184
3. Kapitel: Rechtsvergleichende Analyse
Zu Beginn dieser Arbeit wurden in der Einleitung die Zielsetzung und der Gang der
Untersuchung vorgestellt. Danach wurden zunächst die Länderberichte für Deutschland
und die USA verfasst. Im nunmehr abschließenden Teil werden die erarbeiteten
Ergebnisse aus beiden Rechtsordnungen zunächst wertend gegenübergestellt. Dabei
sollen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Haftungsvoraussetzungen des
herrschenden Kommanditisten auf ihre zugrunde liegenden Wertungsprinzipien hin
analysiert werden. Im Zuge dessen wird versucht rechtsformübergreifende Tendenzen
im amerikanischen Gesellschaftsrecht aufzuzeigen und diese in Bezug auf die Zukunft
des Gesellschaftsrechts in Deutschland zu hinterfragen.
§ 6: Systematisierung der bisherigen Ergebnisse
Die Ausführungen zum deutschen und US-amerikanischen Recht haben verdeutlicht,
dass beide Rechtsordnungen die Frage einer zulässigen Verbindung von Inhaberschaft,
Geschäftsführung und beschränkter Haftung in der Kommanditgesellschaft
überwiegend unterschiedlich beantwortet haben. Die Frage, ob und unter welchen
Voraussetzungen ein herrschender Kommanditist für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich und unbeschränkt in Anspruch genommen werden konnte, wurde von
beiden Rechtsordnungen über 100 Jahre teilweise konträr beantwortet. Im folgenden
Teil werden die herausgearbeiteten Ergebnisse zunächst wertend gegenübergestellt. Um
der rechtsvergleichenden Zielsetzung der Arbeit gerecht zu werden, wird danach hinterfragt, welche Wertungen beide Rechtsordnungen mit ihrer unterschiedlichen Sichtweise
einer Verbindung von Geschäftsführungsmacht mit dem Privileg der beschränkten
Haftung verfolgt haben. Es wird sich zeigen, dass die Verbindung von vollständiger
Geschäftsführung, Inhaberschaft und beschränkter Haftung kein plötzliches Phänomen
darstellt, sondern ein wesentliches Merkmal für einen immer stärker werdenden gesellschaftsrechtlichen Strukturwandel ist, der insbesondere in der derzeitigen Entwicklung
der US-amerikanischen Rechtsordnung zu finden ist. Sodann wird untersucht, inwieweit
ein solcher Strukturwandel auch in Europa anzutreffen ist und vor welche Herausforderungen das deutsche Recht diesbezüglich gestellt wird.
185
A. Fallgruppen
I. Einflussnahme als bloßer Gesellschafter
Unter der Fallgruppe „Einflussnahme als bloßer Gesellschafter“ werden sämtliche Konstellationen verstanden, in denen der Kommanditist bzw. limited partner zwar an der
Geschäftsführung der Gesellschaft mitwirkt, diese Mitwirkung für die Gläubiger der
Gesellschaft aber nicht erkennbar ist, da der Kommanditist nicht im Außenverhältnis
rechtsgeschäftlich für die Gesellschaft tätig wird. Die haftungsrechtlichen Konsequenzen einer solchen Einflussnahme in die Geschäftsführung der Gesellschaft fallen in
beiden Rechtsordnungen entgegengesetzt aus.
1. Deutschland
Nimmt der Kommanditist nur die Funktion als mitspracheberechtigter Gesellschafter
wahr, vollzieht sich seine Mitwirkung also ausschließlich im Innenverhältnis der
Gesellschaft, so scheiden jegliche Durchgriffsmodelle, die in Deutschland diskutiert
werden, von vornherein aus. Die bloße Ausnutzung der dispositiven gesetzlichen
Regeln zur Kommanditgesellschaft weist nach keiner vertretenen Ansicht ein
rechtsmissbräuchliches Verhalten auf, das einen Haftungsdurchgriff auf dem Wege der
teleologischen Reduktion der Haftungsbeschränkung des § 171 HGB rechtfertigen
könnte.1008 Bei solchen internen Maßnahmen als bloßer Gesellschafter scheitern auch
jegliche unechten Durchgriffsmodelle, die auf ein berechtigtes Vertrauen des
Rechtsverkehrs abzielen. So kommt eine Rechtsscheinhaftung nicht in Betracht, weil
die Haftungsbeschränkung des Kommanditisten im Handelsregister für jedermann
einsehbar ist und dementsprechend kein berechtigtes Vertrauen auf Seiten des Rechtsverkehrs begründet werden kann.1009 Zudem scheitert eine Vertrauenshaftung im
deutschen Recht bereits an der fehlenden zurechenbaren Veranlassung der Annahme
einer unbeschränkten Haftung, wenn der Kommanditist im Außenverhältnis gegenüber
dem Rechtsverkehr nicht in Erscheinung tritt.1010 Ein Verzicht auf das Erfordernis einer
zurechenbaren Veranlassung des Eindrucks der unbeschränkten Haftung im Außenverhältnis würde im Ergebnis auf ein Vertrauen des Rechtsverkehrs auf die gesetzliche
1008 Wirth, in: MünchHB GesR, Bd. 2, § 3 Rn. 80; Schilling, in: GroßKomm HGB, § 164 Rn. 12, 17;
Wiethölter, S. 38; Winkler K., NJW 1969, 1009, 1010; Hofmann, NJW 1969, 577; ders., ZHR 137
(1973), 416 ff.; Flume, Personengesellschaften, S. 201; Baumbach/Duden/Hopt, § 171 Anm. 1A;
ebenso Koller, S. 143, Plum, FS DJT, 137, 173 (1960); Duden, ZGR 1973, 360, 364.
