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Eintragung einer identischen Marke für Klosetts und weitere Sanitärartikel durch
einen Dritten. Obwohl eine ungerechtfertigte Schmälerung oder Ausbeutung des mit
der Marke verbundenen wirtschaftlichen Wertes auf der Hand lag, versagte es
Ansprüche sowohl aus §§ 8 und 14 UWG 1896, als auch aus den §§ 12 und 826
BGB244. Allerdings wurde das Problem eines unzulänglichen Markenschutzes schon
insoweit erkannt, als dass das Gericht in besagtem Fall feststellte, dass es »vom
Gesichtspunkt der Moralität verwerflich sei, dass der Beklagte Früchte fremden Flei-
ßes für sich verwerte«.245
So gewährte dann auch das Reichsgericht 1907 im Fall »Sansibar« dem Inhaber einer
Ausstattung, die Verkehrsgeltung erlangt hatte, auf der Grundlage des § 826 BGB
einen Unterlassungsanspruch gegen den Inhaber eines eingetragenen Warenzeichens246. Es führte zudem aus, dass das Warenzeichengesetz ein Sondergesetz sei,
welches »den Grundsätzen des Bürgerlichen Gesetzbuches, welche Schutz gegen
illoyale Handlungen im Verkehrsleben bezwecken, den Eingang nicht verschließen
wolle«.247
Demgegenüber war die erste umfassende Regelung zur Bekämpfung des unlauteren
Wettbewerbs als UWG 1896 in Kraft getreten und durch das mit einer Generalklausel
versehene und bis ins Jahr 2004 geltende UWG 1909 ersetzt worden. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts stellte das UWG gegenüber dem Warenzeichengesetz
ein »Recht höherer Ordnung dar«, welchem die markenrechtlichen Regelungen stets
nachrangig seien248.
2. Wettbewerbsrechtlicher Sonderschutz berühmter Marken
In den zwanziger Jahren ebneten zunächst Instanzgerichte (schließlich) den Weg zu
einem ergänzenden außerkennzeichenrechtlichen Schutz berühmter Marken außerhalb des sog. Gleichartigkeitsbereichs, d.h. gegen die Verwendung eines identischen
Zeichens durch branchenfremde Unternehmen. Die bekanntesten und grundlegenden
Entscheidungen hierfür sind »4711«249 und »Odol250«. Während erstere Entscheidung
ausschließlich auf § 826 BGB basierte, gewährte in der letzteren das LG Elberfeld
unter Heranziehung von § 826 BGB und § 1 UWG wegen Gefahr der Verwässerung
auch einen Schutz gegen die Kennzeichnung von Waren, welche überhaupt keine
Ähnlichkeit zu Mundwasser besaßen, durch das Zeichen »Odol«. Es verstoße gegen
die guten Sitten, sich die Früchte fremder Arbeit durch die gezielte Wahl eines
berühmten Zeichens anzueignen251.
244 RG erwähnt bei Leo, MuW V (1905/1906), 73f., 74, zit. bei Sack, WRP 2004, 1405ff., 1414; vgl. auch
RG Bl. f. PMZ 1900, 216ff. – Export Spaten Bier.
