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II. Sachwalter
Wird die Eigenverwaltung und nicht das Regelinsolvenzverfahren angeordnet, so
steht dem Geschäftsführer ein Sachwalter anstelle des Insolvenzverwalters gegenüber. Im Rahmen der Eigenverwaltung bleibt die GmbH gemäß § 270 Abs. 1
Satz 1 InsO verwaltungs- und verfügungsbefugt. Dadurch soll die Erfahrung des
Schuldners genutzt werden, der sein Unternehmen und die entsprechende Branche oft so gut wie kein anderer kennt. Insbesondere im Fall der Fortführung des
Unternehmens können die Erfahrung und das Geschick des Schuldners von gro-
ßem Wert sein.413 Dem Sachwalter kommen im Rahmen der Eigenverwaltung
folglich weniger weit reichende Befugnisse zu als dem Insolvenzverwalter im
Rahmen des Regelinsolvenzverfahrens.
Der Sachwalter hat insbesondere die wirtschaftliche Lage der GmbH zu prüfen
und die Geschäftsführer zu überwachen (§ 274 Abs. 2 Satz 1 InsO).414 Um die
Rechtstellung des Sachwalters klar von derjenigen des Insolvenzverwalters abzugrenzen, hat sich der Gesetzgeber bewusst für eine andere Bezeichnung entschieden.415 Gleichwohl sind Rechte und Pflichten des Sachwalters in zahlreichen
Bereichen denjenigen des Insolvenzverwalters angenähert.416 So hat auch der
Sachwalter die Anmeldung der Forderungen der Insolvenzgläubiger entgegenzunehmen (§ 270 Abs. 3 Satz 2 InsO) und die Masseunzulänglichkeit anzuzeigen
(§ 285 InsO). Auf ihn finden zudem dieselben Regelungen Anwendung, die
bereits für den Insolvenzverwalter in Bezug auf Bestellung, Wahl, Abwahl, Auswechslung, Aufsicht des Insolvenzgerichts sowie Haftung und Vergütung gelten
(§ 274 Abs. 1 InsO i.V.m. §§ 54 Nr. 2, 56 bis 60, 62 bis 65 InsO). Schließlich kann
der Sachwalter dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht Umstände
anzeigen, die eine für die Gläubiger nachteilige Entwicklung der Eigenverwaltung erwarten lassen (§ 274 Abs. 3 Satz 1 InsO). Diese Befugnis stellt ein wichtiges Druckmittel des Sachwalters dar, um die GmbH zur Kooperation anzuhalten.417
1. Systematisierung spezifischer Rechte und Pflichten des Sachwalters
Die einzelnen Rechte und Pflichten des Sachwalters ergeben sich zum einen aus
den besonderen Regelungen der §§ 270 ff. InsO zur Eigenverwaltung. Zum anderen ist auf die Regelungen abzustellen, welche die aufgaben des Insolvenz-
413 Foerste, Insolvenzrecht, S. 269 f.
414 Vgl. Vallender, WM 1998, 2129, 2136; MünchKomm/Wittig, InsO, Vor. §§ 270-285
Rn. 55.
415 Begr. RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, vor § 331 RegE, S. 223.
416 Hess/ Obermüller, Verfahrensbeteiligte, Rn. 405; dies ergibt sich daraus, dass § 270 Abs. 1
Satz 2 InsO auf die Vorschriften verweist, die im Regelinsolvenzverfahren für den
Insolvenzverwalter gelten.
417 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 8.03.
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verwalters regeln. Denn diese finden nach dem allgemeinen Kompetenzverteilungsgrundsatz418 gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO auf den Sachwalter Anwendung. Sie lassen sich dabei in Prüfungs-, Überwachungs-, Anzeige-, Masse-, Mitwirkungs- und allgemeine Beratungspflichten einteilen.
