66
Durch die Aufnahme des § 2 MarkenG und dem diesem unstreitig zu entnehmenden
Willen des Gesetzgebers, einen ergänzenden Schutz zuzulassen, steht jedoch entsprechend weniger das Ob eines ergänzenden Kennzeichenschutzes im Mittelpunkt, als
vielmehr die Frage nach dem Umfang eines solchen264.
II. Die Entwicklung des wettbewerbsrechtlichen Markenschutzes unter dem
MarkenG
1. Die Zulässigkeit wettbewerbsrechtlichen Markenschutzes, § 2 MarkenG
Mit dem Inkrafttreten des MarkenG 1994 erhielt die Gestaltung des Verhältnisses
zwischen Kennzeichenrecht und Wettbewerbsrecht durch erhebliche Verschiebungen
zwischen diesen Rechtsgebieten neue Impulse. So wurden nicht nur zuvor mit Hilfe
des Wettbewerbsrechts gelöste Fallkonstellationen in das Markenrecht übertragen,
wie z.B. der Schutz bekannter Marken nach § 14 II Nr. 3 MarkenG. In § 2 MarkenG
wurde auch eine Grundaussage zur Zulässigkeit einer Anwendung außermarkenrechtlicher Regelungen zum Schutz von Marken getroffen, folglich auch zur Heranziehung
des Wettbewerbsrechts. Danach schließt der Schutz von Marken, geschäftlichen
Bezeichnungen und geographischen Herkunftsangaben nach diesem Gesetz die
Anwendung anderer Vorschriften nicht aus. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll
die Vorschrift klarstellende Bedeutung dahingehend haben, dass das MarkenG trotz
durchgehender Kodifizierung keine abschließende Regelung des Kennzeichenschutzes darstellen soll265. Die Regelung des § 2 MarkenG geht zurück auf den sechsten
Erwägungsgrund, sowie Art. 5 V der Markenrichtlinie266. Entsprechend findet sich
auch bei der Gemeinschaftsmarke die Möglichkeit eines ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Schutzes nach Art. 14 II GMV.
Der Aufnahme dieser Vorschrift in das MarkenG ging die zuvor geschilderte jahrzehntelange Entwicklung der nationalen deutschen Rechtsprechung zum Verhältnis
des allgemeinen Wettbewerbsrechts zum »Sonderrecht« für Waren/Kennzeichen voraus, welche mit der Festschreibung einer Zulässigkeit wettbewerbsrechtlichen Markenschutzes in § 2 MarkenG auch noch keinen Abschluss gefunden hat, da ihr keine
Aussage entnommen werden kann, wie das Verhältnis zwischen markenrechtlichen
und außermarkenrechtlichen Ansprüchen ausgestaltet ist. Insbesondere bleibt umstritten, in welchem Umfang Vorschriften des nationalen Wettbewerbsrechts im Rahmen
des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Kennzeichenschutzes herangezogen werden
können267. Die Diskussion hat dabei nicht allein rechtstheoretische Bedeutung son-
264 Noch gänzlich gegen einen Schutz aus § 1 UWG, vgl. Vierheilig, GRUR 1977, 704ff.; Schroeter WRP
1968, 436ff.
265 Begr. zum MarkenG, BT-Drucks. 12/6581 v. 14.1.1994, 64.
266 Erste Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Marken
(89/104/EWG) v. 21.12.1988, ABl. Nr. L 40/1 v. 11.2.1989.
267 S. dazu im Folgenden, 69.
67
dern besitzt praktische Relevanz aufgrund der im Folgenden geschilderten Unterschiede.
2. Unterschiedliche Schutzzwecke des Marken- und des Wettbewerbsrechts
Die Bestimmung des Verhältnisses der beiden Rechtsgebiete ist schon allein aufgrund
der unterschiedlichen Schutzzwecke von Bedeutung, welche im Wesentlichen mitursächlich für die Diskussion sind.
