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von den Übertragungsnetzbetreibern übernommenen Strom aus erneuerbaren Energiequellen ihrerseits abzunehmen und nach bundesweit einheitlichen Durchschnittssätzen zu vergüten.1340 Im Ergebnis werden alle Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die Strom an Letztverbraucher liefern, zu gleichen Teilen an der Abnahmeund Vergütungsverpflichtung des EEG beteiligt.1341 Diese geben die ihnen hierdurch
entstehenden Kosten über die Gestaltung der Preise an die Endverbraucher weiter.
B. Die Einspeisetarifsysteme des italienischen Rechts im Vergleich mit dem EEG
Nach der separaten Darstellung der Einspeisevergütungsregelungen in Italien und
der deutschen Regelungen wird nun untersucht, ob aus dem Vergleich der beiden
Systeme Schlussfolgerungen hinsichtlich ihrer rechtstechnischen Effizienz zu ziehen
sind. Die Ergebnisse dieses Vergleichs könnten Verbesserungsmöglichkeiten für das
italienische Recht aufzeigen.
I. Vergleichbarkeit der Systeme
Dem Ansatz der funktionalen Rechtsvergleichung zufolge sind Rechtsinstitute verschiedener Rechtsordnungen auf ihre Funktion hin zu untersuchen, d. h. hinsichtlich
ihres Lösungsansatzes für ein konkretes Problem.1342 Der Vergleich ist dabei auf die
Rechtswirklichkeit zu fokussieren. Er setzt die grundsätzliche Vergleichbarkeit der
beiden untersuchten Rechtsordnungen voraus.1343 In formeller Hinsicht bieten die
beiden der Civil-Law-Familie angehörenden und in der Tradition des römischen
Rechts stehenden staatlichen Rechtsordnungen Italiens und Deutschlands insoweit
freilich keine Probleme. In materieller Hinsicht ist als wichtiger Anknüpfungspunkt
für beide Systeme zunächst das Recht der EU zur Förderung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu nennen, das gleichzeitig den Mitgliedstaaten im Hinblick
auf ihre Fördersysteme einen umfassenden Spielraum lässt. Die Vorgaben sind dabei
von beiden Staaten hinsichtlich eines liberalisierten nationalen Strommarktes umzusetzen.
Ausgehend von diesen Vorgaben wäre für die Fördersysteme als Ganze die nötige
Vergleichbarkeit gegeben. Da dem deutschen Recht ein Quotenmodell völlig fremd
ist, erscheint ein Vergleich des italienischen Systems der certificati verdi mit dem
EEG jedoch nur unter dem Gesichtspunkt der ökonomischen Effizienz sinnvoll.
Deshalb soll für den hier vorzunehmenden Rechtsvergleich das Sachproblem noch
weiter spezifiziert werden, so dass die italienischen das Quotensystem flankierenden
1340 § 37 EEG 2009, bisher § 14 Abs. 3 S. 3 EEG 2004.
1341 Vgl. zum EEG 2004 Altrock/Oschmann/Theobald, EEG, § 14, Rn. 4.
1342 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 33 ff.; Koch/Magnus/Winkler von
Mohrenfels, IPR und Rechtsvergleichung, S. 314.
1343 Koch/Magnus/Winkler von Mohrenfels, IPR und Rechtsvergleichung, S. 315.
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Einspeisevergütungsregelungen am Maßstab der mit ihnen korrespondierenden
Regelungen des EEG gemessen werden können. Auf den Vergleich des Quotenmodells mit dem EEG wird hingegen verzichtet. Untersucht werden daher die rechtlichen Lösungen beider Staaten hinsichtlich des Vergleichsgegenstands der „staatlichen Förderung von Strom aus Fotovoltaikanlagen und aus Anlagen mit einer Leistung von bis zu 1 MW“. Dazu sollen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der in
diesen Bereichen geltenden Einspeisevergütungsregelungen herausgearbeitet und
anschließend einer zusammenfassenden Bewertung unterzogen werden.