a. Prüfungs- und Überwachungspflichten
Aufgrund der Prüfungspflicht hat der Sachwalter die wirtschaftliche Situation des
Schuldners und dessen eigene Angaben zu dessen wirtschaftlichen Situation zu
überprüfen, um den Gläubigern bei Verfahrensbeginn einen zutreffenden Eindruck über Risiken und Chancen einer Unternehmensfortführung zu vermitteln
(§ 274 Abs. 2 Satz 1 InsO). Hierfür hat er die vom Schuldner zu erstellenden Verzeichnisse, Übersichten und die Schlussrechnung zu überprüfen (§ 281 Abs. 1
und 3 InsO). Die Prüfungspflicht besteht dabei als permanente Pflicht während
des gesamten Verfahrens.419
Die Überwachungspflicht bezieht sich demgegenüber auf die Kontrolle der
Geschäftsführung. Unter Geschäftsführung im Sinne des § 274 Abs. 2
Satz 1 InsO ist nach dem allgemeinen Kompetenzverteilungsgrundsatz die Erledigung der laufenden Geschäfte des Eigenverwaltungsverfahrens zu verstehen.420
Der Begriff der Geschäftsführung ist dabei weit auszulegen. So erfasst dieser
Begriff nicht allein die Geschäftsführung im unternehmerisch technischen Sinn,
sondern auch die Erfüllung aller insolvenzrechtlichen Pflichten durch den Eigenverwalter.421 Zur Wahrnehmung der Prüfungs- und Überwachungspflichten des
Sachwalters hat diesem der Geschäftsführer Einsicht in die Bücher und die
Geschäftspapiere zu gewähren sowie alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen
(§§ 274 Abs. 2, 22 Abs. 3 InsO).422 Darüber hinaus ist der Sachwalter wie ein vorläufiger Insolvenzverwalter befugt, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten, um dort Nachforschungen anzustellen.
b. Anzeigepflicht
Die Prüfungs- und Überwachungspflichten werden ergänzt durch die Anzeigepflichten des Sachwalters. Dadurch wird dieser seiner Rolle als Kontrollorgan der
Gläubiger gerecht. Zeigt er den Gläubigern ein kritisches Verhalten des Schuld-
418 Siehe oben, 2. Kapitel § 1 III 3 a.
419 Pape, in: Kölner Schrift, S. 911.
420 Vgl. Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 308 f.; Smid, Grundzüge des
Insolvenzrechts, S. 447, § 29 Rn. 18.
421 Vgl. Begründung RegE, in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 520, wo auch die Übertragung von insolvenzrechtlichen Pflichten auf den Schuldner ebenfalls mit der Formulierung
erklärt wird, dass die laufenden Geschäfte vom Schuldner geführt werden.
422 Vgl. MünchKomm/Wittig, InsO, Vor §§ 270-285 Rn. 57.
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ners an, so können sie die Konsequenz aus einem möglichen Fehlverhalten des
Schuldners ziehen, indem sie die Eigenverwaltung beenden.423 Anzeigepflichtig
wären beispielsweise Unregelmäßigkeiten bei der Verfahrensabwicklung (§ 274
Abs. 3 Satz 1 InsO). Hierunter fallen insbesondere Verstöße gegen Mitwirkungsrechte des Sachwalters, wie beispielsweise die Nichteinholung der Zustimmung
nach § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO, unkooperatives Verhalten oder finanzielle Unregelmäßigkeiten.424 Weiß der Sachwalter von derartigen Umständen, so darf er die
Anzeige nicht allein deshalb unterlassen, weil der Schuldner versichert hat, sein
Verhalten in Zukunft zu ändern. Bereits ein Pflichtverstoß kann nämlich ein Anzeichen für dessen Unzuverlässigkeit auch auf anderen Gebieten sein.425 Der
Sachwalter darf dem Schuldner folglich nicht intern die Möglichkeit einräumen,
sein Verhalten zu ändern, ohne die Gläubiger davon in Kenntnis zu setzen.426 Der
Sachwalter soll den Gläubigern dadurch insbesondere ein zutreffendes Gesamtbild der Verhältnisse bei der GmbH, dem Verhalten des Geschäftsführers und der
Entwicklung der Eigenverwaltung vermitteln. Für die Gläubiger ist es jedoch entscheidend, dass der Geschäftsführer zu seinem Fehlverhalten Stellung nimmt. In
Kenntnis der Begleitumstände des jeweiligen Einzelfalls haben sie sodann zu beurteilen, ob der Geschäftsführer fahrlässig gegen seine Pflichten verstoßen hat
oder ob es ihm darauf ankam, die Gläubiger zu schädigen. Zwar kann auch sein
fahrlässiges Verhalten ohne weiteres die Aufhebung der Eigenverwaltung rechtfertigen, jedoch führt es nicht notwendigerweise zum Entzug der für die Eigenverwaltung erforderlichen Vertrauensgrundlage. Um den Gläubigern also eine
möglichst umfassende Tatsachengrundlage zu vermitteln, hat der Sachwalter seiner Anzeige i. S. d. § 274 Abs. 3 Satz 1 InsO die Stellungnahme des Geschäftsführers beizufügen bzw. nachzureichen. Der Sachwalter muss folglich den Geschäftsführer von seiner Anzeige unterrichten und ihn zu einer Stellungnahme
auffordern. Diese Aufforderung zur Stellungnahme dient neben dem Interesse der
Gläubiger auch dem Interesse des Geschäftsführers.
