von Bildungseinrichtungen zur Aufnahme auch allgemeiner Sendungen sucht man hingegen vergeb-
482 Amtliche Begründung, BT-Drs. IV/ 270, S. 46; abgedruckt in: UFITA 45 (1965), S. 240, 262;
Schulze, Materialien zum UrhG, Bd. 1, S. 349, 439; BGH, Urteil v. 18.05.1955 – I ZR 8/54,
BGHZ 17, S., 266, 269 f. – Grundig Reporter, zur Rechtslage nach dem LUG.
483 Die Herstellung von Mitschnitten von Fernsehsendungen kann daneben insbesondere noch
das Vervielfältigungsrecht der ausübenden Künstler gemäß § 77 UrhG, der Filmhersteller
gemäß § 94 UrhG sowie der Hersteller von Laufbildern nach § 95 UrhG berühren.
484 BGH, Urteil v. 04.10.1990 – I ZR 139/89, in: GRUR 1991, S. 449, 453 – Betriebssystem.
485 OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 29.10.1996 – 11 U 44/95, in: CR 1997, S. 275, 276 – D-Info
2.0; Heerma, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 16, Rn. 13.
130
lich im UrhG. Im Rahmen der Gesetzgebungsverfahren des UrhG von 1965 und
auch der Novellierungen von 1985 war jeweils in verschiedenen Entwürfen angedacht, Schulen eine grenzen- und vergütungsfreie Aufnahmebefugnis für alle Arten
von Sendungen zu gewähren. Im Ergebnis konnte sich diese Ausweitung jedoch
nicht durchsetzen.486 Diese Gedanken wurden auch zeitlich nach diesen Reformen
immer wieder im Bundestag aufgegriffen und zur Diskussion gestellt.487 Bis heute
wurden diese Privilegierungsgedanken aber immer wieder verworfen. Etwas anderes
ist auch für die Zukunft nicht zu erwarten. Die unterschiedliche Beurteilung von
Schulfunksendungen und allgemeinen Rundfunksendungen führt jedoch nicht dazu,
dass die erlaubnisfreie Aufnahme von Rundfunk- und Fernsehprogrammen durch
Schulen bzw. die Lehrenden per se unzulässig ist. Sie ist aber an den engeren Voraussetzungen der §§ 48 ff. UrhG zu messen.
b) Vervielfältigung von Schulfunksendungen gemäß § 47 UrhG
Die Erkenntnis, dass Schulfunksendungen in den häufigsten Fällen zeitlich nicht mit
den Stunden- und Lehrplänen der Schule übereinstimmten und daher der Nutzen
dieser Sendungen auf ein Minimum reduziert war, mündete in die Norm des § 47
UrhG. Das Bedürfnis der Bildungseinrichtungen, die Schulfunksendungen in den
schulischen Lehrplan einzubeziehen, wird dadurch gedeckt, dass es den Schulen und
anderen privilegierten Institutionen mittels dieser urheberrechtlichen Schranke unter
Auflagen gestattet ist, einzelne Vervielfältigungsstücke von geschützten Werken, die
innerhalb einer Schulfunksendung gesendet wurden, durch Übertragung der Werke
auf einen Bild- oder Tonträger herzustellen. Dabei erfährt das ausschließliche Senderecht gemäß §§ 15 Abs. 2 Nr. 3, 20 UrhG durch § 47 UrhG keine Beschränkung,
da die Sendeanstalten die Rechte zuvor bei den Berechtigten eingeholt haben müssen. Allein das ausschließliche Vervielfältigungsrecht wird dadurch beschränkt.
aa) Regelungsgehalt
aaa) Zum Begriff „Schulfunksendung“
(?) Sendung
Für das Verständnis des Begriffs der Schulfunksendung erscheint es ratsam, zuvor
den Begriff der Funksendung in der gebotenen Kürze zu erörtern. Funksendungen
sind solche des Hör- und Fernsehrundfunks sowie des Satellitenrundfunks, Kabel-
486 Vgl. nur die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs v. 22.12.1983, BT-Drs. 10/837, S.
13; abgedruckt bei: Schulze, Materialien zum UrhG, Bd. 1, S. 657, 670.
487 Vgl. BT-Drs. 11/1184 vom 12.11.1987, S. 58; BT-Drs. 12/2180 vom 24.02.1992, S. 7 f.
131
funks oder Sendungen mittels ähnlicher technischer Mittel gemäß § 20 UrhG. Unter
die ähnlichen technischen Mittel fallen alle Techniken, die zur Verbreitung von Zeichen, Tönen oder Bildern mit oder ohne Draht dienen und der Werknutzung durch
Sendung ähnlich sind.488 Eine Werkübertragung durch ähnliche technische Mittel
liegt dabei vor allem in der Weiterübertragung von Rundfunksendungen durch
Rundfunkverteileranlagen beispielsweise in Hotels, Heimen, Krankenhäusern oder
auch Justizvollzugsanstalten.489 Teilweise wird darüber hinaus die Ansicht vertreten,
dass auch die Übertragung aller für den Unterricht bestimmten und pädagogisch auf
ihn ausgerichteten Programminhalte via Internet an Dritte unter das Senderecht gemäß § 20 UrhG subsumiert werden kann.490 Infolgedessen könnten diese unter Anwendung des § 47 UrhG bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen auf CD oder
CD-ROM aufgezeichnet werden und anschließend im Unterricht verwendet werden.491 Diesem Ansatz muss aber entgegengetreten werden, da insofern der evidente
Unterschied zwischen der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19 a UrhG und
der Sendung nach § 20 UrhG verwischt wird. Im Rahmen der Internetnutzung erfolgt die Übermittlung geschützter Werke erst auf Einzelabruf des Nutzers, während
Sendungen im klassischen Sinne in allen Erscheinungsformen dadurch charakterisiert sind, dass der Nutzer durch Einschalten seines technischen Empfangsgerätes
nur an der laufenden Sendung teilhaben kann.492 Mit Einfügen des § 19 a UrhG im
Jahre 2003 entzog der Gesetzgeber der Gegenansicht schließlich die Grundlage.
Entscheidend für das Vorliegen einer Sendung ist demzufolge, dass der Übertragungsakt nicht von dem Nutzer selbst initiiert wurde.493 Aufgrund der stets gegebenen Möglichkeit des zeitversetzten Abrufs derartiger Informationen fehlt es im
Übrigen an dem entsprechenden Bedürfnis für eine Aufnahmebefugnis im Vergleich
488 Amtliche Begründung, BT-Drs. IV/270, S. 50; abgedruckt in: UFITA 45 (1965), S. 240, 264;
Schulze, Materialien zum UrhG, Bd. 1, S. 349, 445.
489 BGH, Urteil v. 09.06.1994 – I ZR 23/92, in: NJW-RR 1994, S. 1328 – Verteileranlage im
Krankenhaus; Urteil v. 08.07.1993 –I ZR 124/91, in: NJW 1993, S. 2871, 2872 – Verteileranlagen in Vollzugsanstalten.
490 Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, UrhR, § 20, Rn. 15; vgl. auch Heinz, der es zur Vermeidung eines vermeintlichen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG wegen der Ungleichbehandlung
von herkömmlichen Sendungen im Sinne des § 20 UrhG und modernen Online-
Schulfunksendungen für erforderlich hält, im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung unter einer Schulfunksendung mittels eines untechnischen Verständnisses des Wortteils
Sendung auch die Entsprechungen von Schulfunksendungen im Online-Bereich zu verstehen,
Urheberrechtliche Gleichbehandlung, S. 321
491 Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, UrhR, § 47, Rn. 7.
492 Vgl. Dreier, in: Schricker, Informationsgesellschaft, S. 131 ff.; v. Ungern-Sternberg, in:
Schricker, UrhR, § 20, Rn. 9.
493 Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 19 a, Rn. 16; vgl. dazu: Kaeding, die den Sinn des
§ 47 UrhG in dem Moment in Frage stellt, wenn Schulfunksendungen im Internet von einer
dafür erstellten Datenbank abrufbar sind oder wenn es sich um einen On-Demand-Dienst
handelt, der Schulprogramme über Breitbandkabel zur Verfügung stellt, Rechte und Pflichten
des Urhebers, S. 152 f. Auch wenn diese neuen technischen Möglichkeiten bereits vorhanden
sind, kann die klassische Schulfunksendung derzeit aus dem Unterrichtsgeschehen hingegen
nicht verbannt werden.
132
zu der in § 47 UrhG geregelten Fallgestaltung.494 Unerheblich für den Anwendungsbereich des § 47 UrhG ist jedoch, ob die Aufnahme der Schulfunksendung mit analogen oder digitalen Medien erfolgt. Entscheidend ist, ob es sich um eine Sendung
im Sinne des § 20 UrhG handelt.
() Schulfunksendung
Von einer Schulfunksendung wird bei solchen Funksendungen ausgegangen, die erkennbar inhaltlich und der Länge nach für den Unterricht an Schulen bestimmt und
auf ihn zugeschnitten sind.495 Die Schulfunksendungen werden demzufolge speziell
für Schulzwecke ausgestrahlt.496 Ob darüber hinaus auch die Bezeichnung Schulfunksendung durch die Sendeanstalt für die Eröffnung des Anwendungsbereiches
dieser urheberrechtlichen Schranke erforderlich ist, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. So spricht sich ein Teil der Kommentatoren dafür aus, dass die
explizite Bezeichnung nicht notwendig sei, sie könne aber als Indiz für die tatsächliche Charakterisierung als Schulfunksendung sehr hilfreich sein.497 Andere verlangen
hingegen die ausdrückliche Bezeichnung als Schulfunksendung.498 Nach der hier
vertretenen Ansicht ist allein die Bezeichnung einer Sendung als Schulfunksendung
weder geeignet eine positive noch eine negative Entscheidung über deren tatsächlichen Charakter zu treffen. In den überwiegenden Fällen kann zwar mit einer hohen
Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass eine von den entsprechenden
Sendeanstalten als Schulfunksendung bezeichnete Sendung auch tatsächlich eine
solchen Charakters ist, eine endgültige Antwort gibt die formale Bezeichnung im
Ergebnis jedoch nicht. Melichar weist in diesem Zusammenhang konsequenterweise
daraufhin, dass mangels vorhandener Richtlinien und Vorgaben für den Inhalt einer
Schulfunksendung, die Einstufung der Sendeanstalt einer Sendung als Schulfunksendung nicht bindend sein kann.499 Der didaktische Zuschnitt auf den Unterricht in
Schulen ist das maßgebliche Kriterium. Die Aufnahme einer für den Unterricht
494 Dreier, in: Schricker, Informationsgesellschaft, S. 157; Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken, S. 203.
495 Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, UrhR, § 47, Rn. 6; Engels, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 47, Rn. 10; Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 47, Rn. 5.
496 Amtliche Begründung, BT-Drs. 10/837, S. 14. Vgl. zu der Frage, welche Institutionen unter
den Begriff „Schule“ fallen, die Ausführungen unter I. 2. c) bb), S. 120 ff.
497 So Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, UrhR, § 47, Rn. 6; Engels, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 47, Rn. 10; Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 47, Rn. 5;
Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, § 47, Rn. 2.
498 Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 47, Rn. 4; Hillig, in: FuR 1975, S. 10; Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken, S. 522; vgl. auch Neumann, der eine Einschränkung von dieser formalen Voraussetzung nur dann zulassen will, wenn dieselbe Sendung bevor sie im Programm unter der Bezeichnung „Schulfunksendung“ läuft, bereits im „normalen“ Nachmittagsprogramm ausgestrahlt wurde. Hier solle es den Schulen gestattet sein, bereits die erste Ausstrahlung mitzuschneiden, Urheberrecht und Schulgebrauch, S. 80.
499 Melichar, in: Schricker, UrhR, § 47, Rn. 10.
133
wichtig erscheinenden anderen Funksendung, die sich möglicherweise wegen ihres
Bildungscharakters auch optimal in den Lehrplan einfügt, mit dem Ziel, diese im
Unterricht zur Nutzung zu bringen, ist nicht von dem Anwendungsbereich dieser
urheberrechtlichen Schranke gedeckt.500 Keine Schulfunksendungen sind vor diesem
Hintergrund etwa Fernsehspiele, Rundfunkkommentare, wissenschaftliche Vorträge
oder auch Darbietungen eines Musikwerkes. Auch solche Sendungen, die dem
Selbststudium zu dienen bestimmt sind, wie beispielsweise das Funk- oder Telekolleg oder ein Sprachlehrgang, unterfallen nicht dem Anwendungsbereich.501
bbb) Freigestellte Verwertungshandlungen
Es dürfen einzelne Vervielfältigungsstücke von Werken, die innerhalb einer Schulfunksendung gesendet werden, durch Übertragung auf Bild- oder Tonträger hergestellt werden. Das bedeutet in der Konsequenz, dass die Aufnahme auch tatsächlich
in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausstrahlung des Werkes im Hör- oder
Fernsehrundfunk erfolgen muss. Eine Vervielfältigung von Schulfunksendungen aus
anderen Quellen fällt nicht mehr in den Anwendungsbereich von § 47 UrhG. Dem
BGH lag im Jahre 1985 ein Sachverhalt zur Entscheidung vor, in dem eine staatliche
Landesbildstelle Vervielfältigungsstücke nicht auf der Grundlage der unmittelbaren
Aufnahme der Schulfunksendung herstellte, sondern mit Hilfe von Arbeitsbändern
einer Rundfunkanstalt, die bei der Vorbereitung der Schulfunksendung entstanden
sind.502 Der BGH ging hier davon aus, dass diese Fallkonstellation nicht von dem
Anwendungsbereich des § 47 UrhG abgedeckt ist. Er führte in seiner Begründung
wie folgt aus:
„Den Gesetzesmaterialien ist vielmehr zu entnehmen, dass er (Anm. der Verfasserin: der Gesetzgeber) nur an die Möglichkeiten gedacht hat, ’Schulfunksendungen in den Schulen auf
Tonträger aufzunehmen’(...) Dem entspricht die Fassung des Gesetzes, die nur die Herstellung
einzelner ‚Vervielfältigungsstücke’ zulässt. Der Gesetzgeber hat das gesendete Werk auch
nicht schlechthin freigegeben, sondern nur die Vervielfältigung von Werken, ‚die innerhalb einer Schulfunksendung gesendet werden’.“503
500 Hillig, in: FuR, 1975, S. 10; Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 47, Rn. 5; Melichar, in:
Schricker, UrhR, § 47, Rn. 10; Neumann, Urheberrecht und Schulgebrauch, S. 80; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, § 47, Rn. 2; a. A. Engels, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 47, Rn. 10; der allgemeine Bildungssendungen unter den Begriff „Schulfunksendungen“ dann fassen will, wenn und soweit sie in den Lehrplan des Unterrichts selbst passen, was indes entschieden zu weitgehend ist.
501 Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 47, Rn. 5; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, §
47, Rn. 2.
502 BGH, Urteil v.- 18.04.1985 – I ZR 24/83 in: GRUR 1985, S. 874 ff. – Schulfunksendung
(Vorinstanz: OLG München, Urteil v. 09.12.1982 – 6 U 2386/82, in: FUR 1983, S. 273.).
503 BGH, Urteil v.- 18.04.1985 – I ZR 24/83, in: GRUR 1985, S. 874, 876 – Schulfunksendung.
134
Der BGH hat in diesem Zusammenhang eine analoge Anwendung des § 47 UrhG
mit der Begründung ausgeschlossen, dass sie „angesichts des eng begrenzten Ausnahmecharakters der Bestimmung nicht in Betracht“ käme.504 Diese Argumentation
greift nach dem modernen Verständnis von den urheberrechtlichen Schrankenregelungen nicht mehr uneingeschränkt.505 In der vom BGH im Jahre 1985 zu beurteilenden Fallkonstellation scheidet jedoch eine Analogie auch nach modernem Verständnis von den Anwendungsgrundsätzen der urheberrechtlichen Schranken aus.