II. Die Abnahmeverpflichtungen im Vergleich
In beiden Systemen bestehen Gesamtabnahmepflichten für Strom aus erneuerbaren
Energiequellen. Sie unterscheiden sich jedoch sowohl hinsichtlich der Regelungsebene als auch durch ihre Adressaten. Das EEG enthält in § 8 Abs. 1 eine Gesamtabnahmepflicht zu Lasten des Betreibers des jeweiligen Netzes, an das die Anlage
angeschlossen ist. Auch die italienische Abnahmepflicht gilt übergeordnet für alle
Energiequellen und alle Anlagengrößen. Ihre maßgeblichen Details sind in einem
Beschluss der AEEG geregelt. Dies gilt insbesondere auch für den Adressaten der
Verpflichtung, der seit dem 1. Juli 2007 nicht mehr der jeweilige Netzbetreiber ist,
sondern der GSE.
Bei der Frage, wen die Abnahmepflicht trifft, handelt es sich um ein Problem mit
erheblichen verfassungsrechtlichen, europarechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen. Die Regelung dieser Frage durch einen bloßen Beschluss der Regulierungsbehörde, wie es im italienischen Recht der Fall ist, trägt ihrer Bedeutung nicht
hinreichend Rechnung. Das ergibt sich schon aus dem Demokratieprinzip inhärenten
Vorbehalt des Parlaments, das als unmittelbar demokratisch legitimiertes Staatsorgan zur Regelung wesentlicher Entscheidungen berufen ist. Der deutsche Ansatz,
diese Frage durch ein formelles Gesetz zu regeln, ist daher gegenüber der italienischen Lösung vorzugswürdig. Eine parlamentsgesetzliche Lösung würde zudem
auch in Italien zu mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit führen.
Anders fällt die Bewertung hinsichtlich der Wahl des Adressaten der Abnahmepflicht aus. Die italienische Lösung beinhaltet durchaus Vorteile gegenüber dem
EEG. Durch die Zwischenschaltung des staatlichen Unternehmens GSE, das für die
Umverteilung der anfallenden Kosten auf die Stromverbraucher zuständig ist, wird
die Einbeziehung der vorgelagerten Netzbetreiber und Stromversorger in ein komplexes Ausgleichssystem mit dem damit verbundenen bürokratischen Aufwand
vermieden. Außerdem ermöglicht diese Lösung eine unmittelbare Kontrolle der
entstehenden Kosten. Für Betreiber von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen ist von Vorteil, dass die Aufgaben der Zuerkennung der Einspeisevergütungen, ihrer Auszahlung und der Abnahme des dazugehörigen Stroms
zusammengelegt wurden. Sie müssen sich dadurch nur mit einem einzigen Ansprechpartner befassen. Die Kosten der Förderung tragen letztlich sowohl im italienischen als auch im deutschen System die Endverbraucher des Stroms. Durch die
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References
Zusammenfassung
Die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung spielt für die Verbesserung der Versorgungssicherheit und die Erreichung der Klimaschutzziele der Europäischen Union eine herausragende Rolle. Den hierfür maßgeblichen Rechtsnormen der einzelnen Mitgliedstaaten kommt deshalb besondere Bedeutung zu.
Der Autor analysiert detailliert die Vorschriften der Republik Italien. Die Darstellung der energiewirtschaftlichen Grundlagen und der energierechtlichen Rahmenbedingungen bildet den Ausgangspunkt für die anschließende Untersuchung der Förderregelungen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen das Zertifikatesystem und die verschiedenen Einspeisetarifsysteme für Kleinanlagen und den Bereich der Fotovoltaik. Die eingehende Prüfung der Vereinbarkeit der italienischen Regelungen mit dem Europarecht und ein partieller Vergleich mit dem EEG schließen die Darstellung ab.