1009 Siehe RGRK (HGB)-Weipert, § 164 Anm. 15; Hofmann, NJW 1969, 577, 578; Wagner, S. 112;
Winkler G., DNotZ 1975, 69, 74; Zwanzig, S. 38 f.; Schießl, S. 105; Spieß, S. 51, Westermann,
Vertragsfreiheit, S. 264, 265 m. w. N.
1010 Zu den Voraussetzungen der Rechtsscheinhaftung vgl. Schilling, in: GroßKomm HGB, § 164
Anm. 16; Wiedemann, FS Bärmann, 1037, 1052 (1975).
186
Ausgestaltung der Machtverhältnisse der KG hinauslaufen, was der nicht mehr vertretenen Typenlehre des deutschen Gesellschaftsrechts entsprechen würde.
Während das US-amerikanische Recht insbesondere zu Anfang des 19. Jahrhunderts
eben dieses Vertrauen des Rechtsverkehrs schützen wollte und dementsprechend eine
persönliche Haftung des intern weisungsbefugten limited partner unter Gläubigergesichtspunkten annahm,1011 tritt das deutsche Recht diesem Aspekt mit der
Registereintragung entgegen. Denn in Deutschland kann der Rechtsverkehr nur auf die
Informationen vertrauen, die im Handelsregister ordnungsgemäß eingetragen sind. Die
tatsächliche Verlagerung der Machtverhältnisse einer Gesellschaft ist jedoch gerade
nicht eintragungsfähig und dementsprechend nicht schützenswert.1012 Weitere Durchgriffsmodelle wie z. B. die sittenwidrige Schädigung oder die Vertrauenshaftung
scheiden im Fall der internen Mitwirkung des limited partner ebenfalls aus. Denn die
interne Verlagerung der Herrschaftsmacht auf den Kommanditisten stellt aufgrund der
weit reichenden Disposivität der gesetzlichen Regelungen keinen Sittenwidrigkeitsvorwurf dar; die Gläubiger werden dadurch auch nicht automatisch geschädigt.1013
Möglich wäre allein eine mittelbare Binnenhaftung des herrschenden Kommanditisten
durch die Pfändung eines internen Freistellungsanspruchs zugunsten des Komplementärs. Allerdings scheidet diese Variante in der Mehrzahl der Fälle mangels ausdrücklicher Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern aus.
2. USA
Der US-amerikanische Länderbericht hat gezeigt, dass ein limited partner, der nur in
seiner Funktion als Gesellschafter Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt, insbesondere dann persönlich in Anspruch genommen wird, wenn ihm eine eigene Entscheidungsverantwortlichkeit in Bezug auf das day-to-day business eingeräumt
wurde.1014 Diese rein objektive Sichtweise ist wiederum maßgeblich auf die Tatsache
zurückzuführen, dass die beschränkte Haftung grundsätzlich eine strikte Trennung von
den Geschäftsführungsbefugnissen voraussetzte, um zu vermeiden, dass der beschränkt
1011 Hanover National Bank v. Sirret, 15 Abb.N.C. 334 (1883); Continental Nat. Bank of Boston v.
Straus, 43 N.Y.St.Rep. 68, 60 S.Y.Super.Ct. 151, 12 N.Y.S. 188, aff’d 137 N.Y. 148, 137
N.Y.553, 32 N.E.1066 (1892); Hogg v. Ellis, 8 How.Prac 473 (1853); Canandaidua First National
Bank v. Whithey, 4 Lans. 34, aff’d 53 N.Y. 627 (1871); dazu Basile, 38 Vand.L.Rev. 1199, 1202
(1985); Brumder, 56 Wash.L.Rev. 99, 104 (1980).
1012 So Westermann, Vertragsfreiheit, S. 262, auch Elsing, S. 101; Klotz, S. 35; Boerner, S. 41; anders
aber Paulick, Genossenschaft, S. 82, der letztlich wieder auf das Vertrauen in das gesetzliche
Leitbild der KG abstellt. Diese Sichtweise ist jedoch mit der Ablehnung der Typenlehre nicht mehr
tragfähig. Vgl. zur Kritik an der Typenlehre insbesondere Schmidt, GesR, § 5 III 3a; ders., ZHR
160 (1996), 271.
