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gleichzeitig – oder gerade deswegen – vage blieben, wurde er gewissermaßen zur
politischen „Wunderwaffe“, mit der man Gesetzesnovellen schmücken konnte.
Eine Entwicklung dieses rein politischen Schlagworts als einer „Leitlinie für zukunftsfähiges politisches Handeln“97 zu einem Rechtsbegriff ist auf europäischer
Ebene jedoch auch nach seiner Aufnahme in EU- und EG-Vertrag durch die Vertragsrevision von Amsterdam nicht festzustellen. So fand der Begriff zwar nicht nur
Eingang in die Präambel des EU-Vertrags, sondern ebenso in Art. 2 EUV und Artt.
2, 6 und 37 des EGV.98 Seine Verwendung in diesen Normen bleibt jedoch ebenso
unpräzise wie die Nennung des Begriffs in der Richtlinie 2001/77/EG. In deren
erstem Erwägungsgrund wird der Begriff auf einer Ebene mit dem Umweltschutz als
Motiv für die Förderung der Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen genannt.99
Das Verhältnis zwischen „Umweltschutz“ und „nachhaltiger Entwicklung“ bleibt
dabei aber unklar. Daher ist weiterhin davon auszugehen, dass der Umweltschutz als
Teil des Gesamtkonzepts „nachhaltige Entwicklung“ verstanden wird und der Terminus nicht die Begriffe „Umweltschutz“, „wirtschaftliche Entwicklung“ und „Sozialverträglichkeit“ ersetzt. Gleiches gilt im Speziellen im Energierecht für die Begriffe „Klimaschutz“ und „Versorgungssicherheit“. Der Terminus „Nachhaltigkeit“
beinhaltet zwar sowohl den Klimaschutz als auch die Versorgungssicherheit für
zukünftige Generationen, aufgrund seiner vielfältigen Bedeutung ist er jedoch nicht
in der Lage, diese Begriffe als globaler Rechtsbegriff zu ersetzen. Er kann sie vielmehr nur im Sinne einer über die Einzelbegriffe hinausgehenden Komponente der
„Langfristigkeit“ und „Interdependenz“ ergänzen.
IV. Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und Schaffung von Arbeitsplätzen
Weitere erklärte Gründe für die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen sind die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie im Sektor der erneuerbaren Energien und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Während die
Schaffung von Arbeitsplätzen unter der Formel der „Beschäftigungsmöglichkeiten
auf lokaler Ebene“ bereits Eingang in die Richtlinie 2001/77/EG gefunden hat,100 ist
dies hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen auf dem
Weltmarkt für Technologie zur Nutzung der erneuerbaren Energiequellen nicht der
Fall. Die Bedeutung dieses Ziels wird dadurch indessen nur vordergründig geschmälert. Bereits im Weißbuch 1997 legte die Kommission einen Schwerpunkt auf das
Ziel des „Ausbau(s) des Wettbewerbsvorsprungs der europäischen Industrie auf dem
globalen Markt für erneuerbare Energieträger durch Unterstützung ihres Strebens
nach einer Führungsposition im Technologiebereich und durch Förderung eines
97 Menzel, ZRP 2001, 221, 223.
98 Vgl. hierzu Frenz/Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 153 ff.
99 „Die Gemeinschaft hält es für erforderlich, erneuerbare Energiequellen prioritär zu fördern,
da deren Nutzung zum Umweltschutz und zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt“.
