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5. zwischen einem Unternehmen und seinen Lieferanten
6. innerhalb eines Unternehmens sowie
7. zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden.“142
Dieses flussorientierte Begriffsverständnis findet sich sowohl in einer Vielzahl weiterer bedeutender Literaturquellen143 als auch im Logistik-Verständnis führender
nationaler und internationaler Unternehmensverbünde, wie der Bundesvereinigung
Logistik (BVL)144 und dem Council of Supply Chain Management Professionals
(CSCMP).145
Die oben angegebene Logistik-Definition beschreibt umfassend den Aufgabenbereich der Logistik. Nachfolgend werden die einzelnen Bestandteile der Definition
aufgriffen und zunächst in allgemeiner Form charakterisiert. Eine Ausrichtung des
Logistikbegriffs und der Inhalte auf das internationale Katastrophenmanagement
erfolgt in Abschnitt 3.2.
3.1.2 Markt-, Kunden- und Zielorientierung
Ein Markt lässt sich als ein System charakterisieren, das Tauschprozesse ermöglicht. Elemente dieses Systems sind Anbieter und Nachfrager, die in Form von
Tauschprozessen in Beziehung zueinander treten (können). Anbieter von Logistikleistungen sind Logistikdienstleister oder andere Unternehmen, die logistische Leistungen anbieten. Nachfrager von Logistikleistungen sind sowohl Endverbraucher als
auch andere Unternehmen (z. B. Logistikdienstleister, Industrieunternehmen, Handelsunternehmen), soweit sie die zur Realisierung ihrer Wertschöpfung notwendigen
Logistikleistungen nicht selbst erstellen.146
Durch die Nachfrageseite des (Logistik-) Marktes bedeutet Marktorientierung
gleichzeitig auch Kundenorientierung und damit „die Ausrichtung des Unternehmens an den Bedürfnissen des Kunden.“147 Diese beurteilen das Angebot und das
Ergebnis der logistischen Leistungserstellung nach der wahrgenommenen Kosten/Nutzen-Relation, die sich sowohl aus Kosten bzw. Preisen als auch aus dem
142 Schulte, Christof (2005), S. 1.
143 Vgl. z. B. Bowersox, Donald J. / Closs, David J. / Cooper, Bixby M. (2007), S. 22; Christopher, Martin (2005), S. 4; Fleischmann, Bernhard (2008a), S. 3-4; Murphy, Paul R. / Wood,
Donald F. (2004), S. 6; Pfohl, Hans-Christian (2004b), S. 4-5; Weber, Jürgen (1998), S. 79,
jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten in der flussorientierten Begriffsdefinition.
144 www.bvl.de: Logistik umfasst die „ganzheitliche Planung, Steuerung, Koordination, Durchführung und Kontrolle aller unternehmensinternen und unternehmensübergreifenden Güterund Informationsflüsse.“
145 www.cscmp.org: „Logistics management plans, implements, and controls the efficient, effective forward and reverse flow and storage of goods, services and related information between
the point of origin and the point of consumption in order to meet customers’ requirements.“
146 Vgl. Isermann, Heinz (2004), S. D 2-1-D 2.2.
147 Pfohl, Hans-Christian (2004), S. 11.
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wahrgenommenen Logistikservice zusammensetzt.148 Folglich spricht Schulte in
seiner Definition der Logistik indirekt auch eine Zielorientierung und damit die
logistischen Zielgrößen
? Logistikkosten und ? Logistikservice (insbesondere Lieferzeit, Lieferzuverlässigkeit, Lieferflexibilität, Lieferqualität, Informationsbereitschaft) an.149
Diese Zielgrößen finden sich auch in der Charakterisierung der logistischen Aufgabenstellung durch die „7r“:
? Das richtige Produkt ist ? in der richtigen Menge, ? der richtigen Qualität, ? am richtigen Ort ? zur richtigen Zeit, ? zu den richtigen Kosten ? für den richtigen Kunden zur Verfügung zu stellen.150
Die Bedeutung des Begriffs „richtig“ ist jeweils abhängig vom individuellen logistischen Zielsystem. Da sich die beiden logistischen Zielgrößen Logistikkosten und
Logistikservice in vielen Entscheidungssituationen konfliktär verhalten, lassen sich
logistische Entscheidungen weder einseitig am Ziel der Kostenminimierung noch
am Ziel der Servicemaximierung ausrichten.151 Realisierbare logistische Zielsysteme
lassen sich beispielsweise wie folgt formulieren:152
? Maximierung des Logistikservice zu gegebenen Logistikkosten ? Minimierung der Logistikkosten bei Erbringung eines geforderten bzw. akzeptablen Logistikservice ? Erfüllung definierter Anspruchsniveaus in Bezug auf Logistikservice und die
Bestandteile des Logistikservice
Welches Zielsystem ein Unternehmen in Bezug auf die logistische Leistungserstellung verfolgt hängt von den Zielkunden und damit von der strategischen Ausrich-
148 Vgl. Isermann, Heinz (2008), S. 875-876; Pfohl, Hans-Christian (2004a), S. 33-34; Pfohl,
Hans-Christian (2004b), S. 11.