1013 Hofmann, NJW 1969, 577, 582; Schröder, S. 61; Klingberg, S. 90; wohl auch BGHZ 45, 204, 205.
1014 Vgl. ausführlich zur Rechtsprechung Phillips, 79 ALR 4th 427, 440, 441 (1990).
187
haftende Gesellschafter rücksichtslose und risikoreiche Transaktionen zu Lasten der
Allgemeinheit durchführt (moral hazards).1015
Des Weiteren wurde der Rechtsverkehr durch die objektive Handelndenhaftung in der
Annahme geschützt, dass eine Personengesellschaft grundsätzlich von den unbeeinflussten Fähigkeiten ihres unbeschränkt haftenden Inhabers geleitet wird.1016 Zwar
hätten sich die Gläubiger durch die Einsichtnahme in das certificate über die interne
Kontrollverteilung der Gesellschaft informieren können, aber das US-amerikanische
Recht verzichtet auf eine solche Informationsobliegenheit bzw. Informationspflicht des
Rechtsverkehrs.1017 Entscheidend war bisher ausschließlich, ob die tatsächliche interne
Kontrollverteilung in der Gesellschaft derart von dem gesetzlichen Leitbild der limited
partnership abgewichen ist, dass eine persönliche Inanspruchnahme des limited partner
gerechtfertigt ist.
Eine solche Abweichung liegt insbesondere dann vor, wenn der limited partner im
Innenverhältnis eine eigene Entscheidungsverantwortlichkeit innehat. Dabei ist zu
beachten, dass diese Gesichtspunkte in ihrer Gesamtheit nur für die gesetzlichen
Vorschriften gelten, die noch auf einer objektiven Auslegung der control rule basieren.
Seit der Einschränkung des control test durch den reliance test schwanden die
haftungsrechtlichen Konsequenzen, wenn der limited partner nur im Innenverhältnis der
Gesellschaft tätig wurde, unabhängig davon, ob er auf die Alltagsgeschäfte des Unternehmens Einfluss nahm. Denn solange der limited partner nicht rechtsgeschäftlich im
Außenverhältnis für die Gesellschaft auftrat, konnte der Rechtsverkehr unter Geltung
der reliance-Einschränkung nicht mehr das berechtigte Vertrauen entwickeln, dass der
limited partner die Rechtsstellung eines general partner innehatte.
Wenn weitere US-Bundesstaaten den ULPA 2001 in einzelstaatliches Recht
umsetzen, scheiden die bisher genannten Haftungsmodelle aus. Dann kann sich eine
Haftung des limited partner nur noch aus allgemeinen Haftungsgründen ergeben. In
Betracht kommt zum Beispiel eine Haftung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens.
Denn ähnlich wie die deutsche Rechtsscheinlehre setzt die estoppel-Lehre voraus,1018
dass der Rechtsverkehr auf einen gesetzten Rechtsschein berechtigterweise vertrauen
kann.1019 Dieser Rechtsschein müsste in der vorliegenden Konstellation darin gesehen
1015 Siehe dazu Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 111 (1985); aus dem deutsprachigen
Schrifttum Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433, 435; Vagts, ZGR 1994, 227, 228.
1016 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt wiederum Hortenstine, 29 Sw.L.J. 791, 796 (1975); Pierce, 32
Sw.L.J. 1301, 1305 (1979); aus neuerer Zeit Kessler A., 32 J.Legal Studies 511, 543–45 (2003).
1017 Vgl. aber dazu das deutsche Prinzip der Informationspflicht, J. v. Gierke/Sandrock, § 11 III 2a;
auch BGH BB 1976, 1480; Stimpel, ZGR 1973, 90.
1018 Obwohl eine Haftung aus estoppel-Gesichtspunkten keine strukturellen Gemeinsamkeiten mit
einer Vertrauens- oder Rechtscheinhaftung hat. Die estoppel-Haftung stellt ein equity remedy dar,
mit dem es dem limited partner untersagt werden kann, sich auf seine beschränkte Haftung zu
berufen, weil diese Berufung im Einzelfall als widersprüchlich angesehen wird.
1019 Staver & Abott Mfg. Co. v. Blake, 69 N.W. 508 (Mich.1896) Cobb v. Martin, 123 P. 422 (Okla.
1912); American Cas. Co. v. Costello, 435 N.W.2d 760 (Mich.App.1989); Murphy v. Blurke, 311
A.2d 904 (Pa.1973); Pope v. Triangle Chemical Co., 157 Ga.App. 386, 277 S.E.2d 758 (1981).
