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Landwirtschaft Informalität geben. Zwar führen viele Statistiken Erwerbstätige in der
Landwirtschaft (teilweise sogar die Bewohner des ländlichen Raumes generell) separat
auf (sie werden weder als informell noch als formell Beschäftigte ausgewiesen). Dies
hat aber v. a. methodische Gründe: Im ländlichen Bereich ist es noch schwieriger als in
den Städten, Daten zu erheben, die Rückschlüsse auf die Formalität eines Unternehmens
oder Erwerbsverhältnisses zulassen. Zudem müssten andere Messungskriterien angewendet werden als im städtischen Raum, was Inkonsistenzen zur Folge hätte.211
Ursachen der Informalität
Ebenfalls umstritten ist die Frage, warum Unternehmen und Erwerbsverhältnisse
überhaupt informell sind, i. e. warum sie sich außerhalb des staatlichen Ordnungs- und
Rechtsrahmens bewegen. In der Literatur lassen sich verschiedene Antworten auf diese
Frage voneinander unterscheiden (vgl. Kasten 1).
Tatsächlich dürfte die Situation je nach Land und Unternehmen bzw. Erwerbsverhältnis variieren; nicht überall greift dieselbe Erklärung der Informalität:
Einerseits ist der informelle Sektor in gewisser Hinsicht ein privilegierter Bereich der
Ökonomie. In den meisten Ländern ist der Staat außer Stande, in allen Bereichen der Ökonomie zu kontrollieren, ob die von ihm gesetzten Normen und Vorgaben bei jeder Aktivität
und in jeder Hinsicht eingehalten werden. Er muss sich auf größere Unternehmen und deren
Mitarbeiter konzentrieren und in Kauf nehmen, dass kleinere Betriebe, v. a. auf dem Lande
und in den informellen Vororten der Städte, Gesetze und Verordnungen umgehen.
Viele Unternehmer und Erwerbstätige entscheiden sich daher freiwillig für die Informalität. Sie sind nicht bereit, die Normen und Vorschriften des formellen Sektors
einzuhalten und die hiermit verbundenen Kosten zu tragen. Insbesondere die Unternehmen des bereits zitierten upper-tier informal sector wären durchaus in der Lage, ihre
Rechtsform und ihre Produktionen weiter zu formalisieren. Allerdings würden die hiermit verbundenen Kosten (für Steuern, Gebühren und Sozialabgaben, Registrierung,
ordnungsgemäße Buchführung etc.) die Kosten der Informalität übersteigen, die in einem Mangel an Rechtssicherheit, im schlechteren Zugang zu den Behörden, zu Banken
und Versicherungen und zu staatlichen Förderprogrammen sowie in der größeren sozialen Unsicherheit der Mitarbeiter u. a. bestehen. Selbst unselbständig Beschäftigte und
Arbeiter auf eigene Rechnung nehmen vielfach die Nachteile von informellen Beschäftigungsverhältnissen in Kauf, weil diese flexibler sind und helfen, Kosten einzusparen
(z. B. Sozialversicherungsbeiträge). Auch in Industrieländern sind rationale Kosten-
Nutzen-Kalküle dieser Art gängig, was sich nicht zuletzt darin widerspiegelt, dass das
Ausmaß von Schwarzarbeit zunimmt, weil viele Anbieter die rechtliche Unsicherheit
der hohen Regulierungsdichte im formellen Sektor vorziehen.212
Andererseits ist der informelle Sektor auch ein Überlebensterritorium für diejenigen, die
nicht in der Lage sind, die hohen Kosten der Formalität zu tragen. Für sie gestalten sich die
Barrieren zwischen den Sektoren (s. o.) als unüberwindbar. Dass diese Barrieren so hoch
sind, liegt z. T. an der Unfähigkeit des Staates in vielen Entwicklungsländern, den Regulierungsrahmen für die Märkte des formellen Sektors an die lokalen Erfordernisse anzupassen.
