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1992957 festgelegt wurden, erlangte lediglich der CIP 6/92 weit reichende Bekanntheit. Diese erscheint indessen nicht ungerechtfertigt, legt doch der CIP 6/92 das
Herzstück dieses Fördersystems, den Einspeisetarif, fest.
Grundgedanke des CIP 6/92 ist die beschleunigte Amortisation der Investitionen
in förderungswürdige Anlagen zur Stromerzeugung und der sich daraus ergebende
Anreiz zum Bau solcher Anlagen. Die Aufgabe des Comitato Interministeriale dei
Prezzi war es gemäß Art. 22 Abs. 5 Gesetz Nr. 9/1991, die Preise für elektrische
Energie aus Anlass der Lieferung, Übertragung und Erzeugung auf Rechnung von
Enel innerhalb von 180 Tagen nach Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 9/1991 festzulegen. Hierin liegt gleichzeitig die Rechtsgrundlage für den Erlass des CIP 6/92. Für
Anlagen, die auf sog. „den erneuerbaren Energiequellen gleichgestellten Energiequellen“ beruhen, sollte der Comitato Interministeriale dei Prezzi zudem die technischen Voraussetzungen für die Gleichstellung statuieren.
II. Anwendungsbereich des CIP 6/92
Der sachliche Anwendungsbereich des CIP 6/92 umfasst neben den Anlagen zur
Erzeugung von Strom aus den erneuerbaren Energiequellen Sonne, Wind, Wasserkraft, Geothermie, Wellen- und Gezeitenenergie und aus der Verbrennung von organischen und nichtorganischen Pflanzenabfällen auch sog. „Anlagen zur Erzeugung
von Strom aus Energiequellen, die den erneuerbaren gleichgestellt sind“.958 Hierzu
gehören die Kraft-Wärme-Kopplung, Abwärmenutzung, die Nutzung von überschüssigem Dampf und anderen Energieformen, die als Nebenprodukte entstehen,
sowie die Nutzung von fossilen Brennstoffen aus kleineren isolierten Vorkommen.
Exakte technische Kriterien für eine Gleichstellung eines der letztgenannten Kraftwerke legt Titolo I des CIP 6/92 fest. Dieser sachliche Anwendungsbereich wird
vielfach als zu weit kritisiert,959 da durch den CIP 6/92 nicht nur erneuerbare Energiequellen, sondern in relevantem Umfang auch die fossilen Energiequellen mitgefördert werden. So entfielen im Jahr 2006 von 49 TWh gerade einmal 9,3 TWh der
nach dem CIP 6/92 geförderten Elektrizität auf Anlagen zur Stromerzeugung aus
erneuerbaren Energiequellen.960 Diese parallele Förderung hatte bis zur Einführung
957 Ministero dell’industria, del commercio e dell’artigianato, decreto del 25 settembre 1992,
Approvazione della convenzione-tipo prevista dall'Art. 22 della legge 9 gennaio 1991, n. 9,
recante norme per l'attuazione del nuovo Piano energetico nazionale (Ministerium für Industrie, Handel und Handwerk, Verordnung vom 25. September 1992, Bestätigung des in
Art. 22 des Gesetzes n. 9 vom 9. Januar 1991 vorgesehenen Standardvertrags, Umsetzung des
neuen nationalen Energieplans), G. U. n. 235 del 6 ottobre 1992.
958 Impianti alimentati da fonti assimilate a quelle rinnovabili.
959 Selleri, Rassegna giuridica dell’energia elettrica 2006, 952, 955; Epschtein, Legislazione
rinnovabile o rinnovabile legislazione, verfügbar unter www.ambientediritto.it/dottrina/Politiche%20energetiche%20ambientali/politiche%20e.a/legislazione_rinnovabile_eptschein.htm,
S. 1.
960 GSE, Rapporto 2007 (siehe Fn. 771), S. 68.
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der neuen Fördersysteme zur Folge, dass kostenintensive und leistungsstarke mit
fossilen Brennstoffen betriebene Anlagen, die in den Anwendungsbereich des CIP
6/92 fielen, einen Großteil der Fördermittel in Anspruch nahmen und dadurch der
Bau von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen verzögert wurde.961
Zeitlich unterscheidet der CIP 6/92 zwischen Anlagen, die vor dem 30. Januar
1991 und solchen, die danach in Betrieb genommen wurden. Er fand bzw. findet
zwar auf beide Anwendung, jedoch mit unterschiedlichen Einspeisetarifen.