Das Wettbewerbsrecht war vom Gesetzgeber zunächst als reiner Mitbewerberschutz
konzipiert worden, welcher allein das Individualinteresse von Mitbewerbern schützen sollte268. Nach und nach erweiterte sich jedoch das Verständnis des Schutzzwecks, nach welchem nun auch der Allgemeinheit schützenswerte Interessen an
einem lauteren Wettbewerb zuerkannt wurden. Schutzzweck von § 1 UWG ist deshalb neben den Interessen der Mitbewerber und der Verbraucher der Wettbewerb als
Institution269, wobei die Regelungen des Wettbewerbsrechts der Fairness zwischen
Wettbewerbern und gegenüber Verbrauchern dienen sollen, indem sie Verhaltensregeln für angemessene Werbe- und Handelspraktiken aufstellen270. Diese Entwicklung führte schließlich zur Aufnahme der sogenannten Schutzzwecktrias in § 1
UWG, wonach das UWG die Lauterkeit des Wettbewerbs, die Interessen der Mitbewerber, der Allgemeinheit, sowie der sonstigen Marktteilnehmer, insbesondere der
Verbraucher, schützt.
Das Kennzeichenrecht behielt jedoch trotz der Eingliederung von im Wettbewerbsrecht entwickelten Tatbeständen bis heute stets seine individualrechtliche Prägung
bei. Auch nach der vom Markenrecht vollzogenen Entwicklung von der alleinigen
Erfüllung einer betrieblichen Herkunftsfunktion zur Erweiterung der Markenfunktionen, wie z.B. zum Kommunikationszeichen, steht das Ausschließlichkeitsrecht des
Markeninhabers an seinem Kennzeichen im Mittelpunkt, wogegen der Schutz von
Verbraucherinteressen in den Hintergrund tritt.
Als Ausgangspunkt einer Unterscheidung zwischen Wettbewerbsrecht und Immaterialgüterrecht kann dabei nicht zuletzt die grundlegende Entscheidung des Gesetzgebers angesehen werden, im deutschen Deliktsrecht zwischen dem Schutz absoluter
Rechte durch § 823 I BGB und dem Schutz von Verhaltensregeln nach § 823 II BGB
andererseits zu differenzieren. Die Immaterialgüterrechte bewirken als Sonderschutzrechte einen Schutz absoluter Rechte, während das Wettbewerbsrecht Verhaltensregeln aufstellt.
Zum einen stehen sich somit die Schutzzwecke der Rechtsgebiete gegenüber, nämlich der objektivrechtliche Interessenschutz des Wettbewerbsrechts einerseits und der
kennzeichenrechtliche subjektive Ausschließlichkeitsschutz andererseits271. Dies
268 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 Rn. 1.
269 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 Rn. 37; vgl. zum Schutz der Mitbewerberinteressen § 1 Rn. 6ff.,
zum Schutz der Verbraucherinteressen, § 1 Rn. 11ff.
270 Vgl. Fezer, WRP 2000, 863ff.; Henning-Bodewig, GRUR Int 2007, 986ff., 988; Köhler, GRUR 2007,
548ff., 549.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wann ist ein Markenschutz durch das UWG möglich? Welche Fallgruppen bestehen an der Schnittstelle des Marken- und Lauterkeitsrechts und wie sind diese rechtlich zu behandeln? Diesen Fragen, mit denen Praktiker auf dem Gebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes regelmäßig konfrontiert werden, stellt das Werk eine umfassende Gesamtdarstellung gegenüber. Es behandelt die relevanten Fallgruppen, in denen sich die Anwendungsbereiche des Markengesetzes und des UWG überschneiden können und beschäftigt sich mit der Frage des Verhältnisses der beiden Rechtsgebiete zueinander, insbesondere ob sich ein Markeninhaber zum Schutz seines Kennzeichens sowohl auf das Marken- als auch auf das Wettbewerbsrecht berufen kann.