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Sanierungsverfahren kann das Insolvenzgericht zwischen dem Beistand und der
Ersetzung bzw. Vertretung wählen.
a. Überwachung (»surveillance«)
Ist der Verwalter zur Überwachung (»surveillance«) der SARL berufen, so führt
die Verfahrenseröffnung nur zu geringen Veränderungen der Abläufe in der
SARL. Diese bleibt nämlich weiterhin alleine verwaltungs- und verfügungsbefugt und wird vom Verwalter lediglich a posteriori überwacht.158
b. Beistand (»assistance«)
Die Verwaltungsform des Beistands (»assistance«) der SARL durch den Verwalter schützt die Gläubiger besser als die Verwaltungsform der Überwachung, da
der Geschäftsführer Geschäfte der SARL regelmäßig nur mit der Zustimmung des
Verwalters abschließen darf.159
c. Ersetzung (»dessaisissement«) bzw. Vertretung (»représentation«)
Im Rahmen der Ersetzung (»dessaisissement«) bzw. Vertretung (»représentation«) der SARL handelt der Verwalter allein, im Namen und auf Rechnung der
SARL. Diese Verwaltungsform findet insbesondere Anwendung, wenn das
Insolvenzgericht die SARL bzw. deren Organe für unehrlich oder inkompetent
hält.
Der jeweils vom Gericht gewählte Umfang der Befugnisse des Verwalters
bedingt daher gleichzeitig auch den jeweiligen Umfang der Befugnisse des
Geschäftsführers. Daher wird im Folgenden noch vertieft auf die drei Verwaltungsformen des Verwalters eingegangen.160
§ 3 Gang der Untersuchung
Hauptanliegen der Arbeit ist die Erarbeitung und Untersuchung der Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Insolvenzverwalter. Daher wird im zweiten
158 Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, S. 271, Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, S. 156; Lucas/Lécuyer/Becqué-Ickowicz, La réforme des procédures
collectives, S. 92.
159 Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, S. 273; Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, S. 156; Guyon, Entreprises en difficultés, S. 235.
160 Vgl. 3. Kapitel § 2 I 1; II 1.
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Kapitel zunächst die Aufgabenverteilung zwischen Insolvenzverwalter und Geschäftsführer im Rahmen der Insolvenz der GmbH im deutschen Recht erarbeitet.
Ausgangspunkt ist die Darstellung der theoretischen Lösungsansätze dieser Aufgabenverteilung im Regelinsolvenzverfahren. Bezugspunkt ist damit die herrschende Dogmatik der Bereichslehre von Friedrich Weber,161 wonach im so genannten Verdrängungsbereich der Insolvenzverwalter und im so genannten Gemeinschuldnerbereich die Gesellschaftsorgane alleinzuständig sind. Darüber hinaus gibt es einen so genannten insolvenzfreien Bereich, in welchem der
Insolvenzverwalter und der Geschäftsführer nebeneinander zuständig sind. Der
insolvenzfreie Bereich birgt somit besonders interessante Fragen der Kompetenzabgrenzung. So ist beispielsweise zu untersuchen, ob die Einberufung der Gesellschafterversammlung in den Aufgabenbereich des Geschäftsführers oder des
Insolvenzverwalters fällt.
Neben dieser Problematik des deutschen Regelinsolvenzverfahrens steht die
Gesetzeskollision im Rahmen der Eigenverwaltung im Vordergrund. Dort ist zu
prüfen, ob der Geschäftsführer einer GmbH in Eigenverwaltung den gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen unterliegt oder ob er, wie der Insolvenzverwalter im Regelverfahren, unabhängig von solchen Beschränkungen tätig werden kann. Für die Beantwortung dieser Frage kommt es darauf an, ob der Gesetzeskonflikt zugunsten des Gesellschafts- oder des Insolvenzrechts aufzulösen ist.