Diesem ist regelmäßig daran gelegen, die Gründe für sein Verhalten darzulegen
und etwaige Missverständnisse auszuräumen, da bereits die erste Anzeige eines
Fehlverhaltens zur Beendigung der Eigenverwaltung führen kann. Dem
Geschäftsführer ist daher unverzüglich, d.h. gemäß der Legaldefinition des § 121
Abs. 1 Satz 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern, Gelegenheit zur Stellungnahme zu
gewähren.427
423 So auch Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 246, Rn. 922.
424 Vgl. Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 19.
425 Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 315, Rn. 925.
426 Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 274 Rn. 14.
427 Vgl. Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 315 f.
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c. Massepflichten
Im Gegensatz zur verhaltensbezogenen Anzeigepflicht sollen die Massepflichten
des Sachwalters zu einer Vergrößerung der Insolvenzmasse führen. Neben den
Kontroll- und Prüfungspflichten obliegen dem Sachwalter damit wie einem
Insolvenzverwalter auch zentrale Verwaltungsaufgaben, da er durch seine Handlungen die Masse erweitern kann.428 Dies kann zunächst im Wege der Geltendmachung eines Gesamtschadens erfolgen (§ 280 i.V.m. § 92 f. InsO). Trotz der umfassenden Kompetenzen des Schuldners (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO) ist diese
Kompetenzübertragung auf den Sachwalter systematisch konsequent,429 weil er
dadurch in der Lage ist, die Gläubigerinteressen zu wahren.430 Stünde dem Sachwalter die Geltendmachung der Gesamtschadensliquidation nicht zu, so käme es
zu widersprüchlichen Situationen. Insbesondere im Falle eines Schadensersatzanspruchs aufgrund einer verspäteten Stellung des Insolvenzantrags gemäß § 823
Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG, müssten die eigenverwaltenden Geschäftsführer regelmäßig gegen sich selbst vorgehen.431 Nichtsdestotrotz sind die
Geschäftsführer auch in der Eigenverwaltung verpflichtet, an der Aufklärung der
von ihnen vorgenommenen Handlungen im Sinne des § 280 InsO mitzuwirken.432
Diese Mitwirkungspflichten können im äußersten Fall sogar zwangsweise durchgesetzt werden (§§ 274 Abs. 2 Satz 2, 22 Abs. 3, 98 InsO).433
Neben der Geltendmachung des Gesamtschadens, kann der Sachwalter die
Masse auch im Wege der Insolvenzanfechtung erweitern. Die Insolvenzanfechtung ist für die Masse von zentraler Bedeutung, da sie einen Rückgewähranspruch der GmbH begründet (§ 280 InsO i.V.m. §§ 129 bis 147 InsO).
§ 280 InsO nennt jedoch lediglich das Anfechtungsrecht des Sachwalters, so dass
sich die Frage stellt, ob dem Sachwalter neben der Anfechtung auch die Geltendmachung des Rückgewähranspruchs zusteht.
Einer Ansicht zufolge darf der Sachwalter lediglich die Rechtsgeschäfte
anfechten.434 Die sich aus der Berechtigung zur Anfechtung ergebenden Rückgewähransprüche könne er hingegen nicht geltend machen. Dies ergebe sich daraus,
dass das Gesetz zwischen der Anfechtung und dem Rückgewähranspruch differenziere. § 129 Abs. 1 InsO übertrage dem Insolvenzverwalter das Anfechtungsrecht, wohingegen § 143 InsO die Rückforderung erfasse. Nach dem Wortlaut des
§ 280 InsO wäre der Sachwalter damit allein für die Anfechtung zuständig,
wohingegen die Rückforderung dem Schuldner zustünde (§ 270 Abs. 1
Satz 1 InsO).
428 So auch Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 246.
429 Smid, Insolvenzrecht, § 25 Rn. 19.
430 Vgl. Begründung RegE, in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 520.
431 Vgl. Wimmer/Foltis, InsO, § 280 Rn. 5.
432 Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 280 Rn. 5; vgl. auch Ausführung zu den Mitwirkungspflichten des Geschäftsführers, 2. Kapitel § 3 I 2 b.
