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5. Kapitel: Die italienischen Einspeisetarifsysteme
Seit der Einführung des quotengestützten Zertifikatesystems gilt Italien auf europäischer Ebene überwiegend als Beispiel eines Staats mit einem quotengestützten
Zertifikatesystem als Förderinstrument. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit, sind
dem italienischen Recht doch Einspeisetarifsysteme keineswegs fremd.
Die entsprechenden Regelungen werden im Folgenden nach einem einführenden
Abschnitt (A) über die Grundlagen von Einspeisetarifsystemen analysiert. Während
die Wirkungen des Beschlusses CIP 6/92948 in den nächsten Jahren nach und nach
auslaufen (B), wurden bereits drei neue Einspeisetarifsysteme eingeführt, die neben
dem System der certificati verdi gelten. Seit 2005 existiert mit dem sog. conto energia ein Einspeiseprämiensystem für Fotovoltaikanlagen, das bereits umfassend reformiert wurde (C). Betreiber von Kleinanlagen, die andere erneuerbare Energiequellen nutzen, können zudem seit dem 1. Januar 2008 statt der Ausgabe von certificati verdi Vergütungen nach einem Festpreissystem wählen (D). Schließlich existiert
seit April 2008 ein weiteres Fördersystem für Strom aus Solarthermieanlagen (E).
Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden im Abschnitt (F) dieses Kapitels
aufgezeigt, der auch die Ergebnisse zusammenfasst.
A. Grundlagen von Einspeisevergütungssystemen
Einspeisevergütungssysteme werden in der EU seit Ende der achtziger Jahre zur
Förderung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen herangezogen.949 Mittlerweile fördern 18 der 27 Mitgliedstaaten Strom aus erneuerbaren Energiequellen mittels
eines Einspeisevergütungsgesetzes.950
Als Preissteuerungsmechanismen verfolgen sie einen im Vergleich zu Mengensteuerungsmechanismen wie Quotensystemen anders gerichteten Ansatz. Das Ziel
eines bestimmten Ausbaus der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen soll nicht durch die Festlegung einer Quote hinsichtlich einer bestimmten Menge, sondern durch die Festsetzung von Preisen erreicht werden, die so hoch angesetzt sind, dass sie den Anlagenbetreibern neben der Amortisation der Investitionskosten eine attraktive Rendite in Aussicht stellen. Die Abnahme und Vergütung des
948 Siehe unten S. 190 ff.
949 Auf die Einführung des portugiesischen Decreto-Lei n.º189 de 27 de Maio 1988, D.R.
n.º123/88, Série I-A, folgte 1991 die Einführung des Stromeinspeisungsgesetzes in Deutschland.
950 Ragwitz, Assessment and optimisation of renewable energy support schemes in the European
electricity market, S. 19 f. Hierbei ist Italien nicht mitgerechnet.
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Stroms wird durch gesetzliche Pflichten zu Lasten der Netzbetreiber oder anderer
Akteure garantiert.
Wie auch bei quotengestützten Zertifikatemodellen finden sich im Bereich der
Einspeisevergütungsmechanismen zahlreiche unterschiedliche Ausprägungen, die
erhebliche Auswirkungen auf den Erfolg des einzelnen Fördersystems haben. Die
meisten Staaten, die Einspeisetarifsysteme nutzen, erstrecken deren Anwendungsbereich auf alle Anlagengrößen, Energiequellen und Technologien.951 Denkbar ist aber
auch, wie das Beispiel Italien zeigt, die Einspeisevergütungsregelungen auf eine
oder mehrere Technologien oder bestimmte Anlagengrößen zu beschränken.952 Auf
diesem Wege wird innerhalb eines Rechtssystems die Kombination von Einspeisevergütungsmodellen mit anderen Förderinstrumenten möglich. Abnahme- und Vergütungspflichten sind anders als bei Quotensystemen zwangsläufig nötige Bestandteile jedes Einspeisevergütungssystems. Nur auf diesem Wege kann die Abnahme
des Stroms zu dem festgesetzten – über dem Marktpreis liegenden – Tarif sichergestellt werden. Unterschiede sind jedoch hinsichtlich der Adressaten der Abnahmeverpflichtung denkbar. Insbesondere die Netzbetreiber kommen hierfür in Betracht,
denkbar sind aber auch die Stromverteilungs- oder Versorgungsunternehmen sowie
ein staatlicher Akteur wie im italienischen System. Die Ausgestaltung kann dabei
erhebliche Auswirkungen auf die beihilfenrechtliche Beurteilung eines Regelungssystems nach sich ziehen.
