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Entscheidendes Argument für das Bestehen weit reichender Möglichkeiten der
Amtsübertragung ist die Existenz einer laufenden Kontrolle bei den übertragenen
Angelegenheiten. Sogar noch stärker als bei Bevollmächtigung und Hinzuziehung
von Gehilfen ist dem Testamentsvollstrecker eine laufende Kontrolle über die übertragenen Angelegenheiten bei gleichzeitiger Ausübung des Vorstandsamtes möglich.
Einer dritten Person bedient sich der Testamentsvollstrecker dabei gerade nicht.
Kommt der Testamentsvollstrecker bei gleichzeitiger Wahrnehmung seiner
Pflichten als Vorstandsmitglied bei seinem Handeln den ihm erbrechtlich auferlegten Pflichten nach, und bewegt er sich dabei im Rahmen der ihm als Testamentsvollstrecker zustehenden Kompetenzen, ist nur fraglich, ob die Kumulation beider Ämter (auch) aus gesellschaftsrechtlicher Sicht unbedenklich ist. Hierfür ist erforderlich, dass die Doppelfunktion weder gegen zwingendes Recht verstößt, noch im
Übrigen mit der Wahrnehmung der Rechte und Pflichten eines Vorstandsmitglieds
unvereinbar ist. Eine Pflichtenreduktion vermag die Doppelfunktion keinesfalls zu
begründen.568
III. Gesellschaftsrechtliche Beurteilung
1. Aktionärsfunktion und Amtsausübung
a) Vereinbarkeit von Testamentsvollstreckeramt und Aktionärsstellung
Der zum Testamentsvollstrecker Bestellte kann (bereits) selbst Aktionär der Gesellschaft sein, deren Aktien der Verwaltungsvollstreckung unterstellt sind. Der Testamentsvollstrecker ist in der Lage, trennbar seine Rechte als Gesellschafter aus den
eigenen Aktien neben den Rechten aus den seiner Verwaltung unterstellten Aktien
in der Funktion als Testamentsvollstrecker wahrzunehmen.569
b) Vereinbarkeit von Vorstandsamt und Aktionärsstellung
Auch ein Vorstandsmitglied kann zugleich Aktionär der von ihm geführten Gesellschaft sein.570 Sowohl in „kleinen“ Aktiengesellschaften als auch in börsennotierten
______________________
568 Rhein, Interessenkonflikt, S. 107
569 Bezüglich der seiner Verwaltung unterstellten Aktien ist der Testamentsvollstrecker nicht
Gesellschafter sondern (bleibt) formal Dritter, vgl. Mühlhäuser, Stimmrechtsbindung, S. 237;
Frank, Die „kleine“ AG, S. 245.
570 Frank, Die „kleine“ AG, S. 268, der dennoch zu dem Ergebnis kommt, dass die Ämterhäufung unzulässig ist; Grunsky, ZEV 2008, 1, 2; Sudhoff/Froning, Unternehmensnachfolge,
5. Aufl., § 46 Rn 39
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Familienaktiengesellschaften kommt es häufig vor, dass die Mitglieder der Geschäftsführung sogar die Mehrheit der Aktien halten.
Dass sich in der Praxis häufig Gesellschafterstellung und Vorstandsamt vereinen,
ergibt sich ferner daraus, dass sogenannte Aktienoptionen („Stock-Options“) sowie
anderweitige Beteiligungsmodelle Teil des üblichen Vergütungssystems sind.571 Mit
dieser Art der Unternehmensbeteiligung sollen Leistungsanreize u.a. dadurch geschaffen werden, dass durch entsprechende Gestaltung der Optionsbedingungen die
Motivation zur Erreichung gesetzter Kursvorgaben im Sinne eines ertrags- und wertsteigernden Managements gefördert wird, indem der Begünstigte als Aktieninhaber
unmittelbar durch den Aktienwert am Erfolg des Unternehmens beteiligt wird.
Der zulässigen Vereinigung von Vorstandsamt und Gesellschafterstellung steht
auch das Merkmal der Fremdorganschaft als eines der wesentlichen Merkmale einer
Aktiengesellschaft572 nicht entgegen.573 Der Umstand, dass bei einem am Kapital der
Gesellschaft beteiligten Vorstandsmitglied stets auch Eigentümerinteressen bestehen, die im Rahmen der unternehmerischen Entscheidungen häufig eine Rolle spielen, vermag hieran nichts zu ändern. Auch im Falle der Geschäftsführung durch
einen Dritten, der selbst nicht mitgliedschaftlich beteiligt ist, besteht die Gefahr der
Gefährdung der Kapitalanlage durch die Verfolgung von Eigeninteressen mithilfe
des Vorstandsamtes.
c) Vereinbarkeit von Vorstands- und Testamentsvollstreckeramt als
Konsequenz?
