191
regelung angesehen werden muss. Es dient vorrangig dem Ziel der Suchtprävention
und -begrenzung und ist damit unselbstständiger Teil der Gesamtregelung GlüStV.
Die enge Verzahnung mit den Zielen des GlüStV spricht daher eindeutig für eine
Zuordnung des Fernsehwerbeverbotes zum Kompetenztitel für das Gefahrenabwehrrecht gemäß Art. 70 Abs. 1 GG.
Würde man das Fernsehwerbeverbot entgegen der hier vertretenen Auffassung als
selbstständigen und nicht eng verzahnten Teil der Gesamtregelung ansehen, würde
die Regelungsmaterie dennoch der Ländergesetzgebungskompetenz unterfallen. Sie
wäre dann dem Kompetenzbereich Rundfunkrecht zuzuordnen, welcher hinsichtlich
der Regelungsmaterie „Rundfunkveranstaltung“ ebenfalls der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG unterfällt851.
III. Ergebnis
Der GlüStV und das in § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV enthaltene Fernsehwerbeverbot
sind kompetenzgemäß erlassen worden. Die Länder können sich für die zugrundeliegende Regelungsmaterie auf den ausschließlichen Kompetenztitel für das Gefahrenabwehrrecht gemäß Art. 70 Abs. 1 GG stützen. Dieser für die Glücksspielsektoren des Lotterie-, Sportwetten und Spielbankenrechts einschlägige Kompetenztitel deckt auch den Erlass des umfassenden Fernsehwerbeverbotes.
Mangels ersichtlicher anderweitiger formeller Fehler ist von der formellen Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV auszugehen.
C. Materielle Verfassungsmäßigkeit des Fernsehwerbeverbotes gemäß § 5 Abs. 3
Alt. 1 GlüStV
Nach Überprüfung der formellen Verfassungsmäßigkeit gilt es nun, § 5 Abs. 3 Alt. 1
GlüStV auf seine materielle Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen. Infolge des
rundfunkrechtlichen Bezuges der vorliegenden Untersuchung, ist zuvörderst die
Vereinbarkeit des Fernsehwerbeverbotes mit dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit
in ihrer speziellen Ausprägung als Programmfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG
zu prüfen. Aufgrund des für die privaten Fernsehveranstalter existentiellen Finanzierungsaspektes der Werbung ist das Verbot ebenfalls an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.
851 Vgl. BVerfGE 12, 205 (243, 249); Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 146 ff.;
Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 6, Rn. 41; Hesse, Rundfunkrecht, 2. Kapitel, Rn. 4.
192
I. Vereinbarkeit mit dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit in ihrer speziellen
Ausprägung als Programmfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG
Hinsichtlich der Vereinbarkeit des Fernsehwerbeverbotes mit dem Grundrecht der
Programmfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG stellt sich zunächst die Frage nach
dem Konkurrenzverhältnis zwischen Programm- und Meinungsäußerungsfreiheit.
Denn wie i.R.d. dritten Kapitels erörtert, genießt die Werbung den Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit und der Rundfunkfreiheit gleichermaßen852.
1. Konkurrenzverhältnis zwischen Programmfreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit
Zunächst ist festzuhalten, dass die Rundfunkfreiheit nicht lediglich einen speziellen
Unterfall der Meinungsäußerungsfreiheit, sondern ein eigenständiges Grundrecht
neben derselben darstellt853. Während die Meinungsäußerungsfreiheit den Kommunikationsvorgang an sich schützt, sichern die Medienfreiheiten zusätzlich die institutionell-organisatorischen Gehalte freier Presse und freien Rundfunks854. Es liegt somit auf der Hand, dass sich beide Schutzbereiche überschneiden, sofern sich die
Rundfunktätigkeit auf die Verbreitung von Meinungen im Programm des jeweiligen
Veranstalters beschränkt855. Nicht überzeugen kann die Auffassung, welche die
Schutzbereiche beider Grundrechte nach den Kriterien „Individualkommunikation“
auf der einen und „Massenkommunikation“ auf der anderen Seite unterscheiden
will856. Der spezifische Schutzbereich der Rundfunkfreiheit ist weiter gefasst als der
der Meinungsäußerungsfreiheit und auch dann einschlägig, wenn es nicht nur um
den reinen Kommunikationsvorgang geht857. Zutreffend eingeordnet wird das Verhältnis der Medienfreiheiten zur Meinungsfreiheit durch die neuere Rechtsprechung
des BVerfG zur Pressefreiheit, welche auch auf die Rundfunkfreiheit übertragen
werden kann858. So führt das Gericht aus, „soweit Meinungsäußerungen Dritter, die
den Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG genießen, in einem Presseorgan veröffentlicht
werden, schließt die Pressefreiheit diesen Schutz mit ein“859. Der Schutz der Mei-
852 Siehe hierzu ausführlich Drittes Kapitel A. II. 1. a).
853 Stern-Stern, Staatsrecht, Band IV/1, S. 1486; Sachs-Bethge, GG, Art. 5, Rn. 47, Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 1.
854 Stern-Stern, Staatsrecht, Band IV/1, S. 1611.
855 Vgl. Stern-Stern, Staatsrecht, Band IV/1, S. 1487.
856 In diese Richtung wohl AK-Hoffmann-Riem, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 140 ff.
857 Stern-Stern, Staatsrecht, Band IV/1, S. 1487, 1611.
858 Für eine Übertragbarkeit der Grundsätze ausdrücklich Stern-Stern, Staatsrecht, Band IV/1, S.
1612.
859 BVerfGE 102, 347 (359). In seiner früheren Rechtsprechung hat das Gericht die Pressefreiheit bei gedruckten Meinungsäußerungen hinter die Meinungsfreiheit zurücktreten lassen
und die Funktion ersterer in der die einzelnen Meinungsäußerungen übersteigenden Bedeu-
193
nungsfreiheit wird mithin in den Schutz der jeweiligen Medienfreiheit „eingebettet“860. Warum das Gericht im gleichen Urteil als Prüfungsmaßstab wiederum Art. 5
Abs. 1 S. 1 GG anlegt bleibt unklar861. Letztlich ist eine punktgenaue Abgrenzung
des Verhältnisses entbehrlich, weil die Grundrechtsschranken und die vorzunehmende Rechtfertigungsprüfung identischen Anforderungen folgen862. Das Werbeverbot wird daher ausschließlich am Maßstab der Programmfreiheit gemäß Art. 5
Abs. 1 S. 2 GG überprüft. Diese bezieht sich nicht originär auf den der Glücksspielund Sportwettenwerbung innewohnenden Kommunikationsvorgang, sondern darüber hinausgehend auch auf die Programmgestaltungsfreiheit der Privatveranstalter
als rundfunkfreiheitlich gesichertes Element.
