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streckers oder der Erreichung eines bestimmten Lebensalters des Erben fortdauern
soll (§ 2210 S. 2 BGB).15 Zweck der zeitlichen Begrenzung der Verwaltungsvollstreckung ist es, grundsätzlich zu verhindern, dass dem Erben die Herrschaft über
den Nachlass durch Anordnung der Testamentsvollstreckung für immer entzogen
werden kann.16 Da jedoch vor dem Hintergrund der Regelung des § 2210 S. 2 BGB
eine gegebenenfalls die 30-Jahre-Frist überdauernde Anordnung der Testamentsvollstreckung bis zum Tode des Erben17 bzw. des Testamentsvollstreckers möglich
ist, ist der Schutz des Erben von Gesetzes wegen eher schwach ausgestaltet.18
2. Sinn und Zweck der Testamentsvollstreckung
Die Anordnung der Testamentsvollstreckung beruht vornehmlich auf dem Interesse
des Erblassers an dem künftigen Schicksal seines Vermögens.19 Jeder Testamentsvollstrecker leitet seine Legitimation, seine Rechtsposition sowie seinen Aufgabenbereich unmittelbar und primär vom Willen des Erblassers ab.20 Das ist §§ 2203,
2216 Abs. 2 S. 1 BGB zu entnehmen, wonach der Testamentsvollstrecker die letztwilligen Verfügungen und Anordnungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen
hat.
Im Gegensatz zur gewöhnlichen Testamentsvollstreckung, der häufig allein eine
vermögenserhaltende Funktion zukommt,21 verfolgt die Verwaltungsvollstreckung
den über die Abwicklung der schwebenden Geschäfte sowie die Beschaffung der zur
Ausführung der letztwilligen Verfügungen (§ 2203 BGB) und zur Verteilung des
Nachlasses unter mehrere Erben (§ 2204 BGB) erforderlichen Mittel hinausgehenden Zweck, das verwaltete Vermögen nutzbar zu machen und Erträge zu erzielen.22
Verwaltungsvollstreckung wird der Erblasser als geeignetes Mittel anordnen, wenn
sein Vermögen in Form von Unternehmensanteilen einen Großteil seines Gesamt-
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15 Nimmt eine juristische Person das Amt des Testamentsvollstreckers wahr, bleibt es bei der
30-jährigen Frist, vgl. §§ 2210 S. 3 i.V.m. 2163 Abs. 2 BGB.
16 Palandt/Edenhofer, BGB, 67. Aufl., § 2210 Rn 1
17 Erbe ist auch der Nacherbe, Palandt/Edenhofer, BGB, 67. Aufl., § 2210 Rn 2; Reimann, NJW
2007, 3034
18 In seiner Grundsatzentscheidung vom 5.12.2007, BGH NJW 2008, 1157, hat der BGH eine
seit über 100 Jahren umstrittene Rechtsfrage einer höchstrichterlichen Klärung zugeführt,
indem er entschied, dass eine Verwaltung des Nachlasses, welche bis zum Tode des Testamentsvollstreckers fortdauern soll, ihre Wirksamkeit (erst) mit dem Tode des letzten testamentarisch benannten Testamentsvollstreckers, der innerhalb von 30 Jahren seit dem Erbfall
in sein Amt berufen wurde, endet.