188
werden, dass der Unternehmensinhaber, der die alleinige Verantwortung für die
Geschäfte der Gesellschaft trägt, gleichzeitig auch unbeschränkt und persönlich für die
Verbindlichkeiten des Unternehmens aufkommt.1020 Ob eine solche Annahme im USamerikanischen Gesellschaftsrechtsgefüge noch berechtigt sein kann, darf jedoch
bezweifelt werden.1021
Ob eine Durchgriffshaftung in der vorliegenden Fallkonstellation einschlägig ist,
kann mangels richterlicher Stellungnahmen noch nicht abschließend entschieden
werden.1022 Führt man sich aber die strengeren Voraussetzungen der piercing the
corporate veil-Theorie vor Augen1023 kann davon ausgegangen werden, dass ein
piercing the limited partner’s veil im Fall der bloßen Verlagerung der Herrschaftsmacht
nicht möglich ist.
II. Einflussnahme als bloßer Stellvertreter, Prokurist oder Angestellter
Maßnahmen, die der limited partner bzw. Kommanditist als Stellvertreter, Prokurist
oder Angestellter der Gesellschaft wahrnimmt, unterscheiden sich erheblich von der
zuvor aufgeführten Einflussnahme als bloßer Gesellschafter. Denn in den vorliegenden
Fällen wird der Kommanditist im Außenverhältnis der Gesellschaft aktiv tätig und tritt
gegenüber den potentiellen Gläubigern der Gesellschaft als Repräsentant auf. Bei einer
solchen Konstellation bedarf der Rechtsverkehr eines besonderen Schutzes, damit er
nicht über die haftungsrechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft in die Irre geführt wird.
1. Deutschland
Ist der Kommanditist mit einer umfassenden rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht
ausgestattet und tritt er dementsprechend im Außenverhältnis als Repräsentant der
Gesellschaft auf, gibt es auch in Deutschland verschiedene Haftungsvarianten.1024 Es
wurde teilweise angenommen, dass ein Missbrauch des Haftungsprivilegs gem. § 171 I
HGB (Rechts- oder Institutsmissbrauch) vorliegt, wenn der Kommanditist mit einer
ähnlichen Machtfülle wie der Komplementär ausgestattet ist und diese im Außen-
1020 Antonic Rigging & Erecting of Missouri, Inc. v. Foundry East Limited Partnership, 773 F.Supp.
420, 431 (S.D.Ga.1991).
1021 Statt vieler vgl. Rall, 37 Suffolk U.L.Rev. 913, 926 (2004).
1022 Wie zuvor aufgeführt ist bisher kein Fall entschieden, der die Prinzipien der Durchgriffshaftung
auf die limited partnership übertragen hat.
1023 Zur restriktiven Handhabung vgl. Ebke, Konzernierung, 279, 322; ders., RIW 2002, 541, 545;
siehe auch Official Committee of Unsecured Creditors v. R.F. Lafferty & Co. Inc., 267 F.3d 340
(3rd Cir.2001); Baker v. Raymond Int’l, Inc., 656 F.2d 173, 179 (5th Cir.1981); Soderberg
Advertising, Inc. v. Kent-Moore Corp., 11 Wash.App. 721, 524 P.2d. 1355 (Div.1974).
1024 Vgl. z. B. Kornblum, S. 235.
189
verhältnis anwendet.1025 Die Ansicht hat im Grunde aber nur den absoluten Gleichlauf
von Herrschaft und Haftung in ein anderes dogmatisches Gewand gekleidet und konnte
sich nicht durchsetzen.1026
Interessanter stellt sich die Möglichkeit der Rechtsscheinhaftung dar. Problematisch
ist es insbesondere, wenn der Kommanditist, ohne auf seine rechtsgeschäftlich eingeräumte Vertretungsmacht hinzuweisen, im Außenverhältnis der Gesellschaft auftritt
und dadurch beim Rechtsverkehr der Eindruck entsteht, dass er zugleich der Inhaber
und damit persönlich haftender Gesellschafter des Unternehmens sei. Das deutsche
Recht, ähnlich wie das der USA, sah noch zur Zeit des ADHGB die Regelung vor, dass
der Kommanditist in einem solchen Fall für die Verbindlichkeiten unbeschränkt
haftet.1027 Heute geht man dagegen davon aus, dass das Handelsregister jeglicher
Verdunkelung der Haftungsverhältnisse ausreichend entgegenwirkt und dadurch eine
darüber hinausgehende Rechtsscheinhaftung entbehrlich ist.1028 Der entscheidende
Gesichtspunkt ist somit wiederum die Handelsregistereintragung. Die deutsche Rechtsordnung geht davon aus, dass der Rechtsverkehr nur im Rahmen der registerrechtlichen
Institute geschützt wird. Das heißt, selbst wenn der Eindruck entstehen sollte, der
Kommanditist träte im Außenverhältnis als persönlich haftender Inhaber der Gesellschaft auf, steht es jedem Dritten frei, sich durch die Einsicht in das Handelsregister
über die tatsächlichen Haftungsverhältnisse zu informieren.1029 Eine darüber
hinausgehende Vertrauenshaftung greift nur in besonders krassen Fällen ein.1030
Weitere Durchgriffsmodelle, wie zum Beispiel die sittenwidrige Schädigung oder die
betrügerische Gläubigerschädigung, scheitern im vorliegenden Fall daran, dass es
grundsätzlich weder sittenwidrig noch betrügerisch ist, wenn der herrschende Kommanditist die ihm vom Gesetzgeber eingeräumte Gestaltungsfreiheit im Rahmen der
Privatautonomie der Gesellschafter ausnutzt. Zwar ist auch in dieser Fallgruppe
wiederum eine mittelbare Binnenhaftung über die Pfändung eines internen Freistellungsanspruchs zugunsten des Komplementärs möglich, diese Variante steht den
Gläubigern der Gesellschaft aber grundsätzlich nicht direkt zur Verfügung.
