194 Kapitel 7: Holdingstandorte
Aus der Zusammenschau dieser Fälle lassen sich folgende Lehren ableiten. Nationale Anti-Missbrauchsvorschriften sind nur im Einklang mit europarechtlichen Vorgaben, wenn
sie eine Prüfung von Fall zu Fall zulassen;804
sich auf die Bekämpfung rein künstlicher Gestaltungen beschränken
und
dem Steuerpflichtigen ein Gegenbeweisrecht einräumen,805 weil ansonsten die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung nicht gewahrt
ist.806
Darüberhinaus dürfen Anti-Missbrauchsvorschriften nicht die Vorgaben in
Art. 1 Abs. 2 Mutter-Tochter-Richtlinie807 und
Art. 11 Abs. 1a Fusionsrichtlinie808
überschreiten.
J. Körperschaftsteuersätze, Gesellschaft- bzw. Stempelsteuer
Durch das sog. Tax Rate Shopping 809 wird es dem Steuerpflichtigen ermöglicht, in den Grenzen der CFC-Regeln810 und anderer Anti-Missbrauchsvorschriften, die Vorzüge des globalen Steuerwettbewerbs zu nutzen. Aus
Sicht eines multinationalen U.S.-amerikanischen Unternehmens gibt es
jedoch das Problem, dass der Vorteil niedrigbesteuerter ausländischer Einkünfte im Zeitpunkt der Repatriierung durch das Anrechnungssystem egalisiert wird. Daher spielen die Körperschaftsteuersätze in den Holdingstandorten im Rahmen der Repatriierung nur dann eine Rolle, wenn
diese höher als 35% sind und daher Anrechnungsüberhänge geschaffen
werden. Allerdings wendet keiner der vorgestellten Holdingstandorte
einen höheren Körperschaftsteuersatz als die Vereinigten Staaten an. Ein
weiterer Grund, warum der Körperschaftsteuersatz des Holdingstandortes
kein vorrangiges Kriterium bildet, ist die grundsätzlich weitgehende Frei-
804 Vgl. EuGH v. 17. Juli 1997, C-28/95 (Leur-Bloem), Tz. 40-45.
805 EuGH v. 12. September 2006 – C-196/04 (Cadbury Schweppes), Tz. 51; EuGH v.
1. März 2007 – C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Tz.
72, 74. Ferner, Aitken, The »Thin Cap« End of the Wedge?, Tax Planning International Review 2006, Vol. 33, August, 12.
806 Im Detail, Zalasinski, Case-Law-Based Anti-Avoidance Measures in Conflict with
Proportionality Test, European Taxation 2007, 571-576.
807 Siehe Kapitel 6(II.)(B)(a.)(aa.).
808 Siehe Kapitel 6(II.)(B)(a.)(cc.) und Gille, Missbrauchstypisierungen im neuen
Umwandungssteuerrecht, IStR 2007, 194, 195.
809 Kessler, Überlegungen zur Standortwahl einer Euro-Holding aus steuerlicher
Sicht, in: Fischer, Grenzüberschreitende Aktivitäten deutscher Unternehmen und
EU-Recht, 1997, S. 130, 152.
810 Im deutsch-amerikanischen Kontext vor allem. §§ 951-964 IRC und §§ 7-14 AStG.
III. Standortfaktoren 195
stellung typischer Holdingeinkünfte wie Dividenden und Veräußerungsgewinne.
Relevanter als der Körperschaftsteuersatz ist daher die Tatsache, ob der
jeweilige Holdingstandort eine Gesellschaft- bzw. Stempelsteuer (capital
duty/stamp duty) erhebt, d.h. den Erwerb von Gesellschaftsanteilen und die
Einlage von Kapital besteuert (z.B. Österreich, Schweiz, Luxemburg).
Meist ist es durch bestimmte Strukturen möglich, diese Steuer zu vermeiden811 Allerdings haben diese Maßnahmen Einfluss auf die Gesamtstruktur, so dass Gesellschaftsteuern im Voraus in die Planung der Strukturen
einbezogen werden müssen. Die europarechtlichen Rahmenbedingungen
bestimmt die Richtlinie 69/335 EEC vom 17. Juli 1969. In Deutschland
wurde die Gesellschaftsteuer im Jahre 1992 abgeschafft.
