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zentzahlen hinsichtlich des im Rahmen der Richtlinie 2001/77/EG maßgeblichen
Bruttoinlandsenergieverbrauchs ausweist,6 kann darüber nicht hinwegtäuschen.
Italien verfügt bislang auch noch nicht über eine ausreichende eigene Produktion
von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen,7 so dass
ein Import von Know-how, Anlagen und Anlageteilen zur Deckung der Nachfrage
noch längerfristig erforderlich sein wird. Der im Allgemeinen zwischen den Ländern
Deutschland und Österreich auf der einen und Italien auf der anderen Seite rege
wirtschaftliche, politische und soziale Austausch besteht auch im Bereich der Förderung der erneuerbaren Energiequellen. Die Zahlen des Handels mit entsprechender
Technologie und der Konstruktion von Anlagen zur Erzeugung solchen Stroms
zwischen deutschen und italienischen Unternehmen sind relevant und werden noch
ansteigen.8
Auch der Handel mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen im europäischen
Elektrizitätsbinnenmarkt wird mit der fortschreitenden Liberalisierung noch zunehmen. Italien ist das energieärmste Land Europas und zu 80 % seines Energiebedarfs
auf Einfuhren angewiesen.9 Die statistische Rangfolge der Außenhandelspartner der
Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2007 zeigt, dass Italien mit einem Einfuhrvolumen von rund 44,3 Milliarden Euro auf dem fünften Platz und einem Ausfuhrvolumen von 65,1 Milliarden Euro auf dem vierten Platz von 230 Ländern und Gebieten liegt.10 Aus italienischer Perspektive ist die Bedeutung Deutschlands als Außenhandelspartner noch größer. Deutschland steht dort seit vielen Jahren an der Spitze
der Rangfolge.11
B. Problemstellung
Angesichts der mittlerweile vorhandenen öffentlichen Aufmerksamkeit für dieses
Thema überrascht es, dass eine detaillierte juristische Analyse der Förderung der
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Italien noch aussteht, während in der
6 Nach der Anerkennung der Herkunftsnachweise für Strom aus erneuerbaren Energiequellen
aus Frankreich, Österreich und Slowenien seit 2006 ist der Anteil sprunghaft angestiegen. Die
von der Kommission kritisierten Werte sind daher nicht mehr aktuell; vgl. hierzu Kommission, Mitteilung vom 10. Januar 2007, Maßnahmen im Anschluss an das Grünbuch,
KOM(2006) 849 endg., S. 24.
7 Beispielhaft für den Bereich der Fotovoltaik vgl. Berlen, Qualenergia 2006, 47.
8 So hat z. B. Enel angekündigt, 4,1 Mrd. Euro in die Entwicklung und den Ausbau neuer
Kraftwerke zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu investieren. International Herald Tribune Online, Enel to invest Euro 4.1 billion in renewable energies, abrufbar unter www.iht.com/articles/2006/12/14/business/enel.php.
9 Grunwald, Das Energierecht der Europäischen Gemeinschaften, S. 84.
10 Statistisches Bundesamt, Außenhandel 2007, S. 1, verfügbar unter: www.destatis.de/jetspeed/
portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Navigation/Statistiken/Aussenhandel/Handelspartner/
Handelspartner.psml.
11 Vgl. nur für April 2008: Istituto Nazionale di Statistica, Esportazioni ed importazioni per
paese; verfügbar unter: www.coeweb.istat.it/Performance/perf_paesi.pdf.
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ökonomischen Literatur bereits zahlreiche Untersuchungen der unterschiedlichen
europäischen Förderregelungen vorhanden sind12 und auch das deutsche Einspeisetarifsystem des EEG umfassend analysiert und kommentiert ist.13 Es fehlt bislang
sowohl eine vollständige Sammlung der zahlreichen italienischen Rechtsnormen in
diesem Bereich als auch deren Kommentierung in ihrem Zusammenhang. Dies gilt
sowohl für die bestehenden parallel geltenden Fördersysteme der grünen Zertifikate
und der Einspeisetarife im Bereich der Fotovoltaik und von Kleinanlagen als auch
für die ebenso bedeutenden Rahmenbedingungen beim Ausbau der Stromerzeugung
aus erneuerbaren Energiequellen. Vor allem die Verfahren und Voraussetzungen der
Genehmigung und des Netzanschlusses von Anlagen sowie die bestehenden Abnahme- und Vergütungspflichten bergen in ihrer Komplexität zahlreiche Schwierigkeiten. Ausgehend von den teils detaillierten, teils großzügigeren Vorgaben des
Europarechts stellen sich zudem zahlreiche Fragen nach der ordnungsgemäßen Umsetzung des europäischen Sekundärrechts in das italienische Recht. Schließlich erstreckt sich die wissenschaftliche Lücke, die zu schließen ist, auch auf die Analyse
der Vereinbarkeit der italienischen Fördersysteme mit dem europäischen Primärrecht.
