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soll ein möglicher Verstoß einer die Anordnung der Testamentsvollstreckung untersagenden Satzungsregelung gegen § 136 Abs. 3 S. 1 AktG näher beleuchtet werden.
2. Vinkulierungsklausel als geeignete Satzungsregelung
Für vinkulierte Namensaktien ergibt sich der satzungsmäßige Ausschluss wirksamer
Testamentsvollstreckung nicht schon aus der Vinkulierungsklausel selbst.256 Die
Vinkulierung von Namensaktien bildet die Ausnahme des im Aktienrecht geltenden
Grundsatzes der freien Übertragbarkeit der Aktien. Vinkulierte Namensaktien bedürfen zu ihrer Übertragung der Zustimmung der Gesellschaft. Ein Übertragungsvorgang im Sinne des § 68 Abs. 2 AktG erfordert eine rechtsgeschäftliche Anteilsübertragung.257 Eine rechtsgeschäftliche Anteilsübertragung ist die testamentarische
Anordnung der Verwaltungsvollstreckung gemäß § 2197 BGB nicht. Erst mit Annahme des Amtes durch den Testamentsvollstrecker entfaltet die Testamentsvollstreckung an den betroffenen Aktien ihre Wirkung.
Auch bei dem Akt der Annahme des ihm zugedachten Amtes durch den Testamentsvollstrecker gemäß § 2202 BGB handelt es sich nicht um eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Gesellschaftsanteile im Sinne des § 68 Abs. 2 AktG. Die
vererbten Aktien sind (bereits) mit dem Erbfall per Gesamtrechtsnachfolge gemäß
§ 1922 Abs.1 BGB auf den Erben als neuen Gesellschafter übergegangen. Lediglich
die Rechtsausübungsmacht über die vinkulierten Anteile liegt von dem Zeitpunkt
der Amtsannahme an beim Testamentsvollstrecker.
Im Ergebnis ist daher weder die Anordnung der Testamentsvollstreckung noch
die Annahme des Testamentsvollstreckeramtes durch die zum Verwaltungsvollstrecker ernannte Person möglicher Gegenstand einer Vinkulierungsklausel im Sinne
des § 68 Abs. 2 S. 1 AktG. Auch in Bezug auf vinkulierte Namensaktien bedürfte es
daher – sofern beabsichtigt und zulässig – einer entsprechenden Satzungsregelung,
die die Möglichkeit der Anordnung der Verwaltungsvollstreckung an Namensaktien
explizit untersagt.
3. Verstoß gegen § 134 Abs. 3 S. 1 AktG
Eine die Anordnung der Verwaltungsvollstreckung untersagende Satzungsklausel
könnte angesichts von § 23 Abs. 5 AktG allenfalls gegen § 134 Abs. 3 S. 1 AktG
verstoßen. Eine aktienrechtliche Bestimmung, die den Ausschluss der Testamentsvollstreckung an Aktien in der Satzung explizit verbietet, existiert nicht. Andernfalls
______________________
256 Vgl. für die GmbH Dörrie, ZEV 1996, 370, 371
257 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 68 Rn 11; MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl., § 68 Rn 11, 52;
Spindler/Stilz/Cahn AktG, § 68 Rn 32
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ergäbe sich die Unzulässigkeit einer entsprechenden Satzungsregelung bereits aus
§ 23 Abs. 5 S. 1 AktG. Die Unwirksamkeit einer die Verwaltungsvollstreckung
untersagenden Satzungsklausel kann sich daher allenfalls angesichts von §§ 23
Abs. 5 S. 2 i.V.m. 134 Abs. 3 S. 1 AktG ergeben. Nach § 23 Abs. 5 S. 2 AktG sind
ergänzende Bestimmungen der Satzung grundsätzlich zulässig, es sei denn, das
AktG enthält eine abschließende Regelung.
