332 Kapitel 9: Repatriierungshindernisse im U.S.-amerikanischen Steuerrecht
ten.1428 Auf diesem Wege kann ein U.S.-amerikanischer Konzern sich die
EU-Richtlinien zunutze machen und ihre EU-Tochtergesellschaften quellensteuerfrei finanzieren. Die entsprechende Struktur wird in Kapitel 10
dargestellt.
Da multinationale U.S.-amerikanische Unternehmen oft immaterielle
Wirtschaftsgüter in ausländischen Tochtergesellschaften halten,1429 besteht
die Gefahr, dass diese Strukturierung in den Anwendungsbereich der Subpart F-Regeln fällt. Daher ist es wichtig, dass in der internationalen Steuerplanung mit Holdinggesellschaften darauf geachtet wird, dass die immateriellen Wirtschaftsgüter Teil einer wirtschaftlichen Geschäftstätigkeit
außerhalb der Vereinigten Staaten sind.1430
Immer wieder wird in den Vereinigten Staaten darüber diskutiert, die
Subpart F-Regeln abzuschaffen oder zu ersetzen. 1431 Da die Regeln aber
ein Kompromiss sind, würde eine Abschaffung oder Ersetzung eine grundlegende Reform des U.S.-amerikanischen internationalen Steuerrechts erfordern. Ein Vorschlag ist die Aufgabe des Welteinkommensprinzips zugunsten eines territorialen Steuersystems.1432
II. Anrechnungssystem (Foreign Tax Credit System)
Das U.S.-amerikanische Anrechnungssystem (Foreign Tax Credit System
oder FTC- System) ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die Abschirmung
von Einkünften (deferral) ein wichtiges Ziel der U.S.-amerikanischen
1428 Endres/Dorfmüller, Holdingstrukturen in Europa, Praxis Internationale Steuerberatung 2001, 94, 96.
1429 Zur Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern, Miyatake, Transfer Pricing
and Intangibles – General Report, in: International Fiscal Association, Cahiers de
Droit Fiscal International, 2007, S. 17, 28-31.
1430 Rubinger/Sherman, Holding Intagibles Offshore May Produe Tangible U.S. Tax
Benefits, Tax Notes International 2005d, Vol. 37, 907, 914.
1431 Sweitzer, Analyzing Subpart F in Light of Check-the-Box, Akron Tax Journal 2005,
Vol. 20, 1, 12ff.; Sheppard, Looking Through the New Look-Thru Rule, Tax Notes
2006, 295; o.V., New Tax Law Makes Myriad Changes, Journal of Taxation 2006,
Vol. 104, 323; Ward, An Overview of the Tax Increase Prevention and Reconciliation Act of 2005, Practical Tax Lawyer 2006, Vol. 20, 7; Ocasal/Lubkin, New
TIPRA CFC Look-Through Rule, Journal of International Taxation 2006, Vol. 17,
10; Greenwald/Rubinger, CFC Look-Through: Needed Clarification, Abuses Shut
Down, Tax Notes 2007, Vol. 114, 841-846; American Bar Association, International Tax Reform: Objectives and Overview, Tax Notes International 2006, Vol. 43,
317, 271; Calianno/Gregoire, CFC Restructuring and Disposition, Journal of International Taxation 2001, Vol. 12, October, 34, 36.
1432 In diesem Sinne, Sweitzer, Analyzing Subpart F in Light of Check-the-Box, Akron
Tax Journal 2005, Vol. 20, 1, 31, 32.
II. Anrechnungssystem (Foreign Tax Credit System) 333
internationalen Steuerplanung ist.1433 Seit 19181434 fungiert das FTC-System als Eckpfeiler des U.S.-amerikanischen internationalen Steuerrechts.1435 Es ist zugleich das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen anglo-amerikanischen Steuersystemen und allen anderen Steuersystemen.1436 Das FTC-System basiert auf dem Gedanken der Kapitalexportneutralität,1437 wonach sowohl inländische als auch ausländische
Investitionen, die die gleiche Vorsteuerrendite erwirtschaften, auch die
gleiche Nachsteuerrendite erzielen müssen.1438 Somit ist es aus steuerlicher
Sicht gleichgültig, ob im Inland oder im Ausland investiert wird, da alle
Einkünfte mindestens mit dem gesetzlichen U.S.-amerikanischen Körperschaftsteuersatz von 35% versteuert werden müssen. Dadurch wird das
Ziel verfolgt, eine effiziente Allokation des Kapitals zu bewirken.1439
Die Vereinigten Staaten nutzen das FTC-System sowohl unilateral als
auch bilateral über eine Verweisung in Doppelbesteuerungsabkommen, in
denen sie sich das Recht vorbehalten, ihr Anrechnungssystem einzusetzen.
Das FTC-System, welches in § 901 IRC bis § 908 IRC verankert ist, besteuert zwar die weltweiten Einkünfte einer unbeschränkt steuerpflichtigen
1433 Ruchelman/van Asbeck/Canalejo u.a., A Guide to European Holding Companies
Part 1, Journal of International Taxation 2000, August, 38.
