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des Bilanzgewinns als Gewinnvortrag stimmen, bedarf er hierfür der Zustimmung
des Gesellschaftererben.
Im Ergebnis bleibt mangels Vorliegens bestimmter Anordnungen oder Beschränkungen durch den Erblasser vor dem Hintergrund des § 2208 Abs. 1 S. 1 BGB festzuhalten, dass der Testamentsvollstrecker befugt ist, am Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns für die Einstellung weiterer Beträge in Gewinnrücklagen oder als Gewinnvortrag ohne Zustimmung des Erben mitzuwirken, sofern sein
Abstimmungsverhalten ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.
2. Mitwirkung des Testamentsvollstreckers an einer ordentlichen
Kapitalerhöhung
a) Mitwirkung an einer ordentlichen Kapitalerhöhung unter Ausübung des
Bezugsrechts (§§ 182 ff. AktG)
Ist Testamentsvollstreckung an Aktien angeordnet, so stellt sich die Frage, ob der
Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung des Erben an einer ordentlichen Kapitalerhöhung der Gesellschaft gemäß §§ 182 Abs. 1 S. 1, 179 Abs. 1 S. 1 AktG unter
Ausübung des Bezugsrechts mitwirken kann. Im Rahmen der Kapitalerhöhung der
Gesellschaft gegen Einlagen zur Finanzierung des Unternehmens wird das Grundkapital durch Hauptversammlungsbeschluss gegen Bar- und / oder Sacheinlagen
unter Ausgabe neuer Aktien erhöht. Die mit der ordentlichen Kapitalerhöhung einhergehende Satzungsänderung unterliegt den besonderen Voraussetzungen des § 182
ff. AktG. Die Kapitalerhöhung gegen Einlagen bringt das Recht eines jeden bereits
an der Gesellschaft beteiligten Aktionärs mit sich, eine seinem Anteil an dem bisherigen Grundkapital entsprechende Anzahl der neuen Aktien zu erwerben (Bezugsrecht), § 186 Abs. 1 S. 1 AktG.400 Das gesetzliche Bezugsrecht räumt jedem Aktionär die Möglichkeit ein, sich an einer Kapitalerhöhung zu beteiligen. § 186 Abs. 1
S. 1 AktG bezweckt den Schutz der Aktionäre. Das Bezugsrecht stellt sicher, dass
die Aktionäre ihre mitgliedschaftliche Stellung einschließlich der vermögensmäßigen Bezüge pro rata halten und damit einem eventuellen Wertverlust ihrer bereits
gehaltenen Aktien entgegenwirken können. Ohne gesetzliches Bezugsrecht würde
der Anteil des einzelnen Aktionärs sowohl am Grundkapital als auch am Gewinn der
Gesellschaft prozentual sinken und seine Stimmkraft entsprechend reduziert werden,
vgl. § 134 Abs. 1 S. 1 AktG. Zugleich besteht für einzelne Aktionäre gegebenenfalls
die Gefahr des Verlustes von Minderheitsrechten401 bzw. der Sperrminorität.402 Dar-
______________________
400 Schüppen/Schaub/Sickinger/Kuthe, MAH, § 33 Rn 27; Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 1
401 Vgl. hierzu Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 2
402 Schockenhoff, AG 1994, 45
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über hinaus kann die Kapitalerhöhung zu Kursverwässerungen führen.403 Macht der
bezugsberechtigte Aktionär von seinem Bezugsrecht Gebrauch und reicht er einen