Die erlaubnisfreie Herstellung von Vervielfältigungsstücken der Schulfunksendungen aus anderen Quellen als mittels der Aufnahme der Schulfunksendung selbst
würde den offensichtlichen Willen des Gesetzgebers umgehen. Die Vervielfältigung
beispielsweise mittels Arbeitsbändern der Sendeanstalten war dem Gesetzgeber auch
schon zum Zeitpunkt des Erlasses des UrhG im Jahre 1965 bekannt und beruht nicht
etwa auf einer neuen technischen Möglichkeit, die es nahelegen würde, über eine
Analogie nachzudenken. Weitergehende Erleichterungen als den erlaubnisfreien
Mitschnitt der Schulfunksendungen hat der Gesetzgeber bewusst nicht in das Gesetz
aufgenommen, was im Übrigen auch nicht notwendig ist, um den Zweck dieser urheberrechtlichen Beschränkung zu erreichen, namentlich den Inhalt der Schulfunksendung zeitlich dem Unterrichtsplan anzupassen.
Die Norm des § 47 UrhG erlaubt ausweislich ihres Wortlautes nur die Herstellung
einzelner Vervielfältigungsstücke. Die maximale Anzahl der über § 47 UrhG zulässigen Vervielfältigungsstücke ist dabei vor dem Sinn und Zweck der Schrankenregelung zu sehen und zu ermitteln. Es sind daher genau so viele Vervielfältigungsstücke
zulässig, wie im Einzelfall der Bedarf der betreffenden Einrichtung reicht, um die
Schulfunksendung dem Lehrplan entsprechend nutzen zu können.506 Eine allzu
strenge Einschränkung sollte an dieser Stelle vermieden werden, so dass die erlaubte
Anzahl der Vervielfältigungsstücke an dem voraussichtlichen späteren Gebrauch zu
messen ist.507 Unter Umständen kann dies dennoch dazu führen, dass nur ein einziges Vervielfältigungsstück für zulässig zu erachten ist, wenn beispielsweise eine
zeitversetzte Nutzung innerhalb der betreffenden Einrichtung möglich ist.508
504 BGH, Urteil v.- 18.04.1985 – I ZR 24/83, in: GRUR 1985, S. 874, 876 – Schulfunksendung.
505 Vgl. zu den Anwendungsgrundsätzen, die Ausführungen im 3. Kapitel, insbesondere unter
C), S. 72 ff.
506 Vgl. auch: Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 47, Rn. 8; Melichar, in: Schricker, UrhR, §
47, Rn. 15; Neumann, Urheberrecht und Schulgebrauch, S. 82.
507 So auch: Engels, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG; § 47, Rn. 9.
508 Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 47, Rn. 8.
135
ccc) Privilegierte Einrichtungen
Privilegiert werden neben den Schulen509 auch Einrichtungen der Lehrerbildung und
Lehrerfortbildung. Einrichtungen der Lehrerbildung und Lehrerfortbildung sind
unabhängig von ihrer Organisationsform insbesondere Lehrerseminare, pädagogische Hochschulen, aber auch Vorlesungen der Universitäten, die nicht der wissenschaftlichen Ausbildung, sondern speziell der Ausbildung von Lehrkräften dienen.510 Weiter sind die Heime der Jugendhilfe privilegiert.511 Diese Heime dienen
wie auch die Regelschulen der Erziehung und dem Unterricht. Seit der Novellierung
im Jahre 1985 sind zusätzlich die staatlichen Landesbildstellen sowie vergleichbare
Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft befugt, Schulfunksendungen aufzunehmen.512
Klargestellt soll an dieser Stelle werden, dass der Lehrer als Privatperson nicht
der privilegierten Einrichtung Schule gleichzusetzen ist, so dass die Nutzung von
509 Insoweit kann auf die Ausführungen das Schulbuchprivileg betreffend verwiesen werden,
unter I. 2. c) bb), S. 120 ff. Der Schulbegriff wird allgemein identisch aufgefasst.
510 Engels, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 47, Rn. 6; Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR,
§ 47, Rn. 2. Die Einrichtungen der Lehrerbildung und Lehrerfortbildung wurden trotz anfänglicher gegenteiliger Vorschläge auf Forderung des Bundesrates in den Kreis der Begünstigten
aufgenommen, da sie mittelbar der Heranbildung der Jugend dienen. Vgl. die amtliche Begründung, BT-Drs. IV/270, S. 176; abgedruckt in: UFITA 45 (1965), S. 336, 337, Schulze,
Materialien zum UrhG, Bd. 1, S. 594, 595. Im Interesse der Vertrautheit der Lehrer mit den
Schulfunksendungen und deren Einsatz im Unterricht ist die Aufnahme dieser Einrichtungen
durchaus zu begrüßen. Des Weiteren lassen die Ausbildungspläne dieser Einrichtungen ebenso wenig wie die Schullehrpläne die Nutzung der Sendungen zu der Zeit zu der sie tatsächlich
gesendet werden zu.
511 Bis zur Novellierung im Jahre 1985 verwendete der Gesetzgeber die Terminologie „Erziehungsheime der Jugendfürsorge“. Diese Wortwahl ging zurück auf §§ 64 ff. JWG (jetzt:
KJHG) und privilegierte damit nur Heime der Fürsorgeerziehung, während fortan alle Heime
der Jugendhilfe von dem Anwendungsbereich der Privilegierung umfasst sind. Dazu zählen
insbesondere alle Institutionen der Erziehungs- und Eingliederungshilfe nach § 27 SGB VIII
sowie zum Schutz von Kindern und Jugendlichen nach § 45 SGB VIII. Vgl. Dreier, in:
Dreier/Schulze, UrhG, § 47, Rn. 3. Unzutreffend erscheint insofern die Auffassung von
Flechsig, der in jener Änderung der Terminologie scheinbar keine Erweiterung des Anwendungsbereiches sehen möchte, in: NJW 1985, S. 1991, 1992.
512 Die Privilegierung auch der Landesbildstellen ist auf Anstrengen des Freistaates Bayern, dessen Landesbildstellen die Herstellung von Vorratskopien von Schulfunksendungen für interessierte Schulen gerichtlich verboten worden war (vgl. BGH, Urteil v.- 18.04.1985 – I ZR
24/83, in: GRUR 1985, S. 874 ff.), in das UrhG aufgenommen worden. Unter den Schulbegriff können die Landesbildstellen jedenfalls nicht subsumiert werden, da Einrichtungen nicht
deshalb Schule sind, weil sie den Schulen Unterrichtsmaterialien zur Verfügung stellen, vgl.
die Ausführungen des OLG München in der Vorinstanz, Urteil v. 09.12.1982 – 6 U 2386/82,
in FuR 1983, S. 273, 275. Staatliche Landesbildstellen tragen dabei nicht in jedem Bundesland die gleichlautende Bezeichnung. Beispielsweise findet man in Sachsen das „Sächsische
Staatsinstitut für Bildung – Landesmedienzentrum“ in 01445 Radebeul. Aus dem Grund der
verschiedenartigen Bezeichnungen sind von der Privilegierung auch „vergleichbare Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft“ umfasst.
136
durch ihn privat hergestellter Mitschnitte von Schulfunksendungen im Unterricht
nicht nach § 47 UrhG zulässig ist.513 Zum Teil wird der Lehrer zwar auch als Beauftragter der Schule angesehen und damit durch ihn in Person vorgenommene Aufnahmen ebenfalls als privilegiert eingestuft.514 Bei dieser Auffassung wird jedoch
übersehen, dass der Lehrer als Privatperson gerade nicht als Beauftragter der Schule
anzusehen ist. Bei entsprechender Annahme würde die Schrankenregelung des § 47
UrhG einen zu weiten Anwendungsbereich aufweisen. Es wäre noch weniger kontrollierbar, wie viele Exemplare eines Werkes zur Nutzung innerhalb einer Schule
gelangen. Privilegiert kann daher nur die Einrichtung als Organ des Bildungswesens
selbst sein. Eigene Erfahrungswerte belegen allerdings, dass die Nutzung privater
Aufnahmen der Lehrkräfte (nicht allein von Schulfunksendungen) ohne Übertreibungen zum schulischen Alltag gezählt werden kann. Anwendungsrichtlinien zum
Urheberrecht weisen den Lehrkräften teilweise sogar eine Legitimation zur privaten
Aufzeichnung einer Schulfunksendung aus.515 Unter Umständen wäre an dieser Stelle über eine Ausnahme nachzudenken, wenn das Material der Schulfunksendung aus
pädagogischer Sicht für den Unterricht erforderlich ist und die nötigen technischen
Mittel in der Schule nicht vorhanden oder defekt sind. Eine derartige Ausnahmevorschrift müsste dann aber durch den Gesetzgeber eingeführt werden. Da sich derzeit
das entsprechende Ergebnis nicht mittels Auslegung gewinnen lässt, kann ein Lehrer
als Privatperson keine privilegierten Aufnahmen nach § 47 UrhG vornehmen.
ddd) Zweckgebundenheit des Mitschnitts
Die Bild- oder Tonträger dürfen nach § 47 Abs. 2 S. 1 UrhG nur für den Unterricht
verwendet werden. Eine Verwendung für den Unterricht liege dabei nach einer in
der Literatur vertretenen Auffassung auch dann vor, wenn der Lehrkörper das Vervielfältigungsstück zu Hause zum Zwecke der Vorbereitung des Unterrichts abspielt.516 Die hierzu vertretene Gegenauffassung erklärt die private Vorführung des
Lehrers zu Hause zur Vorbereitung des Unterrichts für unzulässig.517 Letztere Ansicht schränkt nach hiesiger Auffassung die Zweckgebundenheit zu weit ein. Der
Wortlaut „für den Unterricht“ lässt alle Verwertungen zu, die dem Unterricht zu
dienen bestimmt sind. Es ist insbesondere auch kein Bedürfnis aus verfassungs-,
konventions- oder europarechtlicher Sicht erkennbar, wonach die Zweckgebundenheit im Wege der Auslegung als Nutzung „im Unterricht“ zu verstehen sei. Im Gegensatz zu Melichar bestehen nach der hier vertretenen Auffassung auch keine
513 So auch: Engels, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 47, Rn. 5; Lüft, in:
Wandtke/Bullinger, UrhR, § 47, Rn. 7; Neumann, Urheberrecht und Schulgebrauch, S. 81.
514 Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 47, Rn. 3.
515 Vgl. die Hinweise unter: www.lehrer-online.de.
516 Engels, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 47, Rn. 13.
517 Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, UrhR, § 47, Rn. 7; Melichar, in: Schricker, UrhR, § 47,
Rn. 18.
137
grundsätzlichen Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit der Wiedergabe innerhalb eines Lehrerkollegiums, wenn diese einem Fachbereich zuzuordnen sind, sich
gemeinsam auf den Unterricht vorbereiten wollen und möglicherweise noch urheberschützend beabsichtigen, dasselbe Vervielfältigungsexemplar im Unterricht zur
Nutzung zu bringen.518 Etwas anderes würde hingegen dann gelten, wenn die Vorführung unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr der Zweckgebundenheit des
Mitschnittes entsprechen würde. Bei jeder zweckfremden Verwendung der Bild- und
Tonträger ist zudem eine Urheberrechtsverletzung mit den Folgen der §§ 97 ff.
UrhG anzunehmen.
eee) Vergütungsfreiheit und Löschungsfrist
(?) Voraussetzungen
Die Vergütungsfreiheit ist an die Löschungsfrist des § 47 Abs. 2 S. 2 UrhG gebunden. Danach sind die jeweiligen Bild- oder Tonträger spätestens am Ende des auf
den Mitschnitt folgenden Schuljahres zu löschen, es sei denn dem Urheber wird eine
angemessene Vergütung gezahlt.519 Mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der in §
47 UrhG beinhalteten Vergütungsfreiheit hatte sich im Jahre 1971 das BVerfG auseinanderzusetzen. Es entschied am 07.07.1971, dass die eingeschränkte Vergütungsfreiheit nicht die Grundrechte der Urheber verletzt.520 In der Begründung seiner Entscheidung stellte das BVerfG klar, dass § 47 UrhG als technische Vorschrift zu verstehen sei. Der alleinige Zweck dieser Beschränkung des grundsätzlich dem Urheber
zustehenden ausschließlichen Vervielfältigungsrechts sei darin zu sehen, dass Schulfunksendungen mittels dieser im richtigen Augenblick denjenigen vorgeführt werden könnten, denen sie auch zu dienen bestimmt sind. Die Sendeanstalt der Schulfunksendung selbst darf nur mit Zustimmung und Vergütung des Urhebers dessen
Werke mit einbringen. Das BVerfG führte weiter aus, dass nicht alle angestrebten
Adressaten einer Schulfunksendung zur tatsächlichen Sendezeit auch entsprechenden Nutzen davon ziehen könnten, dem Urheber dies bekannt ist und infolgedessen
518 Melichar, in: Schricker, UrhR, § 47, Rn. 18.
519 Naturgemäß passt ein Schuljahr nur zu der Einrichtung Schule selbst. Die anderen privilegierten Einrichtungen, die keine der Schule vergleichbaren Unterbrechungen aufweisen, haben
sich an dem Schuljahr des jeweiligen Bundeslandes zu orientieren. Melichar hält dieses Verfahren zwar für praxisfremd und möchte anstelle des Schuljahres auf ein Kalenderjahr abstellen, weil Einrichtungen wie beispielsweise die Heime mit dem schulischen Ablauf nichts zu
tun hätten, in: Schricker, UrhR, § 47, Rn. 21. Die Löschungspflicht sollte im Rahmen der Jugendbildung jedoch weitestgehend einheitlich sein, um klare Grenzen zu stecken. Im Hinblick auf die Universitäten kann entsprechend auf ein Semester abgestellt werden, weil die
Semesterferien den großen Schulferien vergleichbare Unterbrechungen sind. Vgl. insoweit:
Engels, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 47, Rn. 15; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, § 47, Rn. 4.
520 BVerfG, Beschluss v. 07.07.1971 – 1 BvR 276/71, BVerfGE 30, S. 270 ff.
138
von dem Urheber eine Billigung der nachträglichen bestimmungsgemäßen Auswertung erwartet werden könne.
In zeitlicher Hinsicht erfuhr § 47 UrhG im Rahmen der Novellierung des Jahres
1985 eine Erweiterung bei der Löschungsfrist. Vor dieser Änderung war die
Löschungsfrist zum Ende des laufenden Schuljahres vorgeschrieben. Der Gesetzgeber dehnte die Löschungsfrist mit der Begründung aus, dass auch jene Schulfunksendungen, die erst gegen Ende eines Schuljahres aufgezeichnet werden, noch bestimmungsgemäß verwendet werden können sollen.521 Ein Streitpunkt tritt im Rahmen der Berechnung der gesetzlichen Löschungsfrist dann auf, wenn die betreffende
Schulfunksendung durch die Sendeanstalt wiederholt ausgestrahlt wird. Die
Löschungspflicht bei unentgeltlicher Nutzung tritt von Gesetzes wegen am Ende des
auf die Übertragung der Schulfunksendung folgenden Schuljahres ein. An dieser
Stelle wird nun teilweise verlautbart, dass bei jeder Übertragung die Frist neu zu laufen beginne.522 Dies erscheint hingegen bedenklich, weil sich die Frist der vergütungsfreien Nutzung unter diesen Umständen erheblich verlängern könnte. Schließlich überzeugt auch das von Dreyer angeführte Gegenargument nicht, dass bei der
hiesigen Berechnung der Löschungsfrist, Schulfunksendungen spätestens zwei Jahre
nach ihrer Erstsendung überhaupt nicht mehr für den Unterricht verwendet werden
dürften.523 Stellt die privilegierte Einrichtung von einer späteren Wiederholung der
Erstsendung einen Mitschnitt her, beginne die gesetzliche Löschungsfrist auch erst
ab diesem Zeitpunkt zu laufen. Wirke diese Vorgehensweise auch etwas umständlich, ist sie doch allein durch den Gesetzeswortlaut gedeckt. Entscheidendes Kriterium zur Berechnung der Löschungsfrist kann danach nur der Herstellungszeitpunkt
des spezifischen Mitschnittes sein.524 Auf etwaige nachträgliche Wiederholungen
der Schulfunksendung durch die Sendeanstalt kommt es für die Fristenberechnung
nicht an.
