III. Standortfaktoren 191
allem daran, dass klassische Holdingstandorte keine oder nur schwache
CFC-Regeln haben, die i.d.R. kein Planungshindernis darstellen.
Die Implementierung von CFC-Regeln wurde von der OECD ausdrücklich empfohlen. Gleichgültig wie die CFC-Regeln im Einzelnen ausgestaltet sind, vermögen sie es nicht, jede die Bemessungsgrundlage erodierende
Aktivität zu erfassen. Manche Rechtsordnungen behelfen sich damit, regelmäßig aktualisierte Black, White oder Grey Lists zu veröffentlichen, um
bestimmte missliebige Tax Havens und/oder Planungsstrukturen zu kategorisieren und steuerlich zu sanktionieren.
Im Laufe der Zeit haben sich zwei unterschiedliche Typen von CFC-Regeln herausgebildet. Der Transactional Approach und der Defined Jurisdiction Approach. Der Transactional Approach, so wie er von den Vereinigten Staaten und Kanada angewendet wird, bietet keine Definition von
»Tax Haven«, sondern zielt direkt auf bestimmte Transaktionen, insbesondere solche im Zusammenhang mit passiven Aktivitäten und niedrigen
Steuersätzen.784
Demgegenüber zeichnet sich der Defined Jurisdiction Approach, so wie
er von Frankreich,785 dem Vereinigten Königreich786 und Japan angewendet
wird, dadurch aus, Steuersätze zu vergleichen, um einen Tax Haven zu indizieren.787 In den meisten Fällen setzt dieser Ansatz eine Mindestbesteuerung von 25% voraus.
Die oben beschriebene EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Cadbury Schweppes788 setzt den Maßstab für die europarechtskonforme Ausgestaltung von CFC-Regeln.789
I. Anti-Missbrauchsregelungen
In der Steuergesetzgebung ist vielerorts der Trend zu beobachten, dass
Anti-Missbrauchsvorschriften verschärft werden. Diese Vorschriften zielen vor allem auf Transaktionen, Aktivitäten oder Strukturen ohne wirtschaftliche Substanz, d.h. solche die (fast) ausschließlich aus steuerlichen
Gründen durchgeführt bzw. implementiert werden.
784 Vgl. Orlov, The Concept of Tax Haven, Intertax 2004, Vol. 32, 95, 103.
785 Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht,
2005, S. 567-573.
786 Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht,
2005, S. 575-586.
787 Vgl. Orlov, The Concept of Tax Haven, Intertax 2004, Vol. 32, 95, 103; Fontana,
The Uncertain Future of CFC Regimes in the Member States of the European Union
– Part 1, European Taxation 2006, Vol. 46, 256-267.
788 Siehe Kapitel 6(II.)(B.)(b.)(bb.).
789 Wassermeyer/Schönfeld, »Cadbury Schweppes« und deren Auswirkungen auf die
deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbH-Rundschau 2006, 1065, 1069.
192 Kapitel 7: Holdingstandorte
Bei den Anti-Missbrauchsvorschriften ist zwischen allgemeinen, in ihren Tatbeständen sehr vagen Missbrauchsvorschriften (z.B. § 42 AO) und
speziellen, konkrete Lebenssachverhalte in Tatbeständen abbildenden
Missbrauchsvorschriften (z.B. zur Verhinderung von Treaty-Shopping790)
zu unterscheiden. Im bilateralen Kontext werden missbräuchliche Strukturen und Transaktionen durch Limitation-on-Benefits-Klauseln791 beschränkt.792
Für die internationale Steuerplanung relevante Anti-Missbrauchsvorschriften befinden sich jedoch nicht nur in allgemeinen oder speziellen
Anti-Missbrauchsregeln oder Verwaltungsvorschriften, sondern können
auch aus der Rechtsprechung abgeleitet werden. Ein Beispiel hierfür ist das
Vereinigte Königreich, dessen Steuerrechtsordnung keine allgemeine gesetzliche Missbrauchsvorschrift (General Antiabuse Rule oder GAAR)
kennt. Auch die Vereinigten Staaten und Kanada kennen keine Vorschrift,
die vergleichbar mit dem deutschen § 42 AO ist. Cullinane hat kürzlich in
der Financial Times erklärt, dass eine solche Vorschrift im Vereinigten Königreich gar nicht gebraucht wird.793 Vielmehr reiche das Case Law aus,
welches verschiedene Varianten des »Substance over Form«-Prinzips ausgeprägt hat.794 Demgegenüber konzentrieren sich kontinentaleuropäisch
geprägte Steuerrechtsordnungen wie in Deutschland, Italien795 oder Fran-
790 Kessler/Eicke, Closer to Haven? New German Tax Planning Opportunities, Tax
Notes International 2006, Vol. 42, 501; Haug, The United States Policy of Stringent
Anti-Treaty-Shopping Provisions: A comparative Analysis, Vanderbilt Journal of
Transnational Law 1996, Vol. 29, 191, 198; Lenz/Gerhard, Das »Grundrecht auf
steueroptimale Gestaltung«, DB 2007, 2429, 2434-2434; Kessler, Grundlagen der
Steuerplanung mit Holdinggesellschaften, in: Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2003, S. 159, 177; Dreßler, Gewinn- und Vermögensverlagerungen in Niedrigsteuerländer und ihre steuerliche Überprüfung, 2007, S. 288;
Füger, Probleme und Zweifelsfragen der Missbrauchsvorschriften bei
beschränkter Steuerpflicht, in: Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2003, 785, 787; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2005, S. 49; Hahn-
Joecks in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz – Kommentar,
§ 50d EStG, § 50d, Rn. A 30; Reith, Internationales Steuerrecht, 2004, S. 168;
Strunk, Erstattung der Kapitalertragssteuer bei zwischengeschalteter ausländischer
Basisgesellschaft, Internationale Wirtschaftsbriefe 2005, Gruppe 2, 1253, zeigt
welchen Nutzen diese Rechtsfolgen stiften können und wie Anti-Missbrauchsvorschriften absichtlich als steuerplanerisches Mittel eingesetzt werden können. Ferner ein kurzer Rechtsvergleich in Bader, Steuergestaltung mit Holdinggesellschaften, 2007, S. 181-187.