Die Steuer- und Abgabensätze liegen zu hoch, Melde- und Genehmigungsverfahren sind
211 Vgl. Backiny-Yetna (2000, 75); Charmes (2000, 63).
212 Vgl. Blunch / Canagarajah / Raju (2001, 4); Karl (2000, 54); Maloney (2003, 9).
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Kasten 1: Fünf Ansätze zur Erklärung von Informalität
Dualismustheorie: Die Dualismustheoretiker (z. B. Boeke, Lewis und Myrdal) vertreten die These, dass
die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft kein stetiger Prozess ist, der die Entwicklungsländer
als Ganzes betrifft, sondern in Etappen verläuft und jeweils nur Teile der Ökonomien erfasst. Hierbei
handele es sich jeweils um die dynamischen, kapital- und technologieintensiv produzierenden „modernen Sektoren“. Neben ihnen blieben „primitive“ bzw. „traditionelle Sektoren“ bestehen, in denen die
autochthone, arbeitsintensive Wirtschaftsweise der Entwicklungsländer überlebe: der informelle Sektor.
Der Hauptunterschied zwischen den beiden Sektoren besteht nach Auffassung der Dualismustheoretiker in den Regeln, nach denen der Faktor Arbeit entlohnt wird. Im modernen Sektor würden die
Löhne (entsprechend neoklassischer Logik) dem Wertgrenzprodukt der Arbeit entsprechen, im traditionellen Sektor hingegen dem Pro-Kopf-Erlös (i. e. dem Wertdurchschnittsprodukt der Arbeit). Dies liege
daran, dass die Erwerbstätigen überwiegend selbständig seien, i. e. Arbeit und Kapital untrennbar miteinander verbunden seien. Zusätzliche Arbeitskräfte würden vom traditionellen Sektor jederzeit absorbiert, indem sie in den Unternehmen von Verwandten mitarbeiten dürfen oder aber eigene Unternehmen gründen, die sehr ähnliche Produkte erstellen wie die bereits besthenden Unternehmen. Aus Sicht
der jeweils Betroffenen ist dies vorteilhaft, alle anderen hingegen leiden, da der Durchschnittsertrag mit
jeder zusätzlichen Arbeitskraft im traditionellen Sektor zurückgeht und somit auch die Löhne sinken.
(Nur wenige Dualismustheoretiker bestreiten dies, da sie einen landwirtschaftlichen Sektor vor Augen
haben, der seine Anbauflächen unbegrenzt ausweiten kann und dessen Produkte in unbegrenztem Umfang nachgrefragt werden).
Umgekehrt bestehen nach Auffassung der Dualismustheoretiker aber auch nur für wenige Angehörige des traditionellen Sektors Anreize, in den modernen Sektor abzuwandern, da dieser nur höher qualifizierten und motivierten Arbeitskräften Löhne gewährt, die über dem Durchschnittseinkommen im
traditionellen Sektor liegen.
Einige Anhänger der Dualismustheorie fügen hinzu, dass die meisten Beschäftigten im traditionellen Sektor auch deshalb vor einem Wechsel in den modernen Sektor zurückschreckten, weil hiermit
eine allzu deutliche Veränderung der Lebensbedingungen verbunden sei, die mit althergebrachten religiösen und soziokulturellen Vorstellungen und Normen nicht zu vereinen sei. Auch eine Imitation des
modernen Sektors durch einzelne Betriebe des traditionellen Sektors komme nicht in Betracht, da die
Sektoren geographisch, sozial und kulturell zu sehr voneinander isoliert seien. a
Diese Vorstellungen haben allerdings zu keinem Zeitpunkt der Realität entsprochen. Schon immer
hat es – auch im ländlichen Raum – einen regen Austausch von Gütern Erwerbstätigen und Ideen zwischen den Sektoren gegeben. In vielen Familien arbeiten einige Mitglieder im traditionellen Sektor
(z. B. in der Landwirtschaft) und andere im modernen (z. B. in einer Fabrik oder der staatlichen Verwaltung). Ebenso gibt es Erwerbstätige, die erst im modernen Sektor arbeiten und dann irgendwann ein