Ginge man beispielsweise vom Vorrang des Insolvenzrechts aus, so unterläge der
eigenverwaltende Geschäftsführer nicht den Beschränkungen des Gesellschaftsrechts. Im Anschluss entwickelt die Arbeit einen eigenen theoretischen Lösungsansatz zur Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Sachwalter im
Rahmen der Eigenverwaltung.
Das dritte Kapitel der Dissertation widmet sich der Rechtslage in Frankreich. Um
eine vergleichbare Gegenüberstellung zum deutschen Recht zu ermöglichen, entspricht der Aufbau des dritten Kapitels weitgehend dem Aufbau des zweiten Kapitels der Arbeit zum deutschen Recht. Unterschieden wird dabei zwischen dem
Erhaltungs- und Sanierungsverfahren und der gerichtlichen Abwicklung. Wie im
zweiten Kapitel zum deutschen Recht werden auch im dritten Kapitel zunächst
die theoretischen Lösungsansätze erarbeitet, um im Anschluss die Aufgaben des
Verwalters bzw. des Abwicklers von denjenigen des Geschäftsführers abzugrenzen. Durch den weitgehend identischen Aufbau des Kapitels zum deutschen und
zum französischen Recht soll die Gegenüberstellung und der Vergleich der Kompetenzverteilungsmodelle beider Rechtsordnungen erleichtert werden. Mithilfe
des spiegelbildlichen Aufbaus soll der Leser der jeweiligen Fragestellung im
deutschen Recht die entsprechende Fragestellung im französischen Recht gegen-
überstellen können.
Im vierten Kapitel der Arbeit werden schließlich die gewonnenen Erkenntnisse
aus der Analyse des deutschen und des französischen Rechts gegenübergestellt
161 F. Weber, KTS 1970, 73 ff.
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und bewertet. Nach der Methodik der Rechtsvergleichung ist zunächst zu prüfen,
ob die untersuchten Regelungen des deutschen und französischen Rechts die gleichen Bedürfnisse erfüllen und äquivalente rechtliche Strukturmerkmale aufweisen. Im Anschluss an die Bejahung der funktionellen Vergleichbarkeit der Thematik im deutschen und französischen Recht werden einzelne Problemkreise der
Kompetenzverteilung näher betrachtet, die sich während der vorangegangenen
Untersuchung des deutschen und französischen Rechts herauskristallisiert haben.
Sodann werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der untersuchten Problemkreise wertend aufgezeigt. Schließlich erfolgt eine abschließende Bewertung des
Vergleichs sowie eine Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse in Thesenform.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Deutschland und Frankreich stehen exemplarisch für eine bis heute sehr unterschiedliche Verfahrenspraxis im Insolvenzrecht. Ungleich gehandhabt wird insbesondere die Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Insolvenzverwalter.
Die Aufgaben des Geschäftsführers einer GmbH bzw. einer Société à responsabilité limitée (SARL) richten sich grundsätzlich allein nach dem Gesellschaftsrecht. Dies ändert sich jedoch spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dann findet das deutsche bzw. das im Jahre 2005 novellierte französische Insolvenzrecht auf den Geschäftsführer Anwendung und der Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter tritt in das Leben der GmbH bzw. SARL ein. Auf dieser Schnittstelle von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht kommt es damit sowohl im Regelinsolvenzverfahren bzw. in der Eigenverwaltung im deutschen Recht als auch im Erhaltungs- bzw. Sanierungsverfahren im französischen Recht zu einem Nebeneinander des gesellschaftsrechtlichen und des insolvenzrechtlichen Organs.
Dieses Nebeneinander macht eine Aufgabenverteilung notwendig, die jedoch in keinem der beiden Länder explizit geregelt ist. Auf Grundlage der dogmatischen Lösungsansätze werden die wesentlichen Aufgaben des Insolvenzverwalters und des Geschäftsführers einer GmbH bzw. SARL definiert und rechtsvergleichend untersucht.