wirksamen Zeichnungsschein ein, so hat er einen durchsetzbaren Anspruch gegen
die Gesellschaft auf Abschluss eines Zeichnungsvertrags in Bezug auf die jungen
Aktien zu den im Kapitalerhöhungsbeschluss festgesetzten Bedingungen (Bezugsanspruch).404
Ist Verwaltungsvollstreckung angeordnet, übt der Testamentsvollstrecker das Bezugsrecht aus.405 Dies geschieht durch fristgerechte Abgabe der Bezugserklärung im
Sinne des § 186 Abs. 1 S. 2 AktG, die die Gesellschaft auffordert, dem bezugsberechtigten Gesellschafter entweder ein Zeichnungsangebot zu unterbreiten oder die
Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die dem Berechtigten die
Abgabe einer Zeichnungserklärung nach § 185 Abs. 1 AktG als Offerte ermöglichen.406 Die Zuteilung der Aktien erfolgt letztlich mit Abschluss des Zeichnungsvertrags.407 Es würde zum Auseinanderfallen eines einheitlichen Lebenssachverhalts
und zur Aufspaltung in Teilbefugnisse führen, wenn der Erbe trotz Kompetenz des
Testamentsvollstreckers zur Ausübung des Bezugsrechts die dafür notwendigen
Bezugsrechtserklärungen abgeben, die Zeichnungsscheine einreichen und die Zeichnungsverträge schließen müsste.408 Die Ausübung des Bezugsrechts als unmittelbarer Bestandteil der der Verwaltung unterliegenden Mitgliedschaft409 obliegt damit
vollumfänglich dem Testamentsvollstrecker.
Im Recht der GmbH wird die Beteiligung eines Testamentsvollstreckers an einem
Kapitalerhöhungsbeschluss, wenn keine Einzahlungsverpflichtungen für die Gesellschaftererben entstehen, die Kapitalerhöhung also aus Gesellschafts- und damit
Nachlassmitteln erfolgt, überwiegend für zulässig erachtet.410 Dies lässt sich auf die
ordentliche Kapitalerhöhung der AG unter Ausübung des Bezugsrechts durch den
Testamentsvollstrecker übertragen. Aus dem Verbot, den Erben persönlich zu verpflichten, ergibt sich auch hier, dass der Testamentsvollstrecker an einem Kapitaler-
______________________
403 Hierzu sowie zu weiteren Regelungszwecken siehe Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 2;
Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 902
404 Frank, Die „kleine“ AG, S. 261; Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 4
405 Bengel/Reimann/Mayer, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., Kap. 5 Rn 244; Münch-
KommBGB/Zimmermann, 4. Aufl., § 2205 Rn 53
406 Ob sich der Bezugsberechtigte mit Ausübung des Bezugsanspruchs zur Abgabe einer Zeichnungserklärung verpflichtet, ist streitig. Vor dem Hintergrund der Regelung des § 185 AktG,
dessen Formstrenge ansonsten bedeutungslos wäre, ist dies jedoch zu verneinen, vgl. zu den
jeweiligen Ansichten m.w.N. Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 14.
407 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 14
408 Frank, Die „kleine“ AG, S. 261; Bengel/Reimann/Mayer, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl.,
Kap. 5 Rn 244 und MünchKommBGB/Zimmermann, 4. Aufl., § 2205 Rn 53 nehmen eine Differenzierung ebenfalls nicht vor.
