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stimmungen der beiden WIPO-Verträge, deren internationalen Verpflichtungen mittels der Harmonisierungsrichtlinie nachgekommen werden sollte.170
Essenzielle Bedeutung kommt der Harmonisierungsrichtlinie bereits allein durch
die in Art. 5 angestrebte Angleichung der Beschränkungen von den Ausschließlichkeitsrechten zu, die zum Teil als wichtigste Vorschrift des gesamten Textes angesehen wird.171 Die Schrankenregelungen waren auch der Mittelpunkt der Streitigkeiten
und der unzähligen Änderungen des Richtlinienentwurfs, die dem endgültigen Erlass
der Harmonisierungsrichtlinie vorgeschaltet waren. An den Schrankenbestimmungen drohte zunächst sogar eine politische Einigung im Rat zu scheitern.172 Die bis
dato in den Mitgliedstaaten geltenden Beschränkungen wiesen erhebliche Unterschiede auf. Hoeren bezeichnet die vielfältigen Schrankenbestimmungen als „sakrosankte Orte nationaler Heiligtümer“.173 Diese Wortwahl soll die Ausgangslage einer
scheinbar unmöglichen Harmonisierung der Schrankenbestimmungen zum Zeitpunkt der Verhandlungen über den Inhalt der Harmonisierungsrichtlinie verdeutlichen. In den vorangegangenen Jahrzehnten sind sämtliche Versuche der Kommission mit dem Ziel einer Harmonisierung kläglich gescheitert.174 Vor dem Hintergrund
des jahrelangen Tauziehens um eine Harmonisierung des Urheberrechts ist es umso
erfreulicher, dass sich die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission in dieser Form einigen konnten.
III. Die Vorgaben für die nationalen Schrankenregelungen im Einzelnen
1. Schrankensystematik
In Art. 5 Abs. 1 bis 3 der Harmonierungsrichtlinie finden sich insgesamt einundzwanzig Schrankentatbestände von den in Art. 2 bis 4 aufgezählten ausschließlichen
Rechten.175 Obwohl die neuen Verwertungstechnologien den eigentlichen Antrieb
170 Erwägungsgrund Nr. 15 der Harmonisierungsrichtlinie.
171 Cohen Jehoram, in: GRUR 2001, S. 807, 809.
172 Vgl. Bayreuther, in: ZUM 2001, S. 828, 829. Umso mehr verwundert es, dass teilweise in der
Literatur vertreten wird, dass die Vorgaben der Schrankenregelungen an die Mitgliedstaaten
in den Schatten des „wirklichen Mehrwerts“ der Harmonisierungsrichtlinie, der Rechte in
Art. 2, 3 und 4 und des Schutzes für technologische Maßnahmen gemäß Art. 6, treten und nur
„notwendiger Teil“ der Harmonisierung der genannten Rechte seien, Reinbothe, in: ZUM
2002, S. 43, 46 (Fn. 17). Die unterschiedlichen nationalen Beschränkungen haben unmittelbare negative Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes im Bereich des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte. Die Harmonisierung dieser Unterschiede ist
demzufolge ein elementares Bedürfnis im Rahmen des Harmonisierungszieles.