19 BayObLG BReg, 1 Z 9/67
20 RGZ 74, 215, 218; BGH NJW 1957, 1916; Staudinger/Reimann, BGB, Vorbem. zu §§ 2197 -
2228 Rn 6
21 Staudinger/Reimann, BGB, Vorbem. zu §§ 2197 - 2228 Rn 6
22 MünchKommBGB/Zimmermann, 4. Aufl., § 2209 Rn 3; Bengel/Reimann/Bengel, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., Kap. 1 Rn 145; Staudinger/Reimann, BGB, § 2209 Rn 5
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vermögens ausmacht. Dies gilt erst recht, wenn es sich bei den vom Erblasser gehaltenen Unternehmensanteilen zugleich um die Mehrheit der Anteile eines (Familien-)
Unternehmens handelt. Vor diesem Hintergrund wird dem Erblasser besonders daran gelegen sein, dass dieser Vermögensteil von einem Testamentsvollstrecker nach
seinen Wünschen und Vorstellungen auf längere Zeit verwaltet wird.23
Dem Erben gegenüber stellt die angeordnete Verwaltungsvollstreckung dabei
eine Art „fürsorgliche Bevormundung“ dar.24 Der Nachlass und damit die Unternehmensanteile stehen bei testamentarisch angeordneter Verwaltungsvollstreckung
und Annahme des Amtes durch den Testamentsvollstrecker weiterhin im Alleineigentum des Erben. Sie sind jedoch als „Sondervermögen“ vom Erbenvermögen wie
auch vom Vermögen des Testamentsvollstreckers getrennt (separatio bonorum).25
Ein Verfügungsrecht des Erben besteht diesbezüglich nicht (§ 2211 BGB). Zugleich
verhindert die angeordnete Verwaltungsvollstreckung den Zugriff der Eigengläubiger des Erben auf den Nachlass.26
II. Rechtsnatur des Testamentsvollstreckeramtes
1. Der Testamentsvollstrecker als Treuhänder und Inhaber eines privaten
Amtes
Die Rechtsnatur des Testamentsvollstreckeramtes ist gesetzlich nicht definiert und
bis heute nicht abschließend geklärt.27 Jedoch wird der Testamentsvollstrecker inzwischen sowohl in der Rechtsprechung als auch nach der überwiegenden Literaturmeinung einhellig als „Treuhänder und Inhaber eines privaten, vom Erblasser
übertragenen Amtes“ angesehen.28 Dabei übt der Testamentsvollstrecker das ihm
zugewiesene Amt aus eigenem Recht, unabhängig vom Willen des Erben29 und in
eigenem Namen uneigennützig entsprechend dem letzten Willen des Erblassers
selbstständig aus.30 Der Testamentsvollstrecker ist demnach weder Vertreter des
Erblassers noch des Nachlasses, dem es bereits an dem Merkmal der Rechtspersön-
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23 Haegele/Winkler, Testamentsvollstrecker, 16. Aufl., S. 152
24 Bengel/Reimann/Bengel, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., Kap. 1 Rn 145; Palandt/Edenhofer, BGB, 67. Aufl., § 2209 Rn 2
25 BGHZ 48, 214, 219; Bengel/Reimann/Bengel, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., Kap. 1
Rn 3; MünchKommBGB/Zimmermann, 4. Aufl., vor § 2197 Rn 6; vgl. auch §§ 2205, 2211 ff.
BGB
26 §§ 2211, 2214 BGB, 863 Abs. 1 S. 2 ZPO; Staudinger/Reimann, BGB, § 2209 Rn 14
27 Zimmermann, Testamentsvollstreckung, 2. Aufl., S. 135
28 BGHZ 25, 275, 279; MünchKommBGB/Zimmermann, 4. Aufl., Vor § 2197 Rn 5;
Palandt/Edenhofer, BGB, 67. Aufl., Einf. vor § 2197 Rn 2 m.w.N.
29 Staudinger/Reimann, BGB, Vorbem zu §§ 2197 - 2228 Rn 14
30 BGHZ 25, 275; BGH NJW 1983, 40; Palandt/Edenhofer, BGB, 67. Aufl., Einf. vor § 2197
Rn 2; Staudinger/Reimann, BGB, Vorbem zu §§ 2197 - 2228 Rn 14
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk untersucht die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Aktien sowie die Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers für den praktisch bedeutsamen Fall, dass seiner Verwaltung Aktien unterstellt sind. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, inwieweit der Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung des Erben tätig werden und beispielsweise an der Gründung einer AG, an deren Umwandlung in eine GmbH oder an einem Börsengang einer nicht konzernierten AG mitwirken kann. Abschließend widmet sich die Autorin der Frage, inwieweit die Ämter „Testamentsvollstrecker“ und „Vorstandsmitglied einer AG“, deren Aktien der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterstellt sind, miteinander vereinbar sind.