409 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 6
410 Bengel/Reimann/Mayer, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., Kap. 5 Rn 235; Lorz, Unternehmensrecht, S. 261; Priester, FS Stimpel (1985), S. 463, 477 ff.; Zimmermann, Testamentsvollstreckung, 2. Aufl., S. 372
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höhungsbeschluss nur dann nicht ohne Zustimmung des Erben mitwirken darf, wenn
die Einlageleistung nicht aus Nachlassmitteln erbracht werden kann, sondern von
dem bezugsberechtigten Aktionär und damit dem Erben selbst erbracht werden
müsste.411
Letztlich lässt sich auch mit § 2205 S. 3 BGB ein Zustimmungserfordernis betreffend die ordentliche Kapitalerhöhung unter Ausübung des Bezugsrechts nicht begründen. Nach erfolgter Kapitalerhöhung unter Ausübung des Bezugsrechts fallen
die jungen Aktien als Surrogate in den Nachlass, so dass das Vorliegen einer unentgeltlichen Verfügung zu verneinen ist.412
b) Mitwirkung an einer ordentlichen Kapitalerhöhung ohne Ausübung des
Bezugsrechts
Eine Pflicht zur Ausübung des mit der Kapitalerhöhung einhergehenden Bezugsrechts besteht nicht.413 Macht der Testamentsvollstrecker von dem mit der Kapitalerhöhung verbundenen Bezugsrecht keinen Gebrauch, so verfällt dieses mit Ablauf
der Bezugsfrist. Die Aktien, die somit frei werden, kann der Vorstand an Dritte
ausgeben, wobei eine Ausgabe zum bestmöglichen Kurs erfolgen muss.414
Das konkrete Bezugsrecht, das mit Wirksamwerden des Kapitalerhöhungsbeschlusses entsteht, kann als selbstständiges, unter der Bedingung der tatsächlichen
Durchführung der Kapitalerhöhung stehendes Recht im Gegensatz zum allgemeinen
Bezugsrecht Gegenstand von Verfügungen sein und daher nach §§ 413 i.V.m.
398 ff. BGB selbstständig übertragen werden.415 Unterlässt der Testamentsvollstrecker die Ausübung des Bezugsrechts und entspricht ein solches Vorgehen im Einzelfall den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, etwa weil allein die Veräußerung des konkreten Bezugsrechts wirtschaftlich geboten ist, ist der Testamentsvollstrecker zur Unterlassung der Bezugsrechtsausübung nicht nur berechtigt, sondern
sogar verpflichtet. Bei der Veräußerung des konkreten Bezugsrechts hat der Testamentsvollstrecker darauf zu achten, dass dem Nachlass ein adäquater Gegenwert
zufließt, der geeignet ist, die mit der Unterlassung der Ausübung des Bezugsrechts
in der Regel einhergehende Verwässerung der Anteile mit der Folge u.a. einer ge-
______________________
411 Bei der Teilnahme an einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen durch die Verwendung von
Nachlassmitteln wird nur der Nachlass verpflichtet, vgl. MünchKommBGB/Zimmermann,
4. Aufl., § 2205 Rn 52 ; a.A. Priester, FS Stimpel (1985), S. 463, 478, der eine Teilnahme des
Testamentsvollstreckers an einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen generell für unzulässig hält.
412 Zimmermann, Testamentsvollstreckung, 2. Aufl., S. 372
413 Schüppen/Schaub/Sickinger/Kuthe, MAH, § 33 Rn 29 mit dem Hinweis, dass ansonsten eine
(unzulässige) Nachschusspflicht begründet würde.
414 Schüppen/Schaub/Sickinger/Kuthe, MAH, § 33 Rn 30
415 RGZ 97, 239, 240; Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 6; MünchKommAktG/Peifer, 2. Aufl.,
§ 186 Rn 21; Zimmermann, Testamentsvollstreckung, 2. Aufl., S. 373
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ringeren Beteiligung an der zukünftigen Verteilung des Bilanzgewinns wirtschaftlich auszugleichen. Vorrangig empfiehlt es sich, dem Erben den Erwerb des konkreten Bezugsrechts mit eigenen, nachlassunabhängigen Mitteln anzubieten.
c) Mitwirkung an einer ordentlichen Kapitalerhöhung unter Ausschluss des
Bezugsrechts (§ 186 Abs. 3 AktG)
aa) Problemstellung
Gemäß § 186 Abs. 3 S. 1 AktG kann das Bezugsrecht ganz oder zum Teil nur im
Beschluss über die Erhöhung des Grundkapitals (Kapitalerhöhungsbeschluss) ausgeschlossen werden. Soll mit der Kapitalerhöhung zugleich der Ausschluss des Bezugsrechts einher gehen, so stellt sich die im Folgenden zu klärende Frage, ob dem
Verwaltungsvollstrecker auch die Befugnis obliegt, das Bezugsrecht ohne Zustimmung des Erben auszuschließen.
