II. Holdinggesellschaften: Charakteristika und Konzepte 87
i. Tax Rate Shopping
Ein weiteres Gestaltungsmittel ist das Tax Rate Shopping. Um die weltweite Konzernsteuerquote zu reduzieren, werden Einkünfte möglichst
Niedrigsteuerländern zugeordnet, was gleichzeitig zu einer Verringerung
von Einkünften in Hochsteuerländern führt. Dieses Gestaltungsmittel kann
jedoch nur innerhalb der immer enger werdenden Grenzen der Verrechnungspreisregeln und der CFC-Regeln angewendet werden.
E. Historischer Hintergrund
Aus historischer U.S.-amerikanischer Sicht ist die Organisationsform,
welche heutzutage als »Holding« bezeichnet wird, ein Nachkomme der
Frühformen von Trusts, die zuerst um 1870 herum gegründet wurden.
Trusts wurden als Rechtsform gewählt, weil Holdinggesellschaften damals verboten waren.288 Große Monopolisten wie John D. Rockefeller
nutzten Trusts, um die Aktivitäten seiner Ölfirmen effektiv zu kontrollieren und zu koordinieren.289 Dieses Geschäftsgebaren führte schließlich zu
der Einführung der Anti-Trust-Gesetzgebung in den Vereinigten Staaten,
beginnend mit dem Sherman Act aus dem Jahre 1890. Diese Gesetzgebung
verhinderte einen Holding- oder Trust-Boom, doch umgingen die Unternehmen die Anti-Trust-Gesetze, indem sie fusionierten. Eine Fusion fiel
nicht in den Anwendungsbereich dieser Gesetze.290 Heutzutage erlaubt das
U.S.-amerikanische Recht die Gründung von Gesellschaften, die Beteiligungen an anderen Gesellschaften halten, selbst wenn dies der einzige Geschäftszweck ist.291
Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten konzentrierte sich die Entwicklung von Holdinggesellschaften in Europa nicht auf Trusts oder auf
Monopolbildung. Vielmehr wurden Lösungen für die Handhabung finanzieller Defizite gesucht. Dies führte zu der von Robert Liefmann beschriebenen Effektensubstitution.292 In der Mitte des 19. Jahrhunderts begannen
Effektenübernahmegesellschaften damit, Tochtergesellschaften gegen Ge-
288 Liefmann, Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaften, 1921, S. 153; Merkt/
Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2006, Rn. 16 und 17.
289 Lutter, Begriff und Erscheinungsformen der Holding, in: Lutter, Holding Handbuch, 2004, S. 1; Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2006,
Rn. 17.
290 Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2006, Rn. 17.
291 Flick/Janka, Steuerliche Charakteristika der U.S. Holdinggesellschaft (Teil I),
DStR 1991, 1037-1042; Flick/Janka, Steuerliche Charakteristika der U.S. Holdinggesellschaft (Teil II), DStR 1991, 1069-1075.
292 Liefmann, Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaften, 1931, S. 73ff. Siehe
auch Kessler, Die Euro-Holding, 1996, S. 17ff.; Lutter, Begriff und Erscheinungsformen der Holding, in: Lutter, Holding Handbuch, 2004, S. 1, 8 (Rn. 10).
88 Kapitel 2: Steuerplanung mit Holdinggesellschaften
währung von Beteiligungsrechten zu finanzieren.293 Letztlich wurden bilanzielle Verbindlichkeitspositionen von Tochtergesellschaften durch bilanzielle Vermögenspositionen der Holding- oder Muttergesellschaft substituiert.294 Tatsächlich ist dies heute noch ein Merkmal einer modernen
Holdinggesellschaft. Die frühen Holdinggesellschaften refinanzierten sich
durch die Ausgabe von Anleihen und Aktien.
III. Nutzen von Holdinggesellschaften
Holdinggesellschaften werden sowohl aus betriebswirtschaftlichen als
auch aus rechtlichen, vor allem steuerrechtlichen Gründen eingesetzt.295
Ein wichtiger rein rechtlicher Grund ist die Haftungs- und Risikoabgrenzung.296 Ein anderer Grund für den Einsatz von Holdinggesellschaften ist
die Familienvermögensplanung (Estate Planning), um die Einheitlichkeit
in einem Familienunternehmen über mehrere Generationen hinweg sicherzustellen.297 Schließlich wird eine Holdinggesellschaft auch als ein Akquisitionsvehikel298 und als Organisationsform für Joint Ventures299 genutzt.
293 In der Praxis hatten vor allem Anteilseigner kleinerer Unternehmen die Holdinggesellschaft dazu genutzt, ihre Anteile gegen Anteile von der Holdinggesellschaft
zu tauschen. Siehe Lutter, Begriff und Erscheinungsformen der Holding, in: Lutter,
Holding Handbuch, 2004, S. 1, 8 (Rn.10).
294 Kessler, Die Euro-Holding, 1996, S. 20.
295 Vgl. Mongan/Johal, Tax Planning with European Holding Companies, Journal of
International Taxation 2005, Vol. 16, 49; Ruchelman/van Asbeck/Canalejo u.a., A
Guide to European Holding Companies Part 1, Journal of International Taxation
2000, August, 38, 41; Ruchelman/van Asbeck/Canalejo u.a., A Guide to European
Holding Companies Part 2, Journal of International Taxation 2001, January, 22.
296 Scheffler, Vor- und Nachteile der Holding, in: Lutter, Holding Handbuch, 2004,
S. 30, 35 (Rn. 24); Lutter, Begriff und Erscheinungsformen der Holding, in: Lutter,
Holding Handbuch, 2004, S. 1, 6 (Rn. 7).
297 Scheffler, Vor- und Nachteile der Holding, in: Lutter, Holding Handbuch, 2004,
S. 30, 36 (Rn. 29). Aufgrund der grundsätzlichen Neutralität einer Holdinggesellschaft kann sie als Führungsinstrument für Manager eingesetzt werden, die nicht
Familienmitglieder sind. Siehe Scheffler, Vor- und Nachteile der Holding, in: Lutter, Holding Handbuch, 2004, S. 30, 33 (Rn. 17).
298 Mongan/Johal, Tax Planning with European Holding Companies, Journal of International Taxation 2005, Vol. 16, 49; Ruchelman/van Asbeck/Canalejo u.a., A
Guide to European Holding Companies Part 1, Journal of International Taxation
2000, August, 38; Ruchelman/van Asbeck/Canalejo u.a., A Guide to European
Holding Companies Part 2, Journal of International Taxation 2001, January, 22.
299 Schaumburg, Hinzurechnungsbesteuerung und Abkommensberechtigung als Probleme internationaler Joint Ventures, in: Schaumburg, Internationale Joint Ventures, 1999, S. 357, 378; Endres, Steueraspekte internationaler Joint Ventures, in:
Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2003, S. 193, 204-206;
Wilde, Rechtliche Erwägungen für und wider die Errichtung eines Gemeinschaftsunternehmens, DB 2007, 269, 274.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die internationale Steuerplanung mit Holdinggesellschaften ist für multinationale Konzerne häufig lohnenswert. Allerdings gilt es vielerlei Fallstricke zu beachten. Der Autor stellt nicht nur die Grundlagen dieser Art von Steuerplanung dar, sondern präsentiert Strukturen, die sowohl für Praktiker als auch für Wissenschaftler von großem Interesse sind.
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