1434 Zur Historie des FTC-Systems, Pollack/Marwick, Economics of Avoiding Double
Taxation of Foreign Source Income, U.S. Taxation of International Operations,
1996, 5051, 5056-5058.
1435 Im Detail, Bittker/Eustice, Federal Income Taxation of Corporations and Shareholders, 2005, Ch. 15.21ff.; McDaniel/Ault/Repetti, Introduction to United States
International Taxation, 2005, S. 87-111. Ferner, Graetz, Foundations of International Income Taxation, 2003, S. 157; Larkins, Double Tax Relief for Foreign
Income, Virginia Tax Review 2001, Vol. 21, Fall, 233, 239; Styron, Planning for
the U.S. Foreign Tax Credit or Foreign Tax Deduction, Tax Notes International
2007, Vol. 46, 285; Postlewaite/Donaldson, International Taxation – Corporate and
Individual, 2003, Ch. 6, S. 147- 211.
1436 Einen Rechtsvergleich der Systeme zur Vermeidung von Doppelbesteuerung bietet
Larkins, Double Tax Relief for Foreign Income, Virginia Tax Review 2001, Vol.
21, Fall, 233, 251ff. Ferner, Bouma, Host Country United States, in: Tax Management International Forum, The Definition and Taxation of Dividends, 2007, 66-72.
1437 Dieses Konzept wurde entwickelt von Musgrave, United States Taxation of
Foreign Investment Income, 1969. Aus moderner Sicht, Hines, The Case against
Deferral, National Tax Journal 1999, Vol. 52, No. 3, 385, 395-400. Ferner, Rivera
Castillo, Tax Competition and The Future of Panama's Offshore Center, Tax Notes
International 2007, Vol. 29, 73-74; Doernberg, International Taxation in a Nutshell, 2007, § 1.04. Ferner, Fuest/Huber/Mintz, Capital Mobility and Tax Competition, 2005, S. 7-8.
1438 Avi-Yonah, Globalization, Tax Competition, And the Fiscal Crisis of the Welfare
State, Harvard Law Review 2000, Vol. 113, May, 1573, 1604-1606; Larkins, Double Tax Relief for Foreign Income, Virginia Tax Review 2001, Vol. 21, Fall, 233,
248-250; Dagan, National Interest in the International Tax Game, Virginia Tax
Review 1998, Vol. 18, Fall, 363, 367.
1439 Doernberg, International Taxation in a Nutshell, 2007, § 1.04.
334 Kapitel 9: Repatriierungshindernisse im U.S.-amerikanischen Steuerrecht
Person, rechnet aber die im Ausland gezahlten Quellensteuern (Direct
FTC) bzw. die von der ausschüttenden ausländischen Tochtergesellschaft
gezahlten Ertragsteuern (Indirect FTC) an, um die Gesamtsteuerbelastung
auf das U.S.-amerikanische Besteuerungsniveau von 35% heraufzuschleusen.1440 Ein Problem besteht allerdings darin, dass nur im Ausland gezahlte
Ertragsteuern (income taxes) anrechenbar sind.1441
Das FTC-System beinhaltet für die Repatriierungsplanung zwei Nachteile:
Erstens, am Ende des Repatriierungsprozesses wird die Steuerbelastung stets bei mindestens 35% liegen und damit oft höher als ohne Repatriierung und
zweitens, durch Anrechnungsüberhänge kann die Gesamtsteuerbelastung deutlich über 35% liegen.1442
Anrechnungsüberhänge entstehen, wenn die ausländischen Steuerzahlungen die Steuern übersteigen, die nach U.S.-amerikanischer Steuerermittlung auf die ausländischen Einkünfte zu zahlen sind.1443 Die Anrechnungsüberhänge können nicht mit U.S.-amerikanischen Körperschaftsteuern oder inländischen Einkünften verrechneten werden. Sie können jedoch
grundsätzlich verrechnet werden (Cross-Crediting oder Worldwide Averaging), da es keinerlei Per-Country Limitation gibt. Das bedeutet, dass
Anrechnungsüberhänge von einer ausländischen Einkunftsquelle mit der
U.S.-amerikanischen Steuerschuld aus einer anderen ausländischen Einkunftsquelle verrechnet werden können.1444 Außerdem können Anrechnungsüberhänge ein Jahr zurück und 10 Jahre vorgetragen werden
(§ 904(c) IRC).
Das FTC-System erfordert für die Zwecke der Repatriierungsplanung
eine andere Herangehens- und Sichtweise als in anderen Bereichen der internationalen Steuerplanung. Denn Steuern, die im Laufe des Repatriierungsprozesses anfallen, sind solange kein Problem, solange sie in den
Vereinigten Staaten angerechnet werden können.1445 Aus diesem Grunde
1440 Ault, U.S. exemption/territorial system vs. credit-based system, Tax Notes International 2003, Vol. 32, 725-729; Gosain, How to Identify Creditable Foreign
Taxes, U.S. Taxation of International Operations, 23.3.2005, 5471, 5472. Ferner,
Altshuler/Newlon, The Effects of U.S. Tax Policy (1993), NBER Working Paper
No. 3925,6.
