146
rechtsakte dar.740 Art. 11 Decreto Bersani ist wiederum auf Art. 36 der Legge comunitaria 1998 gestützt, derzufolge die Regierung ermächtigt wurde, innerhalb eines
Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes eines oder mehrere decreti legislativi zur
Umsetzung der Richtlinie 96/92/EG zu erlassen, u. a. auch Maßnahmen zur „Förderung der Nutzung der erneuerbaren Energiequellen durch eine angemessene Unterstützung und Anreize (…) auch mit dem Ziel der Reduktion der CO2-
Emissionen“.741
II. Der Anwendungsbereich der Quotenverpflichtung
1. Persönlicher Anwendungsbereich
Der persönliche Anwendungsbereich der italienischen Quotenverpflichtung unterscheidet sich von demjenigen der Quotenverpflichtungen anderer Mitgliedstaaten
der EU. Art. 11 Abs. 1 Decreto Bersani sieht vor, dass „Importeure sowie die verantwortlichen Rechtsträger der Anlagen zur Erzeugung von Strom aus nicht erneuerbaren Energiequellen“ zur Einspeisung einer bestimmten Quote von Strom aus
erneuerbaren Energiequellen verpflichtet werden. Unter Stromproduzenten versteht
man gemäß Art. 2 Abs. 18 Decreto Bersani „jede natürliche oder juristische Person,
die Strom erzeugt, unabhängig vom Eigentum an der Erzeugungsanlage“.742 Eine
gesetzliche Definition des Begriffes „Stromimporteur“ ist hingegen in den einschlägigen Normen des italienischen Rechts nicht enthalten. Die Wahl der Erzeuger und
Importeure als Adressaten der Quotenverpflichtung ist dadurch zu erklären, dass der
ehemalige Monopolist Enel zum Zeitpunkt der Einführung der Quotenverpflichtung
trotz der bereits eingeleiteten Bemühungen einer Liberalisierung des Marktes im
Bereich des Stromverkaufs an Verbraucher noch immer eine überragende Stellung
innehatte. Die Wahl der Versorger als Adressaten hätte daher zur Folge gehabt, dass
nur ein einziger Adressat und damit ein einziger Nachfrager für grüne Zertifikate
existiert hätte.743 Die damit verbundenen negativen Folgen hinsichtlich der Nachfragemacht des Quotenverpflichteten liegen auf der Hand. Enel als marktbeherrschendes Unternehmen im Bereich der Versorgung und gleichzeitig größter Produzent
von Strom aus erneuerbaren Energiequellen hätte in diesem Fall die Möglichkeit
gehabt, die gesamte Quote oder zumindest den ganz wesentlichen Teil davon durch
eigene Stromerzeugung bzw. durch den Erwerb von Zertifikaten aus dem eigenen
Konzern abzudecken. Der eigentlich durch die Quote geschaffene Anreiz für dritte
740 Nach Art. 11 Abs. 5 Decreto Bersani werden „durch eine gemeinsame Verordnung der Ministerien für Industrie, Handel und Handwerk sowie für Umwelt die Richtlinien zur Umsetzung der in den Absätzen 1, 2 und 3 getroffenen Regelungen verabschiedet“.
741 Art. 36 Abs. 1 lit. e) Legge comunitaria 1998.
742 Im Wortlaut: “Produttore è la persona fisica o giuridica che produce energia elettrica indipendentemente dalla proprietà dell'impianto”.
743 Vgl. Himmer, Energiezertifikate in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 219 f.
147
Unternehmen, Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu produzieren, wäre entfallen. Auch die Wahl der Netzbetreiber kam aus diesen Gründen kaum in Betracht, da
Enel Distribuzione im Bereich der Verteilung von Strom außerhalb großer Städte
eine ebenso marktbeherrschende Stellung innehat. Schließlich war es angesichts des
Bestehens der Trennung zwischen freiem und gebundenem Markt von vorneherein
ausgeschlossen, die Stromanbieter oder die Verbraucher mit der Quotenverpflichtung zu belasten.744
2. Sachlicher Anwendungsbereich
Art. 11 Abs. 2 bestimmt den sachlichen Anwendungsbereich der Quotenverpflichtung detaillierter. So „bezieht sich die Verpflichtung nach Abs. 1 auf diejenigen
Stromimporte und diejenige Stromerzeugung, die nach Abzug der Erzeugung aus
Kraft-Wärme-Kopplung, des Eigenverbrauchs der Anlagen und der Exporte über
100 GWh hinausgehen.“ Ausgenommen ist nach Art. 20 Abs. 3 D. lgs. 387/2003
auch aus dem Ausland importierter Strom aus erneuerbaren Energiequellen.
Die Ausnahme des Eigenverbrauchs der Erzeugungsanlagen aus der Bezugsmenge ist zunächst konsequent, da lediglich die Einspeisung in das Netz sowohl hinsichtlich der Erfüllung der Quote als auch hinsichtlich der Bestimmung der Quote
relevant sein soll. Auch die Befreiung der Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen als energieeffiziente und umweltfreundliche Techniken ist leicht nachvollziehbar. Umstritten ist indessen die Ausnahme aller Stromerzeuger, deren Jahresproduktion 100
GWh nicht übersteigt. Durch diese Regelung wird zwar eine Diversifizierung der
Produktionsstandorte durch kleine Stromerzeuger gefördert, da sie ohne diese Verpflichtung auch von den bürokratischen Lasten der Verfahren für die Ermittlung der
Quote sowie die Kontrolle der Erfüllung der Quote befreit sind.745 Im Ergebnis war
jedoch aufgrund dieser Freibeträge746 und Ausnahmen im Jahr 2006 lediglich die
Hälfte des gesamten in Italien verbrauchten Stroms aus fossilen Energiequellen
überhaupt von der Quotenverpflichtung betroffen.747 Durch diese Befreiung der
Hälfte des Sektors der Stromerzeugung von der Quotenpflicht bleibt die Nachfrage
nach grünen Zertifikaten unter dem zur Erreichung der Kyoto-Ziele erforderlichen
Maß. Die Vielzahl an Ausnahmeregelungen mit den dementsprechenden Detailregelungen beeinträchtigt zudem die erforderliche Rechtssicherheit und Einfachheit des
Systems, in der einer der gepriesenen Vorteile des Zertifikatemodells liegt.
