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gen betreffend des Konstruktionsprinzips ableiten und aus dieser Erkenntnis eine
Qualitäts- und Herkunftsvorstellung bilden772.
4. Stellungnahme
Ein wettbewerbsrechtlicher Schutz eines Markenbildungssystems ist nicht per se aufgrund markenrechtlicher Wertungen ausgeschlossen773. Dies ist nur dann der Fall,
wenn ein Markeninhaber bereits kennzeichenrechtlich gegen verwechslungsfähige,
verwässernde und/oder rufausbeutende Marken vorgehen kann. Ein zusätzlicher
Schutz gegen von Dritten nach dem vom Markeninhaber praktizierten Markenbildungsprinzip, wie z.B. dem »Mc-Something Prinzip«, gebildeten Marken kommt
insofern außerhalb einer Verwechslungs- bzw. Verwässerungs- und Rufausbeutungsgefahr in Betracht.
Jedoch kann die konkrete Art, wie Marken im Verkehr verwendet und zueinander in
Beziehung gesetzt werden, eine Leistung im Sinne eines sonstigen wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes nach § 3 UWG darstellen774, sofern sich aus dieser
Zuordnung an sich beim Publikum Qualitäts- und Herkunftsvorstellungen herauskristallisiert haben. In einem solchen Fall ist es gerechtfertigt, dass dem selbständigen
inhaltlichen Ordnungsprinzip unabhängig von einer Markeneintragung ein wettbewerbsrechtlicher Schutz zukommt, da ein solcher über die markenrechtliche Verwechslungsgefahr hinausgeht, wenn der Verkehr allein aus der Konstruktionsweise
der Zeichen einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft erblickt.
Allerdings dürfte der wettbewerbsrechtliche Schutz eines Markenbildungsprinzips in
der Praxis nur selten zu erreichen sein. So müsste nämlich wohl mittels demoskopischer Gutachten nachgewiesen werden, dass die Systematik der Zeichenbildung unter
Kenntnis der inhaltlichen Bedeutung den angesprochenen Verkehrskreisen in gewissem Maße bekannt ist775. Entsprechend müsste z.B. der Automobilhersteller BMW,
der sich gegen die Verwendung der fiktiven Drittzeichen 332, 342, 352 für Automobile wehrt, darlegen, dass die Verkehrskreise die Zahl 3 als Hinweis auf eine Baureihe
verstehen, die folgenden zwei Zahlen als einen Faktor mal 100ccm Hubraum, und aus
dieser Anordnung eindeutig auf BMW als Hersteller schließen, bzw. eine gedankliche
Verbindung zu diesem Unternehmen herstellen.
Hinsichtlich einer unlauteren Rufausbeutung ist in der Regel problematisch, dass der
gute Ruf im Verkehr, um beim obigen Beispiel zu bleiben, im Zusammenhang mit der
BMW-Marke an sich steht, nicht aber mit der Systematik der nach einem bestimmten
Ordnungsprinzip in eine Beziehung zueinander gesetzten Modellbezeichnungen. Dies
ist zwar theoretisch möglich, in der Praxis wird sich eine Wertschätzung jedoch in den
772 OLG Köln WRP 2001, 964ff., 968 – Kfz-Modellbezeichnungen.
773 OLG Düsseldorf WRP 1997, 588ff., 592 – McPaint; OLG Köln WRP 2001, 964ff., 968 – Kfz-Modell bezeichnungen; OLG Düsseldorf MMR 2001, 706ff., 708.
774 Für einen Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 9 UWG mangelt es an der Voraussetzung einer »Ware
oder Dienstleistung«, s.o., 148ff.
775 BGH GRUR 2002, 275ff., 277 – Noppenbahn.
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allermeisten Fällen aus den Marken selbst bzw. aus den Produkten, welche unter
ihnen vertrieben werden, nicht aber aus dem Kennzeichnungssystem als solchem
ergeben.
Gleiches gilt auch für die Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft. Diese setzt voraus, dass die Verwendung von Drittkennzeichen geeignet ist, das ältere Ordnungsprinzip zu beeinträchtigen, bzw. dessen Hinweisfunktion auf den Verwender und dessen Produkte entwertet.
Im Ergebnis dürfte es demzufolge zwar schwierig sein, einen wettbewerbsrechtlichen
Schutz zu erreichen; derartige Hindernisse rechtfertigen jedoch nicht seine Verweigerung.
5. Zusammenfassung und Ergebnis
Der wettbewerbsrechtliche Schutz von Markenbildungssystemen kann entgegen Auffassungen in der Literatur nicht grundsätzlich unter Verweis auf markenrechtliche
Wertungen verweigert werden. Es muss vielmehr im konkreten Einzelfall untersucht
werden, ob der Verkehr in dem System selbst einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft erblickt, da in diesem Fall die über den wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz zu schützende Leistung über markenrechtliche Wertungen hinausgeht.
IX. Wettbewerbs- und markenrechtlicher Schutz von Vertriebsbindungen gegen
Außenseiter
Ein weiterer Bereich, in dem parallele marken- und wettbewerbsrechtliche Ansprüche
entstehen können, liegt im Schutz von Vertriebsbindungen. Diese werden zumeist in
Form von selektiven Vertriebssystemen zum Absatz von in der Regel hochwertiger
und/oder wartungsintensiver Markenware eingesetzt. Dabei werden die Waren nur
über ausgewählte Händler vertrieben, welchen vertraglich untersagt ist, die Produkte
an dritte Händler außerhalb des Systems weiterzuverkaufen. Aufgrund von – je nach
Produkt und Markt – hohen Gewinnspannen und dem Bemühen von Händlern um ein
attraktives Sortiment sowie von regionalen Preisdifferenzen zwischen den einzelnen
nationalen oder regionalen Märkten eines Herstellers, bestehen für Nichtmitglieder
bzw. Außenseiter des Systems Anreize zur Aufnahme eines Außenseitervertriebs.
Geht ein Hersteller, welcher seine Abnehmer in ein selektives Vertriebssystem eingebunden hat, daraufhin gegen einen nicht zum offiziellen Vertrieb zugelassenen
Außenseiter vor, können ihm je nach Sachverhalt sowohl marken- als auch wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlagen zur Verfügung stehen. Mit der Harmonisierung des europäischen Markenrechts bzw. mit der Markenrechtsreform hat die Bedeutung des Markenrechts im Zusammenhang mit Außenseiterwettbewerb in Form von
Parallelimporten und Reimporten aus Drittstaaten unter anderem durch die Nichtak-
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References
Zusammenfassung
Wann ist ein Markenschutz durch das UWG möglich? Welche Fallgruppen bestehen an der Schnittstelle des Marken- und Lauterkeitsrechts und wie sind diese rechtlich zu behandeln? Diesen Fragen, mit denen Praktiker auf dem Gebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes regelmäßig konfrontiert werden, stellt das Werk eine umfassende Gesamtdarstellung gegenüber. Es behandelt die relevanten Fallgruppen, in denen sich die Anwendungsbereiche des Markengesetzes und des UWG überschneiden können und beschäftigt sich mit der Frage des Verhältnisses der beiden Rechtsgebiete zueinander, insbesondere ob sich ein Markeninhaber zum Schutz seines Kennzeichens sowohl auf das Marken- als auch auf das Wettbewerbsrecht berufen kann.