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Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses entsprechend dem Willen
des Erblassers zu unternehmerischem Handeln zum Wohle der Gesellschaft verpflichtet. Dabei ist er noch mehr als ein Fremdgeschäftsleiter und zumindest ebenso
sehr wie in der Funktion als Aktionär auf das Unternehmensinteresse verpflichtet. Ist
schon die Aktionärsstellung eines Vorstandsmitglieds zulässig, kann das Vorstandsmitglied erst recht auch Testamentsvollstrecker sein.
2. Übertragbarkeit der im Recht der GmbH geltenden Grundsätze
auf die AG
a) Weisungsrecht der Gesellschafter
Im Recht der GmbH kann dem Testamentsvollstrecker alleine oder zusammen mit
einem Dritten die Geschäftsführung eingeräumt werden.575 Allerdings kann der
Testamentsvollstrecker mangels Gestattung des Erblassers und / oder des Erben an
seiner Bestellung und Anstellung als Geschäftsführer nicht mitwirken.576 Die
Schranken der Ausübung der Geschäftsführertätigkeit ergeben sich aufgrund erbrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Beschränkungen der Verwaltungsbefugnisse
des Testamentsvollstreckers.577
Im Gegensatz zu den Aktionären steht den GmbH-Gesellschaftern ein Weisungsrecht zu, das ihnen ermöglicht, maßgeblich Einfluss auf die Geschäftsführung zu
nehmen.578 Entsprechend sieht der Gesellschaftsvertrag in der Regel vor, dass der
Geschäftsführer für wichtige oder außergewöhnliche Geschäfte die Genehmigung
der Gesellschafterversammlung einholen muss.579 Im Recht der GmbH kann dem
Geschäftsführer das Geschäftsführungsrecht auch nahezu vollständig entzogen werden. Lediglich das Recht und die Pflicht, die Gesellschaft zu vertreten (§ 35 Abs. 1
GmbHG), kann der Geschäftsführung nicht genommen werden.580 Umgekehrt können die GmbH-Gesellschafter auf ihren Einfluss aber auch jederzeit verzichten und
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575 Bengel/Reimann/Mayer, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., Kap. 5 Rn 142; Brandner,
FS Stimpel (1985), S. 991, 1005; Lorz, Unternehmensrecht, S. 265
576 BGHZ 51, 209, 213; Bengel/Reimann/Mayer,Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., Kap. 5
Rn 241; Haegele/Winkler, Testamentsvollstrecker, 16. Aufl., S. 202; Reithmann, BB 1984,
1394, 1398
577 Bengel/Reimann/Mayer, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., Kap. 5 Rn 235, 237
578 Beck´sches Handbuch AG/Rödder, § 2 Rn 140; Beck´sches Handbuch GmbH/Axhausen,
3. Aufl., § 5 Rn 142; Hoffmann/Liebs, GmbH-Geschäftsführer, 2. Aufl., Rn 322, 400
579 Beck´sches Handbuch AG/Rödder, § 2 Rn 146
580 Beck´sches Handbuch GmbH/Axhausen, 3. Aufl., § 5 Rn 3
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damit dem Geschäftsführer die Stellung eines aktienrechtlichen Vorstands einräumen.581
Die Rolle des Vorstands einer AG wurde dagegen immer mehr gestärkt. So wurde
mit dem AktG 1937 die Stellung der Hauptversammlung als weisungsbefugtes
„oberstes Organ“ der Gesellschaft aufgegeben. Im Hinblick auf die Geschäftsführung besteht damit der grundsätzliche und wesentliche Unterschied zwischen einem
Vorstand und einem GmbH-Geschäftsführer darin, dass der Vorstand die Aktiengesellschaft in eigener Verantwortung leitet (§ 76 Abs. 1 AktG) und die Aktionäre die
Geschäftsführung durch den Vorstand grundsätzlich nicht beeinflussen können.582
b) Grundsatz der freien Abberufbarkeit (§ 38 Abs. 1 GmbHG)
Der Einfluss der GmbH-Gesellschafter reicht so weit, dass ein GmbH-
Geschäftsführer, anders als ein Vorstandsmitglied einer AG (§ 84 Abs. 3 AktG),583
bei Fehlen einer anderweitigen Regelung in der Satzung jederzeit frei, das bedeutet
ohne Vorliegen von Gründen,584 abberufen werden kann (§ 38 Abs. 1 GmbHG).
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Satzung die Abberufbarkeit auf den Fall beschränkt, dass wichtige Gründe dafür vorliegen. Als wichtige Gründe sind insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung anzusehen (§ 38 Abs. 2 GmbHG).