173 Hoeren, in: MMR 2000, S. 515, 516.
174 Vgl. Hoeren, in: MMR 2000, S. 515, 516.
175 Die erhebliche Anzahl der aufgenommenen Schrankenbestimmungen spiegelt einmal mehr
„die deutlichen Spuren eines mühevoll errungenen Kompromisses“ wider, die die Harmonisierungsrichtlinie von dem harten Entscheidungsprozess davon getragen hat. Vgl. Bayreuther,
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zum Erlass einer Harmonisierungsrichtlinie gegeben haben, beschränken sich die
Vorgaben derselben nicht auf diese. Sowohl Vorgaben für die Beschränkungen digitaler als auch analoger Verwertungen werden geregelt. Diese Vorgaben sind insbesondere in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen
Wiedergabe abschließender Natur, da der Erwägungsgrund Nr. 32 explizit von einer
diesbezüglich erschöpfenden Aufführung spricht. Zusätzliche Schranken können die
Mitgliedstaaten in diesen Bereichen daher nicht auf nationaler Ebene regeln. Diese
Erschöpfung ist ein entscheidender Punkt zugunsten der Harmonisierung, der ein
offener Katalog abträglich wäre. Dass fast alle Beschränkungen des abschließenden
Kataloges des Art. 5 Abs. 1 – 3 (20 von 21) hingegen freiwillig von den Mitgliedstaaten in ihre nationalen Gesetze aufgenommen werden können, erscheint einer
Harmonisierung wenig förderlich. In diesem Punkt wurde den „kulturellen Gefühlen“ der Mitgliedstaaten der Vorrang vor der anvisierten Harmonisierung gegeben.176 Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre in Anbetracht der erheblichen Streitigkeiten während des Richtliniengebungsverfahrens, die aus den unterschiedlichen
Vorstellungen der individuellen Mitgliedstaaten von den urheberrechtlichen Beschränkungen resultierten, ohnehin keine Richtlinie mit einem höheren Grad an
Harmonisierungspotenzial in Kraft getreten.
2. Regelungsreichweite
Die Vorgaben der Harmonisierungsrichtlinie an die nationalen Gesetzgeber gelten
jedoch auch nur innerhalb ihres Regelungsbereiches. Die Verwertungsrechte in den
Art. 2 – 4 der Harmonisierungsrichtlinie sind nicht zwingend deckungsgleich mit
denen von identischer Bezeichnung des nationalen Rechts aufzufassen. Um die Vorgaben für die nationalen Beschränkungen zu bestimmen, ist es daher unumgänglich,
deren Anwendungsbereich abzustecken.
a) Vervielfältigungsrecht
Ein umfassendes Vervielfältigungsrecht für die Urheber und die anderen Rechteinhaber regelt Art. 2 der Harmonisierungsrichtlinie. Dieses weit gefasste Vervielfältigungsrecht erfasst dabei sämtliche Kopiervorgänge, unerheblich, ob mittelbar oder
unmittelbar, vorübergehend oder dauerhaft, gleichgültig auf welche Art und Weise
oder in welcher Form, ob ganz oder teilweise. Insofern deckt sich das in Art. 2 geregelte Vervielfältigungsrecht mit dem des § 16 UrhG. Mit dieser klarstellenden Formulierung konnte insbesondere die im nationalen Recht zuvor kursierende Streitfrain: ZUM 2001, S. 828, 829. Der Kompromiss wird insbesondere dadurch deutlich, dass 20
von den 21 Beschränkungen optionalen Charakter aufweisen, Cohen Jehoram, in: GRUR Int.
2001, S. 807, 809.
176 Cohen Jehoram, in: GRUR Int. 2001, S. 807, 810.
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ge, ob auch die temporäre Kopie in Arbeits- und Bildschirmspeichern als Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG verstanden werden muss, geklärt werden.177 Die
Vorgaben der Harmonisierungsrichtlinie greifen daher bezüglich des Vervielfältigungsrechts nach nationalem Verständnis, so dass der Gesetzgeber an die Vorgaben
der Harmonisierungsrichtlinie diesbezüglich auch uneingeschränkt gebunden ist.
