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C) Rahmenbedingungen der Testamentsvollstreckung an Aktien
I. Vererblichkeit von Aktien
1. Allgemeine Grundsätze
a) Grundsatz der freien Übertragbarkeit
Eine § 15 Abs. 1 GmbHG vergleichbare Vorschrift, wonach die Gesellschaftsanteile
einer GmbH veräußerlich und vererblich sind, existiert im Aktienrecht nicht. Wie
GmbH-Anteile sind jedoch auch Aktien grundsätzlich ohne Weiteres frei übertragbar.134
Einschränkungen der freien Übertragbarkeit können in Bezug auf Namensaktien
dadurch erfolgen, dass die Satzung die Aktien vinkuliert, indem sie die Übertragung
der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft bindet (§ 68 Abs. 2 S. 1 AktG).135
Nicht nur bei der Gesellschaftsform der GmbH, sondern auch bei („kleinen“)
Aktiengesellschaften sind Vinkulierungsklauseln heutzutage weit verbreitet.136
Durch die Vinkulierung wird das grundsätzliche Recht des Aktionärs zur Übertragung seiner Namensaktien mit dinglicher Wirkung beschränkt. Die Vinkulierung
erfasst lediglich das Verfügungsgeschäft, nicht jedoch auch das Verpflichtungsgeschäft.137 Die gesetzlichen Grenzen der Vinkulierung dürfen nicht überschritten
werden. Weiterreichende Satzungsregelungen sind nichtig (§ 23 Abs. 5 AktG).138
Wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift des § 68 Abs. 2 S. 1 AktG steht eine
Vinkulierung von Namensaktien dem Grundsatz der freien Übertragbarkeit von
Aktien nicht entgegen.
b) Grundsatz der freien Vererblichkeit
An der Nachlasszugehörigkeit und damit an der Vererblichkeit von Aktien fehlt es
von vornherein in allen Fällen, in denen der Erblasser durch lebzeitige Rechtsge-
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134 BGH WM 1987, 174, 175; Hüffer AktG, 8. Aufl., § 68 Rn 10; MünchKommAktG/Bayer,
3. Aufl., § 68 Rn 34
135 Gemäß § 68 Abs. 2 S. 3 AktG kann die Satzung auch bestimmen, dass der Aufsichtsrat oder
die Hauptversammlung über die Erteilung der Zustimmung beschließt.
136 Bayer/Hoffmann, AG Report 2007, R376
137 RGZ 123, 279, 283; RGZ 132, 149, 157; Hüffer AktG, 8. Aufl., § 68 Rn 11; Köln-
KommAktG/Lutter, 2. Aufl., § 68 Rn 28; MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl., § 68 Rn 38
138 LG Mannheim AG 1967, 83, 84
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schäfte dafür gesorgt hat, dass die Aktien nicht auf erbrechtlichem Wege, sondern
auf anderer Weise an den gewünschten Nachfolger gelangen.139 Im Gegensatz zum
Personengesellschaftsanteil sind Kapitalbeteiligungen typischerweise vererblich.140
Für den GmbH-Anteil ordnet § 15 Abs. 1 GmbHG dies ausdrücklich an. Eine entsprechende Regelung lässt das Aktiengesetz vermissen. Allerdings spricht § 69
Abs. 3 S. 2 AktG vor dem Hintergrund einer bestehenden Rechtsgemeinschaft an
einer Aktie von „… mehreren Erben eines Aktionärs…“ Hieran wird deutlich, dass
der Grundsatz der Vererblichkeit auch für Unternehmensbeteiligungen in Form von
Aktien Geltung beansprucht.141
Nur für vinkulierte Namensaktien stellt sich die Frage, ob sich aus der Bindung
von deren Veräußerung an die Zustimmung der Gesellschaft etwas anderes ergibt.
Dies ist zu verneinen. Von einer in der Satzung enthaltenen Vinkulierungsklausel
sind nur rechtsgeschäftliche Übertragungsvorgänge erfasst. Alle Fälle von Gesamtrechtsnachfolge, wie beispielsweise der Erbfall gemäß § 1922 BGB oder der Übergang kraft Gesetzes bei Verschmelzung und ähnlichen Vorgängen, fallen nicht unter
eine Vinkulierungsklausel.142
2. Sondererbfolge
Mit dem Erbfall geht der Gesellschaftsanteil gemäß § 1922 Abs. 1 BGB mit allen
Rechten und Pflichten auf erbrechtlichem Wege auf den Erben über. Sind mehrere
Miterben vorhanden, geht der Gesellschaftsanteil auf die Erbengemeinschaft als
Gesamthandsgemeinschaft über (§ 2032 BGB).143
Auch die Aktie wird bei Vorhandensein mehrerer Miterben gemäß § 2032 Abs. 1
BGB gemeinschaftliches Vermögen der Erbengemeinschaft. Eine Sondererbfolge ist
hier ebenso wenig möglich wie beim GmbH-Anteil.144 Gemäß § 2040 BGB kann die
Übertragung des GmbH-Anteils ebenso wie die Übertragung der Aktie in diesem
Fall nur mit Zustimmung aller Miterben erfolgen. Auch die Veräußerung von in den
Nachlass fallenden Aktien ist nur durch gemeinschaftliche Verfügung aller Miterben
möglich.145
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139 Marotzke, JZ 1986, 457, 458
140 Staudinger/Marotzke, BGB, § 1922 Rn 208 (GmbH); Staudinger/Marotzke, BGB, § 1922
Rn 214 (Aktie)
141 BGH WM 1987, 174, 175; Schaub, ZEV 1995, 82, 84
142 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 68 Rn 11 m.w.N. zur heute unstreitigen Meinung. Weil Rechtsgeschäft, kann die Übertragung von Namensaktien im Zuge der Erfüllung eines Vermächtnisses
(§ 2174 BGB) oder der Erbauseinandersetzung (§§ 2042 ff. BGB) von der Vinkulierung
erfasst werden, vgl. MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl., § 68 Rn 54.
143 Beck´sches Handbuch AG/Rödder, § 12 Rn 32
144 Beck´sches Handbuch AG/Rödder, § 12 Rn 32; Priester GmbHR 1981, 206, 207;
Staudinger/Marotzke, BGB, § 1922 Rn 214
145 Beck´sches Handbuch AG/Rödder, § 12 Rn 32
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References
Zusammenfassung
Das Werk untersucht die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Aktien sowie die Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers für den praktisch bedeutsamen Fall, dass seiner Verwaltung Aktien unterstellt sind. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, inwieweit der Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung des Erben tätig werden und beispielsweise an der Gründung einer AG, an deren Umwandlung in eine GmbH oder an einem Börsengang einer nicht konzernierten AG mitwirken kann. Abschließend widmet sich die Autorin der Frage, inwieweit die Ämter „Testamentsvollstrecker“ und „Vorstandsmitglied einer AG“, deren Aktien der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterstellt sind, miteinander vereinbar sind.