Zum Ausgleich wird vorgeschlagen, große Wasserkraftwerke, die wirtschaftlich
mit Kohlekraftwerken konkurrenzfähig sind, in die Quotenverpflichtung einzubezie-
744 Vgl. allg. zu den Vor- und Nachteilen der Wahl einzelner Adressaten Himmer, Energiezertifikate in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 43 m. w. N.
745 Vgl. Leonardi, Qualenergia 2006, 47.
746 Franchigia.
747 ENEA, Rapporto Energia e Ambiente 2006, S. 169.
148
hen.748 Dieser Vorschlag ist indessen abzulehnen. Durch die Einbeziehung von
Strom aus erneuerbaren Energiequellen in die Berechnung der Quotenverpflichtung
würde das Gesamtkonzept der Quotenpflicht weiter verwässert. Die Verpflichtung
soll schließlich entsprechend dem Verursacherprinzip zunächst diejenigen Akteure
treffen, die durch die Erzeugung von Strom aus fossilen Energiequellen maßgeblich
zur Schaffung des Problems beitragen. Der näher liegende Schritt zur Stärkung der
Nachfrage nach grünen Zertifikaten ist die seit langem angestrebte Erhöhung der
Quote selbst. Es bleibt abzuwarten, ob die Erhöhung der Quote seit dem Jahr 2008749
hier die nötigen Fortschritte bringt. Soweit eine Überförderung der großen Wasserkraftwerke besteht, könnte diese freilich dadurch vermieden werden, dass eine geringere oder gar keine Zuteilung von grünen Zertifikaten erfolgt. Auch eine Absenkung der 100 GWh-Schwelle scheint überdenkenswert. Angesichts der Liberalisierung des Strommarktes treten neue, auch kleinere Erzeuger von Strom aus fossilen
Energiequellen in den Markt ein, die durch die Ausnahme einen nicht unerheblichen
Wettbewerbsvorteil erhalten.
III. Die Höhe der Quote
Die Höhe der Quote ist für die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen und die Wirtschaftlichkeit des Fördersystems von grundlegender Bedeutung.
Theoretisch müsste die Quote so gewählt werden, dass unter Berücksichtigung der
bereits bestehenden Produktionskapazitäten die neu hinzuzubauenden Anlagen zur
Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen in der Lage sind, die Nachfrage zu erfüllen. Wird die Quote zu niedrig gewählt, ist sie leicht zu erfüllen und
bietet keine ausreichenden Anreize zum weiteren Bau neuer Anlagen. Ist sie hingegen zu hoch angesetzt, führt dies zwar – vorausgesetzt, andere Umstände hindern
dies nicht – zu einem intensiveren Ausbau der Anlagen, kann aber höhere Strompreise für die Industrie und Verbraucher zur Folge haben und zu einem Standortnachteil führen. Eine hohe Quote kann zudem kurzfristig rentablen aber nicht nachhaltigen Energiequellen unzweckmäßige Vorteile verschaffen.750
Die Höhe der Quote wurde durch Art. 11 Abs. 2 des Decreto Bersani für die Zeit
nach dem 1. Januar 2002 zunächst auf 2,00 % festgelegt.751 Art. 11 Abs. 6 Decreto
Bersani sah eine mögliche Steigerung dieses Anteils vor. Er blieb indessen in den
Jahren 2002 und 2003 unverändert.
Mit Umsetzung der Richtlinie 2001/77/EG durch den D. lgs. 387/2003 wurde die
Quote in den Jahren 2004 bis 2006 gemäß dessen Art. 4 Abs. 1 S. 1 um 0,35 % jährlich auf 2,35 % (2004), 2,70 % (2005) und 3,05 % (2006) angehoben. Diese Erhö-
748 Vgl. Leonardi, Qualenergia 2006, 47, 49.
749 Siehe hierzu sogleich.
750 Vgl. Forleo, Rassegna giuridica dell’energia elettrica 2006, 203, 215 f.
751 Diese Quote bezieht sich auf die 100 GWh überschreitende Menge an im Vorjahr produziertem Strom aus fossilen Energiequellen, vgl. oben S. 147 f.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung spielt für die Verbesserung der Versorgungssicherheit und die Erreichung der Klimaschutzziele der Europäischen Union eine herausragende Rolle. Den hierfür maßgeblichen Rechtsnormen der einzelnen Mitgliedstaaten kommt deshalb besondere Bedeutung zu.
Der Autor analysiert detailliert die Vorschriften der Republik Italien. Die Darstellung der energiewirtschaftlichen Grundlagen und der energierechtlichen Rahmenbedingungen bildet den Ausgangspunkt für die anschließende Untersuchung der Förderregelungen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen das Zertifikatesystem und die verschiedenen Einspeisetarifsysteme für Kleinanlagen und den Bereich der Fotovoltaik. Die eingehende Prüfung der Vereinbarkeit der italienischen Regelungen mit dem Europarecht und ein partieller Vergleich mit dem EEG schließen die Darstellung ab.