Durch eine Ministerverordnung vom 24. Januar 1997962 wurde das Einspeisetarifsystem des CIP 6/92 wieder abgeschafft. Diejenigen – auch lediglich geplanten –
Anlagen, die bereits vor dem 30. Juni 1995 das Recht auf eine Förderung nach dem
CIP 6/92 erworben hatten, unterfielen bzw. unterfallen indessen weiterhin den Regelungen des CIP 6/92. Einige Anlagen, die diese Rechte erworben haben, wurden
noch immer nicht in Betrieb genommen. Es ist daher noch nicht endgültig absehbar,
wann die letzten Vergütungen nach dem CIP 6/92 ausgezahlt werden.963
III. Förderinstrument Einspeisetarif
1. Kontrahierungs- und Abnahmezwang
Gemäß Art. 22 Abs. 3 und 4 Gesetz Nr. 9/1991 wurde Enel ein Kontrahierungszwang und eine Abnahmeverpflichtung für den Regenerativstrom auferlegt. Nach
der Liberalisierung des Strommarktes konnte die Abnahmeverpflichtung nicht mehr
gegenüber Enel weiter bestehen, so dass die italienische Regierung im Decreto Bersani einen anderen Abnehmer definieren musste, der für die Erfüllung der Enel
auferlegten Pflichten einstehen sollte.964 Die Abnahmeverpflichtung wurde deshalb
zunächst auf den GRTN übertragen,965 bevor der GSE am 1. November 2005 als
Rechtsnachfolger des GRTN diese Aufgabe übernahm.
961 Selleri, Rassegna giuridica dell’energia elettrica 2006, 952, 955.
962 Decreto ministeriale del 24 gennaio 1997, Disposizioni in materia di cessione dell’energia
elettrica di nuova produzione da fonti rinnovabili ed assimilate (Ministerverordnung vom
24. Januar 1997, Bestimmungen zur Übertragung von elektrischer Energie aus neuen Anlagen
zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen), G. U. n. 44 del 22 febbraio 1997.
963 Es wird allerdings damit gerechnet, dass genehmigte Anlagen noch bis 2013 in Betrieb genommen werden. Der CIP 6/92 würde in diesem Fall erst im Jahr 2021 gänzlich an Bedeutung verlieren.
964 Himmer, Energiezertifikate in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 217.
965 Art. 2 Abs. 4 Decreto ministeriale del 21 novembre 2000, Cessione dei diritti e delle obbligazioni relativi all'acquisto di energia elettrica prodotta da altri operatori nazionali, da parte
dell'ENEL S. p. A. al Gestore della rete di trasmissione nazionale S. p. A. (Ministerverordnung vom 21. November 2000, Übertragung der Rechte und Pflichten betreffend den Ankauf
von Strom von anderen inländischen Akteuren von Seiten der ENEL S. p. A. auf die Gestore
della rete di trasmissione nazionale S. p. A.), G. U. n. 280 del 30 novembre 2000.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung spielt für die Verbesserung der Versorgungssicherheit und die Erreichung der Klimaschutzziele der Europäischen Union eine herausragende Rolle. Den hierfür maßgeblichen Rechtsnormen der einzelnen Mitgliedstaaten kommt deshalb besondere Bedeutung zu.
Der Autor analysiert detailliert die Vorschriften der Republik Italien. Die Darstellung der energiewirtschaftlichen Grundlagen und der energierechtlichen Rahmenbedingungen bildet den Ausgangspunkt für die anschließende Untersuchung der Förderregelungen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen das Zertifikatesystem und die verschiedenen Einspeisetarifsysteme für Kleinanlagen und den Bereich der Fotovoltaik. Die eingehende Prüfung der Vereinbarkeit der italienischen Regelungen mit dem Europarecht und ein partieller Vergleich mit dem EEG schließen die Darstellung ab.