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D. Zusammenfassung
Die EU und ihr Mitgliedstaat Italien verfolgen mit Ihrer Politik der Förderung von
Strom aus erneuerbaren Energiequellen ein Quartett von Zielen, wobei der Versorgungssicherheit und dem Klimaschutz gleichermaßen besondere Bedeutung zukommt. Die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gewinnen mit dem Entstehen eines Weltmarktes für die Technologie der erneuerbaren Energiequellen an Gewicht. Der Begriff der „nachhaltigen
Entwicklung“ ist illustrativ, bringt jedoch angesichts seiner Unschärfe keinen juristischen Mehrwert. Zielkonflikte können zwischen Umweltschutz und Wettbewerb,
Wettbewerb und Versorgungssicherheit und zwischen Klimaschutz und anderen
Umweltschutzzielen entstehen. Diese Zielkonflikte sind im Einzelfall, nicht aber
generell einer Lösung zugänglich.
Mangels der Verabschiedung des Vertrags über eine europäische Verfassung besteht nach wie vor ein strukturelles Defizit der Europäischen Union zur Regelung
von Belangen im Energiesektor im Sinne einer primärrechtlichen Rechtsgrundlage.
Mit der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon würde diese Lücke geschlossen. Im
europäischen Primärrecht spielt der Umweltschutz seit Mitte der achtziger Jahre eine
erhebliche Rolle und wurde mittlerweile zum Verfassungsziel erhoben. Die weiteren
für Strom aus erneuerbaren Energiequellen maßgeblichen Regelungen des Primärrechts betreffen die Herstellung eines gemeinsamen Elektrizitätsmarktes.
Zentrale Vorschrift des Sekundärrechts der EG zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen ist die Richtlinie 2001/77/EG. Sie schreibt den Mitgliedstaaten
keine Wahl eines bestimmten Fördersystems vor. Dies gilt auch für den Entwurf der
allgemeinen Richtlinie zur Förderung von erneuerbaren Energien. Auch ist danach
die Schaffung eines einheitlichen europäischen Fördersystems weiterhin nicht zu
erwarten. Die Richtlinie 2003/54/EG hat die durch die Richtlinie 96/92/EG begonnene Liberalisierung der Elektrizitätsmärkte in den Mitgliedstaaten weitergeführt
und beschleunigt. Strom aus erneuerbaren Energiequellen fördert die Richtlinie
durch die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, diesem einen Vorrang vor Strom aus
anderen Energiequellen einzuräumen.
Während die Energiequellen der Wasserkraft sowie der Geothermie in Italien seit
Jahrzehnten intensiv zur Erzeugung von Strom genutzt werden und die Nutzung der
Windenergie in den letzten Jahren zugenommen hat, bleiben insbesondere bei der
Solarenergie und der Biomasse erhebliche Wachstumspotenziale. Der Stromverbrauch des Landes ist in den letzten Jahren so stark angestiegen, dass der Ausbau
der Kapazitäten von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen
nicht zu einer signifikanten Steigerung des Anteils von erneuerbaren Energiequellen
an der Gesamtstromproduktion führen konnte. Aufgrund des Imports von erheblichen Mengen von Strom aus erneuerbaren Energiequellen könnte Italien dennoch
das Richtziel von 25 % erneuerbaren Energiequellen am Gesamtstromverbrauch im
Jahr 2010 erreichen.
Die nationale italienische Energiepolitik ist zudem durch ein komplexes System
von Wechselwirkungen zwischen der Vielzahl zur Setzung von Normen zuständiger
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Akteure und der schwer nachvollziehbaren Aufteilung der Zuständigkeiten geprägt.435 Neben staatlichen Institutionen spielen insbesondere die Regionen und
private Aktiengesellschaften, die mit öffentlichen Aufgaben betraut sind, eine bedeutende Rolle.
Die verschiedenen Ebenen des italienischen Stromsektors wurden ab den achtziger Jahren in unterschiedlicher Geschwindigkeit und Intensität liberalisiert. Mit der
vollständigen Liberalisierung des Stromsektors auch für Endverbraucher zum 1.
Juli 2007 kann die Entwicklung formal als abgeschlossen betrachtet werden.
Gleichwohl hat der ehemalige Monopolist Enel nach wie vor eine marktbeherrschende Stellung in den Bereichen der Stromerzeugung und des Vertriebs inne. Die
Marktstruktur ist noch immer oligopolistisch. Gleichwohl gibt es einige neue Unternehmen, die insbesondere als Anbieter für Strom aus erneuerbaren Energiequellen
Marktanteile hinzugewinnen.
435 Vgl. Di Nucci, et 2005, 827.
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References
Zusammenfassung
Die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung spielt für die Verbesserung der Versorgungssicherheit und die Erreichung der Klimaschutzziele der Europäischen Union eine herausragende Rolle. Den hierfür maßgeblichen Rechtsnormen der einzelnen Mitgliedstaaten kommt deshalb besondere Bedeutung zu.
Der Autor analysiert detailliert die Vorschriften der Republik Italien. Die Darstellung der energiewirtschaftlichen Grundlagen und der energierechtlichen Rahmenbedingungen bildet den Ausgangspunkt für die anschließende Untersuchung der Förderregelungen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen das Zertifikatesystem und die verschiedenen Einspeisetarifsysteme für Kleinanlagen und den Bereich der Fotovoltaik. Die eingehende Prüfung der Vereinbarkeit der italienischen Regelungen mit dem Europarecht und ein partieller Vergleich mit dem EEG schließen die Darstellung ab.