174 Kapitel 6: Steuerwettbewerb und Steuerharmonisierung
Viel vager ist hingegen die Idee einer gemeinsamen Politik bezüglich Doppelbesteuerungsabkommen inklusive des Abschlusses von multinationalen
Doppelbesteuerungsabkommen. 714
Nach wie vor nicht in Sicht ist die Harmonisierung der Regelungen zur
Besteuerung von Personengesellschaften.715
Strittig bleibt letztlich auch, inwieweit eine Doppelbesteuerung die
Grundfreiheiten oder das Diskriminierungsverbot verletzt. 716
III. Zwischenergebnis
Letztlich sind der Harmonisierungsprozess innerhalb der Europäischen
Union sowie der globale Steuerwettbewerb ein Segen für multinationale
Unternehmen.717 Vor allem die Mutter-Tochter-Richtlinie, die Zins- und
Lizenzrichtlinie sowie die Fusionsrichtlinie haben künstliche Steuerhürden abgebaut und tragen dazu bei, dass Kapital effizient innerhalb eines
Konzerns verteilt wird.
Dennoch sind noch einige steuerliche Hürden verblieben.718 Dazu zählen u.a. die Verlustverrechnung über die Grenze in Form von grenzüberschreitenden Gruppenbesteuerungssystemen, eine einheitliche körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage sowie harmonisierte Anti-Missbrauchsregelungen.
714 Pistone, Tax Treaties and the Internal Market in the New European Scenario, Intertax 2007, Vol. 35, 75-81; De Ceulaer, Community Most-Favoured-Nation Treatment: One Step Closer to the Multilateralization of Income Tax Treaties in the
European Union ?, IBFD Bulletin for International Taxation 2003, 493ff.; Vogel/
Gutmann/Dourado, Tax treaties between Member States and Third States, EC Tax
Review 2006, Vol. 15, 83, 90; Waters, A Tax Treaty for Europe?, European Taxation 2005, 347ff.
715 Kahle, Steuergestaltung bei international tätigen Personengesellschaften, Steuer
und Wirtschaft 2005, 61, 69.
716 Loukota/Jirousek, Doppelbesteuerung und Gemeinschaftsrecht, Steuer und Wirtschaft International 2007, 295-301, die behaupten, dass eine Doppelbesteuerung
eine Verletzung des EG-Rechts darstellen könnte.
717 Ein sehr guter Überblick über die Entwicklung der Körperschaftsteuersätze in den
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten befindet
sich in Sullivan, On Corporate Tax Reform, Europe Surpasses the U.S., Tax Notes
International 2006, Vol. 42, 855, 856.
718 So sagte McCreevy in seiner Funktion als EU-Kommissar für den Europäischen
Binnenmarkt auf einer KPMG-Steuerkonferenz am 4. November 2005: »There is
perhaps no more controversial issue in a European context than taxation. […] It is
a subject, which touches closely on issues of national sovereignty. But that’s just
one reason why Member States, including Ireland, insist that all measures in this
area be subject to unanimity and why there has been strong resistance to qualified
majority voting. That situation will not change.« Siehe McCreevy, Tax and Competitiveness in an EU Context, 2005, S. 2.
III. Zwischenergebnis 175
Allerdings stehen dem weiteren Harmonisierungsprozess seinerseits
Hürden gegenüber.719 Erstens die schwache Kompetenz der Europäischen
Union bei der Harmonisierung der direkten Steuern, zweitens das EGrechtliche Prinzip der Subsidiarität sowie drittens das Erfordernis der Einstimmigkeit beim Erlass von Richtlinien. 720
Schließlich wird auch die Frage eines Most Favoured-Nation Treatment
weiter in der Zukunft diskutiert werden, auch wenn eine solche steuerliche
Behandlung vom EuGH jüngst in der Rechtssache »D« abgelehnt wurde.
Nicht nur die EU-Mitgliedsstaaten werden sich gegen ein solches Prinzip
wehren, sondern auch Drittstaaten wie die Vereinigten Staaten werden jeglichen Versuch unterbinden, die Vertragsbestimmung der U.S.-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen mit denen anderer Abkommen gegeneinander auszuspielen.721
719 Spengel/Braunagel, Steuer und Wirtschaft 2006, 34, 35ff.
720 Siehe Soler Roch, Corporate tax in the EU: a never-ending story ?, EC Tax Review
2005, Vol. 14, 116.
721 Vgl. Vogel/Gutmann/Dourado, Tax treaties between Member States and Third
States, EC Tax Review 2006, Vol. 15, 83, 84.
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References
Zusammenfassung
Die internationale Steuerplanung mit Holdinggesellschaften ist für multinationale Konzerne häufig lohnenswert. Allerdings gilt es vielerlei Fallstricke zu beachten. Der Autor stellt nicht nur die Grundlagen dieser Art von Steuerplanung dar, sondern präsentiert Strukturen, die sowohl für Praktiker als auch für Wissenschaftler von großem Interesse sind.
Spätestens wenn ein U.S.-amerikanischer Investor einen Gewinn in Deutschland realisiert hat, muss er eine Entscheidung darüber treffen, wie er den Gewinn verwendet. Hierfür gibt es drei Alternativen: Erstens, den Gewinn in Deutschland oder Europa zu reinvestieren, um diesen von der U.S.-amerikanischen Besteuerung abzuschirmen, zweitens, den Gewinn aus Europa heraus in einen Drittstaat zu leiten, um ihn dort zu investieren und von der U.S.-amerikanischen Besteuerung abzuschirmen oder drittens, die Gewinne in die Vereinigten Staaten zu repatriieren. Für die letzte Option gibt es gute Gründe. Diesen widmet sich das Werk, indem es zwei Dutzend Holdingstandorte analysiert, die eine steueroptimale Repatriierung von U.S.-Gewinnen aus Deutschland ermöglichen.
Die Dissertation wurde mit dem Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2009, dem Rudolf-Haufe-Nachwuchsförderpreis 2009 und dem Esche Schümann Commichau Förderpreis 2009 ausgezeichnet.