791 Vgl. Bernstein, GAAR and Treaty Shopping – An International Perspective, Tax
Notes International 2005, Vol. 37, 1107-1110.
792 Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 1 MA Rn. 65.
793 Cullinane, Better ways for lawmakers to tackle tax avoidance, Financial Times
25.1.2007, S. 12.
794 Lederman, Understanding Corporate Taxation, 2006, S. 1518.
795 Im Detail, Rossi, An Italian Perspective on the Beneficial Ownership Concept, Tax
Notes International 2007, Vol. 45, 1117, 1131-1133.
III. Standortfaktoren 193
kreich796 auf eine gesetzliche Verankerung der Verhinderung von Missbrauch.797
Die Verschärfung der Anti-Missbrauchsvorschriften ist für die internationale Steuerplanung ein Signal, dass es mehr noch als zuvor auf eine
substanzielle Ausgestaltung jeder Struktur und Transaktion ankommt.
Jedoch sind der Verschärfung der Anti-Missbrauchsvorschriften innerhalb der Europäischen Union im Lichte der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit Grenzen gesetzt.798 Wo diese Grenze liegt, ist Gegenstand einer Debatte, die erst kürzlich begonnen hat. Der EuGH hat durch
seine Entscheidungen in den Rechtssachen Kofoed,799 Cadbury Schweppes,800 Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation,801 Halifax,802 und
Leur-Bloem803 diese Debatte vorangetrieben.
796 Hinsichtlich des Treaty Shoppings vor allem, Benard, Fraude à la loi et Treaty
Shopping: que penser de la décision Bank of Scotland?, Revue de Jurisprudence
Fiscale 2007, 319-327; Legendre/Kabbaj, Substance Over Form in France and the
Bank of Scotland Decision, Tax Notes International 2007, Vol. 46, 171-174;
Gouthière, French Anti-Abuse Rules International Tax Legislation, European
Taxation 2006, Vol. 46, 514, 519.
797 Haug, The United States Policy of Stringent Anti-Treaty-Shopping Provisions: A
comparative Analysis, Vanderbilt Journal of Transnational Law 1996, Vol. 29, 191;
Hundt, Entwicklung des deutschen Mißbrauchsverständnisses bei grenzüberschreitenden Gestaltungen, in: Gocke/Gosch/Lang, Festschrift für Franz Wassermeyer, 2005, S. 153; Streng, Treaty Shopping: Tax Treaty »Limitation of Benefits«
Issues, Houston Journal of International Law 1992, Vol. 15, 1; Panayi, Limitation
on Benefits and State Aid, European Taxation 2004, 83, 84; Rousselle/Liebman,
The Doctrine of the Abuse of Community Law, European Taxation 2006, Vol. 46,
559-564.
798 Panayi, Treaty Shopping and Other Tax Arbitrage – Part 2, European Taxation
2006, Vol. 46, 139, 155; Staringer, Where Does Foreign Loss Utilization Go in
Europe?, Steuer und Wirtschaft International 2007, 5, 10. Ferner, über »Missbrauch« im EG-Recht, Hahn, Gestaltungsmissbrauch und europäisches Steuerrecht, Österreichische Steuerzeitung 2006, 399-404.
799 EuGH v. 5 Juli 2007, C- 321/05 (Kofoed).
800 EuGH v. 12. September 2006 – C-196/04 (Cadbury Schweppes).
801 EuGH v. 13. März 2007 – C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation). Siehe auch, Rainer, Anmerkung I: Test Claimants in the Thin Cap Group
Litigation, IStR 2007, 259-260; Schönfeld, Anmerkung II: Test Claimants in the
Thin Cap Group Litigation, IStR 2007, 260-261.
802 EuGH v. 21. Februar 2006, C-255/02 (Halifax). Siehe Vanistendael, Halifax and
Cadbury Schweppes, EC Tax Review 2006, Vol. 15, 192-195; Hahn, Gestaltungsmissbrauch und europäisches Steuerrecht, Österreichische Steuerzeitung 2006,
399-404; Rousselle/Liebman, The Doctrine of the Abuse of Community Law,
European Taxation 2006, Vol. 46, 559-564; List, Der Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts aus der Sicht des § 42 AO und des Gemeinschaftsrechts,
DB 2007, 131, 133.
