28
Einwilligungserfordernis durch den Berechtigten als Fall der Enteignung anzusprechen wäre.45 Im Rahmen dessen würde dem Berechtigten nämlich eine konkrete
subjektive Rechtsposition teilweise entzogen.46
Für die Annahme einer (Teil-) Enteignung fehlt es jedoch richtigerweise an der
erforderlichen rechtlichen Abtrennbarkeit des entzogenen Teils des Eigentums.47 Sofern die ausschließlichen Verwertungsrechte im Hinblick auf Werkteile beschränkt
werden, kann eine Verselbständigung jedenfalls nicht überzeugend begründet werden.48 Im Übrigen wird die grundsätzliche Zuordnung der vermögenswerten Seite
des Urheberrechts an den Urheber nicht die verfassungsrechtliche Sicherung jeder
erdenklichen Verwertungsmöglichkeit nach sich ziehen können. Die eigentumsrechtliche Befugnis des Urhebers steht diesem von Anfang an nur innerhalb der
durch die Sozialbindung gezogenen Grenzen zu. Mit dem BVerfG sind die urheberrechtlichen Schranken daher sämtlich den Inhalts- und Schrankenbestimmungen zuzuordnen.49 Dagegen spricht auch nicht, dass die Verwertungsrechte in § 15 UrhG
zunächst umfassend formuliert werden und anschließend die urheberrechtlichen
Schranken in den §§ 44 a ff. UrhG normiert sind. Das BVerfG sieht darin zutreffend
lediglich eine zulässige Ausgestaltung der Gesetzestechnik.50 Die Verfassungsmä-
ßigkeit der einzelnen Schrankenbestimmungen hinsichtlich des geistigen Eigentums
ist nach alledem an den für Inhalts- und Schrankenbestimmungen geltenden Vorgaben zu messen.
B) Berührung weiterer grundrechtlich geschützter Rechtspositionen des geistigen
Eigentümers
I. Urheberpersönlichkeitsrecht
Das Urheberrecht wird elementar neben der Eigentumsgarantie durch das auf der
Menschenwürde beruhende, unveräußerliche und unverzichtbare Persönlichkeits-
45 Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, S. 239, ebenso für die ersatzlose Aufhebung
des Nutzungsrechts, derzufolge das Werk sowohl zustimmungs- und vergütungsfrei genutzt
werden dürfte.
46 Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, S. 239.
47 Wieland, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 14, Rn. 79.
48 Gounalakis, Elektronische Kopien für Unterricht und Forschung, S. 15.
49 BVerfG, Beschluss v. 25.10.1978 – 1 BvR 352/71, BVerfGE 49, S. 382, 384 f. – Kirchenmusik; Beschluss v. 07.07.1971 – 1 BvR 765/66, BVerfGE 31, S. 229, 242, – Kirchen- und
Schulgebrauch.
50 BVerfG, Beschluss v. 25.10.1978 – 1 BvR 352/71, BVerfGE 49, S. 382, 394 f. – Kirchenmusik; vgl. auch Melichar, in: Schricker, UrhR, vor §§ 44 a, Rn. 8. Nach Badura beruht die
Schrankensystematik des Gesetzes hingegen nicht nur auf Gesetzestechnik, sondern insbesondere auch auf dem urheberrechtlichen Schutzprinzip, mithin auf einer grundsätzlichen
Sachentscheidung, in: FS für Theodor Maunz, S. 1, 7; ders. in: ZUM 1984, S. 552, 555.