245 RG erwähnt bei Leo, MuW V (1905/1906), 73f., 74, zit. bei Sack, WRP 2004, 1405ff., 1414.
246 RGZ 66, 236ff., 240 – Sansibar.
247 RGZ 66, 236ff., 240 – Sansibar.
248 RGZ 97, 90ff., 93 – Pecose; RG GRUR 1927, 124f. – Batschari-Krone.
249 LG Chemnitz MuW 1923/24, 12 – 4711.
250 LG Elberfeld GRUR 1924, 204f.; eine Generalklausel stand mit dem § 1 UWG 1909 zur Verfügung.
251 LG Elberfeld GRUR 1924, 204f.
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In der Folgezeit übernahm das Reichsgericht unter Heranziehung des § 1 UWG und
gleichfalls unter dem Terminus einer »Verwässerungsgefahr« diese Auffassung und
gewährte, ohne dass es auf eine Verwechslungsgefahr ankam, einen im Warenzeichengesetz nicht vorgesehenen Schutz gegen »illoyale Ausnutzung eines mit Mühe
und Kosten geschaffenen fremden Arbeitsergebnisses, um mit Hilfe der Zugkraft des
älteren Zeichens die Absatzmöglichkeiten der eigenen Ware zu erhöhen« 252. Diese
Entwicklung ging später einher mit der Aufgabe des Über-Unterordnungsverhältnisses des UWG zum WZG zu Gunsten der Annahme, beide Rechtsgebiete stünden
gleichrangig nebeneinander und würden sich gegenseitig ergänzen. Nach dieser von
der Rechtsprechung schließlich übernommen Ansicht von Ulmer müssten die Anwendungsgebiete der jeweiligen Normen bestimmt und bei einer Überschneidung derselben durch eine Interessenabwägung in Ausgleich gebracht werden253.
3. Die Entwicklung des wettbewerbsrechtlichen Markenschutzes nach 1945
Nach dem zweiten Weltkrieg setzte der BGH diese Rechtsprechung fort und gewährte
bekannten Marken im Gleichartigkeitsbereich Schutz gegen Rufausbeutung und Rufbeeinträchtigung bei der Kennzeichnung von ähnlichen/identischen Waren durch
Mitbewerber, mittels § 1 UWG254.
Dabei schwankten jedoch die Entscheidungen zu der Frage in welcher Reihenfolge
zeichenrechtliche und wettbewerbsrechtliche Ansprüchen geprüft werden sollten,
bzw. zu deren Verhältnis zueinander Hin- und her. So stellte der BGH zunächst in
der Entscheidung »coffeinfrei« fest, dass zuerst der Klageanspruch nach § 1 UWG zu
prüfen sei, bevor über den Umfang der Verkehrsgeltung nach § 25 WZG Feststellungen getroffen werden könnten255. Zuvor hatte das Gericht in einem weiteren Fall entschieden, dass die Prüfung eines Verstoßes gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt
einer anlehnenden Werbung nur dann erforderlich sei, wenn sich eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne nicht feststellen ließe, d.h. wenn zeichenrechtliche
Ansprüche entfallen256. In weiteren Entscheidungen mit ähnlichem Sachverhalt
bekräftigte der BGH diese Rechtsprechung, dass nur nach einer Verneinung der Voraussetzungen des § 1 UWG auf die Grundlagen des § 16 UWG a.F. und gegebenenfalls des § 24 WZG zurückzugreifen sei257.
252 RG MuW 1931, 517 – Rudol/Schweifbogen; vgl. auch die erste Entscheidung von 1927, RGZ 115,
401ff., 410 – Salamander II; RGZ 170, 137ff., 151ff. – Bayer-Kreuz.
253 Ulmer, Sinnzusammenhänge, 66ff.
254 BGH GRUR 1953, 40ff. – Gold-Zack; BGH GRUR 1959, 130ff. – Vorrasur-Nachrasur; BGH GRUR
1966, 38ff. – Centra; BGH GRUR 1966, 30ff – Konservenzeichen I; BGH GRUR 1965, 601ff. – roter
Punkt; BGH GRUR 1968, 371 ff. – Maggi; BGH GRUR 1968, 581ff. – Blunazit; BGH GRUR 1981,
142ff. – Kräutermeister; BGH GRUR 1991, 609 – SL.
255 BGH GRUR 1963, 423ff., 428 – coffeinfrei.
256 BGH GRUR 1957, 281ff., 285 – »karo-as«.
257 BGH GRUR 1965, 601ff., 605 – roter Punkt; BGH GRUR 1966, 38ff., 42 – Centra; BGH GRUR
1966, 30ff., 32 – Konservenzeichen I.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wann ist ein Markenschutz durch das UWG möglich? Welche Fallgruppen bestehen an der Schnittstelle des Marken- und Lauterkeitsrechts und wie sind diese rechtlich zu behandeln? Diesen Fragen, mit denen Praktiker auf dem Gebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes regelmäßig konfrontiert werden, stellt das Werk eine umfassende Gesamtdarstellung gegenüber. Es behandelt die relevanten Fallgruppen, in denen sich die Anwendungsbereiche des Markengesetzes und des UWG überschneiden können und beschäftigt sich mit der Frage des Verhältnisses der beiden Rechtsgebiete zueinander, insbesondere ob sich ein Markeninhaber zum Schutz seines Kennzeichens sowohl auf das Marken- als auch auf das Wettbewerbsrecht berufen kann.