2. Eröffnung des Schutzbereiches
Der Schutzbereich der Programmfreiheit müsste sowohl in sachlicher als auch in
personeller Hinsicht eröffnet sein.
a) Sachlicher Schutzbereich
Die Werbung für Glücksspiele im Allgemeinen und Sportwetten im Besonderen ist
unzweifelhaft als Wirtschaftswerbung zu qualifizieren. Damit unterfällt sie, wie
i.R.d. dritten Kapitels ausführlich dargelegt dem sachlichen Schutzbereich der Rundfunkfreiheit in ihrer speziellen Ausprägung als Programmfreiheit863.
b) Personeller Schutzbereich
Der personelle Schutzbereich der Rundfunkfreiheit erfasst alle natürlichen und juristischen Personen sowie Personenvereinigungen, die eigenverantwortlich Rundfunk
veranstalten und verbreiten864. Private Fernsehveranstalter werden damit unzweifelhaft und uneingeschränkt vom personellen Schutzbereich der Rundfunkfreiheit erfasst865. Ob sich auch die Landesmedienanstalten gegenüber dem Staat auf das
tung der Presse für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung gesehen; vgl. u.a.
BVerfGE 85, 1 (12 f.).
860 Vgl. BVerfGE 102, 347 (359); in diese Richtung auch Kirchhof/Frick, AfP 1991, 677 (680).
861 Vgl. BVerfGE 102, 347 (362).
862 Sachs-Bethge, GG, Art. 5, Rn. 47.
863 Siehe hierzu ausführlich Drittes Kapitel A. II. 1. a) bb).
864 Vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 41; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 576.
865 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 122; Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 41; Sachs-
Bethge, GG, Art. 5, Rn. 110; v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 108;
194
Grundrecht der Rundfunkfreiheit berufen können, bedarf infolge des auf die privaten
Fernsehveranstalter eingegrenzten Prüfungsgegenstandes keiner Erörterung866.
c) Zwischenergebnis
Sowohl der sachliche als auch der personelle Schutzbereich des Grundrechts aus
Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ist eröffnet. Die Glücksspiel- und Sportwettenwerbung im
Programm privater Fernsehveranstalter genießt den Schutz der Programmfreiheit.
3. Eingriff
Der sog. klassische Eingriffsbegriff macht den Eingriff in ein Grundrecht von vier
Voraussetzungen abhängig. Ein Eingriff ist hiernach gegeben, wenn er (1.) finale
und nicht bloß unbeabsichtigte Folge eines auf andere Ziele gerichteten Staatshandelns, (2.) unmittelbare und nicht bloß zwar beabsichtigte, aber mittelbare Folge des
Staatshandelns, (3.) Rechtsakt mit rechtlicher und nicht bloß tatsächlicher Wirkung
ist und (4.) mit Befehl und Zwang angeordnet bzw. durchgesetzt wird867. Zu Recht
wird dieses klassische Eingriffsverständnis von der modernen Grundrechtsdogmatik
als zu eng, weil den zahlreichen Berührungspunkten zwischen Staat und Bürger
nicht mehr gerecht werdend, abgelehnt868. So geht die moderne Grundrechtsdogmatik nunmehr vom sog. modernen Eingriffsbegriff aus. Dieser definiert den
Eingriff als jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den
Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht, gleich-
BK-Degenhardt, GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 709; Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II,
Rn. 118.
866 Für eine Grundrechtsträgerschaft der Landesmedienanstalten im Bezug auf das Grundrecht
der Rundfunkfreiheit sprechen sich aus Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 120; AK-
Hoffmann-Riem, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 36, 162; Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 17,
Rn. 44; Hesse, Rundfunkrecht, 5. Kapitel, Rn. 16. Dagegen sprechen sich aus SächsVerfGH
NJW 1997, 3015 (3015 f.); BK-Degenhardt, GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 729; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 121; Sachs-Bethge, GG, Art. 5, Rn. 113; v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 186; Bethge, NJW 1995, 557 (557);
Bethge, NVwZ 1997, 1 (5). Eine Ausnahmestellung kommt der Bayerischen Landeszentrale
für neue Medien zu, weil Rundfunk kraft der bayerischen Verfassung nur in öffentlichrechtlicher Trägerschaft veranstaltet werden darf. Die BLM übt diese öffentlich-rechtliche
Trägerschaft aus, sie ist damit Träger der Rundfunkfreiheit. Die in Bayern ansässigen privaten „Rundfunkveranstalter“ sind demgegenüber nur Rundfunkanbieter. Siehe hierzu Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 120; BK-Degenhardt, GG, Art. 5 Abs. 1 und 2,
Rn. 730; Degenhart, AfP 2007, 24 (28); Renck-Laufke, ZUM 2001, 89 ff.; Renck-Laufke,
ZUM 2002, 588 ff.; Stettner, ZUM 2001, 651 ff.; Stettner, ZUM 1994, 63 ff; von Coelln, jurisPR-ITR 3/2007, Anm. 6.
867 Vgl. BVerfGE 105, 279 (300); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 238.
868 Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 239.
195
gültig ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich (faktisch, informal), mit oder ohne Befehl und Zwang erfolgt869. Staatshandeln, welches bereits nach dem klassischen Eingriffsverständnis
als Eingriff qualifiziert werden kann, unterfällt damit in jedem Fall auch dem weiter
gefassten modernen Eingriffsbegriff.
Ein Eingriff in die Schutzbereiche der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG ist nach
klassischem wie nach modernem Eingriffsverständnis jedenfalls gegeben, wenn
Meinungsäußerung oder -verbreitung bzw. die Rundfunktätigkeit durch staatliche
Ge- oder Verbote eingeschränkt bzw. ver- oder behindert werden870.
Das für Glücksspiele umfassende und speziell für Sportwetten ausnahmslose
Fernsehwerbeverbot gemäß § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV beinhaltet danach grundsätzlich einen durch Gesetz erfolgenden Eingriff in das Grundrecht der Programmfreiheit der privaten Fernsehveranstalter gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Im Gewährleistungsbereich der Rundfunkfreiheit sind mögliche staatliche Eingriffe allerdings stets
von der gesetzgeberischen Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit abzugrenzen. Ausgestaltungsregeln stellen gerade keine Eingriffe dar und bedürfen insofern keiner
weiteren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung871. Das Verhältnis zwischen ausgestaltenden und beschränkenden Regelungen ist im Einzelfall fließend. Auch die
Rechtsprechung des BVerfG trifft hierzu keine trennscharfe Zuordnung872. Festgehalten werden kann indes, dass eine Ausgestaltungsregelung, sofern sie vom Gesetzgeber getroffen wird, allein der Sicherung der Rundfunkfreiheit dienen darf873.
Ergo kann angesichts des Schutzzwecks des Fernsehwerbeverbotes für Glücksspiele
im GlüStV nicht davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um eine Ausgestaltungsregelung handelt. Das Fernsehwerbeverbot dient ausschließlich der Erreichung der in § 1 GlüStV formulierten staatsvertraglichen Ziele, indes nicht der
Sicherung der Rundfunkfreiheit. Mithin ist das in § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV enthaltene Fernsehwerbeverbot für Glücksspiele als Eingriff in die Programmfreiheit der
privaten Fernsehveranstalter gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und nicht als Ausgestaltungsregelung zu qualifizieren. Es bedarf folglich der verfassungsrechtlichen
Rechtfertigung874.
