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hat u. a. die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) der Self-
Employed Women’s Association (SEWA) in Indien zur Verfügung gestellt (vgl. Abschnitt 5.5).
Allerdings sollten es die Geber vermeiden, KV-Systeme dauerhaft zu bezuschussen.
Diese sollten so konzipiert sein, dass sie sich nach der Anlaufphase grundsätzlich selbständig finanzieren können. In dieser Hinsicht ist das SEWA-Projekt ein Negativbeispiel. Zwar muss SEWA darauf achten, dass der von der GTZ finanzierte Fonds inflationsbereinigt erhalten bleibt. SEWA muss daher etwaige Entnahmen aus dem Fonds so
bald wie möglich wieder zurückzahlen. SEWA kann aber die realen Kapitalerträge des
Fonds – i. e. die Differenz zwischen der nominalen Rendite und dem Inflationsverlust –
einbehalten und hiermit einen Teil seiner Kosten decken. Der Fonds ist so großzügig
bemessen, dass die Zinserträge fast ein Drittel der gesamten Ausgaben des Versicherungssystems von SEWA finanzieren.412
6.4 Rolle des Privatsektors
Neben dem Staat, der Zivilgesellschaft und den Gebern der EZ kann auch die Privatwirtschaft Beiträge zur Verbesserung der sozialen Sicherheit im informellen Sektor
leisten.
Das Beispiel des partner-agent model zeigt, dass sich der private Sektor selbst an der
Absicherung von einkommensschwachen Sozialgruppen mitwirken kann.
Weitere Möglichkeiten bestehen im Bereich der staatlichen Sozialsysteme, die keineswegs vom Staat selbst verwaltet werden müssen, selbst wenn er sie finanziert. So
zeigen die Erfahrungen Japans, dass die Privatisierung einer auch weiterhin steuerfinanzierten Gesundheitsversorgung zu mehr Wettbewerb zwischen den Anbietern und dadurch einer besseren Qualität und Kundenorientierung der Dienstleistungsangebote führen kann. Sie zeigen allerdings auch, dass der Staat die privaten Anbieter sehr sorgfältig
kontrollieren muss.413
412 Vgl. BMZ (1999a, 9); Loewe (2000a, 67–71); Loewe (2001, 13 f.); Loewe et al. (2001, 92–94);
McCord / Isern / Hashemi (2001, 21); Patel (2002, 30–33 und 40); Siegel / Alwang / Canagarajah
(2001, 29 f.).
413 Vgl. Oberländer (2001, 2 f.).
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References
Zusammenfassung
Nur die Hälfte aller Menschen weltweit ist gegen Risiken wie Krankheit, Alter oder Ernteausfall abgesichert. Dies gilt v.a. für Beschäftigte im informellen Sektor. Lange wurde übersehen, dass hierin nicht nur ein soziales sondern auch ein ökonomisches Problem besteht, da Menschen ohne soziale Sicherheit besonders vorsichtig handeln und zum Beispiel Investitionen in Bildung und Produktionskapital meiden. Sie scheuen die hiermit verbundenen zusätzlichen Risiken und haben Angst, dass ihnen das investierte Geld bei Zahlungsschwierigkeiten nicht kurzfristig zur Verfügung steht.
Das vorliegende Buch gibt Einblick in die Funktionsweise moderner und traditioneller Systeme der sozialen Sicherung in Entwicklungsländern und zeigt auf, warum viele von ihnen für informell Beschäftigte ungeeignet sind. Es diskutiert, welche Strategien sich eignen, um die soziale Sicherheit im informellen Sektor zu verbessern und geht insbesondere auf das Potenzial von Kleinstversicherungen ein. Diese zeichnen sich durch niedrige Beitragssätze, flexible Zahlungsmodalitäten und begrenzte Leistungen aus und sind somit ganz an die Möglichkeiten und Bedarfe von Beziehern niedriger Einkommen angepasst, ohne auf Subventionen angewiesen zu sein.