b) Recht der öffentlichen Wiedergabe
Bei dem Recht der öffentlichen Wiedergabe hat der Wortlaut des nationalen Rechts
hingegen eine andere Bedeutung als auf europäischer Ebene. In Art. 3 Abs. 1 der
Harmonisierungsrichtlinie heißt es wörtlich:
„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die
drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu
Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“
Mit dem Erwägungsgrund Nr. 23 der Harmonisierungsrichtlinie wurde diesbezüglich klargestellt, dass dieses Recht der öffentlichen Wiedergabe in einem umfassenden Sinne verstanden werden soll. Damit soll jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit erfasst werden, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung
nimmt, nicht anwesend ist, gleichgültig welcher Übertragungstechnik sich bedient
wird. Die bewirkte Harmonisierung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe ist damit insoweit umfassend, als sie alle Akte der öffentlichen Wiedergabe über eine gewisse Distanz erfasst.178 Weitere Handlungen sind von dem Recht der öffentlichen
Wiedergabe nach europäischem Verständnis hingegen ausgenommen. Die öffentliche Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 2 UrhG umfasst über das Verständnis in der
Harmonisierungsrichtlinie hinaus sowohl Verwertungen, bei denen eine Distanz
zwischen dem Ursprungsort und dem Empfangsort besteht als auch solche, bei denen eine solche Distanz nicht zu verzeichnen ist. Im Hinblick auf öffentliche Wiedergaben, bei denen die Öffentlichkeit am Ursprungsort der Wiedergabe weilt, namentlich bei Aufführungen, Vorträgen oder Vorführungen nach § 19 UrhG, bei der
Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger gemäß § 21 UrhG sowie bei der Wiedergabe
einer Funksendung und von öffentlicher Zugänglichmachung nach § 22 UrhG greift
die Harmonisierungsrichtlinie nicht in die Gestaltungsfreiheit der Gesetzgeber der
Mitgliedstaaten ein. Da Art. 5 der Harmonisierungsrichtlinie nur Vorgaben hinsichtlich solcher urheberrechtlicher Beschränkungen gestaltet, deren Verwertungsrechte
gemäß Art. 2 – 4 sie eigens regelt, ist der nationale Gesetzgeber auch keinen Vorga-
177 Spindler, in: GRUR 2002, S. 105, 107.
178 Reinbothe, in: GRUR Int. 2001, S. 733, 736, der insbesondere auf die notwendige Unterscheidung zwischen den Begriffen „communication to the public“ (öffentliche Wiedergabe
über Distanz) und „public performance“ (öffentliche Wiedergabe / Wahrnehmbarmachen geschützter Werke unter Anwesenden) hinweist.
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ben für die Beschränkungen der §§ 19, 21, 22 UrhG aus der Harmonisierungsrichtlinie unterworfen.179
Ein erst mit der Harmonisierungsrichtlinie zutage getretenes Verwertungsrecht ist
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Art. 3 der Harmonisierungsrichtlinie. Dieses aus den beiden WIPO - Verträgen entnommene Recht (vgl. Art. 8
WCT; Art. 10, 14 WPPT) sollte ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 25 die
Rechtsunsicherheit im Rahmen der netzvermittelten Übertragung von Inhalten für
das Urheberrecht beseitigen.180 Da dieses im Zuge der Umsetzung der Harmonisierungsrichtlinie als Unterfall der öffentlichen Wiedergabe erst in das nationale UrhG
Einzug gefunden hat, sind diesbezüglich die Vorgaben der Harmonisierungsrichtlinie auch von dem nationalen Gesetzgeber zu beachten.
3. Gestaltungsfreiraum
Sofern die nationalen Verwertungsrechte von der Harmonisierungsrichtlinie umfasst
sind, obliegt den Mitgliedstaaten die tatsächliche Aufnahme der urheberrechtlichen
Schranken in das nationale Recht entsprechend der Vorgaben in der Harmonisierungsrichtlinie mit Ausnahme des Anwendungsbereiches des Art. 5 Abs. 1 ihrer eigenen Entscheidungsgewalt. Zwingend für die Mitgliedstaaten ist daher allein die
Regelung einer nationalen Schranke für das Vervielfältigungsrecht, wenn es sich um
vorübergehende Vervielfältigungshandlungen,
„ (…) die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist,
a) eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder
b) eine rechtmäßige Nutzung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstandes zu ermöglichen, die keine eigene wirtschaftliche Bedeutung haben (...).“
handelt. Das ist die Konsequenz daraus, dass der weite Vervielfältigungsbegriff
zwangsläufig den berechtigten Interessen der Allgemeinheit nicht ausreichend
Rechnung trägt, wenn die Vervielfältigungshandlung im Rahmen einer zulässigen
Nutzung nicht zu vermeiden ist.181 Die Aufnahme von urheberrechtlichen Beschränkungen entsprechend des Art. 5 Abs. 2 bis 4 ist rein fakultativer Natur. Es wird lediglich an die Mitgliedstaaten mittels des Erwägungsgrundes Nr. 32 der Harmonisierungsrichtlinie appelliert, die Beschränkungen in kohärenter Weise anzuwenden,
und im Übrigen vom Richtliniengeber angekündigt, dass dies bei der zukünftigen
Überprüfung der Umsetzungsvorschriften besonders berücksichtigt werden wird.