Trotz der Einschränkungen, die sich aus den Mitbestimmungsregeln ergeben, ist
die Gestaltungsfreiheit im Recht der GmbH damit vergleichsweise groß. Angesichts
der häufig personalistischen Struktur einer GmbH variieren die gesellschaftsvertraglichen Regelungen und damit auch das Verhältnis der Geschäftsführer zu den Gesellschaftern stark.585
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581 Hoffmann/Liebs, GmbH-Geschäftsführer, 2. Aufl., Rn 401 mit dem Hinweis, dass eine dem
Aktienrecht angenäherte Gestaltung häufig auf Verlangen der Kreditgeber in Sanierungssituationen anzutreffen ist.
582 Beck´sches Handbuch GmbH/Axhausen, 3. Aufl., § 5 Rn 3; Hoffmann/Liebs, GmbH-
Geschäftsführer, 2. Aufl., Rn 400
583 § 84 Abs. 3 S. 1 AktG ermöglicht von vornherein die Abberufung eines Vorstandsmitglieds
einer AG nur aus wichtigem Grund
584 OLG Zweibrücken NZG 1999, 1011; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, 18. Aufl., § 38 Rn 3
585 Hoffmann/Liebs, GmbH-Geschäftsführer, 2. Aufl., Rn 401
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3. Doppelstellung und Interessenkollisionen
a) Problemstellung
Wie bereits die Zulässigkeit der Gesellschafterstellung eines Vorstandsmitglieds
zeigt, schließt allein die Gefahr von Interessenkollisionen die Vereinigung zweier
Positionen in einer Person nicht von vornherein aus. Dies zeigt sich auch daran, dass
Personen, die bereits Mandate in derselben Unternehmensgruppe etwa bei Mutterund / oder weiteren Tochtergesellschaften beispielsweise als Geschäftsleiter innehaben, nicht per se von der Übernahme des Vorstandsamtes ausgeschlossen sind, sofern die nach § 88 Abs. 1 S. 2 AktG erforderliche Zustimmung beider Aufsichtsräte
vorliegt.586 Die Wahrnehmung eines weiteren Amtes eines Vorstandsmitglieds ist
demnach auch in Form von Vorstands-Doppelmandaten grundsätzlich zulässig.
Auch die vom BGH im Fall Schaffgottsch587 entwickelte Grundregel, wonach die
Pflichterfüllung gegenüber der einen Gesellschaft niemals eine Pflichtverletzung
gegenüber der anderen Gesellschaft rechtfertigen kann, setzt die generelle Zulässigkeit von Doppelmandaten voraus.588
Überträgt man die Grundregel, wonach die Pflichterfüllung gegenüber der einen
Gesellschaft niemals eine Pflichtverletzung gegenüber der anderen Gesellschaft
rechtfertigen kann, auf das Zusammentreffen von Vorstands- und Testamentsvollstreckeramt, so zeigt sich, dass eine Pflichtverletzung im Rahmen der Vorstandstätigkeit nicht durch eine Erfüllung der Pflichten als Testamentsvollstrecker und
umgekehrt gerechtfertigt sein kann. Allein deshalb aber generell die Zulässigkeit der
Ämterhäufung zu verneinen, kommt – wie auch die Zulässigkeit der Übernahme von
Doppelmandaten zeigt – nicht in Betracht.
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586 Zur Zulässigkeit von Vorstandsdoppelmandaten siehe LG Köln AG 1992, 238, 240; Groß-
KommAktG/Kort, 4. Aufl., § 76 Rn 178; Hüffer AktG, 8. Aufl., § 76 Rn 21; Köln-
KommAktG/Mertens, 2. Aufl., § 76 Rn 112; Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 808
587 BGH NJW 1980, 1629
588 So die zutreffende Schlussfolgerung des LG Köln betreffend Vorstandsdoppelmandate, AG
1992, 238, 240. Die in der Schaffgotsch-Entscheidung entwickelte Grundregel, die im Hinblick auf Aufsichtsrats-Doppelmandate ergangen ist, ist nach h.M. auch auf Vorstandsmandate anwendbar, vgl. GroßKommAktG/Kort, 4. Aufl., § 76 Rn 178 sowie Passarge, NZG 2007,
441.
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References
Zusammenfassung
Das Werk untersucht die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Aktien sowie die Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers für den praktisch bedeutsamen Fall, dass seiner Verwaltung Aktien unterstellt sind. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, inwieweit der Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung des Erben tätig werden und beispielsweise an der Gründung einer AG, an deren Umwandlung in eine GmbH oder an einem Börsengang einer nicht konzernierten AG mitwirken kann. Abschließend widmet sich die Autorin der Frage, inwieweit die Ämter „Testamentsvollstrecker“ und „Vorstandsmitglied einer AG“, deren Aktien der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterstellt sind, miteinander vereinbar sind.