() Abwendung der Löschungspflicht
Wird dem Urheber keine angemessene Vergütung gezahlt, sind die hergestellten
Ton- und Bildträger innerhalb der gesetzlichen Löschungsfrist zu löschen, was das
Unbrauchbarmachen dieser hergestellten Vervielfältigungsstücke verlangt.525 Die
Löschungspflicht kann mithin durch die Zahlung einer angemessenen Vergütung an
521 Amtliche Begründung, BT-Drs. 10/837, S. 13; Schulze, Materialien zum UrhG, Bd. 1, S. 657,
670.
522 Bender, in: RdJB 1987, S. 185, 188, vgl. auch dazu: Dreyer, in: Dreyer/Meckel/Kotthoff,
UrhR, § 47, Rn. 15; Rossbach, Die Vergütungsansprüche, S. 238.
523 Vgl. Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, UrhR, § 47, Rn. 15.
524 Ebenso: Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 47, Rn. 9; Melichar, in: Schricker, UrhR, § 47,
Rn. 20.
525 Amtliche Begründung, BT-Drs. IV/270, S. 65; abgedruckt in: UFITA 45, (1965) S. 240, 281;
Schulze, Materialien zum UrhG, Bd. 1, S. 349, 479.
139
den Urheber abgewendet werden. In diesem Tatbestandsmerkmal ist zwischen Praxis und Theorie ein erhebliches Konfliktpotenzial zu verzeichnen. Die Frage der
Angemessenheit werden die Rechteinhaber und die privilegierten Einrichtungen in
vielen Fällen nicht einheitlich beantworten wollen und können. Wann eine Vergütung als angemessen anzusehen ist, kann insbesondere auch nicht durch pauschale
Vergütungssätze vorab geklärt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist
unter anderem die Dauer der geplanten Aufbewahrung der Bild- oder Tonträger von
bedeutender Relevanz. Aber auch die Häufigkeit der geplanten Verwertung wird
nicht außer Acht bleiben können.526 Hierdurch wird deutlich, dass die Angemessenheit der Vergütung von Prognosen abhängt, die jede Partei für sich günstig beurteilen wird. Langwierige Verhandlungsführungen sind aber aufseiten der privilegierten
Einrichtungen nicht durchsetzbar, da die Freigabe der Nutzung der Bild- und Tonträger über den vergütungsfreien Zeitraum hinaus von der tatsächlich erfolgten Zahlung einer angemessenen Vergütung an die Rechteinhaber abhängt. Erfolgt bei Ablauf der gesetzlich geregelten vergütungsfreien Zeit keine Zahlung einer angemessenen Vergütung, wird die darüber hinausgehende Nutzung unzulässig mit den Folgen
einer Urheberrechtsverletzung der §§ 97 ff. UrhG. Eine nachträgliche Zahlung einer
angemessenen Vergütung wird zwar regelmäßig den Schaden entfallen lassen können527, aber die strafrechtliche Relevanz gemäß § 106 UrhG würde dennoch bestehen bleiben. Wer Bild- oder Tonträger entgegen § 47 Abs. 2 S. 2 UrhG nicht rechtzeitig löscht, vervielfältigt durch Unterlassen.528
Das Risiko der Angemessenheit trägt nach Vorstehendem allein die privilegierte
Institution, die der Forderung des Urhebers oder des durch ihn ermächtigten Berechtigten scheinbar hilflos gegenüber steht, wenn sie die Schulfunksendung weiterhin
zum Einsatz bringen möchte. Melichar rät für die Praxis aus diesem Grunde an, sich
frühzeitig in die Verhandlungsführung zu begeben.529 Dass auch frühe und langwierige Verhandlungen nicht zwingend eine Einigung herbeiführen, ist nicht allein aus
dem Bereich des Urheberrechts bekannt. Wenn die einvernehmlichen Verhandlungen scheitern, liegen die Konditionen für eine weitere Nutzung der Schulfunksendung allein in den Händen der Rechteinhaber. Die privilegierte Einrichtung kann
sich danach durch die Zahlung einer ihr angemessen erscheinenden Geldsumme
nicht der Löschungspflicht entziehen. Dies widerspricht grundsätzlich dem Charakter einer gesetzlichen Lizenz, im Rahmen derer das Werk ohne Einwilligung des Berechtigten genutzt werden darf und diesem dafür kraft Gesetzes eine Vergütung gezahlt werden muss, den § 47 UrhG aufweist, wenngleich auch in untypischer Aus-
526 Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 47, Rn. 8; Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 47,
Rn.11.
527 Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 47, Rn. 8; vgl. auch: Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, §
68, III 3, S. 319.
528 Melichar, in: Schricker, UrhR, §106, Rn. 25.
529 Melichar, in: Schricker, UrhR, § 47, Rn. 5.
140
prägung.530. Die zwingende Einigung vor Ablauf der Löschungsfrist gesteht den
Rechteinhabern über einen Umweg ein Einwilligungsrecht zu, verhindern sie nur die
Einigung über eine angemessene Vergütung, so dass die Löschungspflicht als Konsequenz eintritt. Unter Umständen kann der Nutzungswille der privilegierten Institutionen über die vergütungsfreie Zeit hinaus erst nach einer Testphase (die der vergütungsfreien Nutzungsfrist entspricht) entstehen, in der sie prüfen, wie sich die betreffende Schulfunksendung in das Unterrichtsgeschehen einfügt, so dass ein „mehrfach
verwendbares Lernmittel“ für sie auch sinnvoll erscheint. Letztlich entspricht dieses
Vorgehen allein aber dem Gesetzeswortlaut. Für die vorstehend erörterten Probleme
bietet das Gesetz derzeit im Ergebnis keine befriedigende Lösung. Den privilegierten Einrichtungen ist in Streitfällen über die Höhe der Angemessenheit der zu zahlenden Vergütung daher anzuraten, den ihrer Auffassung die Angemessenheit übersteigenden Betrag unter Vorbehalt zu zahlen und anschließend ein gerichtliches Verfahren anzustrengen, um den Folgen des § 106 UrhG entgegenzuwirken.531
bb) Würdigung des § 47 UrhG anhand der Grundlagen und Vorgaben
aaa) Konventions- und europarechtliche Grundlage
Wie auch bereits das Schulbuchprivileg, stützt sich § 47 UrhG konventionsrechtlich
auf Art. 10 Abs. 2 RBÜ. Europarechtlich findet diese urheberrechtliche Beschränkung ihre Grundlage in Art. 5 Abs. 3 lit. a der Harmonisierungsrichtlinie und erfährt
dadurch gleichfalls ihren zulässigen Rahmen.
bbb) Verfassungsrechtliche Beurteilung
(?) Möglichkeit einer Privilegierungsausweitung auf jedwede Funksendungen
Aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kann die die Privilegierung nicht auf
alle Funksendungen ausgeweitet werden. Eine dementsprechende Ausweitung wäre
eine von den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht getragene Ungleichgewichtung
zum Nachteil der Rechteinhaber. Eine Erweiterung der Vorschrift mit dem Ziel, den
vergütungsfreien Mitschnitt jeglicher Arten von Funksendungen zu gestatten, wäre
keinesfalls von überwiegenden Interessen der Allgemeinheit gedeckt, die geeignet
530 Vgl. zur gesetzlichen Lizenz die Ausführungen im 1. Kapitel unter C) IV. 1. b) bb), S. 37 f.
Bei einer typischen Form der gesetzlichen Lizenz ist die zulässige und vergütungspflichtige
Nutzungshandlung klar im Gesetz umschrieben. § 47 UrhG rückt in seiner Ausgestaltung nahe an die Zwangslizenz heran. Vgl. auch: Melichar, in: Schricker, UrhR, § 47, Rn. 22; Neumann, Urheberrecht und Schulgebrauch, S. 83.
531 Vgl. auch: Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, Rn. 8; Engels, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg,
UrhG, § 47, Rn. 18.
141
erscheinen, die Rechte aus dem geistigen Eigentum verfassungskonform zu beschränken. Auch das BVerfG stellte in der Begründung seiner Entscheidung vom
07.07.1971, der die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 47 UrhG in seiner damaligen Fassung zugrunde lag, darauf ab, dass die Verfassungsmäßigkeit dieser
Norm gerade in der Eigentümlichkeit der Schulfunksendungen zu sehen ist.532 Den
Lehrenden soll die Möglichkeit belassen werden, entsprechend des individuellen
Lehrplanes die Schulfunksendungen zu verwenden und nicht von der Sendezeit abhängig zu sein. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass auch das BVerfG eine über die Berechtigung zur Aufnahme von Schulfunksendungen hinausgehende
umfassende Berechtigung von Mitschnitten aller Sendungen für Schulzwecke als
nicht verfassungskonform beurteilen würde.533
() Verfassungsrechtliche Problematik der Privilegierung der Landesbildstellen
Die Privilegierung dieser Einrichtungen wird in der Literatur erheblich kritisiert. Es
werden zum einen die verfassungsrechtlichen Grenzen als überschritten angesehen.534 Dies wird unter anderem damit begründet, dass die vom BVerfG in seiner
Entscheidung im Jahre 1971535 angeführten Gründe für die Verfassungsmäßigkeit
der Vorschrift seit der Aufnahme der staatlichen Landesbildstellen nicht mehr gegeben seien. Das BVerfG stellte hinsichtlich der Rechtfertigung der Vergütungsfreiheit
darauf ab, dass ein mehrfach verwendbares Lernmittel nach der Gesetzesfassung
zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht zulässigerweise erschaffen werden kann.536
An diese Formulierung knüpfen die Kritiker nun an, da die Landesbildstellen die
Mitschnitte nicht auf konkrete Bestellung anfertigen, sondern auf eigene Initiative
die Sendungen mitschneiden und ihr vergütungsfrei gewonnenes Programm den
Schulen auf Nachfrage zur Verfügung stellen.537 Zum anderen werden systemwidrige Bedenken verlautbart.538 Vor der Privilegierung der Landesbildstellen waren ausschließlich Institutionen privilegiert, die die Mitschnitte für eigene Unterrichtszwecke verwendeten. Die Landesbildstellen nehmen die Schulfunksendungen dagegen nur für Dritte auf.
532 BVerfG, Beschluss v. 07.07.1971 – 1 BvR 276/71, BVerfGE 30, S. 271 ff. Vgl. dazu auch
Kretschmar (Mitteilung Göhners), in: GRUR 1992, S. 493; vgl. auch: Rossbach, Die Vergütungsansprüche im deutschen Urheberrecht, S. 238.
533 Vgl. auch die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs v. 22.12.1983, BT-Drs. 10/837,
S. 13 f.; abgedruckt in: Schulze, Materialien zum UrhG, Bd. 1, S. 657, 670.
534 Vgl. Melichar, in: Schricker, UrhR, § 47, Rn. 5; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, §
47, Rn. 2; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 85, dort Fn. 22.
535 BVerfG, Beschluss v. 07.07.1971 – 1 BvR 276/71, BVerfGE 30, S. 271 ff.
536 BVerfG, Beschluss v. 07.07.1971 – 1 BvR 276/71, BVerfGE 30, S. 271, 274.
537 Melichar, der insbesondere kritisierend darauf aufmerksam macht, dass die Schulen den Landesbildstellen teilweise sogar ein Entgelt für die Nutzung entrichten, in: Schricker, UrhR, §
47, Rn. 5.
538 Melichar, in: Schricker, UrhR, § 47, Rn. 14; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, § 47,
Rn. 2.
142
Die in der Literatur vorgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken wegen der
Privilegierung der staatlichen Landesbildstellen sowie der vergleichbaren Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft müssen diesseits bestätigt werden. In den Ausführungen des Rechtsausschusses zur Einbeziehung auch dieser Einrichtungen in
den Kreis der privilegierten Institutionen heißt es wörtlich:
„Da Schulen aus technischen und organisatorischen Gründen zur Aufnahme von Schulfunksendungen in der Regel auf die Unterstützung der staatlichen Landesbildstellen angewiesen
sind, weil nur wenige Schulen über die besonderen Anlagen verfügen, mit denen für Unterrichtszwecke geeignete Aufzeichnungen hergestellt werden können, ist es sachlich gerechtfertigt und geboten, auch Landesbildstellen zu gestatten (...).“539
Danach drängt sich die Frage auf, ob bei der heutigen modernen technischen Ausstattung der Schulen, diese Begründung noch tragend sein kann. Im Ergebnis muss
dies negiert werden. Die technische Ausstattung der Schulen heute, wobei neben der
Weiterentwicklung der Technik auch die günstigeren Anschaffungspreise für derartige technische Geräte diesbezüglich Grund sein dürften, kann die im Jahre 1985
vorgebrachte Argumentation zur Aufnahme der Landesbildstellen in den Kreis der
Privilegierten nicht mehr decken. Das organisatorische Argument ist aber nach wie
vor nicht von der Hand zu weisen. Die staatlichen Landesbildstellen sollen die Schulen und vergleichbaren Einrichtungen in ihrem Erziehungs- und Bildungsauftrag unterstützen. Sie werden als Mittler für die Bildungseinrichtungen tätig, so dass ihr
Handeln grundsätzlich gleichfalls dem überwiegenden Bedürfnis einer umfassenden
Jugendbildung zu dienen bestimmt ist. Dieses überwiegende Bedürfnis muss jedoch
auch die von der Erlaubnis- und Vergütungspflichtigkeit freigestellte Verwertungshandlung als Ergebnis des Abwägungsvorganges der widerstreitenden Interessen
verlangen. Da die staatlichen Landesbildstellen hingegen eine erhöhte planbare Organisationsstruktur als die Bildungseinrichtungen selbst aufweisen, ist nicht zu
rechtfertigen, dass diese nicht auch die entsprechende Lizenz zur Vervielfältigung
der Schulfunksendung und noch entscheidender – zur Aufbewahrung für die Schulen – bei den Berechtigten einholen können sollen. Die einwilligungs- und vergütungsfreie Vervielfältigung und Bereitstellung dieser Vervielfältigungsstücke für die
einzelnen Schulen kommt einem Handel mit urheberrechtlich geschütztem Material
gleich. Zudem ist es in der Praxis tatsächlich so, dass den Bildungseinrichtungen
teilweise die Vervielfältigungsstücke gegen Zahlung eines Entgeltes zur Nutzung
zur Verfügung gestellt werden.540 Die Rechte der Urheber sowie die der derivativen
Rechtsinhaber werden durch die gesetzliche Möglichkeit der Schaffung eines „befristeten kostenlosen Programmarchivs“ durch die staatlichen Landesbildstellen unter Überschreitung der durch die Verfassung vorgeschriebenen Grenzen beschränkt.