Eine Satzungsbestimmung, die die Anordnung der Testamentsvollstreckung an
Aktien verbietet, könnte, falls der Verwaltungsvollstrecker einem Stimmrechtsbevollmächtigten im Sinne des § 134 Abs. 3 gleichzustellen wäre, gegen § 134 Abs. 3
S. 1 AktG verstoßen. § 134 Abs. 3 S. 1 AktG lässt die Ausübung des Stimmrechts
durch einen Bevollmächtigten unabdingbar zu.258 Die Unabdingbarkeit der Regelung
des § 134 Abs. 3 S. 1 AktG findet ihre Grenzen allerdings darin, dass die Satzung
der AG nach h.M. Bestimmungen zur Person des Bevollmächtigten enthalten kann.
Lediglich vereinzelt wird die Ansicht vertreten, eine die Eigenschaften eines Stimmrechtsbevollmächtigten festlegende Satzungsregelung sei generell unzulässig.259 So
darf die Satzung insbesondere vorschreiben, dass der Stimmrechtsbevollmächtigte
selbst Aktionär der Gesellschaft sein muss, sofern damit die Entscheidungsfreiheit
des bevollmächtigenden Aktionärs nicht unzumutbar eingeschränkt wird.260 Das
OLG Stuttgart hat entschieden, dass die Satzung selbst für den Fall, dass es um die
Zustimmung der AG zur Übertragung vinkulierter Namensaktien geht, den Kreis der
Bevollmächtigten nicht auf die Aktionäre beschränken darf.261
Vorliegend muss nicht entschieden werden, welche Regelungen die Satzung in
Bezug auf die Person des Stimmrechtsbevollmächtigten in zulässiger Weise, also
ohne Verstoß gegen § 134 Abs. 3 S. 1 AktG, treffen kann. Der Testamentsvollstrecker ist kraft seines Amtes gerade nicht Vertreter des Erben und damit auch nicht
zur Ausübung des Stimmrechts im Sinne des § 134 Abs. 3 S. 1 AktG bevollmächtigt. Vielmehr übt der Testamentsvollstrecker das Stimmrecht für den Erben kraft
seines Amtes aus. Bereits deshalb kann eine eingehendere Untersuchung, ob eine die
wirksame Anordnung der Verwaltungsvollstreckung an Aktien untersagende Satzungsregelung gegen § 134 Abs. 3 S. 1 AktG verstößt, entfallen.
Im Ergebnis ist damit auch im Aktienrecht von der Zulässigkeit einer die Anordnung der Verwaltungsvollstreckung untersagenden Satzungsregelung auszugehen.
Ist per Satzungsregelung die Anordnung der Verwaltungsvollstreckung wirksam
untersagt, geht die angeordnete Testamentsvollstreckung ins Leere. Beschränkungen
______________________
258 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 134 Rn 21
259 MünchKommAktG/Volhard, 2. Aufl., § 134 Rn 42 mit der Einschränkung der Zumutbarkeit
des Stimmrechtsbevollmächtigten für die Gesellschaft.
260 LG Bonn AG 1991, 114, 115; Hüffer AktG, 8. Aufl., § 134 Rn 25; MünchHdbAG/Semler,
3. Aufl., § 36 Rn 12 m.w.N. sowie einzelnen Beispielen
261 OLG Stuttgart AG 1991, 69
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des Erben, die sich für ihn aus der angeordneten Verwaltungsvollstreckung ergeben
hätten, bestehen dann nicht. Fehlt es – wie häufig – an einer die Anordnung der
Verwaltungsvollstreckung untersagenden Satzungsregelung, ist fraglich und Gegenstand nachfolgender Untersuchung, inwieweit die Machtbefugnisse des Verwaltungsvollstreckers anderweitig an ihre Grenzen stoßen.
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References
Zusammenfassung
Das Werk untersucht die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Aktien sowie die Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers für den praktisch bedeutsamen Fall, dass seiner Verwaltung Aktien unterstellt sind. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, inwieweit der Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung des Erben tätig werden und beispielsweise an der Gründung einer AG, an deren Umwandlung in eine GmbH oder an einem Börsengang einer nicht konzernierten AG mitwirken kann. Abschließend widmet sich die Autorin der Frage, inwieweit die Ämter „Testamentsvollstrecker“ und „Vorstandsmitglied einer AG“, deren Aktien der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterstellt sind, miteinander vereinbar sind.