1025 So insbesondere Staab, BB 1959, 435, 436; ähnlich auch Nitschke, DB 1965, 525, 528.
1026 Vgl. statt vieler Kornblum, S. 235–38 m. w. N.
1027 Hahn/Mugdan, Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuches und eines Einführungsgesetzes, S. 114, 117.
1028 Teilweise wird angenommen, dass eine Rechtsscheinhaftung in den vom alten Art. 167 III
ADHGB erfassten Fällen grundsätzlich ausscheidet. Vgl. z. B. Hofmann, NJW 1969, 577, 578;
Klotz, S. 36; Keutner, S. 42; RGRK (HGB)-Weipert, § 164 Anm. 15; widersprüchlich aber ders.,
§ 170 Anm. 10; zum gegenteiligen Ergebnis kommen jedoch unverständlicherweise
Düringer/Hachenburg-Flechtheim, § 170 Anm. 4; Schlegelberger-Geßler, § 170 Rn. 2; Barella,
DB 1051, 149, vgl. die vermittelnden Ansichten bei Westermann, Vertragsfreiheit, S. 263; Elsing,
S. 100; Klingberg, S. 74; Boerner, S. 45.
1029 OLG Hamm, MDR 1963, 849, 850; BGHZ 1971, 335; anders jedoch insbesondere Grewe, S. 43–
44; Klotz, S. 38 f.; ähnlich wohl auch Bresser, S. 42–43.
1030 Siehe die Bsp. bei BGH NJW 1972, 1418; BGH BB 1976, 1479 f.; Boerner, S. 44; Kornblum, S.
265; Stimpel, ZGR 1973, 73, 89–90.
190
2. USA
Das US-amerikanische Recht kommt zumindest bisher zu unterschiedlichen Ergebnissen in Bezug auf die haftungsrechtlichen Sanktionen von Maßnahmen, die ein
limited partner als Stellvertreter bzw. Repräsentant der Gesellschaft ausübt.1031 Denn
zumindest bis zur Einführung des reliance test und der Erweiterung des safe harbor-
Katalogs im Jahre 1985 war ein limited partner regelmäßig der persönlichen Haftung
ausgesetzt, wenn er im Außenverhältnis für die Gesellschaft tätig wurde oder wichtige
Entscheidungen für die Gesellschaft traf, ohne zugleich auf seine beschränkte Haftung
als Kommanditist hinzuweisen.1032 Mangels einer umfangreichen Registerpublizität
mussten die Gläubiger durch die unbeschränkte und persönliche Haftung des limited
partner in ihrer Annahme geschützt werden, dass die Person, die nach außen in
erheblichem Maße rechtsgeschäftlich für die Gesellschaft tätig wird und dadurch die
Alltagsgeschäfte der Gesellschaft leitet, auch der persönlich haftende Inhaber des Unternehmens ist. Denn die Gläubiger haben im Gegensatz zum deutschen Recht zwar die
Möglichkeit zur Einsichtnahme in das certificate, aber gerade nicht die Pflicht zur
Informationsbeschaffung.1033
Erst die Einführung des beschränkenden reliance test und die Erweiterung des
gesetzlichen Ausnahmekatalogs (safe harbor) hat dazu geführt, dass ein limited partner
nur noch in Einzelfällen unbeschränkt und persönlich haften muss, wenn er im
Außenverhältnis für die Gesellschaft auftritt. Zu den Voraussetzungen der reliance-
Einschränkung gehört, dass eine Haftung des limited partner nur noch erforderlich und
angemessen ist, wenn die Gläubiger der Gesellschaft durch sein Auftreten im Außenverhältnis der Gesellschaft haftungsrechtlich in die Irre geführt werden.1034 Allerdings
wurde, im Gegensatz zur deutschen Rechtsscheinhaftung, die aufgrund der Registereintragung des Kommanditisten nur in absoluten Einzelfällen eingreift, in den USA eine
haftungsrechtliche Irreführung durch den als Repräsentanten der Gesellschaft auftretenden limited partner grundsätzlich durch den reliance test mit der unbeschränkten
Haftung sanktioniert, es sei denn, die einzelstaatliche Vorschrift hat die umfangreichen
safe harbor-Kataloge in den Jahren 19761035 und 19851036 bereits umgesetzt. Denn diese
sehen vor, dass eine Haftung des limited partner im Fall der Ausübung von Maßnahmen