869 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 240 m.w.N.
870 Vgl. Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 124, 133; v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck,
GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 189 f.; Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 9, 42; Pieroth/Schlink,
Grundrechte, Rn. 581.
871 BVerfGE 73, 118 (166); Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 133; Pieroth/Schlink,
Grundrechte, Rn. 581.
872 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 392.
873 Vgl. BVerfGE 73, 118 (166); Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 392.
874 So auch Schmits, ZfWG 2007, 197 (201 f.); für Werbebegrenzungen allgemein ebenfalls
Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 134; für die dem Glücksspielwerbeverbot vergleichbaren Tabakwerbeverbote (u.a. §§ 21a, 22 LMG 1974 Vorläufiges Tabakgesetz; hierzu
ausführlich Ukena/Opfermann, WRP 1999, 141 ff.) Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 421 f. sowie BeKo-Rundfunkrecht-Ladeur, RStV, § 7, Rn. 79.
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4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der durch Gesetz erfolgende Eingriff in die Programmfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn er den in Art. 5 Abs. 2 GG normierten Schranken genügt und im Übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht.
a) Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG
Die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 2 GG unterliegen dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt875 des Art. 5 Abs. 2 GG. Sie finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Für die vorliegende Untersuchung
von Relevanz sind allein die Schranken der allgemeinen Gesetze und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend.
aa) Schranke der allgemeinen Gesetze
Die i.R.d. Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG bedeutsamste Schrankenregelung ist die der „allgemeinen Gesetze“.
Unter dem isolierten Begriff des „Gesetzes“ sind sämtliche Gesetze im formellen
und materiellen Sinne, d.h. Parlamentsgesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen
zu verstehen876. § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV ist durch die Zustimmungsgesetzgebung
der Länder in vollgültiges formelles Landesrecht transformiert worden. Die Norm ist
Gesetz im formellen und materiellen Sinne und erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen der Grundrechtsschranke bezogen auf den Begriff „Gesetz“.
Weitaus diffiziler gestaltet sich die Definition des „allgemeinen Gesetzes“ i.S.d.
Art. 5 Abs. 2 GG. Das hierzu bestehende umfassende Meinungsspektrum soll und
kann hier nicht in aller Breite wiedergegeben und erörtert werden877. Es ist vielmehr
die vom BVerfG in ständiger Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur zugrundegelegte Definition des „allgemeinen Gesetzes“ heranzuziehen, die letztlich
eine Kombination der insgesamt vertretenen Definitionsansätze darstellt878. Allgemeine Gesetze i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG sind danach alle Gesetze, „die nicht eine
875 Siehe zum Begriff des qualifizierten Gesetzesvorbehaltes Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn.
255.
876 Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 136; Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 55; Sachs-
Bethge, GG, Art. 5, Rn. 143a.
877 Eine umfassende Darstellung der vertretenen Ansätze jeweils m.w.N. findet sich bei
Maunz/Dürig-Herzog, GG, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 250 ff.; Stern-Stern, Staatsrecht, Band IV/1,
S. 1444 ff.; v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 194 ff.; Dreier-
Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 137 ff.
878 Vgl. Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 142; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 592.
197
Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als
solche richten, die vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine
bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen, dem Schutz eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang
hat“879. Damit kombiniert das BVerfG die schon zum gleichlautenden Art. 118 Abs.
1 S. 1 WRV entwickelte, formale Kriterien beinhaltende, Sonderrechtslehre880 mit
einer, materiale Kriterien berücksichtigenden Ansicht881, legt indes bei der praktischen Rechtsanwendung den Prüfungsschwerpunkt regelmäßig auf den Schutz anderer Rechtsgüter, mithin auf den zweiten Teil der Definition882. Diese Gewichtung hat
zur Folge, dass bestehende Gesetze durch die Schwerpunktsetzung fast durchweg als
allgemeine Gesetze i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG qualifiziert werden883. Auf diese extensive Auslegung reagierend, versuchen Teile der Literatur den Schwerpunkt auf formale Kriterien und damit auf den ersten Teil der Definition zu lenken. Hiernach sollen allgemeine Gesetze per se nicht vorliegen, wenn sie sich gegen bestimmte
Kommunikationsinhalte richten884. Solche Gesetze könnten nur ausnahmsweise als
allgemein qualifiziert werden, wenn sie das geschützte Rechtsgut auch gegen unter
Strafe gestellte Handlungen schützen885 bzw. besonders hohe Anforderungen an die
Angemessenheit erfüllen886. Durch die genannten Ausnahmen wird indes deutlich,
dass auch diese Ansätze nicht ohne Einbeziehung des Kriteriums „Schutz der
Rechtsgüter“ auskommen, sie mithin durch die „Hintertür“ ebenfalls auf den zweiten Teil der bundesverfassungsgerichtlichen Definition rekurrieren887. Eine weitere
879 BVerfGE 7, 198 (209 f.); 62, 230 (243 f.); 71, 162 (175); 97, 125 (146); 111, 147 (155);
Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 142; BK-Degenhardt, GG, Art. 5 Abs. 1 und 2,
Rn. 180, 66 f.; Stern-Stern, Staatsrecht, Band IV/1, S. 1446 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte,
Rn. 592; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 127 f., 390. Kritisch zu dieser herrschenden Definition Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 56, die Gesetze, welche zu einer Beschränkung bestimmter Kommunikationsinhalte ermächtigen, grundsätzlich nicht als allgemeine Gesetze einstufen wollen.
880 Siehe zu den verschiedenen Facetten der Sonderrechtslehre m.w.N. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 588 ff.; Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 138 f.; v. Münch/Kunig-
Wendt, GG, Art. 5, Rn. 69. Nach der isolierten formalen Sonderrechtslehre sind allgemeine
Gesetze demnach solche, die „nicht Sonderrecht gegen die Meinungsfreiheit enthalten“ bzw.
solche, „die dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu
schützenden Rechtsguts dienen“.
881 Siehe zu dieser von Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 591 als Abwägungslehre bezeichneten
Ansicht m.w.N. Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 140; v. Münch/Kunig-Wendt,
GG, Art. 5, Rn. 69. Nach dieser auf materiale Kriterien abstellenden Ansicht liegt ein allgemeines Gesetz vor, wenn „das in ihnen geschützte gesellschaftliche Gut material höherwertig
ist als die Meinungsfreiheit bzw. eine der in Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Kommunikationsfreiheiten“.
882 Vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 56.
883 Vgl. Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 142, 145.
884 So v. Münch/Kunig-Wendt, GG, Art. 5, Rn. 71.
885 So Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 56; v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2,
Rn. 202.