433 Vgl. Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 331; insoweit unzutreffend
eine Regelungslücke annehmend, Wimmer/Foltis, InsO, § 280 Rn. 12.
434 Vgl. Henckel, in: Kölner Schrift, S. 853, Rn. 94.
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Nach der Gegenansicht ist unter dem Begriff der Anfechtung nicht nur die Geltendmachung eines Anfechtungsgrundes, sondern auch die Durchsetzung des sich
daraus ergebenden Rückgewähranspruchs zu verstehen.435 Die Trennung von
Anfechtung und Rückforderung widerspreche Sinn und Zweck der Eigenverwaltung, da zunächst der Sachwalter auf Feststellung einer anfechtbaren Rechtshandlung und im Anschluss der Geschäftsführer auf Rückgewähr klagen müsste.436
Dies laufe einer effektiven und schnellen Abwicklung des Insolvenzverfahrens
zuwider. Die Terminologie in §§ 129, 280 InsO beruhe folglich auf einem einheitlichen Verständnis des Gesetzgebers vom Anfechtungs- und Rückforderungsrecht, so dass der Begriff der Anfechtung auch die Geltendmachung des Rückgewähranspruchs gemäß § 143 InsO mit umfasse.437
Letztere Ansicht überzeugt insbesondere unter dem Gesichtpunkt der systematischen Auslegung der §§ 129 bis 147 InsO. So ist die Rückforderung wie auch
die Anfechtung in demselben, nämlich dem dritten Abschnitt der InsO geregelt.
Die Überschrift dieses Abschnitts lautet zudem »Insolvenzanfechtung«. Im
Gegensatz dazu regelt beispielsweise das BGB die Anfechtung im Allgemeinen
Teil (§§ 119 ff. BGB) und das Rückforderungsrecht im Besonderen Schuldrecht
(§§ 812 ff. BGB). Die Systematik des BGB macht im Gegensatz zur Systematik
der InsO deutlich, dass der Gesetzgeber das Anfechtungs- und das Rückforderungsrecht trennen wollte. Der Gesetzgeber hat sich in der InsO indes gegen eine
systematische Trennung von Anfechtungs- und Rückforderungsrecht entschieden. Insgesamt sprechen somit gewichtige systematische und teleologische Argumente dafür, dass die Anfechtung im Sinne der §§ 129, 280 InsO die Geltendmachung des Rückgewähranspruchs mit umfasst.
d. Mitwirkungspflichten
Neben den Massepflichten hat der Sachwalter Mitwirkungspflichten zu erfüllen.
Darunter sind insbesondere diejenigen Aufgaben zu verstehen, durch welche der
Sachwalter den Geschäftsführer bei seiner Geschäftsführung unterstützt und entlastet. Einerseits kann seine Mitwirkung obligatorischer Natur sein, so dass die
jeweiligen Rechtshandlungen des Geschäftsführers nur mit seiner Mitwirkung
wirksam sind (vgl. § 277 Abs. 1 Satz 1 InsO). Andererseits kann seiner Mitwirkung lediglich fakultative Natur zukommen, so dass die jeweiligen Rechtshandlungen auch ohne seine Mitwirkung wirksam sind (vgl. § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO).
Mittels dieser Mitwirkungspflicht soll der Sachwalter den Geschäftsführer einerseits im Dienste des Gerichts und der Gläubiger kontrollieren, ihn andererseits
aber auch unterstützen.438 Trotz dieser Doppelrolle ist der Sachwalter zur Neutralität verpflichtet. Wirkt er stark bei der Geschäftsführung mit, indem er den Geschäftsführer beispielsweise beim Abschluss einzelner Geschäfte intensiv berät,
435 Kübler/Prütting/Paulus, InsO, § 143, Rn. 2; ähnlich, Wimmer/Foltis, InsO, § 143 Rn. 38.
436 Vgl. auch Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 332, Rn. 978.
437 Vgl. Jauernig, Zwangsverwaltungs- und Insolvenzrecht, § 51 Abs. 2 Satz 5.
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so hat er zur Wahrung der Gläubigerinteressen gleichwohl die notwendige Distanz zu wahren. Es ist insofern nicht seine Aufgabe, gemeinsam mit dem Geschäftsführer die Geschäfte zu führen. Hält sich der Sachwalter demgegenüber
bei der Geschäftsführung zu sehr zurück, so kann dies die Rechtsposition des Geschäftsführers beeinträchtigen, wenn dieser auf dessen Mitwirkung angewiesen
ist (§§ 275, 277, 279, 282 Abs. 2 InsO).