Da das Bezugsrecht ganz oder zum Teil nur im Beschluss über die Erhöhung des
Grundkapitals ausgeschlossen werden kann, müsste der Testamentsvollstrecker eine
Mitwirkung am Kapitalerhöhungsbeschluss unterlassen, sofern der Ausschluss des
Bezugsrechts nicht in seinen alleinigen Kompetenzbereich fällt und eine – gegebenenfalls erforderliche – Zustimmung des Erben zur Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts nicht erteilt wurde.
bb) Sachliche Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses
Das Bezugsrecht dient vornehmlich dem Interesse der Aktionäre an der Aufrechterhaltung ihrer Beteiligungsquote bzw. deren wirtschaftlichen Werts, und damit dem
Schutz der Mitgliedschaft als solcher.416 Mit dem Ausschluss des Bezugsrechts sinkt
die Stimmrechtsquote.417 Dennoch erkennt das Gesetz das Interesse der AG an einer
Verstärkung ihres Eigenkapitals durch Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts in vielen Fällen an. So kommt es beispielsweise in Sanierungsfällen vor,
dass eine Bank oder ein neuer Gesellschafter nur unter der Bedingung des Bezugsrechtsausschlusses Beteiligungen erwirbt.418
Wegen der Schwere des Eingriffs in die Mitgliedschaft bedarf der Bezugsrechtsausschluss neben der Beachtung eines angemessenen Ausgabebetrags der
neuen Aktien sowie § 53 a AktG nach nunmehr ständiger Rechtsprechung der sach-
______________________
416 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 2; Köln/Komm/AktG/Lutter, 2. Aufl., § 186 Rn 58, 60
417 Martinius/Schiffer, DB 1999, 2458, 2461
418 Zimmermann, Testamentsvollstreckung, 2. Aufl., S. 372
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lichen Rechtfertigung.419 Der Bezugsrechtsausschluss muss einem Zweck dienen,
der im Interesse der Gesellschaft liegt. Das zu berücksichtigende Gesellschaftsinteresse umfasst sämtliche Umstände, die geeignet sind, im Rahmen des Unternehmensgegenstandes den Gesellschaftszweck zu fördern.420 Geeignet ist der Bezugsrechtsausschluss dann, wenn der mit ihm angestrebte Zweck erreicht werden kann.
Die Gesellschaft muss „…nach vernünftigen, kaufmännischen Überlegungen…“ ein
„…dringendes Interesse…“ am Ausschluss des Bezugsrechts haben. Ferner muss zu
erwarten sein, dass der damit angestrebte Nutzen den Beteiligungs- und Stimmrechtsverlust der ausgeschlossenen Aktionäre überwiegt.421 Darüber hinaus muss der
Bezugsrechtsausschluss zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erforderlich
sowie angemessen und damit im engeren Sinne verhältnismäßig sein.422 Der Bezugsrechtsausschluss ist erforderlich, wenn eine Entscheidungsalternative zur Wahrung
des Gesellschaftsinteresses nicht besteht oder unter mehreren Möglichkeiten der
Bezugsrechtsausschluss den mit ihm verfolgten Zweck am besten zu fördern vermag.423 Verhältnismäßig ist der Bezugsrechtsausschluss nur, wenn das Gesellschaftsinteresse höher zu bewerten ist als das Interesse der Aktionäre am Erhalt ihrer
Rechtsposition.424
Einer sachlichen Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses bedarf es allein
dann nicht, wenn alle Aktionäre dem Bezugsrechtsausschluss zustimmen.425
cc) Verstoß gegen das Verbot unentgeltlicher Verfügungen gemäß § 2205 S. 3 BGB
Handelte es sich bei dem Ausschluss des Bezugsrechts um eine unentgeltliche Verfügung im Sinne des § 2205 S. 3 BGB, bedürfte die Mitwirkung des Testamentsvollstreckers an der entsprechenden Beschlussfassung der Zustimmung des Erben.