eigenes, kleines Unternehmen im traditionellen Sektor aufbauen. Ebenso arbeiten viele tagsüber in der
staatlichen Verwaltung und nach Feierabend auf eigene Rechnung im informellen Sektor (z. B. als
Taxifahrer). b
Neoliberalismus: Im Gegensatz zur Dualismustheorie sieht der Neoliberalismus die Hauptursache für
die Segregation der Ökonomie in einer Über- und Fehlregulierung des formellen Sektors. Der staatliche
Rechts- und Ordnungsrahmen sei unzureichend an die lokalen Bedürfnisse angepasst, die Steuer- und
Abgabensätze lägen zu hoch, Melde- und Genehmigungsverfahren seien zu kompliziert, zu aufwändig
und zu langwierig, die Legalisierung von Unternehmen sei zu teuer, arbeitsrechtliche und Umweltschutzvorschriften seien zu rigide und die Verbraucherschutznormen würden ebenfalls zu hohe Kosten
verursachen. Dies hat nach Auffassung der Verfechter des Neoliberalismus zur Folge, dass sich zwischen dem informellen und dem formellen Sektor multiple Barrieren befinden, die den Zugang der
informell Beschäftigten zu den Arbeits-, Kapital- und Gütermärkten des formellen Sektors verhindern
oder zumindest erheblich erschweren. Diese Barrieren sind umso höher, je rigider die Märkte des formellen Sektors reguliert sind. c
114
Fortsetzung Kasten 1 (Fünf Ansätze zur Erklärung der Informalität)
Solche institutionellen Barrieren zwischen den Sektoren lassen sich tatsächlich in sehr vielen Entwicklungsländern beobachten (v. a. in Afrika und dem Nahen Osten, Osteuropa und Zentralasien und
Asien). In diesen Ländern besteht für viele Unternehmer gar keine Möglichkeit, im formellen Sektor zu
produzieren. Sie sind z. B. nicht in der Lage, die hohen Steuern im formellen Sektor zu entrichten,
Umweltschutzvorschriften einzuhalten oder amtliche Genehmigungen für bestimmte Produktionen
einzuholen (weil die Verfahren zu aufwändig bzw. zu intransparent sind). Zudem können sie ihre Unternehmen z. T. nicht legalisieren, weil das Land, auf dem sie produzieren, nicht ins Grundbuch eingetragen ist. Dies hat auch zur Folge, dass ihnen die für eine Formalisierung möglicherweise benötigten
Kredite mangels Sicherheiten nicht gewährt werden. d
Theorie von der strukturellen Heterogenität: Auch Hartmut Elsenhans, der wichtigste Vertreter der
Theorie von der strukturellen Heterogenität, sieht die Ursache für die Existenz und das Beharrungsvermögen des informellen Sektors in den Zugangsbarrieren zum formellen Sektor. Im Gegensatz zu den
Neoliberalisten interpretiert er diese Barrieren aber als politisch intendiert. Sie sollen seiner Meinung
nach den Zutritt zum formellen Sektor erschweren. Absichtlich baue die Politik hohe gesetzliche und
administrative Hürden auf, um die im formellen Sektor etablierten Unternehmer und Arbeitnehmer vor
zusätzlicher Konkurrenz und einem hieraus resultierenden Verfall der Preise und Löhne zu schützen. In
vielen Entwicklungsländern rekrutiere sich die Herrschaftselite selbst entweder aus dem Großbürgertum oder aber aus der städtischen Mittelschicht. Zudem stütze sich ihre Herrschaft auf zumindest eine
dieser beiden sozialen Gruppen, die nahezu identisch mit den Unternehmern und Erwerbstätigen des
formellen Sektors sind. e
Diese Argumentation erscheint plausibel. Es dürfte allerdings schwer sein, sie zu belegen. Noch
schwieriger ist es zu prüfen, ob bestehende Zugangsbarrieren im einzelnen Fall politisch intendiert sind
oder nicht.