Derartige Schwierigkeiten treten dabei vor allem im Fall der Betriebsfortführung
auf. Kommt es hingegen zur Liquidation, so stehen unternehmerische Entscheidungen nicht im Vordergrund, sondern es geht primär um die bestmögliche Verwertung einzelner Vermögensgegenstände. Es besteht damit nicht mehr die Gefahr, dass der Sachwalter einen zu starken Einfluss auf die Geschäftsführung des
Unternehmens ausübt und so seine unabhängige Stellung zwischen Schuldner
und Gläubiger aufgibt.439
Aus dieser doppelten Verpflichtung ergibt sich für den Sachwalter auch ein
erhöhtes Haftungsrisiko, da ihn sowohl die Gläubiger als auch die Geschäftsführer in Anspruch nehmen können.
e. Allgemeine Beratungspflicht
Fraglich ist, ob dem Sachwalter neben der Mitwirkungspflicht auch eine allgemeine Beratungspflicht obliegt. Das Gesetz sieht vor, dass der Sachwalter zumindest bei der Erstellung eines Insolvenzplanes beratend mitzuwirken hat (§ 284
Abs. 1 Satz 2 InsO). Daher ist zu untersuchen, ob diese spezielle Beratungspflicht
auf das gesamte Eigenverwaltungsverfahren auszudehnen ist, mit der Folge, dass
dem Sachwalter eine allgemeine Beratungspflicht zukäme.
Eine Ansicht verneint eine allgemeine Beratungspflicht, da nach der Gesetzesbegründung dem Sachwalter im Hinblick auf die Geschäftsführung nur Aufsichtsfunktionen zukämen.440 Zudem hätte eine allgemeine Beratungspflicht zur
Folge, dass sich der Sachwalter in einen »Unternehmensberater« der GmbH verwandle.441 Dadurch werde er auf der Seite der GmbH tätig, so dass er den Gläubigerinteressen nicht mehr gebührend Rechnung tragen könnte.442 Dieser Ansicht
nach obliegt dem Sachwalter keine allgemeine Beratungspflicht.
438 Vgl. Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1307; ders., ZInsO 1999, 121, 127; insoweit ist es
unzutreffend, die Befugnisse des Sachwalters als reine Überwachungstätigkeit zu bezeichnen. So aber Buth/Hermanns/Seagon, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, S. 95, § 3
Rn. 103; auch die Bezeichnung »sachkundiger und unparteiischer Gehilfe des Insolvenzgerichts« Hess/Weis/Wienberg, InsO, § 274 Rn. 9 ff., Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn.
3, ist zwar für sich betrachtet zutreffend bestimmt, aber die Aufgabenstellung des Sachwalters im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger nicht erschöpfend.
439 So auch Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 247, Rn. 707.
440 Begründung RegE, in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 525.
441 Vallender, WM 1998, 2129, 2136.
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Die Gegenansicht bejaht hingegen eine allgemeine Beratungspflicht des Sachwalters, da diese für den Geschäftsführer zur Erfüllung seiner insolvenzspezifischen Aufgaben erforderlich sei.443 Die Beratung des Sachwalters erfolge
auch im Interesse der Gläubiger, weil die Erfüllung der insolvenzspezifischen
Angaben insbesondere der optimalen Gläubigerbefriedigung diene. Dieser
Ansicht zufolge kommt dem Sachwalter eine allgemeine Beratungspflicht zu.
Diese Ansicht überzeugt. Die Geschäftsführer sind auf eine allgemeine Beratung durch den Sachwalter angewiesen. Neben der allgemeinen Geschäftsführung
nehmen sie auch Aufgaben wahr, die im Regelinsolvenzverfahren der Insolvenzverwalter erfüllt (vgl. §§ 279, 281, 282, 283 InsO). Die Erfüllung dieser Aufgaben setzt in der Regel insolvenzrechtliche Kenntnisse voraus, die ein Großteil der
eigenverwaltenden Geschäftsführer nicht aufweisen dürfte. Dies belastet die
eigenverwaltenden Geschäftsführer folglich zusätzlich, weil sie neben der aufgrund der Krise schwierigen Geschäftsführung auch insolvenzrechtliche Aufgaben wahrnehmen müssen.
