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Erstes Kapitel: Einleitung
A. Einführung und Problemaufriss
Die Materien des Rundfunk- und des Glücksspielrechts stehen miteinander in keinem unmittelbaren Zusammenhang. Dennoch ergibt sich eine Verzahnung der beiden Rechtsgebiete durch die enorme Breitenwirkung des Mediums Fernsehen auf
nahezu alle in der Bundesrepublik Deutschland lebenden gesellschaftlichen Schichten. Der TV-Markt überrascht mit immer neuen Innovationen, sei es im Bereich
neuartiger Technologien für Fernsehgeräte, die das altbewährte Röhrenfernsehgerät
zunehmend aus den Haushalten verdrängt. Sei es aber auch im Bereich der Verbreitung von Rundfunkprogrammen, wo die Umstellung zur digitalen Technologie nicht
mehr aufzuhalten ist. Als Stichwort sei hier exemplarisch nur das digitale Antennenund Satellitenfernsehen genannt. Durch die Nutzung des Fernsehens in nahezu allen
Haushalten erfolgt eine nicht unbeträchtliche Beeinflussung der Meinungsbildung
durch eben dieses Medium. Meinungsbildung erfolgt dabei nicht nur mittels Nachrichtensendungen, sondern zunehmend auch mittels Werbung für bestimmte Produkte und Dienstleistungen. Auch staatliche und private Sportwettenanbieter haben sich
in der Vergangenheit der Bewerbung ihrer Dienstleistungen im Fernsehen mehr oder
weniger extensiv bedient. Einer extensiven „Vermarktung“ von Glücksspielen im
Massenmedium Fernsehen kommt dabei eine nicht unbeträchtliche Anreizwirkung
zu. Die Suggestivkraft des Fernsehens ist grundsätzlich geeignet der Entstehung von
problematischem Spielverhalten bei Minderjährigen wie Erwachsenen Vorschub zu
leisten. Das strikt ordnungsrechtlich ausgestaltete Regelwerk des Staatsvertrages
zum Glücksspielwesen1 kommt deshalb nicht umhin, gerade die Reglementierung
der Fernsehwerbung im Rahmen eines konsequenten Präventionskonzeptes in seinen
Anwendungsbereich einzubeziehen.
An dieser Schnittstelle zwischen Rundfunk- und Glücksspielrecht bilden zwei
verwaltungsgerichtliche Judikate, die noch noch vor Inkrafttreten des GlüStV ergangen sind, den Anstoß der folgenden Untersuchung.
Aus dem Bereich des Rundfunkrechts stellten sich grundsätzliche Fragen zu
Reichweite, Umfang und Intensität der Staatsaufsicht über die Landesmedienanstalten hinsichtlich der Werbung im Programm privater Rundfunkveranstalter. Andererseits wurden aber auch Fragen der behördlichen Zuständigkeit für die Programm-
überwachung erörtert.
Darüber hinaus sind grundlegende Rechtsfragen im Bereich des Glücksspielrechts
von Bedeutung; insbesondere die Behandlung von Werbung für Angebote privater
Sportwettanbieter, gerade nach dem Grundsatzurteil des BVerfG vom 28.03.20062.
1 Im Folgenden GlüStV.
2 BVerfG NJW 2006, 1261 ff.
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Hier stellen sich vor allem Fragen von Verstößen gegen landesrechtliche Erlaubnistatbestände. Die relevanten Normen des GlüStV und des Strafgesetzbuches3 unterfallen grundsätzlich dem Begriff der allgemeinen Gesetze, deren Einhaltung nach §
41 Abs. 1 und 3 des Rundfunkstaatsvertrages4 zumindest für den bundesweit verbreiteten Runfunk sicherzustellen ist.
Dabei hatte die Entscheidung des VG Berlin vom 27.11.20065 - eines der oben
genannten Judikate - eine Verfügung des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten zum Gegenstand, in der dieses einem privaten Rundfunkveranstalter
auf Grundlage des allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsrechts die Ausstrahlung
der Sportwettenwerbung eines im EU-Ausland konzessionierten Sportwettenveranstalters in seinem Radioprogramm untersagte. Hier stand, abgesehen von den glücksspielrechtlichen Fragestellungen, eindeutig die rundfunkrechtliche Problematik der
Zuständigkeit für aufsichtliche Maßnahmen gegenüber privaten Rundfunkveranstaltern im Vordergrund. Diesbezüglich stellte das VG Berlin die sachliche Unzuständigkeit der handelnden Ordnungsbehörde fest6 und wies darauf hin, dass es allein
der zuständigen Landesmedienanstalt obliegt, die Einhaltung der staatsvertraglichen
Bestimmungen in Rundfunkprogrammen privater Rundfunkveranstalter - wozu auch
die Werbung zähle - zu überwachen7.
In der Zweiten der anfangs genannten Entscheidungen hatte der VGH Bayern
darüber zu befinden, inwieweit das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft,
Forschung und Kunst befugt ist, die Bayerische Landeszentrale für neue Medien
(BLM) anzuweisen, Sportwettenwerbung in den von ihr verantworteten Programmen8 zu unterbinden9. Der Entscheidung des VGH lag eine im Programm des bundesweit ausgestrahlten Senders „Deutsches Sportfernsehen“ (DSF) laufende Werbung des privaten Sportwettveranstalters „bwin“10 vormals „BETandWIN“ zugrunde. Das Gericht stellte hier vorrangig auf die Klärung der rundfunkspezifischen Frage der Reichweite der staatlichen Rechtsaufsicht ab und ob diese in Programmange-
3 Im Folgenden StGB.
4 Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien – Rundfunkstaatsvertrag (RStV) – vom 31. August 1991 in der Fassung des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 31. Juli bis 10.
