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Gemäß § 69 Abs. 1 AktG können mehrere Aktionärserben die Aktie(n) ausschließlich gemeinschaftlich verwalten. Ist Testamentsvollstreckung angeordnet, ist
der Testamentsvollstrecker kraft seines Amtes gemeinsamer Vertreter im Sinne des
§ 69 Abs. 1 AktG. Eine davon abweichende Vertreterbestellung fällt bereits nicht in
den Kompetenzbereich der Miterben. Insoweit fehlt es ihnen an der Verfügungsmacht über die Aktie(n).146
II. Ausschluss der Vererblichkeit durch Satzungsregelung
1. Zielsetzung
Im Personengesellschaftsrechts ist die Gesellschafterstellung – wie sich nicht zuletzt
anhand der gesetzlichen Regelung des § 131 Abs. 3 S. 1 HGB zeigt – streng mit der
Person des Gesellschafters verbunden. So führt der Tod eines OHG-Gesellschafters
mangels abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag gemäß § 131 Abs. 3 S. 1
HGB automatisch zum Ausscheiden des Gesellschafters, ohne dass der Erbe in die
Gesellschafterstellung einrückt. Nicht anders stellt sich die Rechtslage im Falle des
Ausscheidens eines Komplementärs als persönlich haftender Gesellschafter einer
Kommanditgesellschaft dar (§§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 S. 1 HGB).147 Nur beim Tod
eines Kommanditisten wird die Gesellschaft mangels abweichender vertraglicher
Bestimmungen mit dem Erben fortgesetzt. Der Grundsatz der freien Vererblichkeit
des Gesellschaftsanteils ist dem Personengesellschaftsrecht fremd. Die Nachfolge in
die Gesellschafterstellung beeinflussen zu können, ist den Personengesellschaftern
gesetzlich garantiert.
Gerade in (Familien-)Unternehmen etwa in Form der „kleinen“ AG oder auch der
AG nach Börsengang mit überschaubarem Aktionärskreis148 ist es häufig ebenso wie
im Bereich des Personengesellschaftsrechts von besonderem Interesse, die Nachfolge in die Gesellschafterstellung per Satzungsregelung beeinflussen zu können, um
beispielsweise den Übergang der Gesellschaftsanteile auf (familien-)fremde Personen zu verhindern.149 Bedeutung erlangt die Frage nach der Möglichkeit des Ausschlusses der Vererblichkeit der Aktien in der Satzung auch dann, wenn verhindert
werden soll, dass eine mehrköpfige Erbengemeinschaft die Unternehmensnachfolge
antritt. Die Vinkulierung von Namensaktien kommt einem Ausschluss der Vererb-
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146 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 69 Rn 3; Lutter/Hommelhoff/Lutter/Bayer GmbHG, 16. Aufl., § 18
Rn 7
147 Baumbach/Hopt/Hopt HGB, 33. Aufl., § 177 Rn 1; Im Falle des Todes eines Kommanditisten
wird die KG mangels abweichender vertraglicher Regelung mit dem Erben fortgesetzt.
148 Der Aktionärskreis kann beispielsweise durch eine Vielzahl vinkulierter Namensaktien und /
oder der geplanten Ausgabe einer Vielzahl von Vorzugsaktien beschränkt sein und auch beschränkt gehalten werden.
149 Lutter, FS Vieregge (1995), S. 603, 615
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lichkeit der Namensaktien nicht gleich, da der Erbfall von der Vinkulierungsklausel
nicht erfasst ist.150
2. Ergänzende, von den Vinkulierungsklauseln unabhängige
Satzungsbestimmungen
§ 23 Abs. 5 AktG schränkt zum Schutz von Gläubigern und künftigen Aktionären
die Satzungsautonomie erheblich ein.151 Gemäß § 23 Abs. 5 S. 1 AktG kann die
Satzung von den Vorschriften des AktG nur abweichen, wenn es ausdrücklich zugelassen ist. Ergänzende Bestimmungen der Satzung sind nach § 23 Abs. 5 S. 2 AktG
zulässig, es sei denn, das AktG enthält eine abschließende Regelung. Entsprechend
dem Wortlaut des § 23 Abs. 5 S. 2 AktG ist unter „Gesetz“ im Sinne von § 23 Abs.
5 AktG allein das Aktiengesetz zu verstehen.152 Von einer Satzungsfreiheit ist mit
der h.M. in dem Sinne auszugehen, dass außerhalb der abschließenden Regelungen
des Aktienrechts grundsätzlich jede ergänzende Regelung zulässig ist, die sich auch
mit den (übrigen) gesetzlichen Bestimmungen verträgt, da Satzungsbestimmungen
den für jedermann geltenden Rechtsgrundsätzen nicht vorgehen können.153 Eine
Satzungsbestimmung, die ohne ausdrückliche gesetzliche Zulassung vom Gesetz
abweicht oder trotz abschließender Regelungen des Gesetzes eine Ergänzung im
Sinne des § 23 Abs. 5 S. 2 AktG vorsieht, ist nichtig.154
Das Aktiengesetz schreibt nicht explizit vor, dass die Vererblichkeit von Aktien
nicht ausgeschlossen werden kann, so dass es sich bei einer entsprechenden Satzungsregelung um eine das AktG ergänzende Bestimmung handeln würde. Eine
Ergänzung der Satzung ist möglich, sofern eine Regelungslücke vorliegt, die ergänzend geschlossen werden kann.155 Ob eine solche Regelungslücke vorliegt, kann
nicht allein anhand der Vorschriften des AktG beantwortet werden. Zu beachten sind
vielmehr auch die ungeschriebenen Prinzipien des Aktienrechts.156
Die Veräußerung und Übertragbarkeit der Aktie ist Substitutsinstitut des gesellschafterlichen Austrittsrechts und damit einzige Möglichkeit des Aktionärs, die
Mitgliedschaft an der Gesellschaft außerhalb der Gemeinschaftssphäre zu beenden.157 Während die Veräußerung von GmbH-Anteilen bis hin zum Veräußerungs-
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150 Siehe unter C. I. 1. b)
151 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 23 Rn 24; Spindler/Stilz/Limmer AktG, § 23 Rn 28
152 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 23 Rn 34; GroßKommAktG/Röhricht, 4. Aufl., § 23 Rn 172;
MünchKommAktG/Pentz, 2. Aufl., § 23 Rn 148
153 Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 23 Rn 37; MünchKommAktG/Pentz, 3. Aufl., § 23 Rn 158
154 OLG Düsseldorf, AG 1968, 19, 22; Gessler, ZGR 1980, 427, 440 ff.
155 Spindler/Stilz/Limmer AktG, § 23 Rn 30
156 MünchKommAktG/Pentz, 3. Aufl., § 23 Rn 159
157 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 400
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk untersucht die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Aktien sowie die Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers für den praktisch bedeutsamen Fall, dass seiner Verwaltung Aktien unterstellt sind. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, inwieweit der Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung des Erben tätig werden und beispielsweise an der Gründung einer AG, an deren Umwandlung in eine GmbH oder an einem Börsengang einer nicht konzernierten AG mitwirken kann. Abschließend widmet sich die Autorin der Frage, inwieweit die Ämter „Testamentsvollstrecker“ und „Vorstandsmitglied einer AG“, deren Aktien der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterstellt sind, miteinander vereinbar sind.