„Rationalismus“: Ganz anders argumentieren die Vertreter einer Denkrichtung, die hier der Einfachheit
halber als „Rationalisten“ bezeichnet werden. Sie streiten ab, dass zwischen den Sektoren unüberwindbare Barrieren bestehen: Die Erwerbstätigen hätten die Wahl zwischen formellen und informellen Beschäftigungsverhältnissen und auch die Unternehmen könnten entscheiden, wie stark sie sich in den
Ordnungsrahmen des Staates integrieren bzw. diesen umgehen wollen. Ob sich ein Unternehmen bzw.
ein Erwerbstätiger für den informellen oder den formellen Sektor entscheidet, hänge von rationalen
Kosten-Nutzen-Abwägungen ab, bei denen die Kosten der Formalität mit den Kosten der Informalität
verglichen würden: Insbesondere kleinere Unternehmer würden häufig die Informalität vorziehen, um
Steuern, Gebühren und Sozialabgaben zu sparen, aufwändige administrative Prozesse zu vermeiden
und staatliche Auflagen zu umgehen. Zwar stehen diesen Vorteilen Opportunitätskosten gegenüber,
weil im informellen Sektor der Zugang zu Instrumenten der sozialen Sicherung, staatlichen Förderungsprogrammen, dem Finanzsystem und Rechtsmitteln zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen
erschwert oder gar unmöglich ist. Jedoch können kleinere Unternehmen – so die „Rationalisten“ – dieses Manko relativ leicht mit Hilfe von Solidargemeinschaften und anderen informellen Netzwerken
kompensieren, die ihnen bei der Finanzierung, der Vermarktung, der Beschaffung von dringend benötigten Einsatzgütern, dem Risiko-Management und nicht zuletzt der Durchsetzung von impliziten Verträgen helfen. Je mehr jedoch ein Unternehmen wachse, umso schwerer würden die Opportunitätskosten der Informalität wiegen, so dass größere Unternehmen zu einem erheblich größeren Anteil und zu
einem höheren Grad formalisiert seien. f
Die Theorie erscheint schlüssig, sofern ihre zentrale Prämisse stimmt, dass keine wesentlichen Barrieren zwischen den Sektoren bestehen. Und tatsächlich haben Untersuchungen – v. a. über lateinamerikanische Länder – herausgefunden, dass (i) viele Unternehmer und Arbeitnehmer im Laufe ihres Lebens z. T. mehrfach zwischen den Sektoren wechseln, dass sie (ii) oft in jungen Jahren im formellen
Sektor arbeiten und sich erst später im informellen Sektor selbständig machen und dass
(iii) insbesondere Selbständige mit dem informellen Charakter ihrer Erwerbstätigkeit zufrieden sind
und keinesfalls mit Beschäftigten des formellen Sektors tauschen wollten. Andere Studien kommen
hingegen zum gegenteiligen Ergebnis, dass – v. a. in Afrika und Asien – für große Teile der Erwerbsbevölkerung durchaus Zugangsbarrieren zum formellen Sektor bestehen. g
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Fortsetzung Kasten 1 (Fünf Ansätze zur Erklärung der Informalität)
„Institutionalismus“: Abschließend sei noch ein fünfter Erklärungsansatz erwähnt, der „Institutionalismus“ genannt werden soll. Er erklärt das Phänomen der Informalität damit, dass einerseits der Staat
in vielen Entwicklungsländern unfähig sei, die Einhaltung seiner Gesetze und Verordnungen bei allen
Unternehmen und Erwerbsverhältnissen zu kontrollieren, und dass andererseits viele Unternehmer und
Arbeitnehmer unzureichend über die für sie geltenden Normen bzw. deren Vorteile informiert seien.