Innerhalb des ihnen gewährten Spielraums bei der tatsächlichen Regelung der urhe-
179 Dreier, in: ZUM 2002, S. 28, 30; Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 52, Rn. 2; Poeppel,
Die Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken, S. 257.
180 Vgl. auch Spindler, in: GRUR 2002, S. 105, 108.
181 V. Lewinski, in: GRUR Int. 1998, S. 637, 639; Spindler, in: GRUR 2002, S. 105, 107.
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berrechtlichen Schranken sind die Mitgliedsstaaten aber vor allem auch an die
Schranken-Schranke des Art. 5 Abs. 5 gebunden. Diese Schranken-Schranke ist dem
Dreistufentest des Art. 9 Abs. 2 RBÜ nachgebildet. Die zumeist fakultativen
Schranken der Harmonisierungsrichtlinie dürfen danach nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des
sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden. Im Übrigen gilt nach
Art. 5 Abs. 3 lit o, der sog. „Grandfather Clause“, für Fälle von geringer Bedeutung
eine Art Bestandsschutz für urheberrechtliche Schranken in den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften, wenn diese nur analoge Nutzungen betreffen und den freien
Waren- und Dienstleistungsverkehr in der Gemeinschaft nicht berühren.
Der Inhalt von Art. 5 der Harmonisierungsrichtlinie beinhaltet zusammenfassend
betrachtet nur scheinbar strenge Vorgaben an die nationalen Schrankenregelungen.
Daher zieht die Vorschrift des Art. 5 der Harmonisierungsrichtlinie im Ergebnis nur
bedingt die beabsichtigte Harmonisierung in den Mitgliedstaaten nach sich. Den
Mitgliedstaaten werden, wenn auch im Rahmen eines abgeschlossenen Katalogs,
Wahlrechte in großer Hinsicht eingeräumt.182 Mit einem umfassenden Katalog zulässiger Schranken, die aber nicht zwingend sind, können die nationalen Gesetzgeber die Gesetzeslage letztlich weiträumig selbst bestimmen.183 Die Harmonisierung
wird daher innerhalb des durch die Harmonisierungsrichtlinie vorgegebenen
„Höchstbeschränkungsrahmens“ weitgehend dem Zufall überlassen. Die bloße, im
Erwägungsgrund Nr. 32 der Harmonisierungsrichtlinie niedergelegte „Hoffnung“,
dass die Mitgliedstaaten die Beschränkungen „in kohärenter Weise anwenden“, und
die damit verbundene Ankündigung der besonderen Berücksichtigung bei der zukünftigen Überprüfung der Umsetzungsvorschriften, wird teilweise stark kritisiert.
So wird unter anderem vorgetragen, dass sie nicht den wünschenswerten Vorgaben
einer Richtlinie, die bei der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten einzuhalten sind,
genüge.184 Dennoch sollte der Harmonisierungsrichtlinie im Hinblick auf die Beschränkungen des Art. 5 keine negative Wertung beigemessen werden. Infolge der
zum Teil höchst verschiedenen Traditionen der Mitgliedstaaten war ein anderes Ergebnis bei realistischer Betrachtung ein nicht erfüllbarer Wunsch der Befürworter
einer weitergehenden Harmonisierung.