Ein Testamentsvollstrecker ist dem Willen des Erblassers als ehemaligem Gesellschafter verpflichtet. Er leitet seinen Aufgabenbereich sowie seine Rechtsmacht
unmittelbar vom Willen des Erblassers ab (§§ 2203, 2216 Abs. 2 S. 1 BGB). Dies
hat zur Folge, dass der letzte Wille des Erblassers gegebenenfalls auch gegen den
Willen des Erben zur Ausführung gebracht werden kann. Die ordnungsgemäße
Verwaltung der Unternehmensanteile wird somit in erster Linie bestimmt durch den
mutmaßlichen Willen des Erblassers, sofern dieser nicht bereits durch entsprechende
Verwaltungsanordnungen zum Ausdruck kommt (§ 2216 Abs. 2 BGB).574
Vor diesem Hintergrund scheint die Konstellation, dass ein Vorstandsmitglied
zugleich Testamentsvollstrecker an Aktien der von ihm geführten AG ist, weniger
konfliktträchtig zu sein als die allgemein als zulässig erachtete Aktionärsstellung
eines Vorstandsmitglieds, das angesichts seines (großen) Anteilsbesitzes gegebenenfalls „nur“ profitbedacht ist. Ein Testamentsvollstrecker ist bereits wegen seiner
______________________
571 Frank, Die „kleine“ AG, S. 268
572 Sudhoff/Froning, Unternehmensnachfolge, 5. Aufl., § 46 Rn 39
573 Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 409
574 BGH FamRZ 1988, 279, 280
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Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses entsprechend dem Willen
des Erblassers zu unternehmerischem Handeln zum Wohle der Gesellschaft verpflichtet. Dabei ist er noch mehr als ein Fremdgeschäftsleiter und zumindest ebenso
sehr wie in der Funktion als Aktionär auf das Unternehmensinteresse verpflichtet. Ist
schon die Aktionärsstellung eines Vorstandsmitglieds zulässig, kann das Vorstandsmitglied erst recht auch Testamentsvollstrecker sein.
2. Übertragbarkeit der im Recht der GmbH geltenden Grundsätze
auf die AG
a) Weisungsrecht der Gesellschafter
Im Recht der GmbH kann dem Testamentsvollstrecker alleine oder zusammen mit
einem Dritten die Geschäftsführung eingeräumt werden.575 Allerdings kann der
Testamentsvollstrecker mangels Gestattung des Erblassers und / oder des Erben an
seiner Bestellung und Anstellung als Geschäftsführer nicht mitwirken.576 Die
Schranken der Ausübung der Geschäftsführertätigkeit ergeben sich aufgrund erbrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Beschränkungen der Verwaltungsbefugnisse
des Testamentsvollstreckers.577
Im Gegensatz zu den Aktionären steht den GmbH-Gesellschaftern ein Weisungsrecht zu, das ihnen ermöglicht, maßgeblich Einfluss auf die Geschäftsführung zu
nehmen.578 Entsprechend sieht der Gesellschaftsvertrag in der Regel vor, dass der
Geschäftsführer für wichtige oder außergewöhnliche Geschäfte die Genehmigung
der Gesellschafterversammlung einholen muss.579 Im Recht der GmbH kann dem
Geschäftsführer das Geschäftsführungsrecht auch nahezu vollständig entzogen werden. Lediglich das Recht und die Pflicht, die Gesellschaft zu vertreten (§ 35 Abs. 1
GmbHG), kann der Geschäftsführung nicht genommen werden.580 Umgekehrt können die GmbH-Gesellschafter auf ihren Einfluss aber auch jederzeit verzichten und
______________________
575 Bengel/Reimann/Mayer, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., Kap. 5 Rn 142; Brandner,
FS Stimpel (1985), S. 991, 1005; Lorz, Unternehmensrecht, S. 265
576 BGHZ 51, 209, 213; Bengel/Reimann/Mayer,Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., Kap. 5
Rn 241; Haegele/Winkler, Testamentsvollstrecker, 16. Aufl., S. 202; Reithmann, BB 1984,
1394, 1398
577 Bengel/Reimann/Mayer, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., Kap. 5 Rn 235, 237
578 Beck´sches Handbuch AG/Rödder, § 2 Rn 140; Beck´sches Handbuch GmbH/Axhausen,
3. Aufl., § 5 Rn 142; Hoffmann/Liebs, GmbH-Geschäftsführer, 2. Aufl., Rn 322, 400
579 Beck´sches Handbuch AG/Rödder, § 2 Rn 146
580 Beck´sches Handbuch GmbH/Axhausen, 3. Aufl., § 5 Rn 3
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk untersucht die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Aktien sowie die Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers für den praktisch bedeutsamen Fall, dass seiner Verwaltung Aktien unterstellt sind. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, inwieweit der Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung des Erben tätig werden und beispielsweise an der Gründung einer AG, an deren Umwandlung in eine GmbH oder an einem Börsengang einer nicht konzernierten AG mitwirken kann. Abschließend widmet sich die Autorin der Frage, inwieweit die Ämter „Testamentsvollstrecker“ und „Vorstandsmitglied einer AG“, deren Aktien der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterstellt sind, miteinander vereinbar sind.