Zudem bestehen solche Vorteile auch nur in wenigen Fällen, so dass die Formalisierung gar nicht erforderlich erscheint (unabhängig davon, ob sie mit einem geringen oder großen Aufwand verbunden
ist). h
Quelle:
a Vgl. Beattie (2000, 130); Blunch / Canagarajah / Raju (2001, 5 f.); Hemmer (1988, 188–204); Nohlen / Nuscheler (1993, 42 f.).
b Vgl. Maes (2003, 41).
c Vgl. Maldonado (1999a, 3 und 5).
d Vgl. Beattie (2000, 131); BMZ (1999b, 4); Canagarajah / Sethuraman (2001, 12 und 28 f.); Holzmann / Packard / Cuesta (1999, 5 f.).
e Vgl. Elsenhans (1986); Elsenhans (1990, 337 f.); Nohlen / Nuscheler (1993, 44 f.).
f Vgl. Karl (2000, 54); Lautier (2000, 72); Maloney (2003, 12 f.).
g Vgl. u. a. Maloney (2003) zu Lateinamerika und Maldonado (1999b) zu Subsahara-Afrika.
h Vgl. Karl (2000, 53); Maldonado (1999a, 3 f.).
zu kompliziert, zu aufwändig und zu langwierig und Arbeitnehmer-, Umwelt- und
Verbraucherschutzvorschriften sind zu rigide und verursachen zu hohe Kosten.213
In vielen Ländern sind die Zugangsbarrieren zum formellen Sektor aber auch intendiert. Ihr Ziel ist es, die bereits im formellen Sektor etablierten Unternehmen und Erwerbstätigen vor Konkurrenten zu schützen, die ohne die Barrieren in immer größerer
Zahl auf die Märkte des formellen Sektors treten und dadurch den Wettbewerb auf diesen Märkten intensivieren und die Preise drücken würden. In fast allen Entwicklungsländern stammen die politischen Entscheidungsträger aus der städtischen Mittelschicht
oder aber aus der Oberschicht, die ihre Einkommen beide v. a. aus dem formellen Sektor beziehen und somit zu den Hauptnutznießern der Zutrittsbarrieren gehören.214
4.2 Informalität und Risiko-Verletzbarkeit
Informalität hat einen hohen Preis. Nicht alle informell erwerbstätigen Personen sind
arm und überproportional verletzbar durch Risiken, jedoch besteht eine eindeutig positive Korrelation zwischen der Informalität einer Erwerbstätigkeit und der Einkommensarmut und Risiko-Verletzbarkeit der von dieser Erwerbstätigkeit lebenden Personen. In
Abschnitt 2.4 wurde bereits argumentiert, dass Haushalte und Individuen einerseits aufgrund von Risiken materiell verarmen können und dass einkommensschwache Haushalte und Individuen andererseits überdurchschnittlich verletzbar durch Risiken sind, und
sich darüber hinaus besonders risikoavers verhalten und daher der Einkommensarmut
nur schwer entfliehen können.
213 Vgl. Canagarajah / Sethuraman (2001, 13); Maldonado (1999a, 3 und 5); Maloney (2003, 13 f.).
214 Vgl. Develtere / van Durme (2000); Nohlen / Nuscheler (1993, 44 f.).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nur die Hälfte aller Menschen weltweit ist gegen Risiken wie Krankheit, Alter oder Ernteausfall abgesichert. Dies gilt v.a. für Beschäftigte im informellen Sektor. Lange wurde übersehen, dass hierin nicht nur ein soziales sondern auch ein ökonomisches Problem besteht, da Menschen ohne soziale Sicherheit besonders vorsichtig handeln und zum Beispiel Investitionen in Bildung und Produktionskapital meiden. Sie scheuen die hiermit verbundenen zusätzlichen Risiken und haben Angst, dass ihnen das investierte Geld bei Zahlungsschwierigkeiten nicht kurzfristig zur Verfügung steht.
Das vorliegende Buch gibt Einblick in die Funktionsweise moderner und traditioneller Systeme der sozialen Sicherung in Entwicklungsländern und zeigt auf, warum viele von ihnen für informell Beschäftigte ungeeignet sind. Es diskutiert, welche Strategien sich eignen, um die soziale Sicherheit im informellen Sektor zu verbessern und geht insbesondere auf das Potenzial von Kleinstversicherungen ein. Diese zeichnen sich durch niedrige Beitragssätze, flexible Zahlungsmodalitäten und begrenzte Leistungen aus und sind somit ganz an die Möglichkeiten und Bedarfe von Beziehern niedriger Einkommen angepasst, ohne auf Subventionen angewiesen zu sein.