1031 Vgl. Blair, 1 Berkeley Bus.L.J. 1, 11 (2004).
1032 Grainger v. Antoyan, 48 Cal.2d 805, 313 P.2d 848, 850 (Cal.1957); Silvola v. Rowlett, 129 Colo.
522, 272 P.2d 287, 290 (Colo.1954); Gast v. Petsinger, 228 Pa.Super. 394, 323 A.2d 371, 375
(1974); Bergeson v. Life Ins. Corp., 170 f.Supp. 150 (DC Utah 1958); ausführlich zu dieser
Fallgruppe auch Brumder, 56 Wash.L.Rev. 99, 118 (1980).
1033 Vgl. u. a. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 184.
1034 Vgl. insbesondere Buxbaum/Etlin, 16 Sw.U.L.Rev. 535, 536 f. (1986); Freedberg, 28
N.Y.L.Sch.L.Rev. 561, 573 (1983).
1035 Vgl. zur Neuregelung insbesondere Brumder, 56 Wash.L.Rev. 99, 121 (1980).
1036 Vgl. zu den Amendments insbesondere Basile, 38 Vand.L.Rev. 1199, 1215–17 (1985);
Wibbenmeyer, 59 UMKC L.Rev. 1131, 1143–45 (1991).
191
als Vertreter oder Angestellter im Außenverhältnis der Gesellschaft grundsätzlich
ausgeschlossen ist.
Ab dem Zeitpunkt, zu dem die einzelnen US-Bundesstaaten den ULPA 2001 in
einzelstaatliches Recht umsetzen, wird eine Haftung des limited partner in der
vorliegenden Konstellation voraussichtlich ebenfalls ausscheiden. Nach der Streichung
der gesetzlichen Haftungstatbestände kann ein limited partner im Außenverhältnis als
Vertreter der Gesellschaft umfassend auf die Alltagsgeschäfte der Gesellschaft Einfluss
nehmen, ohne in irgendeiner Fallkonstellation mit der persönlichen Inanspruchnahme
durch die Gläubiger rechnen zu müssen. Nunmehr verbleibt das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens (estoppel) noch als Haftungsalternative. Allerdings müsste sich
der limited partner, der als Repräsentant der Gesellschaft auftritt, schon ausdrücklich als
unbeschränkt haftender Inhaber des Unternehmens darstellen.
Eine Durchgriffshaftung greift aufgrund der hohen qualitativen Anforderungen
ebenfalls nicht. Insbesondere haben Maßnahmen im Außenverhältnis noch nicht zur
Folge, dass der limited partner die Gesellschaft als dummy oder alter ego missbraucht.
Für einen solchen Grad der Beherrschung müssen vielmehr weitere Gesichtspunkte
hinzukommen. Letztlich verbleibt im US-amerikanischen Recht, genau wie im
deutschen, keine Möglichkeit mehr, den limited partner persönlich und unbeschränkt in
Anspruch zu nehmen, wenn dieser als bloßer Stellvertreter, Prokurist oder Angestellter
für die Gesellschaft tätig wird.
III. Einflussnahme in der Strohmann-KG
Die letzte Fallgruppe behandelt die Konstellationen, in denen der Komplementär bzw.
general partner weitgehend vermögenslos und von der Geschäftsführung vollständig
ausgeschlossen ist. Der Kommanditist bzw. limited partner hingegen verfügt über so
umfangreiche Mitwirkungsbefugnisse, dass er die Gesellschaft eigenständig und vollständig kontrollieren kann. In dieser Konstellation tritt die Verbindung von vollständiger Kontrolle, beschränkter Haftung und Inhaberschaft auf ihren Höhepunkt.
Obwohl der Ausgangspunkt in beiden Rechtsordnungen somit identisch ist, weichen die
unterschiedlichen Lösungen zu dieser Situation mitunter erheblich voneinander ab.
1. Deutschland
Die Haftung des Kommanditisten im Fall einer vollständigen Selbstentmündigung eines
vermögenslosen Komplementärs wurde und wird in Deutschland kontrovers beurteilt,
obwohl im Fall der völligen Ausschaltung des Komplementärs die Gefahr eines
opportunistisch handelnden Kommanditisten aus Gläubigerschutzgesichtspunkten doch
192
am größten ist. Im Fall einer Insolvenz werden in solch einer Konstellation zumindest
die schwachen Gläubiger keine Möglichkeit haben, sich aus dem Gesellschafts- und
Komplementärsvermögen zu befriedigen. Gleichwohl herrscht Unstimmigkeit, ob das
dadurch entstandene Ungleichgewicht zwischen Gesellschafter- und Gläubigerinteressen durch die persönliche Haftung des herrschenden Kommanditisten wieder ausgeglichen werden muss.