In seiner geltenden Fassung genügt diese Privilegierung daher nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
539 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 10/3360, S. 17, 18; abgedruckt in:
UFITA 102, (1986) S. 169, 174;
540 Vgl. die Ausführungen von: Melichar, in: Schricker, UrhR, § 47, Rn. 5.
143
() Verfassungsrechtliche Problematik der Vergütungsfreiheit
Die der Vergütungsfreiheit vom BVerfG im Jahre 1971 bescheinigte Verfassungsmäßigkeit unter Hinweis darauf, dass die zeitliche Einordnung solcher Sendungen in
den Unterrichtsplan möglich sein sollte und dies dem Urheber bei Einräumung seiner Lizenzen gegenüber der betreffenden Sendeanstalt auch bekannt ist, weswegen
ihm diese Beschränkung seines Ausschließlichkeitsrechts zumutbar sei, vermag infolge der Vergleichbarkeit des Eingriffs der sofortigen mit der nachträglichen Verwertung zutreffend sein. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Urheber sein Einverständnis zur Verwendung seines Werkes innerhalb einer Schulfunksendung erteilte und mit der Verwertung durch den entsprechenden Adressatenkreis solcher
Sendungen rechnete bzw. rechnen musste. Problematisch erscheint im Rahmen der
Würdigung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten die Vergütungsfreiheit der
Vervielfältigung von Schulfunksendungen aber jedenfalls dann, wenn das Gesetz
den entsprechenden Einrichtungen die Möglichkeit eröffnet, sei diese auch durch die
Löschungsfrist nach § 47 Abs. 2 S. 2 UrhG befristet, Archive von mehrfach verwendbaren Lernmittel anlegen zu können. In diesen Fällen sind auch die vom
BVerfG gezogenen engen Grenzen der Vergütungsfreiheit scheinbar überschritten.
Diese zeitliche Erweiterung sehen Kritiker der Vorschrift als einen nicht mehr von
der Verfassung gedeckten Eingriff in die Rechte der Urheber an.541 Die privilegierten Einrichtungen würden nunmehr tatsächlich „mehrfach verwendbare Lernmittel“
innehaben, wobei sich bereits das BVerfG in seiner Entscheidung aus dem Jahre
1971 in solchen Fällen für eine Vergütung ausgesprochen hätte. Wie aber auch Engels zutreffend ausführt, verbleibt dem Urheber angesichts dieser für ihn im Vergleich zu der Rechtslage im Zeitpunkt der vorgenannten Entscheidung des BVerfG
nachteiligeren Modifizierung hinsichtlich der Löschungsfrist die Möglichkeit, im
Rahmen der Übertragung der Senderechte von Schulfunksendungen eine ihm dafür
angemessen erscheinende Vergütung zu verlangen.542 Im Ergebnis werden Urheber
mit dieser erweiternden Modifizierung der Löschungsfrist nicht in der Härte beeinträchtigt, wie von den Kritikern vorgeworfen wird. Von entscheidender Bedeutung
scheint vielmehr die praktische Handhabe bzw. Praktikabilität dieser urheberrechtlichen Schranke. Der Überprüfbarkeit der Löschungsfrist scheint der Gesetzgeber dabei wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu haben.543
Nach den vorstehenden Ausführungen bleibt zu klären, wie eine den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügende Regelung und gleichzeitig praktikable Regelung zu
gestalten wäre. Denkbar erscheint in diesem Zusammenhang eine Schranke, nach
derer die Schulen, Einrichtungen der Lehrerbildung und -fortbildung sowie die
Heime der Jugendhilfe berechtigt sind, für die Verwendung im Unterricht Werke,
541 Zum Folgenden: Melichar, in: Schricker, UrhR, § 47, Rn. 5; Neumann, Urheberrecht und
Schulgebrauch, S. 82.
542 Engels, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 47, Rn. 4.
543 Vgl. bereits die Ausführungen von: Neumann, Urheberrecht und Schulgebrauch, S. 246 ff.
144
die innerhalb einer Schulfunksendung gesendet werden, durch Übertragung der
Werke auf einen Bild- oder Tonträger herzustellen und entsprechend der vom
BVerfG hergeleiteten Zumutbarkeit für die Urheber und Rechteinhaber, resultierend
aus der meist nicht in den Lehrplan passenden Sendezeit dieser Schulfunksendungen, die Erlaubnis derart eingeschränkt würde, dass die konkrete (gebotene) Verwendung zum Zeitpunkt der Herstellung des Vervielfältigungsstücks bereits feststehen muss. Jedenfalls ist keine vergütungsfreie Herstellung von Vervielfältigungsstücken auf Vorrat unter Berücksichtigung des Bildungsbedürfnisses gerechtfertigt.
Um den organisatorischen Bedenken entgegenzuwirken und einen begrenzten Vorrat
zu ermöglichen, könnte darüber hinaus geregelt sein, dass die staatlichen Landesbildstellen bzw. die ihnen ähnlichen Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft als
Mittler für die privilegierten Einrichtungen berechtigt sind, ein (zeitlich begrenztes)
Programmarchiv der Schulfunksendungen auf Abruf für die Schulen und anderen
privilegierten Einrichtungen anzufertigen bzw. bereitzuhalten, wofür dann aber
grundsätzlich eine angemessene Vergütung zu zahlen ist. Dem schützenswerten Allgemeininteresse an einer umfassenden Jugendbildung und -erziehung ist damit Genüge getan, dass der Zugang zu den Schulfunksendungen im Rahmen des individuellen Lehrplanes ausreichend gesichert ist. Ein, unter Umständen an die aktuelle
Fassung des Gesetzes angelehntes, zeitlich befristetes Programmarchiv wäre dann
jedenfalls vergütungspflichtig, wobei die Einhaltung der Voraussetzungen innerhalb
jener zentralen Einrichtungen für die Rechtsinhaber auch besser überprüfbar erscheint.
c) Die Vervielfältigung allgemeiner audiovisueller Medien
Die Lehrkräfte werden oftmals ein großes Interesse daran haben, auch andere für
den Unterricht geeignete audiovisuelle Medien als spezielle Schulfunksendungen in
ihren Lehrplan einzubeziehen. Mangels einer speziell auf Bildungseinrichtungen zugeschnittenen urheberrechtlichen Schranke diesbezüglich gilt der Grundsatz, dass
derartige Nutzungen erlaubnis- und vergütungspflichtig sind. Dieser Grundsatz führt
im Ergebnis aber nicht zu einer ausnahmslosen Lizenzpflicht. Zugunsten des allgemeinen Bedürfnisses nach der Auseinandersetzung mit aktuellen Geschehnissen sind
im UrhG in den §§ 48 ff. UrhG urheberrechtliche Schranken vorgesehen, die zwar
keinen spezifischen Bildungsbezug aufweisen, aber auch hierzu dienen können. Im
Folgenden soll auf die in diesem Zusammenhang relevanten urheberrechtlichen
Schranken kurz eingegangen werden.544
544 Die nachfolgend anzusprechenden urheberrechtlichen Schranken der §§ 48, 49 Abs. 2 UrhG
greifen nicht allein für die Vervielfältigung audiovisueller Medien. Sie werden infolge der geführten Diskussion der Erweiterung des Anwendungsbereiches der Schranke des § 47 UrhG
jedoch an dieser Stelle in die Untersuchung eingestellt.
145
aa) Öffentliche Reden
Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Nr. 1 UrhG gestattet neben der Verbreitung und der
öffentlichen Wiedergabe auch die Vervielfältigung von Reden über Tagesfragen, die
im Wesentlichen den Tagesinteressen Rechnung tragen, sofern die Reden bei öffentlichen Versammlungen gehalten oder durch öffentliche Wiedergabe im Sinne der §
19 a sowie § 20 UrhG veröffentlicht worden sind. Diese Beschränkung der urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechte findet ihre konventionsrechtliche Grundlage in
Art. 2bis RBÜ. Danach ist den Verbandsländern eine Regelungsmöglichkeit vorbehalten, unter welchen Voraussetzungen Vorträge, Ansprachen und andere in der Öffentlichkeit dargebotene Werke gleicher Art durch die Presse vervielfältigt werden
dürfen, wenn eine solche Benutzung durch den Informationszweck gerechtfertigt ist.
Eine parallele Beschränkungsmöglichkeit findet sich in der Harmonisierungsrichtlinie in Art. 5 Abs. 3 lit. f mit der Erweiterung, dass die noch in der RBÜ enthaltene
Beschränkung der Erlaubnis auf die Vervielfältigung durch die Presse nicht mehr
aufgenommen ist. Insofern können auch Lehrende die Werke vervielfältigen und im
Rahmen ihres Bildungsauftrages zur Anwendung bringen.
Tagesfragen sind dabei aktuelle Ereignisse, die in zeitlicher Hinsicht kurz vor der
betreffenden Rede stattgefunden haben.545 Die Aktualität des Ereignisses ist dabei
der wesentliche Punkt. So fallen Reden dann nicht mehr unter die Privilegierung,
wenn sie nicht tagesgebundene Themen wie wissenschaftliche oder literarische beinhalten, selbst wenn sie anlässlich eines Tagesereignisses gehalten werden.546 Das
Thema der öffentlichen Rede ist aber unerheblich. So werden von der Privilegierung
Reden sowohl politischer, wirtschaftlicher, kultureller als auch sonstiger öffentlicher
Thematik umfasst.547 Das Informationsbedürfnis ist im Rahmen sogenannter Tagesfragen von derart hoher Bedeutung, dass der Gesetzgeber eine urheberrechtliche
Schranke nicht nur zugunsten ausgewählter Gruppen der Allgemeinheit zubilligte,
sondern der Allgemeinheit als Ganzes. Die Förderung der geistigen Auseinandersetzung erscheint im Zusammenhang mit aktuellen Geschehnissen der Gesellschaft in
besonderem Maße schützenswert. Diese Beschränkung der urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechte kann als gerechter Ausgleich zwischen den widerstreitenden
Interessen angesehen werden. Insbesondere erfährt das Urheberpersönlichkeitsrecht
durch das grundsätzliche Änderungsverbot sowie durch die Pflicht zur Quellenangabe ausreichende Beachtung.
545 Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 48, Rn. 2.
546 Amtliche Begründung, BT-Drs. IV/270, S. 65; abgedruckt in: UFITA 45 (1965) S. 240, 281;
Schulze, Materialien zum UrhG, Bd. 1, S. 349, 480.
547 Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 48, Rn. 2.
146
bb) Vermischte Nachrichten tatsächlichen Inhalts und Tagesneuigkeiten
aaa) Regelungsgehalt und Grundlagen
Die Vorschrift des § 49 Abs. 2 UrhG erlaubt die vergütungsfreie Vervielfältigung
von vermischten Nachrichten tatsächlichen Inhalts und von Tagesneuigkeiten, die
durch Presse oder Funk veröffentlicht worden sind. Vermischte Nachrichten sind
dabei „nackte“ Tatsachenberichte, die keine Meinungsäußerung, Kommentierungen
oder Ergänzungen enthalten dürfen.548 Tagesneuigkeiten sind dagegen Mitteilungen
über die tatsächlichen Vorkommnisse der jüngsten Vergangenheit. Im Ergebnis unterscheiden sich Tagesneuigkeiten und Tatsachennachrichten inhaltlich nicht voneinander.549 Bildberichte werden nach allgemeiner Meinung nicht von der Beschränkung umfasst.550
Dieser urheberrechtlichen Beschränkung sollte im Ergebnis nicht allzu viel Bedeutung zugemessen werden, da die Nachrichten tatsächlichen Inhalts bzw. die Tagesneuigkeiten zumeist mangels einer schöpferischen Leistung im Sinne des § 2
UrhG ohnehin keine urheberrechtsgeschützten Werke sind.551 Ist der Werkcharakter
jedoch durch eine besondere Zusammenstellung, Auswahl bzw. Formgebung erreicht, greift zum Schutz des Informationsbedürfnisses der Allgemeinheit die Vorschrift des § 49 Abs. 2 UrhG ein und lässt eine Vervielfältigung innerhalb ihres Anwendungsbereiches uneingeschränkt zu.552 Die Intention des Gesetzgebers im Jahre
1965 war dabei, der Notwendigkeit einer Einzelprüfung, ob die betreffenden Nachricht in urheberrechtlich geschützter Form wiedergegeben ist oder als gemeinfrei
anzusehen ist, entgegenzutreten.553 Trotz dieses expliziten Bestrebens des Gesetzge-
548 Engels, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 49, Rn. 27; Lüft, in: Wandtke/Bullinger,
UrhR, § 49, Rn. 19.
549 Melichar, in: Schricker, UrhR, § 49, Rn. 26; vgl. auch Eidenmüller, in: CR 1992, S. 321, 322;
Engels, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 49, Rn. 28; Samson, UrhR, S. 165, der in diesem Zusammenhang von einer „Tautologie“ spricht. Vgl. auch Wild, in: AfP 1989, S. 701,
702 mit Hinweis auf den diesbezüglich teilweise angedeuteten Unterscheidungsansatz in
„hard news“ und „soft news“.
550 Melichar, in: Schricker, UrhR, § 49, Rn. 26; Neumann, Urheberrecht und Schulgebrauch, S.
86; Ulmer, Urheber- und VerlagsR; § 71 II, S. 326.
551 Engels, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 49, Rn. 25; Lüft, in: Wandtke/Bullinger,
UrhR, § 49, Rn. 18; Neumann, Urheberrecht und Schulgebrauch, S. 86; Ulmer, Urheber- und
VerlagsR, § 71 II; vgl. insbesondere Poeppel, der sich für ein Streichen dieser Schranke mit
folgender Begründung ausspricht: „Die Schranke ist obsolet, da die Informations- und Medienfreiheiten im Rahmen der Beurteilung der Werkeigenschaften nach § 2 Abs. 2 UrhG sowie im Rahmen der Abgrenzung zwischen Beareitungen und freien Benutzungen i.s.v. §§ 23,
24 UrhG berücksichtigt werden können, sobald Sprachwerke einen realen Inhalt haben.“ Die
Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken, S. 236.
552 Vgl. die Ausführungen des OLG Hamburg, Urteil v. 15.12.1977 – 3 U 97/77, in: GRUR
1978, S. 307, 308 – Artikelübernahme.
553 Amtliche Begründung, BT-Drs. IV/270, S. 66; abgedruckt in: UFITA 45 (1965), S. 240, 282;
Schulze, Materialien zum UrhG, Bd.1, S. 349, 482.
147
bers wird teilweise in der Literatur vorgebracht, dass die internationalen Vorgaben
der RBÜ, dort Art. 2 Abs. 8, die Erstreckung des Anwendungsbereiches dieser Beschränkung auf vermischte Nachrichten sowie Tagesneuigkeiten mit Werkcharakter
nicht decken würden und daher eine konventionskonforme Auslegung der Beschränkung dazu führen muss, dass § 49 Abs. 2 UrhG allein deklaratorischen Charakter aufweise.554 Der Anwendungsbereich würde andernfalls im Widerspruch zur
RBÜ stehen.