149 Vgl. Bowersox, Donald J. / Closs, David J. / Cooper, Bixby M. (2007), S. 23-24; Fleischmann, Bernhard (2008a), S. 7-8; Pfohl, Hans-Christian (2004a), S. 34- 41; Pfohl, Hans-
Christian (2004b), S. 11-12; Schulte, Christof (2005), S. 6-8.
150 Vgl. Ehrmann, Harald (2005), S. 25; Isermann, Heinz (1994), S. 22.
151 Vgl. Pfohl, Hans-Christian (2004a), S. 41.
152 Vgl. Pfohl, Hans-Christian (2004a), S. 41; Schulte, Christof (2005), S. 9-12.
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tung des Unternehmens ab.153 Aufgrund der hohen Bedeutung der Logistikziele für
die Analyse, Bewertung und Gestaltung logistischer Systeme wird diesem Thema
ein eigener Abschnitt – auch mit Bezug zu Unternehmensstrategien und Unternehmenszielen der Akteure im Katastrophenmanagement – gewidmet.154
3.1.3 Integration und Managementaufgaben
Häufig stehen nicht mehr einzelne Unternehmen im Wettbewerb zueinander sondern
unternehmensübergreifende Wertschöpfungsketten.155 Demnach geht es bei der
Gestaltung von Logistiksystemen nicht nur um die zielorientierte Gestaltung einzelner elementarer logistischer Leistungsprozesse sondern um die integrierte Gestaltung von (unternehmensübergreifenden) Logistik- und Wertschöpfungsketten. Eine
Logistikkette stellt die Verknüpfung und damit die Integration elementarer logistischer Leistungsprozesse dar.156
Der Integrationsgedanke wird in der Begriffsbestimmung des Supply Chain Management (SCM) noch stärker in den Vordergrund gestellt und demnach in der Begriffsbestimmung des SCM im folgenden Abschnitt nochmals aufgegriffen. Des
Weiteren befasst sich das gesamte Kapitel 5 mit Fragestellungen der unternehmens-
übergreifenden Integration des Supply Chain Management.157
Durch die Begriffe „Planung, Gestaltung, Abwicklung und Kontrolle“ wird durch
die Definition zum Ausdruck gebracht, dass Logistik eine Managementaufgabe
darstellt. Logistikmanagement umfasst sowohl die zielgerichtete Entwicklung und
Gestaltung der unternehmensbezogenen und -übergreifenden Wertschöpfungssysteme nach logistischen Prinzipien (strategisches Logistikmanagement) als auch die
zielgerichtete Lenkung und Kontrolle der Güter- und Informationsflüsse in diesen
Wertschöpfungssystemen (operatives Logistikmanagement).158
153 Vgl. Isermann, Heinz (2008), S. 876.
154 Vgl. Abschnitt 3.2.5.
155 Zum Begriff der Wertschöpfungskette / Supply Chain erfolgen ausführliche Erläuterungen in
Kapitel 5.
156 Vgl. Delfmann, Werner (2008), S. 927; Isermann, Heinz (2008), S. 876; Isermann, Heinz /
Lieske, Dorit (1998), S. 405-406; Isermann, Heinz (1994), S. 26-28; Klaus, Peter (1998), S.
61-75.
157 Im einleitenden Abschnitt des Kapitels 5 findet sich auch eine Modellierung und Erläuterung
zu den Begriffen „elementarer logistischer Leistungsprozesse“ und „Logistikketten“.
158 Vgl. Pfohl, Hans-Christian (2004b), S. 16-18; Weber, Jürgen (1994), S. 45-55.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Im internationalen Katastrophenmanagement werden täglich Entscheidungen mit Logistikbezug getroffen. Die Autorin skizziert die Vielfalt der Entscheidungen durch die folgende Fragestellung: Welche Beschaffungskonzepte, Standorte, Touren, Informationssysteme und Konzepte der Zusammenarbeit sollen im Rahmen der Katastrophenvorsorge und -bewältigung realisiert werden?
Da die Entscheidungen in hohem Maße Qualität und Kosten der Versorgung betroffener Menschen beeinflussen, sollten diese nicht alleine aus dem Erfahrungswissen heraus getroffen, sondern durch logistische Planungsmethoden unterstützt werden.
Anwendungsbezogen und verständlich wird in dem Buch der Einsatz geeigneter Methoden (z. B. Standortplanung, Netzplantechnik) am Beispiel realer Katastrophen vermittelt. Konzepte des SCM und aktuelle Informationssysteme werden mit ihren Potenzialen und Grenzen für das internationale Katastrophenmanagement vorgestellt und unter Einsatz geeigneter Entscheidungskriterien exemplarisch bewertet.