886 Vgl. AK-Hoffmann-Riem, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 54.
887 So im Ergebnis auch Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 143.
198
Auffassung will die Annahme eines allgemeinen Gesetzes dann verneinen, wenn es
sich, ohne eine bestimmte Meinung treffen zu wollen, nur im Schutzbereich eines
der in Art. 5 Abs. 1 S. 1 und S. 2 GG genannten Grundrechte auswirkt888. Gegen eine solche Sichtweise kann indes das Argument der mangelnden Trennschärfe hervorgebracht werden, da eine Bestimmung der alleinigen Auswirkung des Gesetzes
im Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG letztlich eine offene Wertungsfrage darstellt889. Zudem würde dadurch das gesamte, sich denknotwendig ausschließlich im
Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG auswirkende Medienrecht aus dem Schrankenvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG ausgegrenzt, wofür keine Notwendigkeit ersichtlich
ist890. Gleichfalls aus Gründen mangelnder Trennschärfe ist die Auffassung abzulehnen, welche die Bestimmung eines allgemeinen Gesetzes vom Kriterium der
„Schadensverursachung“ abhängig machen will891. Ob und wann eine über die in der
Meinungsäußerung liegende Überzeugung hinausgehende Wirkung Schäden verursacht ist zweifelsfrei kaum bestimmbar892.
Letztlich ist die vom BVerfG aufgestellte Formel als praktisch alternativlos anzusehen893 und muss auch für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand Anwendung finden. Zwar rekurriert sie jeweils auf den Begriff der Meinung, ist jedoch
gleichfalls uneingeschränkt auf alle anderen in Art. 5 Abs. 1 GG enthaltenen Kommunikationsfreiheiten übertragbar894.
Das in § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV enthaltene Fernsehwerbeverbot wäre nach den
obigen Ausführungen dann als allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG zu qualifizieren, wenn es die genannten vom BVerfG in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen erfüllt. Nach dem vom BVerfG final bestimmten Allgemeinheitsbegriff muss die in Rede stehende gesetzliche Regelung zwingend ein
anderes Regelungsziel als die Einschränkung der Kommunikationsfreiheiten verfolgen895. Das Verbot dürfte sich demnach nicht gegen die Kommunikationsfreiheiten
als solche richten, sondern müsste vielmehr dem Schutz eines schlechthin ohne
Rücksicht auf bestimmte Informationen oder Meinungen zu schützenden Rechtsgutes dienen, welches gegenüber den Kommunikationsfreiheiten den Vorrang hat.
Zwecks Beurteilung der Schutzrichtung des § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV sind auch die
übrigen Absätze der Norm sowie die staatsvertragliche Begründung heranzuziehen.
So statuiert § 5 Abs. 2 GlüStV, dass Werbung für öffentliche Glücksspiele - soweit
sie zulässig ist - nicht in Widerspruch zu den Zielen des § 1 GlüStV stehen darf. Der
888 v. Münch/Kunig-Wendt, GG, Art. 5, Rn. 71.
889 Vgl. Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 144.
890 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 128.
891 So Frowein, AöR 105 (1980), 169 (182 f.).
892 Vgl. Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 141; v. Münch/Kunig-Wendt, GG, Art. 5,
Rn. 72.
893 Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 143.
894 Vgl. BVerfGE 91, 125 (135); Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 146; Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 56.
895 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 128.
199
Verweis auf die staatsvertraglichen Ziele896, macht sich diese zu Eigen und legt die
Schutzrichtung der in § 5 GlüStV geregelten Werbebeschränkungen- und Verbote
fest. Sie dienen zuvörderst der Verhinderung und Bekämpfung von Glücksspielsucht
und damit im Ergebnis dem Gesundheitsschutz der Spieler. Die Gesetzesbegründung
hebt diese Schutzrichtung ausdrücklich hervor897. Hiernach richtet sich das Fernsehwerbeverbot nicht gegen die Kommunikationsfreiheiten und insbesondere gegen
die werbliche Meinungsäußerung als solche. Es zielt vielmehr ausschließlich auf den
Gesundheitsschutz der Spieler und die Eindämmung der mit dem Glücksspiel verbundenen Suchtgefahren. Die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ist darüber hinaus vom BVerfG als besonders wichtiges Gemeinwohlziel qualifiziert worden898.
Das Fernsehwerbeverbot dient somit dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht
auf eine bestimmte Information oder Meinung, zu schützenden Rechtgutes, das gegenüber den Kommunikationsfreiheiten den Vorrang hat. § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV
ist folglich als allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG zu qualifizieren899.
bb) Schranke des Jugendschutzes
Neben den allgemeinen Gesetzen nennt Art. 5 Abs. 2 GG als weitere Schranke der
Kommunikationsfreiheiten die „gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend“. Fraglich ist, ob das in § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV normierte Fernsehwerbeverbot auch diesen Schrankenvorbehalt erfüllt, es also als gesetzliche Bestimmung
zum Schutze der Jugend qualifiziert werden kann. Eine solche Annahme könnte sich
aus der auch auf den Jugendschutz abzielenden Regelungsintention des Verbotes
rechtfertigen. So wird die Einführung des Fernsehwerbeverbotes neben dem primären Argument der Glücksspielsuchtprävention zusätzlich mit dem Argument des
Minderjährigen- und Jugendschutzes begründet, da die erhebliche Breitenwirkung
des Mediums Fernsehen besonders auf die genannten Zielgruppen ausgerichtet ist900.
Betrachtet man das Verhältnis der Grundrechtsschranken des Art. 5 Abs. 2 GG
zueinander, so haben diese grundsätzlich nebeneinander Bestand, weil sie natur-
896 Verhinderung und Bekämpfung von Glücksspiel- und Wettsucht (§ 1 Nr. 1), Begrenzung und
Kanalisierung des vorhandenen Glücksspielangebotes (§ 1 Nr. 2), Jugend- und Spielerschutz
(§ 1 Nr. 3) sowie Schutz vor Folge- und Begleitkriminalität (§ 1 Nr. 4).
897 Erläuterungen zum GlüStV, S. 16 und S. 6.
898 BVerfG NJW 2006, 1261 (1263).
899 So im Ergebnis auch Schmits, ZfWG 2007, 197 (201 f.); a.A. Scholz/Weidemann, Rechtsgutachten, S. 125 f., die das Fernsehwerbeverbot gemäß § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV, unter Verkennung der bundesverfassungsgerichtlichen Schwerpunktsetzung auf den Schutz anderer
Rechtsgüter, nicht als allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG qualifizieren. Für die Qualifikation der strafrechtlichen Werbeverbote gemäß §§ 284 Abs. 4, 287 Abs. 2 StGB als allgemeine Gesetze Klam, Glücksspiel im Internet, S. 45; für die dem Glücksspielwerbeverbot
vergleichbaren Tabakwerbeverbote (u.a. §§ 21a, 22 LMG 1974 Vorläufiges Tabakgesetz)
ebenso Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 421 f.; Kirchhof/Frick, AfP 1991, 677
(679); Siekmann, DÖV 2003, 657 (660).