Oktober 2006, der am 01. März 2007 in Kraft tritt. Im Folgenden RStV.
5 VG Berlin ZUM-RD 2007, 51 ff.
6 VG Berlin ZUM-RD 2007, 51 (51).
7 VG Berlin ZUM-RD 2007, 51 (52).
8 Die Tatsache, dass die BLM Programme veranstaltet unterscheidet sie grundlegend von den
Landesmedienanstalten der anderen Bundesländer. Gemäß Art. 111a Abs. 2 BayVerf wird
auch privater Rundfunk in Bayern allein in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft durch die BLM
veranstaltet; hierzu von Coelln, jurisPR-ITR 3/2007, Anm. 6.
9 VGH Bayern ZUM 2007, 239 ff.; hierzu von Coelln, jurisPR-ITR 3/2007, Anm. 6; vorgehend
VG München ZUM 2007, 72 ff.
10 Der Sportwettenveranstalter „bwin“ ist einer von insgesamt vier in Deutschland tätigen privaten Sportwettunternehmen. Diese verfügen über eine im Jahre 1990 von den Gewerbebehörden der DDR auf Grundlage des damaligen DDR-Gewerbegesetzes erteilte Genehmigung
zum gewerblichen Betrieb von Sportwettunternehmen. „bwin“ und „Internetwetten“ in Sachsen, „Sportwetten Gera“ in Thüringen und „Wetten digibet“ in Berlin.
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legenheiten, sofern die Sportwettenwerbung vom Begriff der Programmangelegenheiten erfasst wird, ausgeschlossen ist. Eine straf- und ordnungsrechtliche Bewertung der materiellrechtlichen Zulässigkeit der Werbung erfolgte nicht, da bereits die
rechtsaufsichtliche Weisung nach der vom Gericht vertretenen Rechtsauffassung einen unzulässigen staatlichen Eingriff in die Programmangelegenheiten darstellte und
mithin rechtswidrig war11.
Bereits die dargestellten Entscheidungen zeigen, dass sich im Bereich der Rundfunkwerbung für Sportwetten vielschichtige Rechtsprobleme stellen, zu deren Beantwortung die folgende Untersuchung einen Beitrag leisten soll.
B. Gang der Untersuchung
Wie bereits der Titel der Arbeit erkennen lässt, soll die grundsätzliche Systematik
und Reichweite der Staatsaufsicht über die Landesmedienanstalten, bezogen auf das
konkrete Beispiel der Sportwettenwerbung im Programm privater Fernsehveranstalter erläutert werden. Somit bleibt sowohl die rechtliche Bewertung der Sportwettenwerbung im Bereich des privaten Hörfunks12, als auch im Bereich des öffentlichrechtlichen Rundfunks außer Betracht. Daneben bedarf, nach der bereits angesprochenen Grundsatzentscheidung des BVerfG zum Sportwettenrecht13, die materiellrechtliche Bewertung der Sportwettenwerbung einer näheren Untersuchung. Es gilt
daher die folgenden Problemkomplexe in der nun dargestellten Reihenfolge rechtlich aufzuarbeiten:
1. Zunächst ist die grundsätzliche Systematik der Rundfunkaufsicht hinsichtlich privater Rundfunkveranstalter im Verhältnis Staat – Landesmedienanstalten - Private Rundfunkanbieter zu erörtern.
2. Sodann bedürfen Intensität, Reichweite und Grenzen der staatlichen Aufsicht über die Landesmedienanstalten einer eingehenden Erörterung. Zu
klären ist hier insbesondere, inwieweit eine staatliche Aufsicht im Bereich
der Programmangelegenheiten als zulässig anzusehen ist und ob gar von
einem völligen Ausschluss der Staatsaufsicht in Programmangelegenheiten
auszugehen ist.
3. Des weiteren ist zu Fragen, ob die Werbung und insbesondere die Sportwettenwerbung ebenfalls als Teil des Programms anzusehen und damit dem
Zugriff der staatlichen Rechtsaufsicht, sollte diese in Programmangelegenheiten eingeschränkt bzw. ausgeschlossen sein, entzogen ist.
4. Nach der Aufarbeitung der spezifisch rundfunkrechtlichen Fragen zur
Staatsaufsicht ist eine materiellrechtliche Bewertung der Sportwettenwerbung vorzunehmen. Nach einem kurzen Überblick über die Rechtslage vor
11 VGH Bayern ZUM 2007, 239 (242 f.).
12 Diese folgt indes grundsätzlich den gleichen Strukturen.
13 BVerfG NJW 2006, 1261 ff.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit zeichnet einen Querschnitt durch das Rundfunk- und Glücksspielrecht. Es erfolgt eine dezidierte und umfassende Darstellung der Systematik der Staatsaufsicht über die Landesmedienanstalten am Beispiel der Sportwettenwerbung im Privatfernsehen. Die in den Landesmediengesetzen der 16 Bundesländer normierten Aufsichtsmaßstäbe und Aufsichtsmittel werden rechtsvergleichend gegenübergestellt und in allen Einzelheiten erläutert. Sodann folgt eine Untersuchung der materiellrechtlichen Zulässigkeit von Sportwettenwerbung im Privatfernsehen, insbesondere nach Maßgabe des zum 01.01.2008 in Kraft getretenen Fernsehwerbeverbotes für Glücksspiele gemäß § 5 Abs. 3 Alt. 1 GlüStV. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Verbotes werden detailliert erörtert und die Norm überdies auf ihre Verfassungs- und Europarechtskonformität überprüft.