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Eingriffsintensität beinhaltet - Gebrauch zu machen und nicht etwa direkt auf ein
sehr eingriffsintensives Mittel wie die Anweisung zu rekurrieren.
Letztlich muss die staatliche Rechtsaufsicht auch vor einer bereits anhängigen gerichtlichen Kontrolle aus Gründen der Subsidiarität zurücktreten357. Sie hat den
Ausgang des anhängigen Verfahrens abzuwarten.
III. Zusammenfassung der wesentlichen Untersuchungsergebnisse
Im Folgenden sind die wesentlichen Ergebnisse hinsichtlich der einfachgesetzlichen
Untersuchung der Staatsaufsichtsbestimmungen in den Landesmediengesetzen sowie hinsichtlich der verfassungsrechtlich vorgegebenen Beschränkungen der Staatsaufsicht kurz wiederzugeben.
1. Ergebnisse der einfachgesetzlichen Untersuchung
Die Untersuchung der einfachgesetzlichen Bestimmungen zur Staatsaufsicht hat ergeben, dass sämtliche Landesmediengesetze ausdrücklich nur eine Rechtsaufsicht,
hingegen keine Fachaufsicht vorsehen358.
Der Aufsichtsmaßstab der staatlichen Rechtsaufsicht erstreckt sich zumindest
immer auf die Überwachung der Einhaltung der Rundfunkgesetze sowie der allgemeinen Gesetze. Dies gilt auch für die Landesmediengesetze, welche die allgemeinen Gesetze nicht ausdrücklich in den Aufsichtsmaßstab einbeziehen359.
Als zulässige Aufsichtsmittel stehen der Rechtsaufsichtsbehörde Informationsund Auskunftsrechte, Hinweis- und Aufforderungsrechte sowie Weisungsrechte zur
Verfügung. Diese Aufsichtsmittel sind auch in den Ländern anzuwenden, deren Gesetze keinen expliziten Katalog an Aufsichtsmitteln vorsehen360. Das Aufsichtsmittel
der Ersatzvornahme ist im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes nur anwendbar,
wenn es ausdrücklich gesetzlich normiert ist361.
357 Knothe/Wanckel, DÖV 1995, 365 (369), die als Beispiel das Vorgehen anderer Landesmedienanstalten gegen eine Entscheidung der zuständigen Landesmedienanstalt mit bundesweiter Bedeutung anführen; a.A. Bornemann/Lörz, BayMG, Art. 19 n.F., Rn. 40.
358 Siehe Zweites Kapitel C. I. 1. a).
359 Siehe Zweites Kapitel C. I. 1. b).
360 Siehe Zweites Kapitel C. I. 3. a) aa)-cc).
361 Siehe Zweites Kapitel C. I. 3. a) dd).
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2. Ergebnisse der Untersuchung verfassungsrechtlicher Beschränkungen der
Staatsaufsicht
Die in den Landesmediengesetzen vorgesehene Rechtsaufsicht ist keine unbeschränkte, sondern kann unter Berücksichtigung der Staatsfreiheit des Rundfunks
nur beschränkte Rechtsaufsicht sein362. Eine Fachaufsicht ist per se verfassungswidrig.
Der verfassungsrechtlich zulässige Aufsichtsgegenstand erfasst auch den Programmbereich. Eine komplette Ausnahme des Programmbereichs vom zulässigen
Aufsichtsgegenstand ist verfassungsrechtlich nicht geboten363.
Der zulässige Aufsichtsmaßstab ist im programmlich neutralen Bereich unbeschränkt364. Vor dem Hintergrund des Staatsfreiheitsgebotes ist den Landesmedienanstalten im programmlichen Bereich bezüglich unbestimmter und wertungsoffener Rechtsbegriffe eine weitgehende Einschätzungsprärogative zuzuerkennen365. Zusätzlich ist der Aufsichtsmaßstab im Programmbereich auf eine Evidenzkontrolle zu beschränken366. Die Beschränkung des Aufsichtsmaßstabes auf Tatbestände, die konkrete Rechtspflichten begründen ist verfassungsrechtlich nicht geboten und würde im Ergebnis auch zu einer faktisch-partiellen Beschränkung des
Aufsichtsgegenstandes im Programmbereich führen367.