Diese Dissertation hat daher drei unterschiedlich gewichtete Ziele:
Erstes und vorrangiges Ziel der Arbeit ist es, alle wesentlichen italienischen Vorschriften, die die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen betreffen,
unabhängig von ihrer unmittelbaren Relevanz für die nachfolgende europarechtliche
und rechtsvergleichende Analyse umfassend zu untersuchen und im Zusammenhang
darzustellen. Aktuelle Reformen der Fördersysteme werden miteinbezogen und
kommentiert. Nicht möglich ist in diesem Rahmen allerdings eine tiefergehende
Analyse der im Bereich der Genehmigungsverfahren wichtigen Regelungen der
zwanzig italienischen Regionen.
Zweitens sollen die italienischen Fördersysteme für Strom aus erneuerbaren
Energiequellen auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Europarechts hin untersucht werden.
In einem Vergleich sollen drittens die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der
Regelungen in Italien und in Deutschland herausgearbeitet und bewertet werden.
Dieses Ziel ist den ersten beiden genannten Zielen nachgeordnet. Der Vergleich soll
der Ergänzung der Darstellung der italienischen Vorschriften und der Ermittlung
von Möglichkeiten zur Verbesserung des italienischen Rechts dienen. Ein umfassender Vergleich aller in Italien und Deutschland bestehenden Vorschriften über die
Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen ist hingegen nicht das Ziel
dieser Dissertation.
Ein praktischer Zweck dieser Arbeit ist es außerdem, deutschsprachigen Rechtsanwendern zu ermöglichen, anhand des Einblicks in die italienische Rechtslage die
Diskrepanzen und Übereinstimmungen mit dem deutschen Recht zu erfassen und
12 Vgl. nur die umfangreichen Nachweise bei Himmer, Energiezertifikate in den Mitgliedstaaten
der Europäischen Union, S. 29.
13 Siehe unten S. 267 ff.
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auf dieser Basis zu beurteilen, inwieweit ein bestimmtes Engagement eines Unternehmens in Italien in rechtlicher Hinsicht Chancen aufweist und Risiken birgt.
C. Gang der Untersuchung
Der Gang der Untersuchung orientiert sich an den genannten Zielen. Die vorliegende Arbeit analysiert die italienischen Rechtsnormen zur Förderung von Strom aus
erneuerbaren Energiequellen in ihrem europäischen und nationalen Kontext.
Eine verständliche Darstellung komplexer Regelungen einer fremden Rechtsordnung verlangt zunächst eine Einordnung in ihren Zusammenhang. Dementsprechend
geht es nach dieser Einleitung im zweiten Kapitel um allgemeine Grundlagen für
Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Italien. Neben einer Darstellung der Ziele
der Förderung solchen Stroms und der europarechtlichen Vorgaben werden auch
grundlegende Umstände der italienischen Energiewirtschaft erklärt.
Das dritte Kapitel zeigt die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Italien auf. Besonderes Augenmerk gilt dabei den
wesentlichen Hindernissen, die einem stärkeren Ausbau der Erzeugung dieses
Stroms im Wege stehen, den Genehmigungsverfahren und dem Netzzugang.
Die beiden folgenden Kapitel befassen sich mit der Analyse der italienischen
Förderinstrumente für Strom aus erneuerbaren Energiequellen, wobei zwischen dem
quotengestützten Zertifikatemodell (4. Kapitel) und den unterschiedlichen Einspeisevergütungssystemen (5. Kapitel) für Fotovoltaikanlagen und Kleinanlagen mit
einer Leistung bis 1 MW zu unterscheiden ist.
Gegenstand des sechsten Kapitels ist die europarechtliche Prüfung der italienischen Förderregelungen für Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Diese werden
an den Regeln der Richtlinie 2001/77/EG, des Beihilfenrechts, des freien Warenverkehrs und der Loyalitätspflicht gemessen.
Das rechtsvergleichende siebte Kapitel, das die Einspeisevergütungsregelungen
des italienischen Rechts den parallelen Vorschriften des EEG gegenüberstellt, dient
der Ergänzung der Darstellung der italienischen Rechtsnormen und dem Aufzeigen
von Verbesserungsmöglichkeiten in Bezug auf das italienische Recht. Er ist entsprechend kurz gehalten.
Es folgt abschließend eine Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen (8. Kapitel).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung spielt für die Verbesserung der Versorgungssicherheit und die Erreichung der Klimaschutzziele der Europäischen Union eine herausragende Rolle. Den hierfür maßgeblichen Rechtsnormen der einzelnen Mitgliedstaaten kommt deshalb besondere Bedeutung zu.
Der Autor analysiert detailliert die Vorschriften der Republik Italien. Die Darstellung der energiewirtschaftlichen Grundlagen und der energierechtlichen Rahmenbedingungen bildet den Ausgangspunkt für die anschließende Untersuchung der Förderregelungen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen das Zertifikatesystem und die verschiedenen Einspeisetarifsysteme für Kleinanlagen und den Bereich der Fotovoltaik. Die eingehende Prüfung der Vereinbarkeit der italienischen Regelungen mit dem Europarecht und ein partieller Vergleich mit dem EEG schließen die Darstellung ab.