Nach Art. 2 Abs. 8 RBÜ besteht der Schutz der Übereinkunft nicht für Tagesneuigkeiten oder vermischte Nachrichten, die einfache Zeitungsmitteilungen darstellen.555 Mit dieser Vorschrift sollte klargestellt werden, dass einfache Informationen
über Tagesneuigkeiten und gemischte Nachrichten nicht den Schutz der Übereinkunft genießen.556 Wird umgekehrt aber die gestalterische Höhe eines Werkes erreicht, genießen auch Nachrichten den Schutz der Übereinkunft. Daraus den Schluss
zu ziehen, dass die Beschränkung des § 49 Abs. 2 UrhG gegen die Vorgaben der
RBÜ verstoße, wenn mittels dieser die Nachrichten mit Werkcharakter eine urheberrechtliche Beschränkung erfahren, kann nicht überzeugen. Die Konventionsnorm
des Art. 2 Abs. 8 RBÜ hat lediglich klarstellende Funktion. Dass Nachrichten die
Schöpfungshöhe eines geschützten Werkes erreichen können, wird an dieser Stelle
keinesfalls in Zweifel gezogen.557 Die wesentliche Frage in diesem Kontext ist jedoch, ob eine urheberrechtliche Beschränkung infolge des Informationsbedürfnisses
der Allgemeinheit vorzunehmen ist. Aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten
wäre es nach der hier vertretenen Ansicht nicht zu rechtfertigen, wenn Tagesneuigkeiten bzw. vermischte Nachrichten, die in Form eines urheberrechtgeschützten
Werkes veröffentlicht werden, nur nach vorherigem Lizenzerwerb einer Auswertung
zugänglich wären. Im Hinblick auf die Notwendigkeit schneller Nachrichtenverbreitung und -auswertung kann nicht von den potentiellen Nutzern verlangt werden, vor
einer individuellen Nutzung zu prüfen, inwieweit die betreffende Nachrichtenwiedergabe die Schöpfungshöhe eines Werkes erreicht. Vor diesem Hintergrund wird
insbesondere auch der schwere Eingriff in den Kernbereich des Urheberrechts, die
finanzielle Teilhabe an der Verwertung des Werkes, zu rechtfertigen sein. Der Ge-
554 Engels, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 49, Rn. 25; Fröhlich, Zentrale Institutionen,
S. 178; Götting, in: Loewenheim, Hdb. des UrhR, § 31, Rn. 103 ff; Wild, in: AfP 1989, 701,
703; vgl. auch Oekonomidis, Die Zitierfreiheit, S. 115; Prantl, Die journalistische Information, S. 23 ff.
555 Art. 2 Abs. 8 ist im Zuge der Stockholmer Revision der Berner Übereinkunft wortgetreu aus
Art. 9 Abs. 3 der vorhergehenden Fassung der RBÜ lediglich „örtlich versetzt“ worden.
556 Dittrich, Die Stockholmer Fassung der Berner Übereinkunft, S. 55 f.; Masouyé, Berner Übereinkunft, Art. 2 Abs. 8, Anm. 2.26.
557 Vgl. auch Dietz, Das Urheberrecht in der europäischen Gemeinschaft, Rn. 389; Melichar, in:
Schricker, UrhR, § 49, Rn. 30; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, § 49, Rn. 7.
148
danke, der hinter der Vorschrift des § 49 Abs. 2 UrhG steht, ist daher als einer der
nach der RBÜ zulässigen „petites réserves“ anzusehen.558
bbb) Änderungsbedarf
Mit Poeppel ist anzunehmen, dass der Anwendungsbereich der Schrankenregelung
auf Nachrichten, die mittels digitaler Datenübertragung zugänglich gemacht werden,
erweitert werden sollte.559 Für eine Beschränkung auf Nachrichten, „die durch Presse oder Funk veröffentlicht worden sind“, besteht kein nachvollziehbarer Grund.
Darüber hinaus ist darin eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zwischen Urhebern digitaler Werke sowie denen, deren Werke
durch Presse oder Funk veröffentlicht worden sind, zu sehen.
Problematisch erscheint, dass eine Quellenangabepflicht nach § 63 UrhG nicht
auch für § 49 Abs. 2 UrhG aufgenommen wurde. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist dies nicht mehr durch die schutzwürdigen Interessen der
Allgemeinheit gedeckt. Insoweit sollte die Pflicht zur Quellenangabe nach § 63
UrhG auch für § 49 Abs. 2 UrhG ausgedehnt werden. Es wäre somit klargestellt,
dass die Nachrichtenverbreitung mittels schöpferischer Leistung nicht als gemeinfrei
anzusehen ist. Sollte keine schöpferische Höhe erreicht worden sein, ist eine Quellenangabe dennoch zumutbar. Der Annahme eines Widerspruchs zur Konvention,
die den urheberrechtlichen Schutz für entsprechende journalistische Werke explizit
verlangt, könnte insofern entgegengetreten werden.
3. Vervielfältigung zum Unterrichts- und Prüfungsgebrauch nach § 53 Abs. 3
UrhG
a) Überblick über die Historie und Hintergrundgedanken
Die Vorschrift erweitert den Anwendungsbereich der Vervielfältigungsfreiheit zugunsten des sonstigen eigenen Gebrauchs nach § 53 Abs. 2 UrhG, zu welchem auch
der Gebrauch zu beruflichen und erwerbswirtschaftlichen Zwecken zählt, wonach in
den dort bezeichneten Fällen nur einzelne Vervielfältigungsstücke hergestellt werden dürfen, dahingehend, dass für den Unterrichts- und Prüfungsgebrauch Vervielfältigungen von kleinen Teilen eines Werkes, von Werken von geringem Umfang
und von Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträgen in der erforderlichen Zahl zulässig
sind.
558 So auch Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 49, Rn. 3; Melichar, in: Schricker, UrhR, § 49,
Rn. 30.
559 Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken, S. 235.
149
Das UrhG 1965 hatte eine vergleichbare Schrankenregelung noch nicht vorgesehen. Lediglich zugunsten der Vervielfältigung zum persönlichen und sonstigen
eigenen Gebrauch waren urhebeberrechtliche Schranken geregelt. Erst im Zuge der
Novellierung von 1985 hat der Reformgesetzgeber das sog. „Kopierprivileg“ für
den Unterrichts- bzw. Prüfungsgebrauch in das Gesetz eingestellt. Unter anderem
hatte der Reformgesetzgeber das Ziel vor Augen, den Bedürfnissen des Unterrichtsund Prüfungsgebrauchs damit gerecht zu werden, dass in diesen Fallgruppen keine
Zulässigkeitsbeschränkung auf nur einzelne Vervielfältigungsstücke festgeschrieben
wird, sondern die jeweils erforderliche Anzahl erlaubnisfrei gestellt wird.560 Am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens beabsichtigte der Reformgesetzgeber nur den
Gebrauch im reinen Schulunterricht zu privilegieren. Zur Begründung führte der
Gesetzgeber dabei wörtlich aus:
„Insbesondere im Bereich der Hochschulen wäre eine Ausuferung angesichts der großen Zahl
der an den Lehrveranstaltungen teilnehmenden Studenten zu befürchten. Andererseits besteht
nur im Schulbereich ein berechtigtes Interesse daran, dass die Vervielfältigungsstücke von
dem Unterrichtenden zur Verfügung gestellt werden. Denn den Schülern fehlt in der Regel die
Möglichkeit, die für den Unterricht erforderlichen Kopien selbst herzustellen. Dagegen kann
es dort, wo Erwachsene unterrichtet werden, diesen überlassen werden, das notwendige Unterrichtsmaterial zu beschaffen.“561
Der Bundesrat kritisierte in seiner Stellungnahme die vorstehende Argumentation
dahingehend, dass die Zulässigkeit der Vervielfältigungen allein für den Schulunterricht nicht ausreichend wäre, um dem Bildungsinteresse Rechnung zu tragen.562 Der
Bundesrat plädierte dabei für die Aufnahme aller anderen Einrichtungen der Ausund Fortbildung an denen Unterricht erteilt wird, wie Hochschulen, Volkshochschulen, Heimvolkshochschulen, überbetriebliche Ausbildungsstätten, Aus- und Fortbildungsstätten der Wirtschaft, der Verbände, der Gewerkschaften und der öffentlichen
Hand. Auf diese Stellungnahme des Bundesrates hin erweiterte der Reformgesetzgeber den Anwendungsbereich zwar, sah jedoch von einer generellen Erweiterung
u.a. für Hochschulen aus den vorstehend bereits dargetanen Gründen ab.563 Er sah in
560 Amtliche Begründung, BT-Drs. 10/837, S. 16, 28 ff.; abgedruckt in: Schulze, Materialien
zum UrhG, Bd. 1, S. 657, 676. Nach den §§ 53, 54 UrhG 1965 war nur die Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke erlaubt. Die Anfertigung von Kopien in Klassenstärke war
damit von der Privilegierung ausgeschlossen. Die Anwendungspraxis überging indes viele
Jahre diesen Ausschluss und kopierte über die zulässigen Grenzen hinaus. Im Jahre 1978 war
schließlich ein Runderlass des zuständigen Senators von Bremen, der das Kopieren in Klassenstärke empfahl, Streitgegenstand eines Rechtsstreits vor dem BGH. Der BGH entschied
daraufhin in seinem Grundsatzurteil vom 14.04.1978 – I ZR 111/76, in: GRUR 1978, S. 474
ff. – Vervielfältigungsstücke, dass auch im Schulbereich die erlaubte vergütungsfreie Vervielfältigung nicht über einzelne Vervielfältigungsstücke (ca. 7 Exemplare) hinausgehen darf.
561 Amtliche Begründung, BT-Drs. 10/837, S. 16; abgedruckt in: Schulze, Materialien zum
UrhG, Bd. 1, S. 657, 677.
562 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 10/ 837, S. 26, 29, abgedruckt in: Schulze, Materialien zum UrhG, Bd. 1, S. 691, 698.
563 Zum Folgenden: vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 10/837, S. 36, 37,
abgedruckt in: Schulze, Materialien zum UrhG, Bd. 1, S. 708, 712; BT-Drs. 10/3360, S. 6 und
S. 19.
150
einer entsprechenden Privilegierung der Hochschulen ein zu starkes Zurückdrängen
der Rechte der Urheber. Es folgte letztlich eine Erweiterung dahingehend, dass auch
nichtgewerbliche Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie Einrichtungen
der Berufsbildung Einzug in die Privilegierung fanden.
Mit der Umsetzung der Harmonisierungsrichtlinie im Jahre 2003 passte der Gesetzgeber nach eigenen Angaben die Beschränkung der geänderten Veröffentlichungspraxis an, indem er fortan nicht nur erschienene Werke, sondern auch Online-Veröffentlichungen unter die Privilegierung fasste.564 Es sollte damit auch die
Nutzung von Material ermöglicht werden, dass ausschließlich in den Formen öffentlicher Zugänglichmachung verbreitet wird. Im Übrigen wurde der Anwendungsbereich von Druckwerken auf alle Werkarten erweitert.
Mit dem Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft änderte der Reformgesetzgeber nach eigenen Angaben den Wortlaut lediglich klarstellend dahingehend, dass er die Wortgruppen „im Schulunterricht“ durch
„zur Veranschaulichung des Unterrichts in Schulen“ sowie „eine Schulklasse“
durch „die Unterrichtsteilnehmer“ ersetzte. Ausweislich der Regierungsbegründung
soll mit dieser Umformulierung allein der Sprachgebrauch den anderen spezifischen
Schranken für Unterrichtszwecke angepasst werden, namentlich § 52 a UrhG und §
87 c UrhG.565 Zudem fand eine Bereichsausnahme wie bei 52 a Abs. 2 S. 1 UrhG
sowie § 46 Abs. 1 UrhG auch in § 53 Abs. 3 UrhG Einzug, nach der die Vervielfältigung eines Werkes, das für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmt ist, stets
nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig ist.566
Dieses sog. „Kopierprivileg“ ist den Bedürfnissen der Jugendbildung zu dienen
bestimmt. Es soll innerhalb seines Anwendungsbereiches die Versorgung mit Unterrichts- und Prüfungsmaterial gewährleisten. Insofern darf es keinesfalls als Freischein für einen Sparplan auf Kosten der Rechteinhaber missverstanden werden.
Das Kopierprivileg soll allein zeitgemäßen, Aktualitätsbezug aufweisenden Unterricht garantieren, ihm kommt aber keine „Erwerbsersatzfunktion“, sondern ausschließlich eine „Erwerbsergänzungsfunktion“ zu.567
564 Amtliche Begründung, BT-Drs. 15/38, S. 21.
565 Amtliche Begründung, BT-Drs. 16/1828, S. 27.
566 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/5939, S. 12, 79 f.
567 Berger, in: ZUM 2006, S. 844, 846.
151
b) Regelungsgehalt
aa) Allgemeines
Die Vorschrift gestattet zum Unterrichts- und Prüfungsgebrauch die Vervielfältigung von kleinen Werkteilen oder ganzen Werken geringen Umfangs sowie einzelner Beiträge, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen oder öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Die Vervielfältigungsfreiheit des § 53 Abs. 3 UrhG besteht dabei jeweils abschließend nur für die in Nr. 1 sowie Nr. 2 aufgezählten privilegierten Institutionen.
aaa) Reichweite der Verwertungshandlung
(?) Werkartneutrale Verwertung
Die Erlaubnisfreiheit der Vervielfältigung gilt ausweislich des Gesetzeswortlautes
für alle Werkarten des § 2 Abs. 1 UrhG.568 Insbesondere sind neben Druckwerken
seit der Novellierung im Jahre 2003 nunmehr auch Werke auf Bild- und Tonträgern
in die Privilegierung aufgenommen. Dieses Erweiterungsbedürfnis wurde bereits bei
Geltung der alten Rechtslage erkannt und insofern verlautbart, dass diese Privilegierung für alle Sprachwerke und Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer
Art Geltung finden sollte, ohne Rücksicht auf den Träger des Werkes.569 Die Medienträger urheberrechtlich geschützter Werke entwickeln sich rasant weiter. Werke,
die noch in der jüngeren Vergangenheit ausschließlich als Printmedium veröffentlicht wurden, erscheinen heute zumeist auch als Offline-Datenbankprodukt oder in
einer Online-Datenbankversion.570 Diese gesetzliche Lizenz erlaube nunmehr nach
einer Ansicht in der Literatur insbesondere auch bestimmte digitale Datenübertragungen, wie E-Mails oder auch das Bereitstellen der Werke oder Werkteile zum Abruf in ein Netzwerk, sofern der Empfängerkreis oder die Abrufmöglichkeit durch
entsprechend geeignete Schutzmaßnahmen auf die Mitglieder einer Schulklasse be-
568 Oechsler geht in diesem Zusammenhang ausführlich auf die interessante Frage ein, wann bei
der Verwendung von Prüfungsfragen in Form des Multiple-Choice-Tests von einem Werk im
urheberrechtlichen Sinne ausgegangen werden kann, da der Zeitdruck unter dem die Prüflinge
diese Fragen beantworten sollen, jedes Bemühen um Originalität und Individualisierung bei
der Konzeption der Frage hinter den zentralen Prüfungsanliegen wie Eindeutigkeit der Fragestellung, Verständlichkeit etc. zurücktreten müsse, in: GRUR 2006, S. 205 ff.
569 Nippe, Urheber und Datenbank, S. 294 ff.
570 Nippe, Urheber und Datenbank, S. 295. Muss auch derzeit die Ausgabe digitaler Speichermedien im Unterricht durch die Lehrer wohl noch als praxisfremd angesehen werden, kann dies
für die Zukunft nicht völlig ausgeschlossen werden. Vgl. auch: Poeppel, Die Neuordnung der
urheberrechtlichen Schranken, S. 193; Hölscher, Die Ausnahmebestimmungen für den eigenen Gebrauch, S. 213 f.
152
schränkt würden.571 Zur Begründung wird dabei angeführt, dass mangels einer vorhandenen Öffentlichkeit im Sinne des § 15 Abs. 3 UrhG keine Berührung des § 19 a
UrhG zu verzeichnen sei und demnach die entstehenden Vervielfältigungen beim
Abspeichern auf dem Server sowie in den Empfangsgeräten der Klassen- bzw.