Die normierten Informations- und Auskunftsrechte, Hinweis- und Aufforderungsrechte sowie das Weisungsrecht sind verfassungsrechtlich uneingeschränkt zulässige
Aufsichtsmittel368. Wo einzelne Landesmediengesetze das Weisungsrecht in Programmangelegenheiten ausschließen, gehen sie über die verfassungsrechtlich erforderlichen Minimalanforderungen hinaus. Das Aufsichtsmittel der Ersatzvornahme
ist im Programmbereich nicht mit dem Staatsfreiheitsgebot vereinbar und mithin
verfassungswidrig369. Im außerprogrammlichen Aufgabenbereich der Landesmedienanstalten ist die Ersatzvornahme hingegen uneingeschränkt zulässig. Sofern
einige Landesgesetze die Möglichkeit der Ersatzvornahme in Programmangelegenheiten nicht explizit ausschließen, sind sie verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass eine Ersatzvornahme im Programmbereich nicht zulässig ist.
Aus dem System der Privatfunkaufsicht und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
ergibt sich das Erfordernis der Subsidiarität staatlicher Aufsicht370. Mithin kommt
der anstaltsinternen Kontrolltätigkeit absoluter Vorrang vor dem Tätigwerden der
362 Siehe Zweites Kapitel C. II. 3. a).
363 Siehe Zweites Kapitel C. II. 3. b) bb).
364 Siehe Zweites Kapitel C. II. 3. c) bb).
365 Siehe Zweites Kapitel C. II. 3. c) aa).
366 Siehe Zweites Kapitel C. II. 3. c) bb).
367 Siehe Zweites Kapitel C. II. 3. c) aa).
368 Siehe Zweites Kapitel C. II. 3. d) aa)-cc).
369 Siehe Zweites Kapitel C. II. 3. d) dd).
370 Siehe Zweites Kapitel C. II. 4. a).
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Staatsaufsicht zu. Der Subsidiaritätsgrundsatz ist außerdem bei der Wahl der Aufsichtsmittel zu berücksichtigen371.
IV. Erste Konsequenzen für ein rechtsaufsichtliches Einschreiten gegen Sportwettenwerbung im Programm privater Fernsehveranstalter
Den gefundenen Untersuchungsergebnissen zur Staatsaufsicht über die Landesmedienanstalten können bereits erste Konsequenzen für ein rechtsaufsichtliches Einschreiten gegen Sportwettenwerbung im Programm privater Fernsehveranstalter
entnommen werden.
Sollte es sich - was im folgenden Kapitel zu untersuchen ist - bei der Werbung für
Sportwetten um einen Bestandteil des Rundfunkprogrammes handeln, welches dem
Schutzbereich der Rundfunkfreiheit in Form der Programmfreiheit unterfällt, so wäre die Werbung als Programmangelegenheit i.S.d. Staatsaufsichtsrechts zu qualifizieren. Damit würde ein rechtsaufsichtliches Einschreiten gegen Sportwettenwerbung den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Beschränkungen unterliegen.
Die staatliche Rechtsaufsicht könnte mithin nur dann gegenüber der zuständigen
Landesmedienanstalt zwecks Unterbindung oder Einschränkung von Sportwettenwerbung tätig werden, wenn das Werbeangebot im Programm der Privatsender einen evidenten Rechtsverstoß darstellen und die Landesmedienanstalt zur Beseitigung und Unterlassung des Verstoßes keine Maßnahmen ergreifen würde.
Als zulässige Aufsichtsmittel stünden der Staatsaufsicht in diesem Falle Auskunfts- und Informationsrechte, Hinweis- und Aufforderungsrechte sowie das Weisungsrecht zur Verfügung. Eine Ersatzvornahme und mithin ein direktes Tätigwerden gegenüber dem ausstrahlenden Sender wäre verfassungsrechtlich zwingend
ausgeschlossen.
Im Hinblick auf den Subsidiaritätsgrundsatz wäre ein zulässiges staatsaufsichtliches Einschreiten nur im Falle evident rechtsmissbräuchlichen Untätigbleibens der
zuständigen Landesmedienanstalt denkbar.
371 Siehe Zweites Kapitel C. II. 4. b).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit zeichnet einen Querschnitt durch das Rundfunk- und Glücksspielrecht. Es erfolgt eine dezidierte und umfassende Darstellung der Systematik der Staatsaufsicht über die Landesmedienanstalten am Beispiel der Sportwettenwerbung im Privatfernsehen. Die in den Landesmediengesetzen der 16 Bundesländer normierten Aufsichtsmaßstäbe und Aufsichtsmittel werden rechtsvergleichend gegenübergestellt und in allen Einzelheiten erläutert. Sodann folgt eine Untersuchung der materiellrechtlichen Zulässigkeit von Sportwettenwerbung im Privatfernsehen, insbesondere nach Maßgabe des zum 01.01.2008 in Kraft getretenen Fernsehwerbeverbotes für Glücksspiele gemäß § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Verbotes werden detailliert erörtert und die Norm überdies auf ihre Verfassungs- und Europarechtskonformität überprüft.