900 Erläuterungen zum GlüStV, S. 16 und S. 6.
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gemäß nicht mikroskopisch genau voneinander getrennt werden können901. Die
selbstständige Grundrechtsschranke der gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen
tritt also regelmäßig neben die der allgemeinen Gesetze902. Ihre Funktion wird zum
Teil darin gesehen, dass die Jugendschutzregelungen im Gegensatz zu den allgemeinen Gesetzen Sonderrecht gegen die Kommunikationsfreiheiten enthalten dürfen,
woraus ihre eigenständige Bedeutung resultiert903. Angesichts der vom BVerfG bei
der Anwendung der aufgezeigten Formel vorgenommenen Schwerpunktsetzung, bezogen auf den Schutz anderer Rechtsgüter, dürfte der in Rede stehenden Schranke
zumindest in der Mehrzahl der Fälle rein deklaratorischer Charakter zukommen904.
Nachdem zwar die grundsätzlich parallele Anwendbarkeit der in Art. 5 Abs. 2
GG normierten Schranken geklärt ist, müssten für das Glücksspielwerbeverbot im
Fernsehen allerdings auch die inhaltlichen Voraussetzungen gegeben sein. Eine gesetzliche Bestimmung zum Schutze der Jugend liegt vor, wenn eine Vorschrift bestimmt und geeignet ist, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen als eigenverantwortliche Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft gegenüber
sittlicher oder gesundheitlicher Gefährdung aus dem sozialen Umfeld zu sichern905.
Gefährdungen für die ungestörte Entwicklung der Jugend gehen insbesondere von
Druck-, Ton-, und Bilderzeugnissen aus, die Gewalttätigkeiten oder Verbrechen glorifizieren, Rassenhaß provozieren, den Krieg verherrlichen oder sexuelle Vorgänge
in grob schamverletzender Weise darstellen906. Diese Auflistung von Rechtsgütern
ist indes nicht als abschließend zu betrachten, sie ist vielmehr erweiterungsbedürftig907. Zu beachten ist allerdings, dass die einschränkende gesetzliche Regelung der
Abwehr spezifischer Gefahren für die Jugend dienen muss908. Sie hat sich an dem
Jugendlichen schlechthin, einschließlich des gefährdungsgeneigten und nicht nur an
dem durchschnittlichen nicht labilen Jugendlichen zu orientieren909. Angesichts der
Tatsache, dass die Regelungsintention des Werbeverbotes nicht isoliert auf den Jugendschutz abstellt, sondern vielmehr allgemein der Spielsuchtprävention dienen
soll und Minderjährige lediglich als besonders gefährdete Zielgruppe nennt910, könnte die Ansicht vertreten werden, mangels Abwehr spezifischer und alleiniger Gefahren für die Jugend handelte es sich nicht um eine gesetzliche Bestimmung zum
901 Sachs-Bethge, GG, Art. 5, Rn. 141.
902 Sachs-Bethge, GG, Art. 5, Rn. 159.
903 Stern-Stern, Staatsrecht, Band IV/1, S. 1454; Maunz/Dürig-Herzog, GG, Art. 5 Abs. I, II, Rn.
244 ff.
904 So auch Sachs-Bethge, GG, Art. 5, Rn. 159; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S.
132.
905 Stern-Stern, Staatsrecht, Band IV/1, S. 1454 m.w.N.; v. Münch/Kunig-Wendt, GG, Art. 5, Rn.
79.
906 BVerfGE 30, 336 (347); 90, 1 (19); Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 147.
907 Stern-Stern, Staatsrecht, Band IV/1, S. 1455.
908 Vgl. Stern-Stern, Staatsrecht, Band IV/1, S. 1455; Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn.
148.
909 BVerwGE 39, 197 (205); Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 148; v. Münch/Kunig-
Wendt, GG, Art. 5, Rn. 80.
910 Vgl. Erläuterungen zum GlüStV, S. 16.
201
Schutze der Jugend i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG. Zwecks Qualifizierung der Bestimmung
kann indes nicht isoliert auf den Tatbestand des § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV abgestellt
werden, dessen Wortlaut eine spezifische Jugendgerichtetheit im Übrigen nicht entnommen werden kann. Vielmehr muss das Verbot im Zusammenhang der staatsvertraglichen Gesamtsystematik gesehen werden. In § 1 Nr. 3 GlüStV wird die Gewährleistung des Jugendschutzes neben der des Spielerschutzes ausdrücklich als staatsvertragliches Ziel definiert. Daneben enthält § 5 Abs. 2 GlüStV einen ausdrücklichen Verweis auf § 1 GlüStV. In Zusammenschau mit der auf den Minderjährigenschutz rekurrierenden Begründung zu § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV911 ergibt sich damit
eine den Jugendschutz in besonderem Maße berücksichtigende Regelungsintention
des GlüStV. Das Werbeverbot dient damit neben der generellen Ausrichtung auf die
Spielsuchtprävention zuvörderst der Verhinderung der Suchtentstehung bei Jugendlichen912, weshalb § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV nach hiesiger Auffassung ebenfalls als
gesetzliche Bestimmung zum Schutze der Jugend i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG angesehen
werden muss913. Entsprechend der oben aufgeführten Definition ist das Verbot geeignet und bestimmt Jugendliche vor den gesundheitlichen Gefahren einer möglichen Glücksspielsucht zu schützen.
b) Die Schranken-Schranke des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter besonderer
Berücksichtigung der „Wechselwirkungstheorie“
Ein Grundrechtseingriff ist nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn er
einerseits die Voraussetzungen der geschriebenen Grundrechtsschranken erfüllt und
andererseits den Schranken-Schranken genügt. Neben der Erfüllung des qualifizierten Gesetzesvorbehaltes in Art. 5 Abs. 2 GG müsste das Fernsehwerbeverbot für
Glücksspiele daher dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht werden, welcher als
bedeutsamste Schranken-Schranke zu bezeichnen ist914. Der Eingriff genügt dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn er einen legitimen Zweck verfolgt und zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen, d.h. verhältnismäßig
im engeren Sinne ist915. Bei den Kommunikationsgrundrechten des Art. 5 Abs. 1 GG
ist allerdings die Modifikation des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch die vom
BVerfG entwickelte „Wechselwirkungstheorie“916 zu beachten. Diese ist vom
BVerfG ursprünglich bezugnehmend auf die Schranke der allgemeinen Gesetze
911 Vgl. Erläuterungen zum GlüStV, S. 16.
912 Dies entspricht im Übrigen den Vorgaben des BVerfG zur verfassungskonformen Ausgestaltung eines staatlichen Sportwettenmonopols; vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1263, 1267).