Bei der Untersuchung, ob dem Sachwalter eine allgemeine Beratungspflicht
zukommt, ist parallel auf die Pflichten des Aufsichtsrats i. S. d. § 52 GmbHG
gegenüber dem Geschäftsführer abzustellen. Diese parallele Betrachtung bietet
sich an, weil den Aufgaben des Aufsichtsrats für die Aufgaben des Sachwalters
Indizfunktion beizumessen ist.444
Dem Aufsichtsrat obliegt eine allgemeine Beratungspflicht gegenüber dem
Geschäftsführer.445 Danach ist von einer allgemeinen Beratungspflicht des
Geschäftsführers auszugehen.
Wie bei der Mitwirkungspflicht hat der Sachwalter auch bei der allgemeinen
Beratungspflicht den Umfang seiner Beratung richtig zu dosieren. So darf eine
allgemeine Beratungspflicht nicht dazu führen, dass der Sachwalter in die laufenden Geschäfte derart eingebunden ist, dass er funktionell betrachtet das Unternehmen gemeinsam mit den Geschäftsführern führt. Denn eine solche Rolle wäre
mit der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit des Sachwalters unvereinbar.446
Von der Beratung im operativen Bereich der GmbH ist jedoch die insolvenzrechtliche Beratung zu unterscheiden, die sich auf die Erledigung insolvenzverwalterspezifischer Pflichten beschränkt, da insoweit keine Gefahr für die
Unabhängigkeit des Sachwalters besteht. Ohne die Beratung durch den Sachwalter liefe der Geschäftsführer Gefahr, mangels insolvenzrechtlicher Erfahrung
sachwidrige Entscheidungen zu treffen. Somit ist der Sachwalter zur allgemeinen
Beratung der eigenverwaltenden Geschäftsführer verpflichtet.
442 So auch Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 246.
443 Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 369, Rn. 1090.
444 Vgl. die Ausführungen im 2. Kapitel § 1 III 3 c.
445 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 100 ff.; Hoffman/Preu, Der
Aufsichtsrat, Rn. 101, 106 f., 301; Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 568.
446 Vgl. schon zu § 284 Abs. 1 Satz 2 InsO, Smid, Insolvenzrecht, § 25 Rn. 27.
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2. Wesentliche Einzelbefugnisse
Neben diesen systematischen Rechten und Pflichten stehen dem Sachwalter wesentliche Einzelbefugnisse zu. So kann er die Geschäftsführer auffordern, ihm die
Kassenführung zu übertragen (§ 275 Abs. 2 InsO). Er ist zudem befugt, angemeldete Insolvenzforderungen zu bestreiten (§ 283 InsO) und im Auftrag der Gläubigerversammlung einen Insolvenzplan auszuarbeiten (§ 284 Abs. 1 Satz 1 InsO).
Beauftragt die Gläubigerversammlung hingegen den Geschäftsführer mit der
Ausarbeitung eines Insolvenzplans, so wirkt der Sachwalter beratend mit (§ 284
Abs. 1 Satz 2 InsO). Zur Überwachung der Planerfüllung ist er ebenfalls befugt
(§ 284 Abs. 2 InsO).
a. Forderungsanmeldung
Gemäß §§ 270 Abs. 3 Satz 1, 174 InsO sind die Forderungen beim Sachwalter und
nicht beim Geschäftsführer anzumelden. Fraglich ist dabei, ob der Sachwalter lediglich die Forderungsanmeldungen entgegennimmt oder ob er auch die Tabelle
führt (§ 175 InsO).447
Einer Ansicht nach hat der Sachwalter lediglich die Forderungsanmeldungen
entgegenzunehmen, wohingegen der Geschäftsführer die Tabelle führt. Der
Geschäftsführer habe bereits das Gläubigerverzeichnis zu erstellen, das der Forderungstabelle zugrunde läge gemäß §§ 281 Abs. 2, 152 InsO.448 Dieser Ansicht
nach führt nicht der Sachwalter sondern der Geschäftsführer die Tabelle.