29
recht des Schöpfers aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützt.51 Im Rahmen des
nicht vermögensrechtlichen Bezugs des Urheberrechts, mithin der ideellen und persönlichen Interessen des Urhebers, scheidet insbesondere auch ein Konkurrenzverhältnis mit dem sonst spezielleren Grundrecht des Art. 14 GG aus. Innerhalb des
Persönlichkeitsrechtsschutzes des Urhebers besteht aber ein Spezialitätsverhältnis
zwischen dem Urheberpersönlichkeitsrecht, welches das „geistige Band“ zwischen
dem Urheber und seinem Werk schützt und seine einfachgesetzliche Konkretisierung in den §§ 12 bis 14 UrhG findet, sowie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
des Urhebers.52 Auch der persönlichkeitsrechtliche Schutz des Urhebers besteht aber
nicht schrankenlos. Diesbezüglich unterliegt das Urheberrecht den allgemeinen
Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung.53
II. Kunst- und Wissenschaftsfreiheit
Die durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG grundrechtlich geschützte Kunst- und Wissenschaftsfreiheit gewährt zum einen dem geistig schaffenden Künstler und zum anderen dem geistig tätigen Wissenschaftler Grundrechtsschutz. Dabei garantiert Art. 5
Abs. 3 S. 1 GG die Freiheit der Betätigung im Kunst- bzw. Wissenschaftsbereich.
Geschützt sind der Werk- und der Wirkbereich.54 Im Rahmen der Verwertungsrechte
des Urhebers ist Art. 5 Abs. 3 GG aber nicht einschlägig, vielmehr bietet insofern
Art. 14 GG den Schutz, so dass Beschränkungen in diesem Bereich an dessen Vorgaben zu messen sind. Das BVerfG hob in diesem Kontext in seiner Entscheidung
„Kirchen- und Schulgebrauch“ hervor, dass eine Anwendung des Grundrechts aus
Art. 5 Abs. 3 GG zugunsten des Urhebers nur dann denkbar erscheint, wenn die
wirtschaftliche Auswertung des Werkes mittels Gesetz derart beschränkt würde,
dass die freiheitliche künstlerische (bzw. wissenschaftliche) Betätigung praktisch
nicht mehr möglich erscheint.55
51 Geerlings, in: GRUR 2004, S. 207, 209; Hubmann, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die
Grundrechte, Bd. IV/1, S. 13; Hüsken, Informationsfreiheit und urheberrechtlicher Schutz des
geistigen Eigentums, S. 192; Raue, in: FS für Wilhelm Nordemann, S. 327.
52 Götting, in: Loewenheim, Hdb. des UrhR, § 3 Rn. 7; vgl. zu den Abgrenzungskriterien ausführlich, Dietz, in: Schricker, UrhR, Vor. 12 ff., Rn. 14 ff.; Fechner, Geistiges Eigentum und
Verfassung, S. 266 ff.
53 Götting, in: Loewenheim, Hdb. des UrhR, § 3 Rn. 2; Jarass, in: NJW 1989, S. 857, 861.
54 BVerfG, Beschluss, v. 29.06.2000 – 1 BvR 825/98, in: ZUM 2000, S. 867, 869 = GRUR
2001, S. 149, 151 – Germania 3.
55 BVerfG, Beschluss v. 07.07.1971 – 1 BvR 765/66, BVerfGE 31, S. 229, 240 – Kirchen- und
Schulgebrauch. Jüngst äußerte das BVerfG zwar im Rahmen der Anwendung der urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen, dass diese im Lichte der Kunstfreiheit auszulegen seien, vgl. Beschluss v. 29.06.2000 – 1 BvR 825/98, in: ZUM 2000, S. 867, 869 = GRUR 2001,
S. 149, 151– Germania 3. In diesen Fallgestaltungen steht die geschützte Kunstfreiheit hingegen gerade auf der den urheberrechtlichen Schutz einschränkenden Seite.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
In Bildung und Wissenschaft ist der Einsatz vielfältiger Medien, insbesondere auch unter Rückgriff auf modernste Techniken, unentbehrlich. In diesen Bereichen treffen die widerstreitenden Interessen von Nutzern und Rechteinhabern vor allem unter fiskalischen Gesichtspunkten in sensiblem Maße aufeinander. Dem Gesetzgeber obliegt es, mittels der urheberrechtlichen Schranken zwischen ihnen eine ausgewogene Balance zu schaffen. Die Autorin zeigt auf der Basis einer eingehenden Interessenanalyse unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur die geltende Rechtslage auf, würdigt sie kritisch und entwickelt Reformansätze, besonders auch im Hinblick auf das urheberrechtliche Öffentlichkeitsverständnis.