188
II. Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Glücksspielrecht
Der GlüStV und insbesondere das in Rede stehende Fernsehwerbeverbot gemäß § 5
Abs. 3 Alt. 1 GlüStV ist dann kompetenzgemäß erlassen, wenn die Länder über eine
entsprechende Gesetzgebungskompetenz verfügen.
1. Gesetzgebungskompetenz für das Lotterie-, Sportwetten- und Spielbankenrecht
Der vom Regelungsbereich des GlüStV erfasste Glücksspielsektor der Lotterien,
Sportwetten und Spielbanken unterliegt keinem explizit im Grundgesetz enthaltenen
Kompetenztitel für das „Glücksspielrecht“. Mangels Existenz eines solchen Kompetenztitels bedarf die Materie des Glücksspielrechts der Zuordnung zu den bestehenden grundgesetzlichen Kompetenztiteln.
Während das in §§ 33c bis i GewO geregelte Recht der Spielautomaten und die
im RennwLottG geregelten Pferdewetten nach tradierter Auffassung als „Recht der
Wirtschaft“ gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes zugeordnet werden839, von der dieser im Übrigen Gebrauch
gemacht hat, bewegt sich das Recht der Lotterien, Sportwetten und Spielbanken traditionell an der Schnittstelle zwischen Wirtschaftsrecht auf der einen und Polizeiund Ordnungsrecht auf der anderen Seite.
Das Recht der Spielbanken ist durch den Spielbankbeschluss des BVerfG vom
18.03.1970 schon frühzeitig eindeutig der originären Ländergesetzgebungskompetenz für das Polizei- und Ordnungsrecht gemäß Art. 70 Abs. 1 GG zugeordnet
worden840.
Die kompetenzielle Einordnung des Lotterie- und Sportwettenrechts ist demgegenüber nach wie vor umstritten. Unter Bezugnahme auf die wirtschaftliche Betätigung der Glücksspielveranstalter wird diese Regelungsmaterie teilweise generell als
„Recht der Wirtschaft“ der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gemäß Art.
74 Abs. 1 Nr. 11 GG zugeordnet841. Bestärkt worden ist diese Sichtweise durch das
839 Für das gewerbliche Spielrecht der §§ 33c bis i GewO Dietlein/Hecker/Ruttig-
Dietlein/Hüsken, GewO, § 33h, Rn. 1 ff.; Tettinger/Wank, GewO, § 33h, Rn. 1; Landmann/Rohmer-Marcks, GewO, § 33h, Rn. 1. Für das Recht der Pferdewetten nach dem
RennwLottG v. Mangoldt/Klein/Starck-Oeter, GG, Art. 74, Rn. 101.
840 Vgl. BVerfGE 28, 119 (147); die ordnungsrechtliche Zielsetzung des Spielbankensektors betonend auch BVerfG NVwZ-RR 2008, 1 (3 f.); a.A. Korte, Das staatliche Glücksspielwesen,
S. 211; unter Bezugnahme auf das Sportwettenurteil des BVerfG will Sachs-Degenhart, GG,
Art. 74, Rn. 47; Degenhart, NVwZ 2006, 1209 (1214) nunmehr auch das Recht der Spielbanken dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zuordnen; zweifelnd hinsichtlich
der Zuordnung zum Gesetzgebungstitel für das Polizei- und Ordnungsrecht auch Papier, FS
Stern, S. 550 f.
841 Vgl. VG Schleswig-Holstein ZfWG 2008, 69 (73); Voßkuhle/Bumke, Rechtsfragen der
Sportwette, S. 50 f.; Jarass/Pieroth, GG, Art. 74, Rn. 25; Pestalozza, NJW 2006, 1711
(1713); Horn, NJW 2004, 2047 (2048, Fn. 17); Rossen-Stadtfeldt, ZUM 2006, 793 (802);
189
Sportwettenurteil des BVerfG, in dem dieses wörtlich ausführte: „Eine Neuregelung
kommt dabei grundsätzlich sowohl durch den Bundes- wie den Landesgesetzgeber
in Betracht. Insoweit kann auch der Bund, gestützt auf den Gesetzgebungstitel für
das Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, unter den Voraussetzungen
des Art. 72 Abs. 2 GG tätig werden. Eine Kompetenz des Bundes scheitert nicht an
dem ordnungsrechtlichen Aspekt der Regelungsmaterie“842. Unabhängig davon, dass
die Ausführungen des BVerfG allein auf den Sportwettensektor bezogen sind, käme
eine Zuordnung der genannten Glücksspielbereiche unter den Kompetenztitel des
Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG ohnehin nur in Betracht, wenn die Landesgesetzgeber ihre
strikt ordnungsrechtliche Regelungsintention des Sportwetten- und Lotteriesektors
aufgeben und diesen für eine privatwirtschaftliche Betätigung öffnen würden, so
dass die ordnungsrechtlichen Aspekte allenfalls als „Annex“ anzusehen wären843.