Auf den ersten Blick könnte man einen Verstoß gegen § 2205 S. 3 BGB bereits mit
dem Argument verneinen, dass das allgemeine Bezugsrecht als untrennbarer Bestandteil der Mitgliedschaft426 nicht Gegenstand einer Verfügung im Sinne des
§ 2205 S. 3 BGB sein kann, geht doch der Verfügungsbegriff des BGB von einer
direkten Einwirkung auf ein bestehendes Recht aus.427 Mit dem Ausschluss des
______________________
419 BGHZ 71, 40, 43; BHGZ 83, 319, 325; Schüppen/Schaub/Sickinger/Kuthe, MAH, § 33 Rn 40
420 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 26; KölnKommAktG/Lutter, 2. Aufl., § 186 Rn 61; Münch-
KommAktG/Pfeifer, 2. Aufl., § 186 Rn 75
421 BGHZ 71, 40
422 BGHZ 71, 40, 46; BGHZ 83, 319, 321; BGHZ 120, 141, 145; BGHZ 125, 239, 241;
OLG Stuttgart AG 1998, 529, 531; Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 25; Köln-
KommAktG/Lutter, 2. Aufl., § 61 ff.
423 BGHZ 83, 319, 321; BGHZ 125, 239, 244; Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 27 m.w.N.
424 BGHZ 71, 40, 46; BGHZ 83, 319, 321; Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 28
425 Lutter/Schneider, ZGR 1975, 182, 198; Schüppen/Schaub/Sickinger/Kuthe, MAH, § 33 Rn 40
426 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 6
427 Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., Überbl. vor § 104 Rn 16 m.N. zur Rspr.
91
Bezugsrechts geht jedoch unmittelbar die Verhinderung der Entstehung des konkreten Bezugsrechtsanspruchs einher. Auch im Verzicht auf ein Recht liegt eine Verfügung.428
Ein Verstoß gegen § 2205 S. 3 BGB ist zu verneinen, sofern bei einem sachlich
gerechtfertigten Bezugsrechtsausschluss das Tatbestandsmerkmal der Unentgeltlichkeit nicht erfüllt ist. Ganz allgemein fließt dem Nachlass beim Bezugsrechtsausschluss im Gegensatz zur Veräußerung eines entstandenen Bezugsrechtsanspruchs
kein adäquater Gegenwert zu. Darüber hinaus wird der Anteilswert der Alt-
Aktionäre auf den ersten Blick ohne finanzielle Kompensation verwässert. Befindet
sich jedoch beispielsweise die AG in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und ist die
Rettung nur noch durch Anlehnung an ein anderes Unternehmen möglich, ist der
Bezugsrechtsausschluss sachlich gerechtfertigt. Im genannten Beispielsfall erfolgte
die notwendige Barkapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der Alt-
Aktionäre und unter Zuweisung der jungen Aktien zur Zeichnung an den neuen
Großaktionär.429 Dient der Bezugsrechtsausschluss – wie in diesem Fall – dazu, den
Kurswert der Anteile zu erhöhen, so ist dies ein adäquater Gegenwert, der dem
Nachlass zufließt. Darüber hinaus ist als Gegenleistung, die das Verbot der Unentgeltlichkeit der Verfügung kompensiert, der Eintritt neuer Kapitalgeber anzusehen.430 Wird durch den Bezugsrechtsausschluss gleichmäßig belastend in die Beteiligungen aller Gesellschafter eingegriffen, handelt es sich schon deshalb nicht um
eine unentgeltliche Verfügung.431
dd) Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung
(§§ 2216 Abs. 1, 2206 Abs. 1 AktG)