100 Siehe dort Erwägungsgrund 1.
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bedeutenden Inlandsmarktes zur Ergänzung der sich herausbildenden Exportchancen“.101 Diesen Beweggrund unterstrich die Kommission auch zehn Jahre später in
ihrer Mitteilung „Eine Energiepolitik für Europa“.102 Gleichzeitig kündigte die
Kommission die Vorlage eines europäischen Strategieplans für Energietechnologie
an.103 Bereits jetzt arbeiten europaweit im Bereich „Erneuerbare Energien“ bei einem Umsatz von 20 Milliarden Euro etwa 300.000 Beschäftigte.104 Bis zum Jahr
2020 wird allein in Deutschland mit einem Anstieg von derzeit 214.000105 auf über
300.000 Arbeitsplätze gerechnet.106 Angesichts dieser Zahlen wird die Schaffung
von Arbeitsplätzen nunmehr verstärkt zur Begründung der Förderung von Strom aus
erneuerbaren Energiequellen auf europäischer Ebene herangezogen.107
Auch das italienische Weißbuch betont das Potenzial der Entstehung von Arbeitsplätzen im Bereich der erneuerbaren Energiequellen.108
V. Zielkonflikte bei der Förderung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen
Jedes einzelne der dargestellten Ziele ist leicht nachvollziehbar und bereitet, für sich
betrachtet, weder politische noch juristische Probleme. Solche treten jedoch dann
auf, wenn sich diese Ziele im Einzelfall nicht konfliktfrei miteinander vereinbaren
lassen bzw. in Konkurrenz zu anderen Zielen der Energiepolitik treten. Dann gilt es
Lösungen zu finden, die dem einen oder anderen Ziel den Vorrang einräumen müssen.
Ein zentrales Ziel der EU ist die Herstellung eines unverfälschten Wettbewerbs,
im Bereich der Elektrizität der vollständig liberalisierte sog. Elektrizitätsbinnenmarkt. Die Herstellung dieses Binnenmarktes auf der einen Seite und die Verbesserung des Klimaschutzes durch eine erhebliche Förderung der Stromerzeugung aus
101 Kommission, Europäisches Weißbuch, S. 23.
102 Kommission, Eine Energiepolitik für Europa, KOM(2007) 1 endg., S. 17: Auf dem Gebiet
der Energietechnologie verfolgt Europa zwei wichtige Ziele: Die Senkung der Kosten sauberer Energie und eine Vorreiterrolle der EU-Unternehmen im schnell wachsenden Sektor der
kohlenstoffarmen Technologien.
103 Vgl. hierzu Kommission, Auf dem Weg zu einem europäischen Strategieplan für Energietechnologie, KOM(2006) 847.
104 Kommission, Fahrplan für Erneuerbare Energien (siehe Fn. 49), S. 19.
105 BMU, Pressemitteilung Nr. 055/07 vom 27. Februar 2007, Erneuerbare Energien sichern
das Klimaschutzziel, im Internet abrufbar unter www.erneuerbare-energien.de/inhalt/
38789.
106 BMU, „Erneuerbare Energien – Arbeitsplatzeffekte“, S. 6, verfügbar unter: www.bmu.de/
files/pdfs/allgemein/application/pdf/arbeitsmarkt_ee_lang.pdf; wesentlich skeptischer Hillebrand/Buttermann/Behringer/Bleuel, Energy Policy 2006, 3484, 3492 f.
107 Insbesondere auch in Erwägungsgrund (1) der Richtlinie 2001/77/EG.
108 Italienisches Weißbuch (siehe Fn. 41), S. 13ff.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung spielt für die Verbesserung der Versorgungssicherheit und die Erreichung der Klimaschutzziele der Europäischen Union eine herausragende Rolle. Den hierfür maßgeblichen Rechtsnormen der einzelnen Mitgliedstaaten kommt deshalb besondere Bedeutung zu.
Der Autor analysiert detailliert die Vorschriften der Republik Italien. Die Darstellung der energiewirtschaftlichen Grundlagen und der energierechtlichen Rahmenbedingungen bildet den Ausgangspunkt für die anschließende Untersuchung der Förderregelungen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen das Zertifikatesystem und die verschiedenen Einspeisetarifsysteme für Kleinanlagen und den Bereich der Fotovoltaik. Die eingehende Prüfung der Vereinbarkeit der italienischen Regelungen mit dem Europarecht und ein partieller Vergleich mit dem EEG schließen die Darstellung ab.