1441 Desai/Foley/Hines, Repatriation Taxes and Dividend Distortions, National Tax
Journal 2001, Vol. 54, No. 4, 829, 831.
1442 Graetz, Foundations of International Income Taxation, 2003, S. 158.
1443 Hartzell/Titman/Twite, Why do forms hold so much cash ? (2005), AFA 2006 Boston Meetings Paper, S. 5.
1444 Siehe Bittker/Eustice, Federal Income Taxation of Corporations and Shareholders,
2005, 15.21[3].
1445 Über das Management der FTC-Positionen, Calianno/Cornett, Guardian Revisited: Proposed Regs Attack Guardian and Reverse Hybrids, Tax Notes International
2006, Vol. 44, 305.
II. Anrechnungssystem (Foreign Tax Credit System) 335
liegt das Hauptaugenmerk der U.S.-amerikanischen Repatriierungssteuerplanung auf der Vermeidung von Anrechnungsüberhängen. Daher bewertet
die U.S.-amerikanische Steuerplanung jeden ausländischen Steueranreiz
unter dem Gesichtspunkt, ob dieser geeignet ist, hochversteuerte und niedrigversteuerte ausländische Einkünfte auszugleichen.1446 In der Praxis wird
dafür eine sog. Mixer Holding Company eingesetzt.1447
Die Anrechnung unterliegt vor allem den folgenden beiden Beschränkungen:
der Anrechnungsbetrag wird nur bis zu einem Steuersatz von 35% gewährt (Overall Limitation);
die Basket Limitation beschränkt die Anrechnung hinsichtlich der
Einkunftskategorie, wodurch ein Cross-Crediting zwischen aktiven
und passiven Einkünften nicht möglich ist.1448
A. Overall-Limitation
Die ausländischen Steuern dürfen maximal nur bis zu dem Betrag angerechnet werden, der sich aus der U.S.-amerikanischen Steuerberechnung
für die zugrundliegenden ausländischen Einkünfte ergibt (§ 904(a) IRC).
Ein Überschreiten dieser Overall-Limitation führt zu den oben beschriebenen Anrechnungsüberhängen.
B. Basket Limitation
Als eine zweite Beschränkung fungiert das sog. Basket System, das vor
allem der Erosion des U.S.-amerikanischen Steuersubstrats entgegenwirken soll.1449 Das Basket System wird als zu komplex und ineffizient kritisiert.1450
Vor dem Jahr 2007 gab es neun unterschiedliche Einkunftsgruppen (baskets).1451 Im Jahre 2007 wurden diese auf zwei reduziert. Diese bestehen
gem. § 904(d)(1) IRC aus:
1446 Kudrle/Eden, The Campaign Against Tax Havens: Will It Last? Will It Work?,
Stanford Journal of Law, Business and Finance 2003, Vol. 9, Autumn, 39.
1447 Siehe Kapitel 10(III.).
1448 Clausing/Avi-Yonah, Reforming Corporate Taxation in a Global Economy, 2007,
The Hamilton Project, Discussion Paper 2007-08, S. 6.
1449 McDaniel/Ault/Repetti, Introduction to United States International Taxation, 2005,
S. 109, 111.
1450 Siehe Hines, Statement Before the Senate Finance Committee on July 15, 2003,
S. 5.
1451 Im Detail, McDaniel/Ault/Repetti, Introduction to United States International
Taxation, 2005, S. 98-111.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die internationale Steuerplanung mit Holdinggesellschaften ist für multinationale Konzerne häufig lohnenswert. Allerdings gilt es vielerlei Fallstricke zu beachten. Der Autor stellt nicht nur die Grundlagen dieser Art von Steuerplanung dar, sondern präsentiert Strukturen, die sowohl für Praktiker als auch für Wissenschaftler von großem Interesse sind.
Spätestens wenn ein U.S.-amerikanischer Investor einen Gewinn in Deutschland realisiert hat, muss er eine Entscheidung darüber treffen, wie er den Gewinn verwendet. Hierfür gibt es drei Alternativen: Erstens, den Gewinn in Deutschland oder Europa zu reinvestieren, um diesen von der U.S.-amerikanischen Besteuerung abzuschirmen, zweitens, den Gewinn aus Europa heraus in einen Drittstaat zu leiten, um ihn dort zu investieren und von der U.S.-amerikanischen Besteuerung abzuschirmen oder drittens, die Gewinne in die Vereinigten Staaten zu repatriieren. Für die letzte Option gibt es gute Gründe. Diesen widmet sich das Werk, indem es zwei Dutzend Holdingstandorte analysiert, die eine steueroptimale Repatriierung von U.S.-Gewinnen aus Deutschland ermöglichen.
Die Dissertation wurde mit dem Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2009, dem Rudolf-Haufe-Nachwuchsförderpreis 2009 und dem Esche Schümann Commichau Förderpreis 2009 ausgezeichnet.