Wie bereits im deutschen Länderbericht ausführlich dargelegt, wollen namhafte
Gesellschaftsrechtler im Fall der Funktionslosigkeit eines Komplementärs einen
Haftungsdurchgriff auf den Kommanditisten zulassen,1037 wobei sich der Bundesgerichtshof1038 und die Mehrheit des Schrifttums1039 gegen eine solche Durchbrechung
des Haftungsprivilegs aussprechen. Nach Ansicht der Rechtsprechung und der
herrschenden Meinung in der Literatur sei eine vollständige Verlagerung der Herrschaftsmacht aufgrund der dispositiven Regelungen des HGB auch zulässig, wenn der
Komplementär funktions- und vermögenslos ist. Danach seien die Gläubiger ausreichend durch die handelsregisterrechtliche Eintragung geschützt. Zudem fehle seit der
Anerkennung der GmbH & Co. KG die Argumentationsgrundlage für einen Haftungsdurchgriff.
Allerdings verkennt eine solche Sichtweise, dass der herrschende Kommanditist sich
durch das Vorschieben eines vermögens- und funktionslosen Komplementärs rein
faktisch eine Personengesellschaft mit beschränkter Haftung konstruiert. Eine solche
Rechtsform ist jedoch in Deutschland aus guten Gründen nicht existent. Die Rechtsprechung selbst betont noch in jüngster Zeit, dass eine Haftungsbeschränkung in dem
gesetzlich vorgesehenen Mindestkapital und/oder in der persönlichen Haftung
zumindest eines Gesellschafters ihre Legitimation findet. Die Legitimation der
Haftungsbeschränkung des herrschenden Kommanditisten in Verbindung mit einem
vermögens- und funktionslosen Komplementär ist nicht ersichtlich. Ein Haftungsdurchgriff ist in solchen Fällen notwendig, damit das grundsätzliche Gleichgewicht
zwischen Gläubiger- und Gesellschafterinteressen eingehalten werden kann.1040
Unabhängig von der grundsätzlichen Diskussion bezüglich des Haftungsdurchgriffs
auf den herrschenden Kommanditisten existieren noch andere Haftungsmodelle. Zum
einen besteht für die Gläubiger die Möglichkeit, mittelbar über die Pfändung eines
internen Freistellungsanspruchs auf das Privatvermögen des Kommanditisten zuzu-
1037 Kritisch zur Ansicht der Rechtsprechung insbesondere Borner, S. 104 ff.; Schlegelberger-Martens,
§ 164 Rn. 144; Ulmer, in: GroßKomm HGB, vor § 105 Rn. 57; Wiedemann, FS Bärmann, 1037,
1049 (1975); ders., GesR, § 10 III 2 a aa.
1038 BGHZ 45, 204, 206.
1039 Baumbach/Duden/Hopt, § 171 Anm. 1A; Duden, ZGR 1973, 360, 364; Hofmann, NJW 1969, 577;
ders., ZHR 137 (1973), 416 ff.; Flume, Personengesellschaften, S. 201; ebenso Koller, S. 143,
Kornblum, S. 262; Konietzko, S. 167; Schilling, in: GroßKomm HGB, § 164 Rn. 12, 17; Schießl,
S. 105; Spies, S. 95; Wiethölter, S. 38; Winkler K., NJW 1969, 1009, 1010; Wirth, in: MünchHB
GesR, Bd. 2, § 3 Rn. 80.
1040 Ähnlich Klingberg, S. 128; wohl auch Nitschke, S. 261, 263 (Binnenhaftung); Wiedemann, GesR,
§ 10 III 2 a aa; ders., FS Bärmann, 1037, 1050 (1975); auch Boerner, S. 112f. m. w. N.
193
greifen, zum anderen könnte im Fall der Unterkapitalisierung ein möglicherweise
bestehender Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Kommanditisten auf
dem Wege der Pfändung ebenfalls zur mittelbaren Haftung des Kommanditisten
führen.1041 Darüber hinausgehende, unmittelbare Sicherungsmittel werden den
Gläubigern nur eingeräumt, wenn die Handelsregisterpublizität keinen ausreichenden
Schutz mehr gewährleisten kann, wenn also die Grenze zum deliktischen Handeln,
insbesondere der sittenwidrigen Gläubigerschädigung überschritten ist. Unterhalb dieser
Schwelle kann sich der Kommanditist nur intern gegenüber der Gesellschaft oder dem
Komplementär schadensersatzpflichtig machen. Die deliktische Haftung wird aufgrund
des schwer beweisbaren Vorsatzerfordernisses jedoch nur in absoluten Einzelfällen
Erfolg versprechend sein.