Kursmitglieder nach dem Abruf die alleinigen urheberrechtsrelevanten Verwertungshandlungen seien, die dann durch § 53 Abs. 3 UrhG gerechtfertigt werden. Dabei wird indes übersehen, dass jedenfalls nicht alle privilegierten Vervielfältigungen
des § 53 Abs. 3 UrhG an einen nichtöffentlichen Adressatenkreis gerichtet sind. So
sind die Adressaten der Vervielfältigungen für die Prüfungen in Hochschulen anerkanntermaßen Öffentlichkeit im Sinne des § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG. Auch bei Unterrichtseinheiten in nichtgewerblichen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie der Berufsbildung wird schwerlich von einer Nichtöffentlichkeit ausgegangen
werden können. Die hierfür erforderliche persönliche Verbundenheit wird regelmä-
ßig fehlen.572 Im Übrigen würde bei Ausweitung der Verwertungshandlung auf digitale Datenübertragungen ein Verstoß gegen das Verbot aus § 53 Abs. 6 UrhG im
Rahmen eines öffentlichen Adressatenkreises unvermeidbar. Dieses gesetzliche
Verbot verbietet ein Verbleiben der nach § 53 Abs. 3 UrhG zulässig angefertigten
Vervielfältigungsstücke bei dem als Öffentlichkeit zu qualifizierenden Adressatenkreis, wenn es dort heißt, dass diese Vervielfältigungsstücke weder verbreitet noch
zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden dürfen.573 Die im Falle einer Übersendung per E-Mail oder der Zugänglichmachung entstehenden Vervielfältigungen in
den Empfangsgeräten der Adressaten können aus technischen Gründen bereits nicht
wieder „eingesammelt“ werden, so dass ein Verbleiben bei den Empfängern nicht
verhindert werden kann und in der Konsequenz ein nicht über § 53 Abs. 3 UrhG gedeckter Eingriff in das ausschließliche Verbreitungsrecht des § 17 UrhG vorliegen
wird.574 Um die Einheitlichkeit im Rahmen des Anwendungsbereiches der Schrankenregelung nicht zu durchbrechen, wird davon ausgegangen werden müssen, dass
ein Verbleiben bei den Prüflingen sowie Unterrichtsteilnehmern grundsätzlich nicht
571 Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken, S. 193; vgl. auch Stopper, der
unter Rückgriff auf eine gebotene enge Auslegung der Schranken (vgl. dazu im Einzelnen die
Ausführungen im 3. Kapitel, C) I., S. 72 ff.) Zweifel an der Einbeziehung der Zugänglichmachung in den Anwendungsbereich dieser gesetzlichen Lizenz verlauten lässt, in: Ensthaler/Bosch/Völker, Hdb. UrhR und Internet, S. 212
572 Vgl. im Einzelnen zu den Voraussetzungen des Vorliegens einer Öffentlichkeit, die Ausführungen im 4. Kapitel, B) II. 1. b), S. 84 ff.
573 Irreführend insoweit: Stopper, der in diesem Kontext von einem „eingeschränkten Verbreitungsrecht“ spricht, in: Ensthaler/Bosch/Völker, Hdb. UrhR und Internet, S. 12
574 Das Verbreitungsrecht nach § 17 Abs.1 UrhG ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Ein Werkstück wird dann in den Verkehr gebracht, wenn mindestens ein Vervielfältigungsstück aus einer internen Sphäre der Öffentlichkeit zugeführt wird, vgl. BGH, Urteil v. 10.05.1984, in:
GRUR 1985, S. 129, 130 –Elektrodenfabrik, Urteil v. 13.12.1990, BGHZ 113, S. 159, 161 –
Einzelangebot. Danach ist das Vervielfältigungsstück in den Verkehr gebracht, wenn es an
eine einzige, mit der Person nicht durch persönliche Beziehungen verbundene, Person weitergegeben wird.
153
von der Privilegierung gedeckt ist, so dass insbesondere digitale Datenübertragungen, wie E-Mails oder auch das Bereitstellen der Werke oder Werkteile zum Abruf
in ein Netzwerk, nicht in den Anwendungsbereich fallen. Mittels § 53 Abs. 3 UrhG
wird allein das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des § 16 UrhG beschränkt und
gerade nicht das ausschließliche Verbreitungsrecht des § 17 UrhG, so dass die Gefahr einer anschließenden Zirkulation verhindert werden muss.575 Ist ein Belassen
der Vervielfältigungsstücke bei den Teilnehmern angestrebt, muss zuvor eine Lizenz
bei den Berechtigten eingeholt werden.
() Kriterium des eigenen Gebrauchs
Das Kriterium des eigenen Gebrauchs beschränkt in § 53 Abs. 3 UrhG die zulässige
Benutzung der Vervielfältigungen auf die Bildungseinrichtung, in der sie hergestellt
wurden. Eine Überlassung an andere Bildungseinrichtungen ist danach unzulässig.576 Der eigene Gebrauch ist aber jedenfalls weiter aufzufassen, als in § 53 Abs. 2
UrhG, wonach Vervielfältigungsstücke ausschließlich zur eigenen Verwendung angefertigt werden dürfen und nicht zur Weitergabe an Dritte. Im Rahmen des § 53
Abs. 3 UrhG ist naturgemäß die Weitergabe an die Teilnehmer des Unterrichts bzw.
der Prüfung von der Privilegierung umfasst.577
Das Kriterium des eigenen Gebrauchs könne nach einer Auffassung in der Literatur noch erweiternd derart ausgelegt werden, dass die Vervielfältigungen in derselben Bildungseinrichtung mehrfach benutzt werden dürfen, insbesondere auch durch
andere Lehrer und Klassen.578 Andere hingegen sehen unter Berufung auf die Gesetzesbegründung diese Auslegung als zu weitgehend an.579 Für jeden Gebrauch müsse
erneut kopiert werden, da das Anlegen von Unterrichtsmaterialvorräten nicht zulässig sei. Wenngleich das Erfordernis des jeweiligen neuen Kopierens auf den ersten
Blick eher umständlich erscheint, ist der letzten Auffassung dennoch zuzustimmen.
Wird den Bildungseinrichtungen mit dem Kopierprivileg eine Möglichkeit zum Anlegen eines „Kopienarchivs“ eingeräumt, wird zu stark in die Rechte der Urheber
eingegriffen. Die gesetzliche Erlaubnis zum Herstellen von Vervielfältigungsstücken
575 Oechsler, in: GRUR 2006, S. 205, 208 f.
576 Loewenheim, in: Schricker, UrhR, § 53, Rn. 38; Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 53, Rn.
37.
577 Vgl. Oechsler, der explizit darauf hinweist, dass ein engeres Verständnis vom eigenen Gebrauch innerhalb des Anwendungsbereiches des § 53 Abs. 3 Nr. 2 UrhG dazu führen würde,
dass eine Weitergabe an die Prüflinge (bzw. auch im Rahmen der Nr. 1 an die Unterrichtsteilnehmer) nicht erlaubt wäre. Dies würde dem Sinn und Zweck dieser Privilegierung widersprechen, in: GRUR 2006, S. 205, 208.
578 Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 53, Rn. 38; Loewenheim, in: Schricker, UrhR, § 53, Rn.
38.
579 Decker, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 53, Rn. 37, unter Berufung auf BT-Drs.
10/3360, S. 19.
154
kann vor dem Hintergrund ihres Zwecks auch nur die angestrebte (privilegierte)
Nutzung zum Zeitpunkt der Vervielfältigungshandlung selbst umfassen. Der jeweils
individuelle Zweck ist die Grenze des Zulässigen. Eventuell späterer Nutzungsbedarf kann zum Zeitpunkt der entsprechenden Vervielfältigungshandlung mangels
einer möglichen Individualisierung hingegen noch nicht in den Prüfungsvorgang
einfließen. Ein mehrfacher Gebrauch ist daher nur dann von dem Kopierprivileg umfasst, wenn dieser im Moment der Vervielfältigungshandlung bereits konkretisiert
werden kann.
bbb) Grenzen durch den verwertbaren Umfang
Ähnlich wie in § 46 UrhG sind dem Umfang der Verwertung der geschützten Inhalte
Grenzen gesetzt. Der Gesetzgeber lehnte sich dabei nach eigenen Angaben an die
Regelung des § 46 UrhG an.580 Vor diesem Hintergrund erscheint es missverständlich, dass er dennoch eine abweichende Formulierung wählte. So ist in § 46 UrhG
von Teilen eines Werkes, von Sprachwerken oder von Werken der Musik von geringem Umfang und von einzelnen Werken der bildenden Künste oder einzelnen
Lichtbildwerken die Rede. Dagegen spricht § 53 Abs. 3 UrhG von kleinen Teilen
eines Werkes, Werken von geringem Umfang und von einzelnen Beiträgen, die in
Zeitungen oder Zeitschriften erschienen oder öffentlich zugänglich gemacht worden
sind. Hinsichtlich der Begrenzung des Umfangs auf kleine Teile eines Werkes
könnte die Frage aufkommen, ob dies unter Umständen ein redaktionelles Versehen
des Gesetzgebers ist. In Anlehnung an die Ausführungen zu § 46 UrhG wird diesseits indes davon ausgegangen, dass die Beschränkung der Verwertung auf kleine
Teile eines Werkes auch auf § 46 UrhG übertragen werden sollte.581
Die Vorschriften der § 46 UrhG sowie § 53 Abs. 3 UrhG blicken beide auf das
gleiche Privilegierungsziel und können sich insbesondere auf die gleiche konventionsrechtliche Regelung des Art. 10 Abs. 2 RBÜ sowie auf Art. 5 Abs. 3 lit. a der
Harmonisierungsrichtlinie stützen.582 Unter diesem Blickwinkel erscheint es unverständlich und ruft insbesondere Verwirrung unter den Rechtsanwendern hervor,
wenn die verwertbaren Schöpfungen ungleich in ihrer Wortwahl ausgestaltet sind.
Die Beschränkung des § 53 Abs. 3 UrhG soll ausweislich der Gesetzesbegründung
in ihrer geltenden Fassung werkartneutral geleitet von ihrem Privilegierungsziel verfasst sein. Im Vergleich zu § 46 UrhG fehlen jedoch beispielsweise die einzelnen
Werke der bildenden Künste oder auch einzelne Lichtbildwerke. Sprachtechnisch
lassen sich diese nur schwer unter Werke geringen Umfangs subsumieren. In bestimmten Unterrichtssituationen sind sie aber den anderen Werkarten gleichzustellen, um eine Veranschaulichung des Lernmaterials unter pädagogischen Ge-
580 Amtliche Begründung, BT-Drs. 15/38, S. 21.
581 Vgl. die Ausführungen unter I. 2. b) aa), S. 113 f.
582 Diese Identität liegt zumindest hinsichtlich des Unterrichtsgebrauchs vor.
155
sichtspunkten bestmöglich zu gestalten. Es ist insbesondere auch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese Werke von der erlaubnisfreien Vervielfältigung
zu den privilegierten Zwecken des § 53 Abs. 3 UrhG ausschließen wollte. Dies ergibt sich bereits aus seiner Begründung zu § 53 Abs. 3 UrhG, in der er explizit klarstellte, sich an § 46 UrhG anzulehnen. Im Rahmen der Auslegung des Wortlauts an
Sinn und Zweck der Vorschrift orientiert, ist trotz der Subsumtionsschwierigkeiten
davon auszugehen, dass diese Werkarten als Werke von geringem Umfang aufzufassen sind. Dieser Auslegung entsprechend, wird in der Literatur teils die ausdrückliche Einbeziehung von einzelnen Werken der bildenden Künste sowie einzelner
Lichtbildwerke in den Erlaubnistatbestand befürwortet.583
Des Weiteren ist die zusätzliche Aufnahme der erschienenen oder öffentlich zugänglich gemachten einzelnen Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften als unglücklich zu bewerten. Zum einen sind Beiträge dieser Art im Ergebnis nur als Werke von geringem Umfang vorstellbar, so dass sie von jenem Tatbestandsmerkmal
bereits erfasst werden. Eine zusätzliche Erwähnung erspart entgegen der Auffassung
von Poeppel den Unterrichtenden nicht die mit der von ihm gesehenen Unsicherheit
in Verbindung mit dem Kriterium des geringen Umfangs.584 Vielmehr ist sie als
Herd der Verunsicherung dahingehend zu sehen, dass deren zusätzliche Erwähnung
als Maßstab zu verstehen wäre, dass Werke von geringem Umfang stets einen noch
geringeren Umfang aufweisen müssten als üblicherweise Beiträge aus Zeitungen
oder Zeitschriften. Wenn auch im Ergebnis eine in diese Richtung gehende Auslegung dem Gesetzgeber nicht ernsthaft zu unterstellen ist, ist damit doch ein Aspekt
der Unsicherheit geboren. Auf Nachfrage von Bernuths im Zusammenhang mit dem
gleichlaufenden Problem des Anwendungsbereiches von § 52 a UrhG beim BMJ
wurde diesem nach eigener Aussage mündlich mitgeteilt, dass die ausdrückliche
Aufnahme der Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge lediglich eine Klarstellungsfunktion dahingehend habe, dass ganze Zeitungen und Zeitschriften keinesfalls dem Anwendungsbereich des § 52 a UrhG unterfallen.585 Als eine wirkliche Klarstellung
kann man die Wortwahl eher nicht bezeichnen. Zusätzliche Verwirrung der Normadressaten ist dem Gesetzgeber sicher. Um dieser Unsicherheit künftig entgegenzuwirken, erscheint es ratsam, auf die zusätzliche Erwähnung – die sog. Klarstellung –
der Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge zu verzichten und neu klarzustellen, dass
stets nur einzelne Werke geringen Umfangs der Privilegierung unterfallen, sofern
mehrere solcher Werke, was im Übrigen der Regel entsprechen dürfte, in einem
Medium zusammengestellt sind.
Die Wortwahl des Gesetzgebers eröffnet zum anderen einen weiteren Problempunkt im Hinblick auf die Bestimmung des Anwendungsbereiches. Ausweislich des
583 Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken, S. 191.
584 Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken, S. 191.
585 V. Bernuth, in: ZUM 2003, 438, 440, dort Fn. 23; Zu § 52 a UrhG im Einzelnen, unter IV., S.
183 ff.
156
Wortlautes ist lediglich für die erlaubnisfreie Vervielfältigung der einzelnen Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge erforderlich, dass diese zuvor erschienen bzw. öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Die anderen Werke wären im Zuge der
Auslegung am Wortlaut nicht einmal an eine vorherige Veröffentlichung gebunden.
Den zielgerichteten Eingriff in eines der wichtigsten Urheberpersönlichkeitsrechte,
das (Erst-)Veröffentlichungsrecht gemäß § 12 UrhG, hat der Gesetzgeber sicher
nicht angestrebt. Es wird insoweit von einem Redaktionsversehen auszugehen
sein.586 Die Beschränkung muss daher insofern verfassungskonform ausgelegt werden, dass bei jeder Verwertung nach § 53 Abs. 3 UrhG jedenfalls das Erstveröffentlichungsrecht gemäß § 12 UrhG zu beachten ist. Nach geltender Rechtslage müssen
daher alle Werke im Rahmen des § 53 Abs. 3 UrhG zuvor erschienen oder öffentlich
zugänglich gemacht worden sein, um in den Anwendungsbereich der Privilegierung
zu fallen. Aber auch der durch die verfassungskonforme Auslegung ermittelte Anwendungsbereich kann im Ergebnis nicht überzeugen. Mit welcher Begründung hat
der Gesetzgeber anders als in den vergleichbaren Privilegierungen unmittelbar zugunsten der Bildung (§§ 46, 52 a UrhG) strengere Voraussetzungen an die Verwertung gestellt? Wünschenswert wäre eine künftige Änderung dahingehend, dass auf
die Veröffentlichung aller Werke nach § 6 Abs. 1 UrhG abgestellt werden würde,
um einen einheitlichen Sprachgebrauch mit den anderen Privilegierungen zugunsten
Bildung und Wissenschaft zu erzielen.