K. Besteuerung der Arbeitnehmer sowie Steuerklima
Ein untergeordnetes Kriterium für die Wahl eines geeigneten Holdingstandortes ist die Besteuerung der Arbeitnehmer.812 Von besonderer
Relevanz ist dieser Faktor nur, wenn die Holdinggesellschaft ihr Personal
auch aus hochqualifizierten Expatriates aus dem Ausland rekrutiert.813
Eine zu hohe Steuerlast wirkt für diese entweder abschreckend oder muss
durch höhere Gehaltsvereinbarungen kompensiert werden. Eine besondere
Attraktivität entfaltet die günstige Besteuerung von Arbeitnehmern in
Irland.814 Die Besteuerung von Arbeitnehmern ist nicht der einzige Anreiz
für Mitarbeiter. Vielmehr spielen auch die Lebensqualität und das
Arbeitsumfeld eine gewichtige Rolle. Diese Faktoren hatten einen Einfluss
darauf, dass Kraft Foods und Google ihre Europazentralen jüngst von
Wien nach Zürich verlegt haben.815
811 Z.B. in Österreich, Schindler, Austrian Grandparent Contributions and Capital
Duty, Tax Notes International 2007, Vol. 48, 385-386.
812 Siehe Elschner/Overesch, Die steuerliche Standortattraktivität für Investitionen
und hochqualifizierte Arbeitskräfte im internationalen Vergleich, DB 2006,
1017ff.; Elschner/Lammersen/Overesch u.a., The Effective Tax Burden of Companies and on Highly Skilled Manpower, 2005, S. 5, 7, 9, 15;
813 Einen umfassenden Überblick gibt die Studie von PriceWaterhouseCoopers/Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, International Taxation of Expatriates,
2005, S. 3 ff.
814 Mutscher/Power, Steuerliche Konsequenzen und Gestaltungsüberlegungen bei der
Entsendung von Mitarbeitern nach Irland, IStR 2002, 411-416; Fischer-Zernin/
Medlar, Irland, in: Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, 2003,
Rn. 18-53; Alberts, Das Steuerrecht Irlands 2005/2006, Internationale Wirtschaftsbriefe 2006, Gruppe 2, Fach 5, 87; Haccius, Ireland in International Tax Planning,
2004, Ch. 14.;
815 Höller, Der Steuermagnet verliert seine Kraft, Financial Times Deutschland v.
31.1.2007, S. 12. Zur selben Zeit hat IBM seine europäischen Angelegenheiten auf
Zürich und Madrid konzentriert.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die internationale Steuerplanung mit Holdinggesellschaften ist für multinationale Konzerne häufig lohnenswert. Allerdings gilt es vielerlei Fallstricke zu beachten. Der Autor stellt nicht nur die Grundlagen dieser Art von Steuerplanung dar, sondern präsentiert Strukturen, die sowohl für Praktiker als auch für Wissenschaftler von großem Interesse sind.
Spätestens wenn ein U.S.-amerikanischer Investor einen Gewinn in Deutschland realisiert hat, muss er eine Entscheidung darüber treffen, wie er den Gewinn verwendet. Hierfür gibt es drei Alternativen: Erstens, den Gewinn in Deutschland oder Europa zu reinvestieren, um diesen von der U.S.-amerikanischen Besteuerung abzuschirmen, zweitens, den Gewinn aus Europa heraus in einen Drittstaat zu leiten, um ihn dort zu investieren und von der U.S.-amerikanischen Besteuerung abzuschirmen oder drittens, die Gewinne in die Vereinigten Staaten zu repatriieren. Für die letzte Option gibt es gute Gründe. Diesen widmet sich das Werk, indem es zwei Dutzend Holdingstandorte analysiert, die eine steueroptimale Repatriierung von U.S.-Gewinnen aus Deutschland ermöglichen.
Die Dissertation wurde mit dem Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2009, dem Rudolf-Haufe-Nachwuchsförderpreis 2009 und dem Esche Schümann Commichau Förderpreis 2009 ausgezeichnet.