Auch das Merkmal der ordnungsgemäßen Verwaltung ist bei einem sachlich gerechtfertigten Bezugsrechtsausschluss zu bejahen. Die Ordnungsgemäßheit der
Verwaltungshandlung ergibt sich – sofern nicht eine Veräußerung des Anteils einzig
angezeigt ist – nicht nur im Sanierungsfall jeweils aus der sachlichen Rechtfertigung
des Bezugsrechtsausschlusses. Wie dargelegt, ist der Bezugsrechtsausschluss vor
dem Hintergrund des ungeschriebenen Merkmals der sachlichen Rechtfertigung nur
statthaft, „…wenn die Gesellschaft nach vernünftigen, kaufmännischen Überlegungen ein dringendes Interesse daran hat und zu erwarten ist, dass der angestrebte
Nutzen den Beteiligungs- und Stimmrechtsverlust der vom Bezugsrecht ausge-
______________________
428 Staudinger/Reimann, BGB, § 2205 Rn 32
429 Köln/Komm/AktG/Lutter, 2. Aufl., § 186 Rn 70
430 Zimmermann, Testamentsvollstreckung, 2. Aufl., S. 373
431 Grundsätzlich nicht zulässig ist, nur bestimmte Aktionäre oder Aktionärsgruppen vom Bezugsrecht auszuschließen, vgl. Hüffer AktG, 8. Aufl., § 186 Rn 39. Ausnahmen von diesem
Grundsatz sind wiederum vor dem Hintergrund des § 53 a AktG zu prüfen, vgl. Henn, AG
1985, 240, 244 und bedürfen einer Rechtfertigung, BGHZ 33, 175; LG Kassel WM 1989, 789.
92
schlossenen Aktionäre überwiegt.“432 Im Rahmen ordnungsgemäßen Verwalterhandelns ist der Testamentsvollstrecker befugt, entsprechend dem Erblasserwillen gegebenenfalls auch gegen den Willen des Erben zu handeln. Hierbei kommt dem
Verwaltungsvollstrecker ein nicht zu eng bemessener Ermessensspielraum zu. Ein
sachlich gerechtfertigter Bezugsrechtsausschluss dient per se dem Interesse der
Gesellschaft und kommt damit dem der Verwaltung unterliegenden Anteil des Erbengesellschafters als natürlichem Träger des Gesellschaftsinteresses433 stets zugute.
Darf der Testamentsvollstrecker die Wirkung des Bezugsrechtsausschlusses einmal für nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend halten,
muss er sich durch Veräußerung des Anteils von der Beteiligung trennen. Bei Fehlen
erbrechtlich angeordneter Beschränkungen ist mit dem überwiegenden Teil des
Schrifttums davon auszugehen, dass Aktien als Bestandteil des Nachlasses ohne
Zustimmung des Erben veräußerbar sind.434 Die Verfügung über Nachlassgegenstände gehört zu den typischen und je nach Lage der Dinge besonders wichtigen
Aufgaben des Testamentsvollstreckers.435 Die Veräußerungsbefugnis ist Ausfluss
des Verwaltungsrechts des Testamentsvollstreckers.436 Priester weist zu Recht darauf hin, dass die Verschlechterung der innergesellschaftlichen Rechtsstellung durch
Eingriffe in die Mitgliedschaft der Gesellschafter diese weit stärker belasten kann
als die Veräußerung des Anteils gegen entsprechendes Entgelt.437 Sieht ein Testamentsvollstrecker aufgrund realistischer und sorgfältig überprüfter Prognose keine
Zukunftschance für das Unternehmen, dem die von ihm verwalteten Aktien zugehören, ist eine Veräußerung des Anteils „heute“ besser als „morgen“. In diesem Falle
stellt die Anteilsveräußerung die einzige Maßnahme dar, die mit den Grundsätzen