913 Für die europarechtlich determinierten Tabakwerbeverbote und Tabaksponsoringverbote (u.a.
§§ 21a, 22 LMG 1974 Vorläufiges Tabakgesetz) so ausdrücklich Siekmann, DÖV 2003, 657
(660, 664).
914 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 279.
915 Vgl. Hufen, Grundrechte, S. 119.
916 Auch „Schaukeltheorie“ genannt.
202
entwickelt worden917, findet indes auch auf die übrigen Schranken des Art. 5 Abs. 2
GG Anwendung918. Ferner ist die „Wechselwirkungstheorie“ bei sämtlichen die
Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG einschränkenden Gesetze anzuwenden919, nicht etwa nur bei Betroffenheit der Meinungsäußerungsfreiheit. Nach
der „Wechselwirkungstheorie“ sind die die Kommunikationsfreiheiten beschränkenden Gesetze ihrerseits im Lichte der Bedeutung dieser Grundrechte unter Beachtung
ihres besonderen Wertgehaltes zu interpretieren920. Das BVerfG formuliert im Lüth-
Urteil, „es finde eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, daß die „allgemeinen Gesetze“ zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber
aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden
Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen“921. Ferner führt das Gericht
aus, „das Recht zur Meinungsäußerung muß zurücktreten, wenn schutzwürdige
Interessen eines anderen von höherem Rang durch die Betätigung der Meinungsfreiheit verletzt würden“, was „auf Grund aller Umstände des Falles zu ermitteln“
ist922. Im Ergebnis verlangt die „Wechselwirkungstheorie“ einen Abwägungsprozess
am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes923. Dabei kommt der Angemessenheitsprüfung besondere praktische Bedeutung zu924. Im Folgenden ist daher, unter besonderer Berücksichtigung der „Wechselwirkungstheorie“ i.R.d. Angemessenheit, die Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffes zu überprüfen.
aa) Legitimer Zweck
Der Gesetzgeber muss mit dem Glücksspielwerbeverbot im Fernsehen einen legitimen Zweck verfolgen. Der Gesetzeszweck ist durch eine Zusammenschau der Verbotsbestimmung i.R.d. staatsvertraglichen Regelungsgefüges, insbesondere der Ziele
des § 1 GlüStV zu ermitteln. Primärziel des Staatsvertrages ist die Bekämpfung bereits bestehender und Verhinderung der Entstehung potentieller Glücksspiel- und
Wettsucht (Nr. 1). Die in Nr. 2 bis 4 genannten Ziele stellen flankierende Konkretisierungen des in Nr. 1 enthaltenen Primärziels dar. Sie nennen die Begrenzung und
Kanalisierung des Glücksspielangebotes (Nr. 2), die Gewährleistung des Spielerund Jugendschutzes (Nr. 3) sowie den Schutz der Spieler vor Folge- und Begleit-
917 Vgl. BVerfGE 7, 198 (208 f.).
918 So ausdrücklich BVerfGE 93, 266 (290); Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 148.
919 Vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 57.
920 So die zusammenfassende Definition bei Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 158.
921 BVerfGE 7, 198 (209).
922 BVerfGE 7, 198 (210 f.).
923 Stern-Stern, Staatsrecht, Band IV/1, S. 1476 m.w.N.; demgegenüber will Dreier-Schulze-
Fielitz, GG, Art. 5 I, II, Rn. 159 sowohl eine Verhältnismäßigkeitsprüfung als auch eine verfassungskonforme Auslegung vornehmen.
924 Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 57.
203
kriminalität (Nr. 4). Ausweislich der Regelungsintention von § 5 GlüStV925 und der
staatsvertraglichen Begründung, dient das Fernsehwerbeverbot in erster Linie der in
§ 1 Nr. 1 GlüStV festgeschriebenen Suchtbekämpfung und Suchtprävention sowie
dem in § 1 Nr. 3 GlüStV normierten Jugend- und Spielerschutz926. Es zielt daher einerseits auf den Schutz der Gesundheit aller (potentiellen) Spieler im Allgemeinen,
sowie im Besonderen auf den Schutz Minderjähriger und Jugendlicher vor den Gefahren des Glücksspiels für ihre Entwicklung. Problematisches Spielverhalten bei
der letztgenannten Zielgruppe ist bereits im Alter zwischen 13 und 19 Jahren zu beobachten927. Der Gesundheitsschutz aller und insbesondere jugendlicher Spieler vor
den Gefahren des Glücksspiels, als verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG
gewährleistete Position, ist ein legitimer Zweck für das Glücksspielwerbeverbot im
Fernsehen928.
bb) Geeignetheit
Das Verbot muss ferner grundsätzlich geeignet sein den genannten Zweck zu erreichen bzw. zu fördern929. Hinsichtlich der Geeignetheit einer Maßnahme zur Erreichung eines legitimen Zweckes gesteht das BVerfG dem Gesetzgeber regelmäßig
eine Einschätzungsprärogative zu930.
Fernsehwerbung erreicht aufgrund ihrer Breitenwirkung und ihrer zumeist bundesweiten Reichweite eine erhebliche Anzahl von Rezipienten und potentiellen
Spielern. Darüber hinaus kommt ihr u.a. infolge ihrer Gestaltung und Aufmachung
eine erhebliche Suggestivkraft zu, die in der Lage ist, die Fokussierung potentiell
spielsuchtgefährdeter Rezipienten auf die beworbenen Glücksspielangebote in erheblichem Maße zu fördern und diese zum Spielen anzuregen. Gerade die teils massive mediale Konfrontation hat in der Vergangenheit zu einem beträchtlichen Anstieg von Glücksspielen und insbesondere Sportwetten geführt931. Indem der Gesetzgeber nunmehr ein nahezu umfassendes Fernsehwerbeverbot statuiert, sucht er
dem, dem Medium Fernsehen innewohnenden, Anreiz- und Ermunterungseffekt
entgegenzuwirken. Zur umfassenden Sicherstellung der staatsvertraglich formulierten Ziele der Suchtbekämpfung und -begrenzung und des damit einhergehenden
Spieler- und Jugendschutzes ist das Werbeverbot daher unumgänglich932. Zur Erreichung und Förderung dieser Ziele ist es im Übrigen grundsätzlich geeignet. Die
Geeignetheit wird insbesondere nicht durch die für Soziallotterien933 mögliche Aus-
925 § 5 Abs. 2 GlüStV enthält einen ausdrücklichen Verweis auf die Ziele des § 1 GlüStV.
926 Vgl. Erläuterungen zum GlüStV, S. 6 und 16.
927 Erläuterungen zum GlüStV, S. 7.
928 So auch Schmits, ZfWG 2007, 197 (202).
929 Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 283; Hufen, Grundrechte, S. 121.
930 Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1264).
931 Schmits, ZfWG 2007, 197 (202).
932 Vgl. Erläuterungen zum GlüStV, S. 16.
933 Diese sind als Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential anzusehen.
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nahme vom Fernsehwerbeverbot gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 GlüStV tangiert934. Für
Sportwetten und große Lotterien, denen ein erhöhtes Suchtpotential zukommt, ist
der Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 2 S. 1 GlüStV aufgrund seiner systematischen Stellung im Dritten Abschnitt des Staatsvertrages ohnehin nicht anwendbar.