Der Gegenansicht zufolge steht dem Sachwalter neben der Entgegennahme der
Forderungsanmeldungen auch die Führung der Forderungstabelle zu. Zwar
erstelle der Geschäftsführer das Gläubigerverzeichnis, dieses werde jedoch vom
Sachwalter überprüft (§ 281 Abs. 1 Satz 2 InsO). Dieser könne aber das Gläubigerverzeichnis keiner stichhaltigen Prüfung unterziehen, wenn er auf eine vom
Geschäftsführer erstellte Tabelle zurückgreifen müsse. Zur Prüfung des Gläubigerverzeichnisses müsste er zunächst die Tabelle des Geschäftsführers prüfen.
Für den weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens und die Erfolgsaussichten einer
Sanierung sei jedoch entscheidend, dass die Gläubiger durch zutreffende Verzeichnisse im Sinne des § 281 InsO insbesondere über den Grad der Verschuldung
informiert werden. Bei einer Führung der Tabelle durch den Geschäftsführer liefe
man hingegen Gefahr, dass dieser durch beschönigende Angaben einen günstigeren Eindruck vom Zustand des Unternehmens zu vermitteln versucht. Dieser
447 So Smid, Insolvenzrecht, § 25 Rn. 20; Pape, in: Kölner Schrift, S. 913 f.; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270 Rn. 28; Wimmer/Foltis, InsO, § 270 Rn. 45; HK/Landfermann,
InsO, § 270 Rn. 11; Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 270 Rn. 16; Haarmeyer/Wutzke/
Förster, Handbuch, Rn. 10.22.
448 Vgl. auch Wimmer/Foltis, InsO, § 270 Rn. 44; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270
Rn. 10; vgl. auch Pape, in: Kölner Schrift, S. 913 f.
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Ansicht nach hat der Sachwalter daher nicht nur die Forderungsanmeldungen entgegenzunehmen, sondern auch die Forderungstabelle zu führen.
Die besseren Argumente sprechen für diese Ansicht. Mit Hilfe des unabhängigen und sachverständigen Sachwalters kann die Zuverlässigkeit der als Planungsgrundlage dienenden Forderungstabelle sichergestellt werden. Auf dieser Grundlage kann eine zügige sowie verlässliche Überprüfung des Gläubigerverzeichnisses ermöglicht werden.449 Schließlich ist die Führung der Tabelle der technischen
Verfahrensabwicklung zuzuordnen, welche nach dem allgemeinen Kompetenzverteilungsgrundsatz vom Sachwalter wahrzunehmen ist.
b. Mitwirkung bei Beendigung und Fortsetzung des Anstellungsvertrages
bzw. der Vergütung des Geschäftsführers
Im Regelinsolvenzverfahren kann der Insolvenzverwalter den Anstellungsvertrag
des Geschäftsführers beenden gemäß § 113 InsO.450 In der Eigenverwaltung der
GmbH steht dieses Recht der GmbH zu (§ 279 Satz 1 InsO), so dass der Geschäftsführer selbst für seine Kündigung zuständig ist.451 Eine Kündigung des
Anstellungsverhältnisses wird daher regelmäßig ausscheiden.452
Der Sachwalter kann von der GmbH auch nicht die Herabsetzung der
Geschäftsführerbezüge erzwingen, obwohl diese ihre Rechte nach den §§ 103 bis
128, 279 Satz 2 InsO im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben soll.453 Eine
derartige Befugnis des Sachwalters ist jedoch abzulehnen, da die eigenverwaltete
GmbH derartige unternehmerische Entscheidungen selbst trifft. Weigert sich der
Geschäftsführer jedoch, einer Herabsetzung seiner Bezüge zuzustimmen, so kann
dies einen Grund für die Aufhebung der Eigenverwaltung nach § 272 InsO darstellen.
3. Ergebnis
Auch wenn sich die Rechtstellung des Sachwalters weitgehend aus den für den
Insolvenzverwalter geltenden Vorschriften (§ 274 Abs. 1 InsO) ableiten lässt, stehen dem Sachwalter deutlich weniger weit reichende Befugnisse zu als dem
Insolvenzverwalter. Da die GmbH verwaltungs- und verfügungsbefugt bleibt,
wird der Sachwalter vornehmlich überwachend und beratend tätig. Zentrale Aufgaben des Sachwalters bestehen in der Entgegennahme der Forderungsanmeldungen und in der Führung der Tabelle.
449 Vgl. Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 307.
450 Vgl. 2. Kapitel § 2 I 2 c.
451 Das GmbHG enthält keine dem § 112 AktG vergleichbare Regelung.
452 Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 381, Rn. 998.