ordnungsgemäßer Verwaltung vereinbar ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der
Erblasser Anordnungen getroffen hat, die dem Testamentsvollstrecker die Veräußerung der Anteile gänzlich untersagen.438
Ob in der Anordnung der Testamentsvollstreckung an Aktien einer Familiengesellschaft zugleich eine Erblasseranordnung zu sehen ist, die die Veräußerung der
Anteile vor dem Hintergrund generell untersagt, dass die Zielsetzung des Erblassers
unterlaufen würde, wenn die Aktien durch denjenigen veräußert werden könnten,
der auf sie „aufpassen soll“, kann ohne weitere Anhaltspunkte, die einen der Veräu-
ßerung entgegenstehenden Erblasserwillen untermauern, nicht grundsätzlich angenommen werden.439 Ein Anhaltspunkt in diese Richtung ist etwa gegeben, wenn
______________________
432 BGHZ 71, 40
433 Fleck, FS Fischer (1979), S. 107, 118
434 Priester, FS Stimpel (1985), S. 463, 473; Haegele/Winkler, Testamentsvollstrecker, 16. Aufl.,
S. 202 für den GmbH-Anteil; Zimmermann, Testamentsvollstreckung, 2. Aufl., S. 309
435 Ulmer, NJW 1990, 73, 79 für den Kommanditanteil
436 Frank, Die „kleine“ AG, S. 265
437 Priester, FS Stimpel (1985), S. 463, 482; Ulmer, NJW 1990, 73, 79
438 Hierin wäre eine Einschränkung der Befugnisse des Testamentsvollstreckers gemäß § 2208
Abs. 1 S. 1 BGB zu sehen, vgl. Priester, FS Stimpel (1985), S. 463, 473 für den GmbH-Anteil
439 A.A. Frank, Die „kleine“ AG, S. 265
93
testamentarisch oder aus den Begleitumständen des Erbfalls klar hervorgeht, dass
aus den Erträgen der Unternehmensteile die Versorgung des Erben dauerhaft erfolgen soll.440 Allerdings hat der Verwaltungsvollstrecker auch bei der Anteilsveräußerung unabhängig von den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung § 2205 S. 3
BGB zu beachten. Die Veräußerung der Anteile durch den Testamentsvollstrecker
darf als ein klassisches Verfügungsgeschäft im Sinne des § 2205 S. 3 BGB nur entgeltlich erfolgen.
Auch aus gesellschaftsrechtlicher Sicht stehen der Veräußerung der Anteile durch
den Testamentsvollstrecker keine Hindernisse entgegen. Zwar ist das Bezugsrecht
der Aktionäre nicht zuletzt aufgrund seiner Schutzfunktion zum Kern der Mitgliedschaftsrechte zu zählen.441 Ferner stellt die Veräußerung der Aktien und der damit
verbundenen Mitgliedschaftsrechte des Erbenaktionärs den wohl schwerstwiegenden
Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft dar.442 Dennoch ist der Verwaltungsvollstrecker an der zustimmungslosen Veräußerung der Anteile nicht gehindert. Die
Kernbereichslehre vermag – wie gezeigt443 – im Verhältnis zwischen Testamentsvollstrecker und Erben keine Schranke der Machtausübung des Testamentsvollstreckers darzustellen.
ee) Bezugsrechtsausschluss und Kernbereichslehre
Ist der Bezugsrechtsausschluss sachlich gerechtfertigt, ist auch der Eingriff in das
Mitgliedschaftsrecht des Erbenaktionärs sachlich gerechtfertigt. Ein sachlich gerechtfertigter Bezugsrechtsausschluss kommt dem Gesellschaftererben als „natürlichem Träger des Gesellschaftsinteresses“444 grundsätzlich stets zugute.