Mit dieser Ausnahmeregelung bewegt sich der Gesetzgeber innerhalb des ihm zustehenden Prognosespielraumes bezüglich der Beurteilung der Geeignetheit einer
Maßnahme. Ihr liegt die Erkenntnis zugrunde, dass unterschiedlichen Glücksspielformen ein unterschiedlich hohes Suchtpotential innewohnt935.
cc) Erforderlichkeit
Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn der angestrebte Zweck nicht durch ein gleich
wirksames aber weniger belastendes Mittel erreicht werden kann936. Im Rahmen dieser Prüfungsstage ist festzustellen, ob die dem Werbeverbot zugrundeliegenden Ziele nicht auch durch eine gleich wirksame aber die Rundfunkfreiheit weniger belastende Maßnahme verwirklicht werden könnten. Zu denken wäre hier an eine rein
zeitliche Beschränkung der Glücksspielwerbung, etwa ein zeitlich begrenztes Werbeverbot bis 23 Uhr937. Derartige zeitliche Sendeverbote werden häufig für die Bereiche des primären Jugendschutzes herangezogen938. Vorliegend gilt es indes zu
beachten, dass das Werbeverbot auf die Suchtbekämpfung von Spielern aller Altersgruppen ausgerichtet ist. Die Gruppe der Minderjährigen und Jugendlichen stellt nur
eine besonders gefährdete Zielgruppe innerhalb der genannten Gesamtgruppe dar.
Die Gefahr der Glücksspielsucht bedroht Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen939, weshalb ein zeitlich begrenztes Werbeverbot den definierten Zielen
nicht gerecht würde. Flankierend kann gleichfalls nicht davon ausgegangen werden,
dass die aufgezeigten zeitlichen Werbebeschränkungen bei Jugendlichen den angestrebten Erfolg zeitigten. Die Annahme, dass Jugendliche nach 23 Uhr generell ihren
Fernsehkonsum einstellen, muss als realitätsfern bezeichnet werden. Angesichts der
durch Glücksspielsucht drohenden erheblichen Gesundheitsgefahren für Kinder, Jugendliche und Erwachsene und der Breitenwirkung des Fernsehens, ist kein gleich
wirksames aber die Rundfunkfreiheit weniger belastendes Mittel zur Zweckerreichung ersichtlich. Gleiches muss für das in § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV enthaltene
Sponsoringverbot gelten, selbst wenn der Sponsorhinweis nicht durch bewegtes Bild
934 In diese Richtung argumentiert allerdings Schmits, ZfWG 2007, 197 (202).
935 Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1263); zum Phänomen Spielsucht Diegmann, ZRP 2007, 126
(127 ff.).
936 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 285.
937 Vgl. Schmits, ZfWG 2007, 197 (202).
938 Vgl. Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 131, 435 ff.
939 So Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 422 zu den vergleichbaren Tabakwerbeverboten (u.a. § 22 LMG 1974 Vorläufiges Tabakgesetz).
205
erfolgt940. Eine wirksame Umsetzung der mit dem Verbot verfolgten Ziele kann
nach diesseitigem Dafürhalten nur durch eine umfassende Beseitigung der medialen
Präsenz von Glücksspiel- und insbesondere Sportwettenanbietern aus dem Medium
Fernsehen erreicht werden. Die Suggestivkraft des Fernsehens wird nicht ausschließlich durch das bewegte Bild hervorgerufen, sie ist diesem als solchem immanent. Das Glücksspielwerbeverbot im Fernsehen genügt somit den Anforderungen
der Erforderlichkeit941.
dd) Angemessenheit
Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung hat eine Abwägung unter besonderer Berücksichtigung der „Wechselwirkungstheorie“ zu erfolgen. Das einschränkende
Verbot des § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV ist demgemäß unter Beachtung der besonderen
Bedeutung der Programmfreiheit für die privaten Fernsehveranstalter in den Abwägungsprozess einzubeziehen. Der mit dem Verbot verfolgte Zweck und die Intensität des Eingriffes müssen in einem angemessenen und wohlproportionierten Verhältnis zueinander stehen942.
Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Werbeverbotes ist zu berücksichtigen, dass Werbeeinnahmen die zentrale und nahezu ausschließliche Finanzierungsquelle des privaten Rundfunks darstellen943. Zur Veranstaltung ihrer Programme sind private Fernsehveranstalter existentiell auf die Finanzierung durch Werbung
angewiesen. Werbebeschränkungen sind für den privaten Rundfunk somit gleichzusetzen mit einer Beschränkung der Rundfunkfreiheit944.
Die Fernsehwerbung wird den privaten Veranstaltern durch das in Rede stehende
Verbot allerdings nicht generell untersagt, vielmehr allein das spezielle Segment der
Glücksspiel- und insbesondere Sportwettenwerbung wird hiervon erfasst. Die Programmfinanzierung kann folglich durch Werbesendungen für solche Waren und
Dienstleistungen sichergestellt werden, die keinen Werbebeschränkungen unterliegen. Es kann im Übrigen nicht davon ausgegangen werden, dass die Glücksspielwerbung einen Großteil des Werbeaufkommens privater Fernsehveranstalter ausmacht945. Diese werben überwiegend für Konsumprodukte des täglichen Lebens946.
Glücksspiel- und insbesondere Sportwettenwerbung wurde in der Vergangenheit
überwiegend von privaten Sportsendern wie u.a. dem DSF ausgestrahlt. Doch auch
940 A.A. für das Tabaksponsoringverbot (§ 21a LMG 1974 Vorläufiges Tabakgesetz) Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 422.
941 A.A. aber ohne tragfähige Begründung Schmits, ZfWG 2007, 197 (202).
942 Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 289.
943 Vgl. BK-Degenhardt, GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 738.
944 BK-Degenhardt, GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 738 m.w.N.
945 Siehe zum Anteil der beworbenen Produkte im Privatfernsehen: Werbemarktreport, Analyse
des deutschen Brutto-Werbemarktes 2006, S. 10 ff., abrufbar unter http://appz. sevenonemedia.de/download/publikationen/Der_deutsche_Werbemarkt_2006.pdf.
946 Beispielsweise Nahrungsmittel, Bekleidung, Hygieneartikel, Kraftfahrzeuge, Mobilfunk etc.
206
in diesem Bereich macht das auf die Glücksspielwerbung entfallende Werbeaufkommen nur einen Bruchteil des Gesamtwerbeaufkommens aus. Es ist mithin
nicht davon auszugehen, dass die privaten Fernsehveranstalter, einschließlich der
Sportsender, durch das in Rede stehende Werbeverbot in ihrer Finanzierung maßgeblich beeinträchtigt werden947. Selbst durch das Fernsehwerbeverbot für Tabak ist
die Finanzierung des privaten Rundfunks nicht wesentlich tangiert worden, obgleich
der Tabakwerbung eine wesentlich höhere mediale Präsenz zukam als der Glücksspiel- und Sportwettenwerbung. Im Übrigen sind private Fernsehveranstalter auch
vor Inkrafttreten des GlüStV, infolge der durch das BVerfG für die Übergangszeit
verfügten Werberestriktionen für Sportwetten948, nicht nachweislich in ihrer Programmfinanzierung beeinträchtigt worden.