Dass die Landesgesetzgeber i.R.d. ihnen zustehenden Einschätzungsprärogative eine
Abänderung ihrer Regelungsintention weg von einer ordnungsrechtlichen und hin zu
einer wirtschaftsrechtlichen Regulierung vorgenommen haben, kann angesichts der
strikt ordnungsrechtlichen Ausrichtung des GlüStV nicht angenommen werden844.
Die Zuordnung zu einem der beiden Kompetenztitel hängt folglich maßgeblich von
der durch die Landesgesetzgeber ausgeübten Gefahrenprognose hinsichtlich der Regelungsmaterie ab. Damit unterliegt die Materie des Lotterie- und Sportwettenrechts
ebenso wie die des Spielbankenrechts der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Polizei- und Ordnungsrecht gemäß Art. 70 Abs. 1
GG845.
Letztlich kann die Frage der Zuordnung des Lotterie-, Sportwetten- und Spielbankenrechts zu einem der beiden Kompetenztitel für die vorliegende Untersuchung
aber offen bleiben. Fest steht, dass der Bund für die genannte Regelungsmaterie von
Scholz/Weidemann, Rechtsgutachten, S. 72; Pieroth/Görisch, NVwZ 2005, 1225 (1227); Korte, JA 2004, 770 (771); Korte, Das staatliche Glücksspielwesen, S. 198, 207.
842 BVerfG NJW 2006, 1261 (1267).
843 Vgl. Fackler, K&R 2006, 313 (315).
844 So auch Erläuterungen zum GlüStV, S. 9.
845 So im Ergebnis auch Dietlein, BayVBl. 2002, 161 (162); Dietlein/Hecker, WRP 2003, 1175
(1176); Dietlein/Thiel, NWVBl. 2001, 170 (171); Ohlmann, WRP 1998, 1043 (1044 f.); Ohlmann, WRP 2001, 672 (674); Ohlmann, ZRP 2002, 354 (355); Ennuschat, NVwZ 2001, 771
(771); Bethge, BayVBl. 2008, 97 (99); Postel, WRP 2005, 833 (837); Pischel, JA 2008, 202
(202); Diegmann/Hoffmann, DÖV 2005, 45 (45); Hoffmann/Diegmann, LKRZ 2007, 299
(300); Heine, wistra 2003, 441 (441); Meyer, JR 2004, 447 (451); v. Mangoldt/Klein/Starck-
Oeter, GG, Art. 74, Rn. 101; Tettinger/Ennuschat, Grundstrukturen des deutschen Lotterierechts, S. 5, 14; Astl/Rathleff, Das Glücksspiel, S. 13 f.; wohl auch Schöttle, K&R 2008, 155
(156); Badura, Verfassungs- und gemeinschaftsrechtliche Fragen, S. 8 f.; ebenso Hettich,
Neue Fragen des öffentlichen Glücksspielrechts, S. 78, der allerdings auch das Recht der
Pferdewetten (RennwLottG) und das gewerbliche Spielrecht (§§ 33c bis i GewO) dem Kompetenztitel des Art. 70 Abs. 1 GG unterstellen will. Unter Bezugnahme auf das Sportwettenurteil des BVerfG und abweichend von seiner bis dato vertretenen Rechtsauffassung
will Ennuschat, Zur Zulässigkeit eines staatlichen Monopolangebotes, S. 60 f., das „Glücksspielrecht“ nunmehr generell dem konkurrierenden Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11
GG („Recht der Wirtschaft“) zuordnen.
190
der ihm etwaig nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz bisher keinen Gebrauch gemacht hat846. Dass seitens des
Bundes die Absicht bestünde die Regelungsmaterie an sich zu ziehen, kann vor dem
Hintergrund der Neuregelung durch den Länderstaatsvertrag zum Glücksspielrecht
ebenfalls nicht ernstlich in Erwägung gezogen werden. Folglich steht den Ländern
nach beiden Auffassungen die Gesetzgebungskompetenz für die in Rede stehenden
Bereiche des Glücksspielrechts zu, so dass der GlüStV in jedem Fall kompetenzgemäß erlassen worden ist847.