803 EuGH v. 17. Juli 1997, C-28/95 (Leur-Bloem).
194 Kapitel 7: Holdingstandorte
Aus der Zusammenschau dieser Fälle lassen sich folgende Lehren ableiten. Nationale Anti-Missbrauchsvorschriften sind nur im Einklang mit europarechtlichen Vorgaben, wenn
sie eine Prüfung von Fall zu Fall zulassen;804
sich auf die Bekämpfung rein künstlicher Gestaltungen beschränken
und
dem Steuerpflichtigen ein Gegenbeweisrecht einräumen,805 weil ansonsten die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung nicht gewahrt
ist.806
Darüberhinaus dürfen Anti-Missbrauchsvorschriften nicht die Vorgaben in
Art. 1 Abs. 2 Mutter-Tochter-Richtlinie807 und
Art. 11 Abs. 1a Fusionsrichtlinie808
überschreiten.
J. Körperschaftsteuersätze, Gesellschaft- bzw. Stempelsteuer
Durch das sog. Tax Rate Shopping 809 wird es dem Steuerpflichtigen ermöglicht, in den Grenzen der CFC-Regeln810 und anderer Anti-Missbrauchsvorschriften, die Vorzüge des globalen Steuerwettbewerbs zu nutzen. Aus
Sicht eines multinationalen U.S.-amerikanischen Unternehmens gibt es
jedoch das Problem, dass der Vorteil niedrigbesteuerter ausländischer Einkünfte im Zeitpunkt der Repatriierung durch das Anrechnungssystem egalisiert wird. Daher spielen die Körperschaftsteuersätze in den Holdingstandorten im Rahmen der Repatriierung nur dann eine Rolle, wenn
diese höher als 35% sind und daher Anrechnungsüberhänge geschaffen
werden. Allerdings wendet keiner der vorgestellten Holdingstandorte
einen höheren Körperschaftsteuersatz als die Vereinigten Staaten an. Ein
weiterer Grund, warum der Körperschaftsteuersatz des Holdingstandortes
kein vorrangiges Kriterium bildet, ist die grundsätzlich weitgehende Frei-
804 Vgl. EuGH v. 17. Juli 1997, C-28/95 (Leur-Bloem), Tz. 40-45.
805 EuGH v. 12. September 2006 – C-196/04 (Cadbury Schweppes), Tz. 51; EuGH v.
1. März 2007 – C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Tz.
72, 74. Ferner, Aitken, The »Thin Cap« End of the Wedge?, Tax Planning International Review 2006, Vol. 33, August, 12.
806 Im Detail, Zalasinski, Case-Law-Based Anti-Avoidance Measures in Conflict with
Proportionality Test, European Taxation 2007, 571-576.
807 Siehe Kapitel 6(II.)(B)(a.)(aa.).
808 Siehe Kapitel 6(II.)(B)(a.)(cc.) und Gille, Missbrauchstypisierungen im neuen
Umwandungssteuerrecht, IStR 2007, 194, 195.
809 Kessler, Überlegungen zur Standortwahl einer Euro-Holding aus steuerlicher
Sicht, in: Fischer, Grenzüberschreitende Aktivitäten deutscher Unternehmen und
EU-Recht, 1997, S. 130, 152.
810 Im deutsch-amerikanischen Kontext vor allem. §§ 951-964 IRC und §§ 7-14 AStG.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die internationale Steuerplanung mit Holdinggesellschaften ist für multinationale Konzerne häufig lohnenswert. Allerdings gilt es vielerlei Fallstricke zu beachten. Der Autor stellt nicht nur die Grundlagen dieser Art von Steuerplanung dar, sondern präsentiert Strukturen, die sowohl für Praktiker als auch für Wissenschaftler von großem Interesse sind.
Spätestens wenn ein U.S.-amerikanischer Investor einen Gewinn in Deutschland realisiert hat, muss er eine Entscheidung darüber treffen, wie er den Gewinn verwendet. Hierfür gibt es drei Alternativen: Erstens, den Gewinn in Deutschland oder Europa zu reinvestieren, um diesen von der U.S.-amerikanischen Besteuerung abzuschirmen, zweitens, den Gewinn aus Europa heraus in einen Drittstaat zu leiten, um ihn dort zu investieren und von der U.S.-amerikanischen Besteuerung abzuschirmen oder drittens, die Gewinne in die Vereinigten Staaten zu repatriieren. Für die letzte Option gibt es gute Gründe. Diesen widmet sich das Werk, indem es zwei Dutzend Holdingstandorte analysiert, die eine steueroptimale Repatriierung von U.S.-Gewinnen aus Deutschland ermöglichen.
Die Dissertation wurde mit dem Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2009, dem Rudolf-Haufe-Nachwuchsförderpreis 2009 und dem Esche Schümann Commichau Förderpreis 2009 ausgezeichnet.