Fernerhin ist ein weiterer Aspekt in die Abwägung einzubeziehen. Zwar genießt
die Werbung - wie ausführlich erörtert - den Schutz der Programmfreiheit949. Allerdings gilt es zu beachten, dass Werbung keinen eigenständig gestalteten oder publizistisch bearbeiteten Programmteil, sondern vielmehr einen akzessorischen Faktor
zur Finanzierung der eigentlichen Programmaufgabe darstellt950. Dies hat zur Folge,
dass dem Gesetzgeber ein größerer Entscheidungsspielraum hinsichtlich ihrer Einschränkung zustehen muss, sie damit nicht den gleichen Schutz gegenüber staatlichen Eingriffen genießen kann, wie das übrige redaktionell gestaltete Programm951.
Im Übrigen stellt die Glücksspielwerbung wie ausgeführt nur einen unerheblichen
Bruchteil der insgesamt im privaten Fernsehen beworbenen Produkte und Dienstleistungen dar, so dass die durch das Verbot zu erwartenden Umsatzeinbußen in keiner Weise geeignet sind die Finanzierung des privaten (Sport)Fernsehens in Frage
zu stellen.
Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung können ferner Folgewirkungen für die
Rechtsgüter Dritter in den Abwägungsprozess einbezogen werden952. Das Fernsehwerbeverbot stellt einen Eingriff in die Berufsfreiheit privater Glücksspiel- und
Sportwettenanbieter und gewerblicher Spielvermittler in Form einer Berufsausübungsregelung dar. Diese können - die Zulässigkeit des Angebotes der Erstgenannten einmal unterstellt - nicht mehr in bisherigem Umfang für ihre Dienstleistungen werben. Allerdings wird ihnen die Werbung nicht generell untersagt. Es
stehen - vorbehaltlich der in § 5 Abs. 1, 2 und 4 GlüStV enthaltenen Werberestriktionen - immer noch die Printmedien, der Hörfunk, der postalische Versand
und die Werbung an öffentlichen Plätzen für die „Vermarktung“ zur Verfügung.
Angesichts der mit dem Fernsehwerbeverbot verfolgten legitimen Zwecke und des
947 So aber Schmits, ZfWG 2007, 197 (202).
948 BVerfG NJW 2006, 1261 (1267).
949 Drittes Kapitel A. II. 1. a) bb).
950 Stern-Stern, Staatsrecht, Band IV/1, S. 1685.
951 Stern-Stern, Staatsrecht, Band IV/1, S. 1685; Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 59.
952 Hufen, Grundrechte, S. 123.
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strikt ordnungsrechtlich ausgestalteten staatlichen Glücksspielmonopolsystems müssen deren Interessen i.R.d. konkreten Abwägung daher zurückstehen953.
Die isolierte Betrachtung der Intensität des Eingriffs in die durch Art. 5 Abs. 1 S.
2 GG geschützten Bereiche, namentlich der für den Privatfunk konstituierende Finanzierungsaspekt und die leichtere Einschränkbarkeit der Programmfreiheit für den
Bereich Werbung hat ergeben, dass die Beschränkung bereits für sich genommen
den Angemessenheitsanforderungen genügt, weil sie die Existenz der privaten Fernsehveranstalter nicht gefährdet. Infolge dessen muss sie in Anbetracht des mit ihr
verfolgten Zweckes des Gesundheitsschutzes der Spieler vor den Gefahren der
Glücksspielsucht erst Recht als angemessen qualifiziert werden. Das umfassende
Glücksspielwerbeverbot im Fernsehen muss ferner deshalb als verhältnismäßig angesehen werden, weil es nicht isoliert auf den Schutz Jugendlicher und Minderjähriger abstellt, sondern den Schutz aller potentiellen (jugendlichen und erwachsenen)
Spieler zum Gegenstand hat954. Es genügt nach hiesiger Auffassung unter Berücksichtigung der „Wechselwirkungstheorie“ der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne955.
5. Zwischenergebnis
§ 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV stellt einen verfassungsrechtlich gerechtfertigten Eingriff
in die Programmfreiheit der privaten Fernsehveranstalter gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2
GG dar.
II. Vereinbarkeit mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG
Das Fernsehwerbeverbot für Glücksspiele könnte gleichfalls den Schutzbereich der
Berufsfreiheit der privaten Fernsehveranstalter tangieren. Hier stellt sich zunächst
die Frage nach dem Verhältnis der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und Art.
12 Abs. 1 GG zueinander.
953 A.A. Schmits, ZfWG 2007, 197 (202), der unzutreffend darauf hinweist, die verbleibenden
Werbemedien könnten die Fernsehwerbung nicht ersetzen.
954 Für den isolierten Bereich des Jugendschutzes werden generelle Werbeverbote teilweise pauschal als unverhältnismäßig angesehen. So vertreten von v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck,
GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 207. Diese Sichtweise vermag indes nicht zu überzeugen, da nicht
davon ausgegangen werden kann, dass Jugendliche ihren Fernsehkonsum nach Erreichen der
zeitlichen Werbebeschränkung einstellen. So wohl auch Dreier-Schulze-Fielitz, GG, Art. 5 I,
II, Rn. 149.
955 So im Ergebnis auch Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 422; Siekmann, DÖV
2003, 657 (662, 664) für die Tabakwerbeverbote (u.a. § 22 LMG 1974 Vorläufiges Tabakgesetz); a.A. für das Verbot des § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV Schmits, ZfWG 2007, 197 (202).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit zeichnet einen Querschnitt durch das Rundfunk- und Glücksspielrecht. Es erfolgt eine dezidierte und umfassende Darstellung der Systematik der Staatsaufsicht über die Landesmedienanstalten am Beispiel der Sportwettenwerbung im Privatfernsehen. Die in den Landesmediengesetzen der 16 Bundesländer normierten Aufsichtsmaßstäbe und Aufsichtsmittel werden rechtsvergleichend gegenübergestellt und in allen Einzelheiten erläutert. Sodann folgt eine Untersuchung der materiellrechtlichen Zulässigkeit von Sportwettenwerbung im Privatfernsehen, insbesondere nach Maßgabe des zum 01.01.2008 in Kraft getretenen Fernsehwerbeverbotes für Glücksspiele gemäß § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Verbotes werden detailliert erörtert und die Norm überdies auf ihre Verfassungs- und Europarechtskonformität überprüft.