182 Vgl. auch Schmid/Wirth, UrhG, Vorbem. zu § 44 a ff., Rn. 2.
183 Vgl. Hilty, in: GRUR 2005, S. 819.
184 So: Bayreuther, in: ZUM 2001, S. 828, 829.
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C) Dreistufentest
I. Bedeutung des Dreistufentests
Betrachtet man den mittlerweile weitreichenden internationalen und europäischen
Einzugsbereich des Dreistufentests185, wird in diesem Zusammenhang wohl zu
Recht von einem „beispiellosen Siegeszug“186 oder der „Karriere eines Begriffs“187
gesprochen. Der Dreistufentest blieb in seinem Anwendungsbereich jedoch im Laufe der Zeit keine statische Konstante. In der RBÜ war der Anwendungsbereich des
Dreistufentests noch auf das Vervielfältigungsrecht begrenzt und nahm vorerst gar
die ausdrücklich in der RBÜ geregelten Schranken aus. In seinen späteren Erscheinungsformen wurde der Dreistufentest dann horizontal auf alle Verwertungsrechte
erstreckt und stellt nunmehr eine für alle Verwertungsrechte geltende Schranken-
Schranke dar.188
Das Grundgerüst der maßgeblichen drei Stufen ist indessen bis in die Harmonisierungsrichtlinie hinein weitgehend gleich geblieben. Der nationale Gesetzgeber unterliegt dabei zum einen der Grenze, dass er Ausnahmen und Beschränkungen nur in
gewissen bzw. bestimmten Sonderfällen schaffen kann (1. Stufe). Zum Zweiten ist
zu prüfen, dass die normale Verwertung des Werkes oder des sonstigen Schutzgegenstandes im Rahmen der freigestellten Nutzung nicht beeinträchtigt wird (2. Stufe). Letztlich dürfen die berechtigten Interessen der Rechteinhaber nicht ungebührlich verletzt werden (3. Stufe). Die allgemeine generalisierende Formulierung der
drei Stufen lässt einerseits ausreichend Raum für interessengerechte und traditionstreue Lösungen. Andererseits führt sie aber auch dazu, dass es schwer sein wird, die
zulässigen Grenzen tatsächlich zu finden. Die naturgemäß mit allgemein gehaltenen
Formulierungen verbundenen Auslegungsschwierigkeiten bereiten möglicherweise
größere Schwierigkeiten.189 Es ist daher notwendig, den Dreistufentest „mit Inhalt
zu füllen“ und die einzelnen Stufen voneinander abzugrenzen, um die Vorgaben entsprechend umzusetzen und das gesetzgeberische Ergebnis auch einer Überprüfung
185 Vgl. Art. 9 Abs.2 RBÜ, Art. 13 TRIPs, Art. 10 WCT, Art. 16 Abs.2 WPPT; Art. 5 Abs. 5
Harmonisierungsrichtlinie.
186 Senftleben, in: Interessenausgleich im Urheberrecht, S. 159, 171.
187 Bornkamm, in: FS für Willi Erdmann, S. 29 ff.
188 Vgl. dazu: Bornkamm, in: FS für Willi Erdmann, S. 29, 44, der insbesondere den Einwand,
dass auch die Schranken-Schranke in Art. 5 Abs. 5 der Harmonisierungsrichtlinie nur für die
ausdrücklich geregelten Schrankenregelungen Anwendung findet, aus dem überzeugenden
Grund zurückweist, dass diese Einschränkung nicht Einzug in den Wortlaut gefunden hat und
die Regelung insbesondere auch nicht als überflüssig erachtet werden kann. Die Gegenauffassung, dass die Schranken-Schranke unnötig wäre, weil die detaillierten Schrankenbestimmungen in Art. 5 Abs. 1 bis 4 der Harmonisierungsrichtlinie die Belange der Urheber bereits
ausführlich berücksichtigen würden, so dass eine ausdrückliche Schranken-Schranke nicht
mehr erforderlich gewesen sei, überzeugt nicht. So aber z.B. Bayreuther, in: ZUM 2001, S.
828, 829.
189 Vgl. Walter, Europäisches Urheberrecht, Info-RL, Rn. 97.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
In Bildung und Wissenschaft ist der Einsatz vielfältiger Medien, insbesondere auch unter Rückgriff auf modernste Techniken, unentbehrlich. In diesen Bereichen treffen die widerstreitenden Interessen von Nutzern und Rechteinhabern vor allem unter fiskalischen Gesichtspunkten in sensiblem Maße aufeinander. Dem Gesetzgeber obliegt es, mittels der urheberrechtlichen Schranken zwischen ihnen eine ausgewogene Balance zu schaffen. Die Autorin zeigt auf der Basis einer eingehenden Interessenanalyse unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur die geltende Rechtslage auf, würdigt sie kritisch und entwickelt Reformansätze, besonders auch im Hinblick auf das urheberrechtliche Öffentlichkeitsverständnis.