Im Wesentlichen sind hinsichtlich des Vergütungssystems zwei Alternativen zu
unterscheiden. Eine Vergütungsregelung kann entweder als Komplettfestpreis oder
als Prämiensystem ausgestaltet sein. Im ersten Fall wird der Strom zu einem einheitlichen, um den Förderbetrag aufgestockten Preis abgenommen. Im Prämiensystem
wird hingegen der Förderbetrag als Prämie ausgezahlt, während der Strom separat
durch den Anlagenbetreiber verkauft wird.953 Letztere Variante ist als marktkompatibler anzusehen, weil der Anlagenbetreiber zumindest hinsichtlich der Erlöse aus
dem Stromverkauf weiterhin den allgemeinen Marktregeln unterworfen ist. Komplettfestpreissysteme bieten demgegenüber die größere Investitionssicherheit, die
Einnahmen sind exakt kalkulierbar. Die Dauer der Förderung ist in jedem Fall begrenzt, die Zeitspannen variieren dabei jedoch erheblich. Während längere Förderzeiten wiederum die Investitionssicherheit erhöhen, verlängern sie auch die Dauer
der Distorsionen des Marktes, die sich aus der Förderung ergeben. Die Höhe der
Tarife ist in der Regel hinsichtlich der unterschiedlichen Energiequellen, Erzeugungstechnologien und Anlagenleistungen differenziert ausgestaltet. Hierdurch wird
zwar eine bessere Förderung marktferner Technologien unter Nachhaltigkeitsaspekten möglich, bei sorgfältiger Ausdifferenzierung gewinnt das Fördersystem jedoch
auch erheblich an Komplexität. Vorgesehen werden kann auch eine Anpassung der
Tarife an die Inflation oder eine Degression, um sinkenden Stromgestehungskosten
951 Siehe die Tabelle 1 in Ragwitz, ebenda.
952 Das dänische System differenziert zudem beispielsweise im Bereich der Windenergie zwischen Onshore- und Offshoreprojekten. Ragwitz, a. a. O., S. 19.
953 del Río/Gual, Energy Policy 2007, 994, 995.
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Rechnung zu tragen bzw. Modernisierungspotenziale der jeweiligen Technologie
abzurufen.954 Einspeisevergütungssysteme können schließlich unterschiedlich finanziert werden. Die Finanzierung ist für die beihilfenrechtliche Bewertung der Fördersysteme von besonderer Bedeutung. Sie hängt dabei maßgeblich vom Adressaten
der Abnahmeverpflichtung ab. Sind die Netzbetreiber zur Abnahme und Vergütung
des Stroms verpflichtet, so können diese die ihnen entstehenden Kosten direkt über
die Netznutzungsentgelte an die Stromanbieter weitergeben, die dann ihrerseits die
Möglichkeit haben, die Verbraucherpreise zu erhöhen. In diesem Fall kann – wie in
§ 14 EEG 2004 – ein landesweites Ausgleichssystem regionale Ungerechtigkeiten
beseitigen. Wird der Strom indessen durch den Staat oder ein staatliches Unternehmen abgenommen, so kommt die Umlage der Kosten mittels einer regulierten
Strompreiskomponente oder eine steuerfinanzierte Lösung in Betracht.
B. Die Regelung des CIP 6/92955
Der CIP 6/92 ist heute eine auslaufende gesetzliche Regelung mit ständig kleiner
werdendem Anwendungsbereich, im Jahr 2006 wurden jedoch noch immer 49,0
TWh nach dem Einspeisetarifsystem des CIP 6/92 vergütet.956 Dies entspricht einem
Anteil an der Gesamtstromproduktion in Italien von 15,6 %. Die Analyse des CIP
6/92 ist daher nicht nur aus historischer Sicht von Interesse.
Im Folgenden werden die Hintergründe und die Rechtsgrundlage des Fördersystems (I), der Anwendungsbereich (II), die Funktionsweise des Einspeisetarifs (III),
die Regelung der Netzanschlusskosten (IV) und die Auswirkungen des CIP 6/92 (V)
dargelegt.
I. Hintergründe und Rechtsgrundlage
Der CIP 6/92 markierte einen Wendepunkt der Förderung der Stromerzeugung aus
erneuerbaren Energiequellen in Italien auf nationaler Ebene. Er beruht auf der Liberalisierung der Produktion und des Verkaufs von Strom aus erneuerbaren Energiequellen durch Art. 22 Abs. 1 bis 4 Gesetz Nr. 9/1991. Nach dessen Abs. 1 und 2
wurde die Produktion von Strom aus erneuerbaren Energiequellen vom Monopol der
Enel nach dem Gesetz Nr. 1643/1962 ausgenommen. Art. 22 Abs. 3 und 4 dieses
Gesetzes sahen darüber hinaus vor, dass der Regenerativstrom gemäß bestimmter
Standardverträge an Enel abgegeben werden musste. Wenngleich die grundlegenden
Rahmenbedingungen für den Absatz von Strom aus erneuerbaren Energiequellen
durch das Gesetz Nr. 9/1991 und eine Ministerverordnung vom 25. September
954 Ebenda.
955 Deliberazione del Comitato Interministeriale dei Prezzi n. 6 del 29 aprile 1992, siehe
Fn. 360.
956 GSE, Rapporto 2006 (siehe Fn. 634), S. 16.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung spielt für die Verbesserung der Versorgungssicherheit und die Erreichung der Klimaschutzziele der Europäischen Union eine herausragende Rolle. Den hierfür maßgeblichen Rechtsnormen der einzelnen Mitgliedstaaten kommt deshalb besondere Bedeutung zu.
Der Autor analysiert detailliert die Vorschriften der Republik Italien. Die Darstellung der energiewirtschaftlichen Grundlagen und der energierechtlichen Rahmenbedingungen bildet den Ausgangspunkt für die anschließende Untersuchung der Förderregelungen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen das Zertifikatesystem und die verschiedenen Einspeisetarifsysteme für Kleinanlagen und den Bereich der Fotovoltaik. Die eingehende Prüfung der Vereinbarkeit der italienischen Regelungen mit dem Europarecht und ein partieller Vergleich mit dem EEG schließen die Darstellung ab.