Selbst wenn man das Bezugsrecht dem Kernbereich der Mitgliedschaf zuordnet
und in dem Bezugsrechtsausschluss trotz sachlicher Rechtfertigung einen schweren
Eingriff in Mitgliedschaft sieht,445 ändert dies nichts an der grundsätzlich ohne Zustimmung des Erben zulässigen Mitwirkung des Testamentsvollstreckers an einer
das Bezugsrecht ausschließenden Beschlussfassung. Wie dargelegt, findet die Kernbereichslehre auf das Verhältnis zwischen Verwaltungsvollstrecker und Gesellschaftererben keine Anwendung.446
______________________
440 Frank, Die „kleine“ AG, S. 265
441 Zutreffend Frank, Die „kleine“ AG, S. 263
442 LG Mannheim NZG 1999, 824, 825; Ulmer, NJW 1990, 73, 79 zum Kommanditanteil
443 s.o. unter D.I.2.b)
444 Fleck, FS Fischer (1979), S. 107, 118
445 So Frank, Die „kleine“ AG, S. 263
446 s.o. unter D.I.2.b)
94
ff) Gesellschafterliche Treuepflicht
Eine Entscheidungsalternative des Testamentsvollstreckers betreffend seine Stimmabgabe im Rahmen einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss besteht
nicht, wenn die gesellschafterliche Treuepflicht, an die auch der Testamentsvollstrecker gebunden ist, eine entsprechende Stimmabgabe erfordert. Eine Verpflichtung
des Testamentsvollstreckers, der Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts zuzustimmen, ist unter Treuegesichtspunkten beispielsweise für den Fall
anzunehmen, wenn die Maßnahme für den Fortbestand der Gesellschaft erforderlich
ist und dem zustimmungsunwilligen Gesellschafter daraus keine Nachteile entstehen.447
Dabei ist zu beachten, dass nicht jeder noch so geringe Nachteil den Gesellschafter bzw. im Falle angeordneter Verwaltungsvollstreckung den Testamentsvollstrecker zur Zustimmungsverweigerung berechtigt.448 Unterfällt im Ergebnis die Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts im Falle einer Sanierung des Unternehmens der gesellschafterlichen Treuepflicht, da sie beispielsweise die einzig
verbleibende Möglichkeit ist, das Unternehmen zu retten, ist die Stimmabgabe des
Testamentsvollstreckers entsprechend geboten.
III. Beteiligung des Testamentsvollstreckers an der Umwandlung einer AG
in eine GmbH
1. Umfang der Mitwirkung
Da die Verwaltungsvollstreckung an Anteilen einer Kapitalgesellschaft im Vergleich
zu Personengesellschaftsbeteiligungen in der Regel wirkungsvoller ist,449 wird in der
Beratungspraxis häufig die Überführung der unternehmerischen Beteiligung in die
Rechtsform einer Kapitalgesellschaft empfohlen.450 Besteht die der Testamentsvollstreckung unterliegende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in Form der
(„kleinen“) AG und soll die Rechtsform der („kleinen“) AG in diejenige einer
GmbH umgewandelt werden, stellt sich die soweit ersichtlich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher ungeklärte Frage, inwieweit der Testamentsvollstrecker
______________________
447 BGHZ 98, 276, 279; MünchKommAktG/Peifer, 2. Aufl., § 186 Rn 75
448 BGH NJW 1987, 3192, 3193
449 Bengel/Reimann/Mayer, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., Kap. 5 Rn 142
450 Lorz, Unternehmensrecht, S. 211 m.w.N.; Frank, Die „kleine“ AG, S. 238; Dörrie, ZEV 1996,
370 weist ebenfalls auf „unliebsame“ Grenzen der Testamentsvollstreckung an Personengesellschaftsbeteiligungen hin.
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References
Zusammenfassung
Das Werk untersucht die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Aktien sowie die Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers für den praktisch bedeutsamen Fall, dass seiner Verwaltung Aktien unterstellt sind. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, inwieweit der Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung des Erben tätig werden und beispielsweise an der Gründung einer AG, an deren Umwandlung in eine GmbH oder an einem Börsengang einer nicht konzernierten AG mitwirken kann. Abschließend widmet sich die Autorin der Frage, inwieweit die Ämter „Testamentsvollstrecker“ und „Vorstandsmitglied einer AG“, deren Aktien der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterstellt sind, miteinander vereinbar sind.