Des Weiteren ist aus hiesiger Sicht unverständlich, dass der Gesetzgeber neben
dem Erscheinen alternativ die öffentliche Zugänglichmachung in den Wortlaut des §
53 Abs. 3 UrhG aufnahm. Sofern es in der Gesetzesbegründung heißt, dass damit
auch die Nutzung von Material ermöglicht werden sollte, welches ausschließlich in
den Formen der öffentlichen Zugänglichmachung verbreitet wird, ist in dieser Formulierung eine weitere Quelle der Verwirrung zu sehen.587 Zum einen erscheint die
Gleichbehandlung des Erscheinens und der öffentlichen Zugänglichmachung im
Einzelfall unangemessen, da teilweise nicht unerhebliche Unterschiede in der „Breitenwirkung“ vorliegen können.588 Zum anderen wäre es wünschenswert gewesen,
der Gesetzgeber hätte seine beabsichtigte Anpassung an die veränderte Veröffentlichungspraxis in Form der digitalen Medien an der systematisch dafür geeigneten
Stelle vorgenommen. Seit längerer Zeit steht in der Diskussion, wann ein Erscheinen
nach § 6 Abs. 2 UrhG von Werken, die ausschließlich im Internet zum Abruf bereitstehen, anzunehmen ist.589 Diesbezügliche Klarheit hätte der Gesetzgeber besser
im Rahmen einer Änderung des § 6 Abs. 2 UrhG bringen können.
586 Vgl. auch Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken, S. 192.
587 Amtliche Begründung, BT-Drs. 15/38, S. 21.
588 Im Einzelnen dazu: Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken, S. 192.
589 Von der Definition des Erscheinens streng ausgehend, liegt mangels einer Herstellung von
Vervielfältigungsstücken, die dann der Öffentlichkeit in genügender Anzahl angeboten oder
in den Verkehr gebracht werden, kein Erscheinen bei der Einstellung eines Werkes in das
Internet vor. Den Nutzern wird aufgrund dieser Einstellung vielmehr erst die Möglichkeit einer Fertigung von Vervielfältigungsstücken an die Hand gegeben. Da eine Verbreitung über
157
ccc) Gebotenheit
Die Vervielfältigung muss zu dem Unterrichts- und Prüfungsgebrauch geboten sein.
Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte die Konkretisierung dieses Kriteriums
im Übrigen der Wissenschaft und der Rechtsprechung überlassen werden.590 Einigkeit herrscht hier darüber, dass jedenfalls Vervielfältigungen für die Verwaltungstätigkeit ausscheiden, weil diese schon nicht Sinn und Zweck dieser Privilegierung
dienen.591 Unerheblich für die Frage der Gebotenheit in diesem Sinne ist nach allgemeiner Meinung hingegen, ob die Vervielfältigung für den privilegierten Zweck
tatsächlich erforderlich ist oder ob sich der angestrebte Lernerfolg auch auf andere
Weise erzielen lässt bzw. der Prüfungszweck die Vervielfältigung tatsächlich erfordert.592 Diese Entscheidung ist Teil der pädagogischen Arbeit, die nicht in die urheberrechtliche Beurteilung einfließen kann und darf.593 Dem Unterrichtenden bzw.
dem Prüfer wird damit in dieser Hinsicht ein nicht kontrollierbarer Beurteilungsspielraum gewährt. Dabei hat Oechsler in einem Beitrag speziell zum Prüfungsgebrauch jüngst darauf hingewiesen, dass von diesem nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum streng die Frage zu trennen ist, ob eine Vervielfältigung aus keinem
möglichen „der Denklogik entsprechenden“ Grund eine Verbesserung der Lehre
und der Überprüfung ihrer Ergebnisse bedeuten könne und aus diesem Grund den
Zweck des § 53 Abs. 3 UrhG verfehlt.594 Eine derartige Vervielfältigungshandlung
ohne Lizenz wäre dann folglich im rechtswidrigen Bereich angesiedelt. Dieser
Grundsatz führt im Ergebnis insbesondere zum Ausschluss jeglicher Vervielfältigung zu Vergnügungszwecken. In Anwendung des vorstehenden Grundsatzes
kommt Oechsler jedoch zu dem Ergebnis, dass eine mehrfache Verwendung einer
identischen Prüfungsaufgabe denklogisch weder zu einer Steigerung noch zu einem
Erhalt der Qualitätsstandards beitragen könne und infolge dessen, die Kopie einer
vollständigen Prüfungsaufgabe von § 53 Abs. 3 Nr. 2 UrhG nicht erfasst werde.
Dem kann in dieser Pauschalität diesseits nicht beigetreten werden. Dabei wird hier
das Internet in der heutigen Zeit durchaus von großer Erheblichkeit sein kann, wird die Auslegung anhand des strengen Wortlauts der Praxis nicht mehr gerecht. Nach vorherrschender
Auffassung ist ein Erscheinen daher auch über das Internet möglich, wenn den Mitgliedern
der Öffentlichkeit ein dauerhafter Zugriff ermöglicht wird. Vgl. Ahlberg, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 6, Rn. 29; Dreier, in: Dreier/Schulze, § 6, Rn. 16; Dreyer, in:
Dreyer/Kotthoff/Meckel, UrhR, § 6, Rn. 65; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, § 6,
Rn. 2 a.E.; Süßenberger/Czychowski, in: GRUR 2003, S. 489, 491; a.A. Katzenberger, in:
Schricker, UrhR, § 6, Rn. 56; ders., in: Internet- und Multimediarecht, S. 219, 227; Koch, in:
NJW-CoR 1997, S. 298, 299.
590 Amtliche Begründung, BT-Drs. 15/38, S. 21.
591 Vgl. nur: Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG; § 53, Rn. 41; Loewenheim, in: Schricker, UrhR, §
53, Rn. 40.
592 Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, UrhR, § 53, Rn. 103; Loewenheim, in: Hdb. des UrhR, §
31, Rn. 38; Möller, Die Urheberrechtsnovelle ´85, S. 28; Oechsler, in: GRUR 2006, S. 205,
209.
593 Vgl. auch Loewenheim, in: Schricker, UrhR, § 53, Rn. 40.
594 Oechsler, in: GRUR 2006, S. 205, 209.
158
nicht verkannt, dass das Regelungsziel nicht der Arbeitserleichterung des Prüfers zu
dienen bestimmt ist. Die Eignung einer bereits geschaffenen Prüfungsaufgabe für
weitere, spätere Jahrgänge kann nicht pauschal verneint werden. Im Rahmen der juristischen Ausbildung mag man dem im Einzelfall noch beitreten können. Aber insbesondere in den naturwissenschaftlichen Bereichen widerspricht eine Wiederholung der identischen Prüfungsaufgaben nicht schlichtweg dem Erhalt der Qualitätsstandards einer Prüfung. Es obliegt insofern auch dem unkontrollierbaren Beurteilungsspielraum des Prüfers, ob er eine Prüfungsaufgabe im Ganzen aus Vorjahresprüfungen übernimmt. Seine Entscheidung hinsichtlich der Geeignetheit zu Prüfungszwecken ist einer urheberrechtlichen Prüfung jedenfalls nicht zugänglich.
Nordemann geht davon aus, dass es zumindest dann an der notwendigen Gebotenheit fehle, wenn Exemplare des Originalwerks zu einem Preis zu erhalten sind,
der nicht zu dem Umfang und den Kosten der Vervielfältigung außer Verhältnis
steht.595 Der Kostenansatz als Maßstab für die Gebotenheit erscheint nach der hiesigen Auffassung aber schwer nachvollziehbar. Fiskalische Interessen haben grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Diese sind nicht geeignet, die urheberrechtlichen
Ausschließlichkeitsrechte zu beschränken. Vielmehr ist die Gebotenheit nur dann als
gegeben anzusehen, wenn der Erwerb des betreffenden Werkes aus anderen als finanziellen Gründen unmöglich ist, dessen Verwendung jedoch notwendig erscheint
(was wiederum im Bereich des nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraums des Unterrichtenden bzw. Prüfers angesiedelt ist) den Bildungsauftrag zu erfüllen. Insofern
ist mit Berger der Ansatz an der Planbarkeit der Anschaffung der Werke zu finden.596 Vor dem Hintergrund, dass bereits das BVerfG in seiner Entscheidung „Kirchen- und Schulgebrauch“ darlegte, dass die Beschränkungen der urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechte ihren Grund in dem Aktualitätsbedürfnis der Bildung
haben, dürfen nur solche Werke (lizenzfrei) als Kopiervorlage benutzt werden, die
von den Schulträgern nicht in ihre Vorausplanung hätten aufgenommen werden
können.597 Das Erfordernis des Aktualitätsbezugs findet seine Grundlage in einer
verfassungskonformen Auslegung des Kriteriums der Gebotenheit. Die von dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geleitete Abwägung der widerstreitenden Interessen
kann ein weitergehendes Bedürfnis, die Bildung mit einer Erlaubnisfreiheit zu bedienen, nicht stützen. Die Bedenken gegen eine aktualitätsbezogene Auslegung des
Gebotenheitskriteriums, der Unterricht würde „um ein Vielfaches ärmer werden“,
da praktisch nur noch die Themen eines einzigen Schulbuches behandelt werden
könnten, sind nicht tragend.598 Den Einrichtungen steht selbstverständlich die Möglichkeit zur Seite, entsprechende Lizenzen für die Vervielfältigung im Vorfeld zu
595 Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, § 53, Rn. 10; vgl. auch Dreier, der als Maßstab
einen vergleichbaren Preis ansetzen will, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 53, Rn. 41.
596 Berger, in: ZUM 2006, S. 844, 847.
597 BVerfG, Beschluss v. 07.07.1971 - 1 BvR 765/66, BVerfGE 31, S. 229, 242 – Kirchen- und
Schulgebrauch, in welchem es auf die Bedeutung eines gegenwartsnahen Unterrichts hinwies.
598 So aber Sieber, Stellungnahme v. 15.12.2006, S. 4.
159
erwerben, um den Unterricht vielseitig zu gestalten. Nur dort, wo aus zeitlichen
Gründen, die nicht allzu strenger Natur sind, sondern sich an einer angemessenen
Planbarkeit orientieren sollten, ein Lizenzerwerb nicht zumutbar bzw. unmöglich
erscheint, ist die gesetzliche Lizenz mit einer nachträglichen Vergütung die dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügende Lösung. Ein weitergehender Eingriff in
die Rechte der Urheber ist nicht erforderlich, um den berechtigten Interessen der
Allgemeinheit an einer umfassenden Bildung gerecht zu werden.
ddd) Bereichsausnahme
Eine dem § 52 a Abs. 2 UrhG entsprechende Bereichsausnahme für die Vervielfältigungsfreiheit nach § 53 Abs. 3 UrhG für Werke, die für den Unterrichtsgebrauch an
Schulen bestimmt sind, fand mit der Reform zum 01.01.2008 Einzug in das Gesetz.
Diese Werke dürfen seitdem stets nur mit Einwilligung des Berechtigten vervielfältigt werden. Wie bei § 52 a Abs. 2 UrhG soll damit ein Eingriff in den Primärmarkt
der Schulbuchverlage vermieden werden.599
Vor dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in
der Informationsgesellschaft wurde die unterschiedliche Behandlung von § 52 a
UrhG und § 53 Abs. 3 UrhG in der Literatur mit der ungleichen Interessenlage begründet.600 Die Kosten und der Herstellungsaufwand bei traditionellen Vervielfältigungen seien im Vergleich zur öffentlichen Zugänglichmachung ungleich höher.601
Im Übrigen sei die Eingriffsintensität bei § 52 a UrhG viel höher, da elektronische
Kopien leichter zirkulieren und damit wesentlich schneller einem großen Benutzerkreis zugänglich gemacht werden können.602 Für die unterschiedliche Behandlung
läge daher ein sachlicher Grund vor. Der vorstehenden Argumentation kann nicht
beigetreten werden. Zum einen mag es zwar im Ergebnis richtig sein, dass die Kosten und der Herstellungsaufwand den bezeichneten sachlichen Unterschied aufweisen, jedoch darf nicht übergangen werden, dass heute die Techniken, mittels derer
die traditionellen Vervielfältigungen vorgenommen werden, desgleichen nur minimalen Aufwand abverlangen. Auch die Kosten im Hinblick auf die Vervielfältigung
(vollständiger) Bücher sind im Vergleich zu deren Anschaffungspreis meist äußerst
gering.
599 Auf dieser Grundlage sprach sich auch der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages anlässlich der Arbeiten an dem Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft für eine dem § 52 a Abs. 2 S. 1 UrhG entsprechende Bereichsausnahme aus,
BT-Drs. 16/5939, S.79 f.; Vgl. im Einzelnen zu § 52 a Abs. 2 S. 1 UrhG die Ausführungen
unter IV. 3. a) aa) bbb) ?), S. 189.
600 Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 53, Rn. 37; Grassmann, abrufbar unter:
www.grassmann.info.
601 Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 53, Rn. 37.
602 Sieber, Stellungnahme v. 15.12.2006, S. 5.
160
bb) Vervielfältigung zum Unterrichtsgebrauch
Das Kopierprivileg zugunsten des Unterrichtsgebrauchs findet in Schulen, in nichtgewerblichen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie in Einrichtungen der
Berufsbildung Anwendung.603 Die Universitäten und Hochschulen sind damit von
den privilegierten Institutionen, wie auch von denen für entsprechende Sammlungen
nach § 46 UrhG, ausgenommen. Angefertigt dürfen die Vervielfältigungsstücke sowohl von den Unterrichtenden als auch von den Unterrichtsteilnehmern werden.604
Im Übrigen herrscht Streit darüber, ob die Vervielfältigung des Lehrers zu Vorbereitungszwecken in den Anwendungsbereich fällt.605 Diese Frage muss richtigerweise
ablehnend beantwortet werden. Die Vorschrift des § 53 Abs. 3 UrhG nimmt zu der
Privilegierung des § 53 Abs. 2 UrhG eine Sonderstellung mit Erweiterungen im
Anwendungsbereich ein. Eine Vervielfältigung einer Lehrperson im Rahmen ihrer
Vorbereitung ist bereits durch die Vervielfältigungserlaubnis zum sonstigen eigenen
Gebrauch nach § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 UrhG gedeckt, da dieser anerkanntermaßen
die Befriedigung beruflicher und erwerbswirtschaftlicher Bedürfnisse umfasst. Die
Vorbereitungshandlungen der Lehrkörper fallen folglich aus systematischen Gründen nicht in den Regelungsbereich des § 53 Abs. 3 UrhG. Die Unsicherheit im Anwendungsbereich der Norm dahingehend, ob Nutzungen außerhalb des klassischen
Unterrichts, beispielsweise in der Hausaufgabenbetreuung oder innerhalb eines Projekttages, darunter gefasst werden können606, entschied der Reformgesetzgeber mit
dem Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft augenscheinlich zugunsten der weiten Anwendung. Die Wortlautänderung
„zur Veranschaulichung des Unterrichts in Schulen“ (im Vergleich zur alten Formulierung: „im Schulunterricht“) führt dazu, dass die Nutzungen außerhalb des
klassischen Unterrichtsbereichs, d.h. in der Vor- und Nachbereitung, jedenfalls
nunmehr in den privilegierten Anwendungsbereich fallen. Von einer rein sprachlichen Änderung kann nicht ernsthaft gesprochen werden.
cc) Vervielfältigung zum Prüfungsgebrauch
Die Vervielfältigungsfreiheit zum Prüfungsgebrauch ist nicht auf den beim Unterrichtsgebrauch geregelten engen Kreis der privilegierten Einrichtungen begrenzt.