453 Uhlenbruck, BB 2003, 1185, 1189.
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§ 3 Maßgebliche Aufgaben des Geschäftsführers
Wie beim Insolvenzverwalter bzw. beim Sachwalter unterteilen sich die maßgeblichen Aufgaben des Geschäftsführers zum einen in generelle Aufgaben, welche
die GmbH als Insolvenzschuldnerin wahrzunehmen hat, und zum anderen in spezielle Aufgaben des Regelinsolvenzverfahrens und der Eigenverwaltung.
I. Rechte und Pflichten der GmbH als Insolvenzschuldnerin
Unabhängig davon, ob das Insolvenzgericht das Regelinsolvenzverfahren oder
die Eigenverwaltung anordnet, nimmt der Geschäftsführer als Schuldnervertreter
Rechte und Pflichten der GmbH wahr (§ 101 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 97 ff. InsO).
Es handelt sich um Rechte und Pflichten, die dieser als eine juristische Person im
Rahmen der Insolvenz in gleicher Weise wie einer natürlichen Person zustehen.454
§ 101 Abs. 1 Satz 1 InsO bestimmt, dass Verfahrenspflichten einer insolventen
juristischen Person auf die Mitglieder ihrer Vertretungsorgane Anwendung finden. Bezüglich der Verfahrensrechte fehlt eine entsprechende Vorschrift. Gleichwohl bedarf es keiner ausdrücklichen Erklärung, wonach Verfahrensrechte auf organschaftliche Vertreter einer juristischen Person Anwendung finden. In
§ 101 Abs. 1 Satz 1 InsO spiegelt sich bereits der allgemeine Grundsatz wider,
wonach in der Insolvenz eines Verbands dessen organschaftliche Vertreter die
verfahrensrechtlichen Aufgaben wahrnehmen. Für die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten sowie die Postsperre wird dies ausdrücklich klargestellt. Folglich
scheidet auch der Umkehrschluss aus, wonach allein die Pflichten, nicht jedoch
die Rechte auf die organschaftlichen Vertreter Anwendung fänden. Damit nimmt
der Geschäftsführer aufgrund seiner Stellung als Organ der GmbH sowohl die
Verfahrenspflichten als auch die Verfahrensrechte der GmbH wahr.455
Dadurch wird er jedoch noch nicht zum Träger der Gemeinschuldnerrolle, da
diese allein der GmbH zukommt.456
1. Rechte
Die Insolvenzordnung weist der schuldnerischen Gesellschaft ausdrücklich bestimmte Verfahrensrechte zu, welche die Gesellschaftsorgane wahrnehmen. Welches Organ in welcher Weise die jeweiligen Verfahrensrechte auszuüben hat, ergibt sich jedoch nicht aus der Insolvenzordnung, sondern aus dem internen Orga-
454 Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1296 f.
455 Vgl. Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1296 ff.; Grüneberg, Die Rechtsposition der Organe
und des Betriebsrates im Konkurs, S. 136 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 30.51; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 87.
456 Vgl. zur Eigenverwaltung, in dem ebenfalls die GmbH die Eigenverwalterrolle inne hat,
siehe 2. Kapitel § 1 III 1.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Deutschland und Frankreich stehen exemplarisch für eine bis heute sehr unterschiedliche Verfahrenspraxis im Insolvenzrecht. Ungleich gehandhabt wird insbesondere die Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Insolvenzverwalter.
Die Aufgaben des Geschäftsführers einer GmbH bzw. einer Société à responsabilité limitée (SARL) richten sich grundsätzlich allein nach dem Gesellschaftsrecht. Dies ändert sich jedoch spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dann findet das deutsche bzw. das im Jahre 2005 novellierte französische Insolvenzrecht auf den Geschäftsführer Anwendung und der Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter tritt in das Leben der GmbH bzw. SARL ein. Auf dieser Schnittstelle von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht kommt es damit sowohl im Regelinsolvenzverfahren bzw. in der Eigenverwaltung im deutschen Recht als auch im Erhaltungs- bzw. Sanierungsverfahren im französischen Recht zu einem Nebeneinander des gesellschaftsrechtlichen und des insolvenzrechtlichen Organs.
Dieses Nebeneinander macht eine Aufgabenverteilung notwendig, die jedoch in keinem der beiden Länder explizit geregelt ist. Auf Grundlage der dogmatischen Lösungsansätze werden die wesentlichen Aufgaben des Insolvenzverwalters und des Geschäftsführers einer GmbH bzw. SARL definiert und rechtsvergleichend untersucht.