2. Gesetzgebungskompetenz für das Fernsehwerbeverbot gemäß § 5 Abs. 3 Alt. 1
GlüStV
Weiterhin ist problematisch, ob sich das in § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV aufgenommene
Fernsehwerbeverbot gleichfalls auf die nach hiesiger Auffassung für das Glücksspielrecht einschlägige Gesetzgebungskompetenz des Gefahrenabwehrrechts gemäß
Art. 70 Abs. 1 GG stützen lässt. Durch die Tangierung des Kompetenzbereiches
Rundfunkrecht stellt sich namentlich die Frage, ob der eingefügte Verbotstatbestand
dennoch vom einschlägigen Kompetenztitel für die originär glücksspielrechtlichen
Regelungen mit umfasst wird. Vor dem Hintergrund der ebenfalls in § 5 Abs. 3
GlüStV enthaltenen Werbeverbote für die Kommunikationsmedien Internet und Telekommunikationsanlagen spricht bereits Vieles dafür, diese als Teil der klar ordnungsrechtlich determinierten glücksspielrechtlichen Gesamtregelung vom einschlägigen Kompetenztitel mit umfasst anzusehen. Insoweit könnten die Werbeverbote der ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz kraft „enger Verzahnung“
einer Regelung mit einer bestimmten Kompetenzmaterie zugeordnet werden848. Eine
Teilregelung i.R.d. umfassenden Regelung eines Kompetenzbereiches, die andere
Kompetenzbereiche berührt, darf hiernach nicht isoliert betrachtet werden, sondern
bleibt bei enger Verzahnung mit der umfassend geregelten Materie Letzterer zugeordnet849. Das Fernsehwerbeverbot sowie die übrigen Werbeverbote als Teilregelungen dürfen folglich nicht aus ihrem Regelungszusammenhang gelöst und isoliert betrachtet werden, sondern müssen im Kontext des umfassenden Regelungskomplexes GlüStV gesehen werden850. Für das Fernsehwerbeverbot kommt zwar
auch eine Zuordnung zum Kompetenzbereich des Rundfunkrechts in Betracht. Aus
dem Regelungszusammenhang des GlüStV, der schwerpunktmäßig auf einem ordnungsrechtlich determinierten Präventionskonzept basiert lässt sich allerdings entnehmen, dass das Fernsehwerbeverbot als Ausfluss einer kohärenten Gesamt-
846 So auch Bethge, BayVBl. 2008, 97 (98).
847 So im Ergebnis auch Brugger, ZfWG 2008, 20 (21).
848 Vgl. Sachs-Degenhart, GG, Art. 70, Rn. 43.
849 Vgl. BVerfG NJW 1999, 1095 (1097); BVerfG NJW 1998, 1627 (1627); Sachs-Degenhart,
GG, Art. 70, Rn. 43 f.
850 Vgl. BVerfG NJW 1998, 1627 (1627).
191
regelung angesehen werden muss. Es dient vorrangig dem Ziel der Suchtprävention
und -begrenzung und ist damit unselbstständiger Teil der Gesamtregelung GlüStV.
Die enge Verzahnung mit den Zielen des GlüStV spricht daher eindeutig für eine
Zuordnung des Fernsehwerbeverbotes zum Kompetenztitel für das Gefahrenabwehrrecht gemäß Art. 70 Abs. 1 GG.
Würde man das Fernsehwerbeverbot entgegen der hier vertretenen Auffassung als
selbstständigen und nicht eng verzahnten Teil der Gesamtregelung ansehen, würde
die Regelungsmaterie dennoch der Ländergesetzgebungskompetenz unterfallen. Sie
wäre dann dem Kompetenzbereich Rundfunkrecht zuzuordnen, welcher hinsichtlich
der Regelungsmaterie „Rundfunkveranstaltung“ ebenfalls der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG unterfällt851.
III. Ergebnis
Der GlüStV und das in § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV enthaltene Fernsehwerbeverbot
sind kompetenzgemäß erlassen worden. Die Länder können sich für die zugrundeliegende Regelungsmaterie auf den ausschließlichen Kompetenztitel für das Gefahrenabwehrrecht gemäß Art. 70 Abs. 1 GG stützen. Dieser für die Glücksspielsektoren des Lotterie-, Sportwetten und Spielbankenrechts einschlägige Kompetenztitel deckt auch den Erlass des umfassenden Fernsehwerbeverbotes.
Mangels ersichtlicher anderweitiger formeller Fehler ist von der formellen Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV auszugehen.
C. Materielle Verfassungsmäßigkeit des Fernsehwerbeverbotes gemäß § 5 Abs. 3
Alt. 1 GlüStV
Nach Überprüfung der formellen Verfassungsmäßigkeit gilt es nun, § 5 Abs. 3 Alt. 1
GlüStV auf seine materielle Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen. Infolge des
rundfunkrechtlichen Bezuges der vorliegenden Untersuchung, ist zuvörderst die
Vereinbarkeit des Fernsehwerbeverbotes mit dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit
in ihrer speziellen Ausprägung als Programmfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG
zu prüfen. Aufgrund des für die privaten Fernsehveranstalter existentiellen Finanzierungsaspektes der Werbung ist das Verbot ebenfalls an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.
851 Vgl. BVerfGE 12, 205 (243, 249); Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, S. 146 ff.;
Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 6, Rn. 41; Hesse, Rundfunkrecht, 2. Kapitel, Rn. 4.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit zeichnet einen Querschnitt durch das Rundfunk- und Glücksspielrecht. Es erfolgt eine dezidierte und umfassende Darstellung der Systematik der Staatsaufsicht über die Landesmedienanstalten am Beispiel der Sportwettenwerbung im Privatfernsehen. Die in den Landesmediengesetzen der 16 Bundesländer normierten Aufsichtsmaßstäbe und Aufsichtsmittel werden rechtsvergleichend gegenübergestellt und in allen Einzelheiten erläutert. Sodann folgt eine Untersuchung der materiellrechtlichen Zulässigkeit von Sportwettenwerbung im Privatfernsehen, insbesondere nach Maßgabe des zum 01.01.2008 in Kraft getretenen Fernsehwerbeverbotes für Glücksspiele gemäß § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Verbotes werden detailliert erörtert und die Norm überdies auf ihre Verfassungs- und Europarechtskonformität überprüft.