Auf diese Weise kommen auch Hochschulen in den Genuss dieser Privilegierung.
Der Grund dieser Erweiterung wird darin gesehen, dass sich die Erwachsenen die
603 Im Einzelnen zu den privilegierten Einrichtungen, vgl. die Ausführungen unter I. 2. c) bb), S.
120 ff.
604 Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, UrhR, § 53 Rn. 98.
605 Befürwortend: Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 53, Rn. 39; ablehnend: Lüft, in:
Wandtke/Bullinger, UrhR, § 53, Rn. 37.
606 Sieber, in: MMR 2004, S. 715, 718.
161
Unterrichtsmaterialien zwar selbst beschaffen könnten, naturgemäß im Vorfeld aber
nicht die Prüfungsunterlagen.607
Wie weit der Prüfungsbegriff in diesem Sinne reicht, wird in der Literatur nicht
einheitlich beurteilt. Einigkeit herrscht jedenfalls darüber, dass Prüfungen diejenigen
Leistungsnachweise sind, die einen Lehr- oder Studienabschnitt abschließen und
dem Nachweis dienen, dass und gegebenenfalls auch in welchem Umfang der Prüfling die in der Prüfungsordnung festgelegten Kenntnisse und Fähigkeiten erworben
hat.608 Kontrollen im Rahmen des Unterrichts, wie beispielsweise Klausuren, zählen
dagegen nach einer weit verbreiteten Auffassung nicht dazu.609 Die entsprechende
Gegenansicht sieht darin eine zu starke Verkürzung des Anwendungsbereiches der
Vorschrift, da etwa an Gymnasien bei einem derart engen Verständnis allein das
Abitur unter den Begriff der Prüfung zu subsumieren wäre.610 Es wäre für die
Durchführungspraxis nicht zumutbar, vor jeder Klausur eine Erlaubnis von den entsprechenden Rechteinhabern einholen zu müssen. Diesem praxisorientierten Einwand wird teilweise wiederum entgegengehalten, dass derart gebotene Vervielfältigungen bereits über die Privilegierung des § 53 Abs. 3 Nr. 1 UrhG erfasst sind, da
eine Vervielfältigung für Klassenarbeiten o.ä. im Rahmen der Zulässigkeit der Nutzungen für Unterrichtszwecke angesiedelt sei und somit kein Bedürfnis für eine Erweiterung der Nr. 2 zu verzeichnen ist.611 Bei Letzterem wird indes übersehen, dass
die Gebotenheit in den Fällen des § 53 Abs. 3 Nr. 1 UrhG an einen Aktualitätsbezug
geknüpft ist. Sofern der Inhalt der Klausuren einen solchen nicht aufweist, können
die Vervielfältigungen auch nicht auf das Kopierprivileg zum Unterrichtsgebrauch
gestützt werden. Auf welche tragende Begründung indes die Unzumutbarkeit für die
Durchführungspraxis bei Klausuren ohne Aktualitätsbezug, die erforderliche Lizenz
im Vorfeld einzuholen, gestützt wird, ist diesseits nicht erkennbar. Subsumiert man
aber umfänglich die Klausuren nicht unter § 53 Abs. 3 Nr. 2 UrhG, ergibt sich in der
Konsequenz eine Unzumutbarkeit für die nicht nach Nr. 1 UrhG privilegierten
Hochschulen und Universitäten. In diesen Einrichtungen könnten in die nicht unter
den engen Prüfungsbegriff fallenden Klausuren keine urheberrechtlich geschützten
Werke mit Aktualitätsbezug eingearbeitet werden. Dies kann vom Gesetzgeber nicht
gewollt sein. Zudem würde dies den berechtigten Bildungsinteressen zuwiderlaufen.
Auch in den Hochschulen und Universitäten besteht ein nicht zu bestreitendes erhebliches Bedürfnis, Klausuraufgaben mit teilweise erhöhtem Aktualitätsbezug aufweisenden, urheberrechtlich geschützten Werken abzuverlangen.
607 Vgl. Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 53, Rn. 40; Loewenheim, in: Schricker, UrhR, § 53,
Rn. 41.
608 Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 53, Rn. 40; Loewenheim, in: Schricker, UrhR, § 53, Rn.
41.
609 Decker, in: Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, § 53, Rn. 39; Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, UrhR, § 53, Rn. 109; Loewenheim, in: Schricker, UrhR, § 53, Rn. 41; Lüft, in:
Wandtke/Bullinger, UrhR, § 53, Rn. 38; Oechsler, in: GRUR 2006, S. 205, 208.
610 Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 53, Rn. 40.
611 Oechsler, in: GRUR 2006, S. 205, 208.
162
Eine verfassungskonforme Auslegung verlangt daher letztlich, den Prüfungsbegriff in einem weiten Sinne zu verstehen, dass alle Leistungskontrollen in den privilegierten Einrichtungen darunter zu fassen sind. Damit insoweit ein nicht zu weitgehender Eingriff in die Rechte der Urheber zu verzeichnen ist, wird eine Korrektur im
Rahmen des Kriteriums der Gebotenheit vorgenommen. Diese Auslegung scheint
auch eher mit der Neufassung des § 53 Abs. 3 Nr. 1 UrhG konform zu gehen, da eine Nutzung zur Veranschaulichung des Unterrichts sprachtechnisch schwerlich auch
Leistungskontrollen wie Klausuren oder ähnliches umfasst.
c) Würdigung des Kopierprivilegs anhand der Grundlagen und Vorgaben
aa) Konventions- und europarechtliche Grundlagen
Wie bereits vorstehend erwähnt, kann sich § 53 Abs. 3 UrhG auf Art. 10 Abs. 2
RBÜ sowie auf Art. 5 Abs. 3 lit. a der Harmonisierungsrichtlinie stützen. Die individuelle Ausgestaltung durch den nationalen Gesetzgeber erscheint vorliegend im
Lichte der zweiten Stufe des Dreistufenstests wegen der Zulässigkeit der erlaubnisfreien Vervielfältigung von kleinen Teilen spezifischer Bildungsmedien für die neben den Schulen privilegierten Einrichtungen problematisch.612 Die Bereichsausnahme gilt nur für die für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werke.
An der Beeinträchtigung der normalen Verwertung auch kleiner Teile anderer spezifischer Bildungsmedien bestehen diesseits kaum Zweifel. Spezielle Bildungsmedien
beispielsweise sehen ihren Verwertungsmarkt ausschließlich in den Einrichtungen,
auf deren Unterricht sie charakteristisch zugeschnitten sind.613 Das Kopieren einzelner Kapitel eines herkömmlichen Buches macht den Erwerb des gesamten Werkes
in vielen Fällen ersetzbar. Die urheberrechtliche Schranke hält unter diesem Vorzeichen den Prüfungskriterien des Dreistufentests scheinbar nicht stand. Zu beachten ist
jedoch auch der Grundsatz, dass nicht jeder Nachteil, der dem Rechteinhaber infolgedessen, dass Interessierte eine Vervielfältigung vornehmen, anstatt das Werk
käuflich zu erwerben, gleichzeitig eine Beeinträchtigung im Sinne des Dreistufentests ist.614 Unter diesem Gesichtspunkt wird teilweise infolge der Zubilligung des
nachträglichen Vergütungsanspruches mit §§ 54 ff. UrhG letztlich auch davon ausgegangen, dass keine für den Dreistufentest relevante Beeinträchtigung vorliegt.615
Ein nachträglicher Vergütungsanspruch kann zwar grundsätzlich in Einzelfällen da-
612 Zu den Vorgaben des Dreistufenstests im Einzelnen im 2. Kapitel unter C), S. 59 ff.
613 Insofern verweist der Börsenverein des Deutsche Buchhandels auf das erhebliche Investitionsrisiko, welches neben dem allgemeinen Marktrisiko durch die speziellen Zulassungsverfahren in den einzelnen Bundesländern bei den speziellen Bildungsmedien hinzutritt, Fragen
und Antworten zum „Zweiten Korb“, S. 17, abrufbar unter: www.bundestag.de. Vgl. im Einzelnen die Argumentation zu § 52 a Abs. 2 UrhG unter IV. 4. b), S. 205 ff.
614 Frotz, in: FS 50 Jahre UrhG, S. 119, 133 zum Dreistufentest nach Art. 9 Abs. 2 RBÜ; vgl.
Einzelnen auch die Ausführungen im 2. Kapitel unter C) II., S. 60 ff.
615 Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 53, Rn. 37.
163
zu führen, dass die Voraussetzungen des Dreistufentests trotz eines negativen Einflusses auf die normale Verwertung gewahrt sind. Hingegen kann ein solcher Vergütungsanspruch bei Vorliegen einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung diese nicht
kompensieren. Der Grad der hiesigen Beeinträchtigung wird nachfolgend im Rahmen der verfassungsrechtlichen Beurteilung beleuchtet und eingehend erörtert. Bereits an dieser Stelle kann aber festgehalten werden, dass bei verfassungskonformer
Auslegung und daraus folgender aktualitätsbezogener Auslegung des Kriteriums der
Gebotenheit die Beeinträchtigung als wenig erheblich eingestuft werden und der
Dreistufentest gewahrt wird, da dann insbesondere auch keine unzumutbare Verletzung der berechtigten Interessen auf der dritten Teststufe zu verzeichnen ist.
bb) Verfassungsrechtliche Beurteilung
aaa) Bereichsausnahme für alle spezifischen Bildungsmedien
Die Verlage, die für die nach § 53 Abs. 3 UrhG privilegierten Einrichtungen spezifisch zugeschnittene Werke herstellen, sehen zum Teil ihren Primärmarkt, wenn
nicht sogar partiell ihren ausschließlichen Verwertungsmarkt, in der Nutzung durch
die jeweiligen privilegierten Einrichtungen. Aus diesem Grund erscheint auch eine
alleinige Bevorzugung der Schulbuchverleger im Vergleich zu den anderen Verlegern mit entsprechend begrenztem Abnehmerkreis mit dem Gleichheitsgrundsatz
aus Art. 3 GG nicht vereinbar. Eine weitergehende Bereichsausnahme für all jene
Werke, die für den Unterrichtsgebrauch in den privilegierten Einrichtungen bestimmt sind, wäre denkbar. Dementsprechend wird es teilweise für zwingend erforderlich gehalten, das Fotokopieren von den für alle privilegierten Einrichtungen bestimmten spezifischen Bildungsmedien zu untersagen und zwar ausdrücklich unabhängig davon, ob es sich um Werke handelt, welche von den Verlagen für den Unterrichtsgebrauch selbst oder aber für die häusliche Vor- und Nachbereitung oder das
individuelle Lernen hergestellt wurden.616
Nach dem hiesigen Verständnis von dem Merkmal der Gebotenheit werden die
speziell für den Unterricht in den privilegierten Einrichtungen angefertigten Werke
aber nur in eng begrenzten Fällen, beispielsweise zeitlich kurz nach ihrem Erscheinen bzw. ihrer Veröffentlichung, einer erlaubnisfreien Vervielfältigung zugänglich
sein. Eine Bereichsausnahme auch zugunsten dieser spezifischen Werke ist daher
nicht zwingend notwendig, um den ausschließlichen Verwertungsmarkt zu schützen,
wenngleich die Ungleichbehandlung im Vergleich zu den Schulwerken nicht ausge-
616 VdS Bildungsmedien e.V., Stellungnahme während der Anhörung des Rechtssausschusses
zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft am 20.11.2006, S. 3; Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Fragen und Antworten zum „Zweiten Korb“, S. 19, beides abrufbar unter: www.bundestag.de; ebenso Poeppel, Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken, S. 198.
164
räumt werden kann. Der erforderliche Aktualitätsbezug sollte im Rahmen der Gebotenheit allerdings ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen werden.
bbb) Verfassungsrechtliche Problematik des Privilegiertenkreises
Der Ausschluss der Hochschulen und Universitäten aus dem Bereich der Privilegierten des Kopierprivilegs zugunsten des Unterrichtsgebrauchs stößt in der Literatur
teilweise auf schieres Unverständnis.617 Blickt man in diesem Zusammenhang in die
Gesetzesbegründung, nach der es der Gesetzgeber im Rahmen der Erwachsenenbildung für zumutbar hält, dass die Unterrichtenden sich das Unterrichtsmaterial selbst
beschaffen, drängt sich indes eher die Frage auf, mit welcher Begründung der Gesetzgeber letztlich die Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie die Einrichtungen der Berufsbildung in den Kreis der Privilegierten aufnahm. Die Unterrichtenden in diesen Einrichtungen sind ebenfalls zu einem überwiegenden Teil im
erwachsenen Alter. Eine Besserstellung im Vergleich zu den Hochschulen und Universitäten erscheint unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes höchst bedenklich. Dies führt aber nicht zu einem Ruf nach
der Aufnahme aller Einrichtungen der Erwachsenenbildung in den Kreis der Privilegierten. Vielmehr sind umgekehrt Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Breite des gegenwärtigen Privilegiertenkreises zu verzeichnen. Auch in den berufsorientierten
Bildungseinrichtungen ist es den Unterrichtsteilnehmern zumutbar, das Unterrichtmaterial selbst zu beschaffen. Eine Vergleichbarkeit mit dem Schulunterricht ist
nicht gegeben. Der Kreis der Privilegierten ist daher aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten auf den Schulunterrichtsgebrauch zu beschränken.
III. Wiedergabe audiovisueller Medien in Bildungseinrichtungen mittels
„klassischer“ Bild- und Tonträger
1. (Urheberrechtliche) Bedeutung der Wiedergabe audiovisueller Medien
a) Allgemeines
Seit vielen Jahrzehnten ist der Einsatz audiovisueller Medien in den Bildungseinrichtungen nicht mehr wegzudenken. Ihre Eignung zur besonderen Veranschaulichung von Lehrstoff kann nicht bestritten werden. Auch die Bedeutung der Medienerziehung sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Die Medien sind heute ein
integrativer Bestandteil gesellschaftlicher Wirklichkeit. Sie gehören zum Alltag von
Familie, Schule und weiterer Bildung. Medien sind Miterzieher geworden. Von die-
617 Vgl. Rehbinder, der demonstrativ darauf verweist, dass man auf diese Weise selbst „Professoren für Urheberrecht zu Rechtsbrechern“ macht, UrhR, Rn. 448.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
In Bildung und Wissenschaft ist der Einsatz vielfältiger Medien, insbesondere auch unter Rückgriff auf modernste Techniken, unentbehrlich. In diesen Bereichen treffen die widerstreitenden Interessen von Nutzern und Rechteinhabern vor allem unter fiskalischen Gesichtspunkten in sensiblem Maße aufeinander. Dem Gesetzgeber obliegt es, mittels der urheberrechtlichen Schranken zwischen ihnen eine ausgewogene Balance zu schaffen. Die Autorin zeigt auf der Basis einer eingehenden Interessenanalyse unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur die geltende Rechtslage auf, würdigt sie kritisch und entwickelt Reformansätze, besonders auch im Hinblick auf das urheberrechtliche Öffentlichkeitsverständnis.