2. USA
Unter der Voraussetzung einer vollständigen Verlagerung der Herrschaftsmacht auf
einen Kommanditisten in Verbindung mit einem selbstentmündigten und
vermögenslosen Komplementär wurde seit der Anerkennung der limited partnership
grundsätzlich die persönliche Haftung des limited partner angenommen, um der
vorherrschenden Trennungsthese Geltung verschaffen zu können.
Das US-amerikanische Gegenstück zum Rektor-Fall stellte dabei die Entscheidung
Holzman v. De Escamilla1042 dar. Dort fungierten die general partners ebenfalls nur als
Strohmänner, da die limited partners mit einer umfassenden Vertretungsmacht
ausgestattet waren und sämtliche Geschäfte der Gesellschaft ohne jede Mitwirkung der
general partners führen und entscheiden konnten.1043 Folglich griff das Sicherungskorrektiv der unbeschränkten und persönlichen Haftung der limited partners ein.1044
Diese Rechtsprechung hat sich bis heute fortgesetzt. Sie wurde zum Beispiel von dem
New York Supreme Court sogar nach Erlass des ULPA 2001 in der Entscheidung
Vamco, Inc. v. Polhemus1045 aus dem Jahre 2003 bestätigt.1046 Im Einklang mit der
ständigen Rechtsprechung entschied das New Yorker Gericht, dass ein limited partner
grundsätzlich mit der unbeschränkten und persönlichen Haftung rechnen muss, wenn er
1041 Vgl. das Konzept einer Verschuldenshaftung der Organe und Gesellschafter gegenüber der
Gesellschaft im Fall einer Unterkapitalisierung von Schmidt, GesR §§ 9 IV c, 18 II 4 b; dazu auch
Flume, Juristische Person, S. 87; kritisch jedoch Ulmer, GmbHR 1984, 256, 262.
1042 86 Cal.App.2d 858, 195 P.2d 833 (Dist.Ct.App. 1948).
1043 86 Cal.App.2d 858 auf S. 860, 195 P.2d 833 auf S. 834 (Dist.Ct.App. 1948).
1044 Die Entscheidung ist auf einhellige Zustimmung gestoßen: Siehe Kempin, 22 Am.Bus. L.J. 443,
452 (1985); Donell, 18 Am.Bus.L.J. 399, 402 (1980); Basile, 38 Vand.L.Rev. 1199, 1206 (1985).
1045 302 A.D.2d 946, 754 N.Y.S.2d 802 (2003).
1046 Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass der New York Limited Partnership Act noch immer auf
dem ULPA 1916 basiert und nur teilweise den Änderungen der RULPA 1976, 1985 angepasst
wurde. Der ULPA 2001 wurde bisher auch nicht zum Teil umgesetzt. Siehe McKinney’s
Partnership Law § 96.
194
die vollständige Kontrolle (complete control) über das Unternehmen der Gesellschaft
ausübt.1047
In den US-Bundesstaaten, in denen der rein objektive control test durch das reliance-
Erfordernis eingeschränkt wurde,1048 sind die Anforderungen an eine persönliche
Haftung des herrschenden limited partner jedoch selbst in diesem Extremfall gestiegen.
Dort kommt eine Haftung des herrschenden limited partner nur noch in Betracht, wenn
die Gläubiger der Gesellschaft berechtigterweise darauf vertraut haben, der limited
partner sei aufgrund der erheblichen Teilnahme an der Geschäftsführung der Gesellschaft ein general partner. Die Voraussetzung ist im amerikanischen Recht zumindest
einfacher als im deutschen Recht darzulegen und zu beweisen. Denn im Gegensatz zum
deutschen Recht zerstört das certificate der Gesellschaft nicht von vornherein das Vertrauen seitens der Gläubiger. Verfügt der limited partner dann noch über sämtliche
Geschäftsführungsbefugnisse und übt er diese auch gegenüber den Gläubigern der
Gesellschaft vollständig aus, wird in der Mehrzahl der Fälle einer Strohmann-KG der
Eindruck entstehen, der limited partner sei ein general partner.
Wenn ein US-Bundesstaat den ULPA 2001 in gliedstaatliches Recht vollständig
transformiert, ist eine gesetzliche Haftung des limited partner selbst in der Fallgruppe
der Strohmann-KG wahrscheinlich nur noch in Einzelfällen möglich. Als eines der
verbleibenden Haftungsinstitute kommt die allgemeine Durchgriffshaftung in Betracht.
Bei der vorliegenden Fallkonstellation gewinnt insbesondere das Merkmal alter ego
(Beherrschung) an Bedeutung. Denn wenn dem limited partner die vollständige
Herrschaftsmacht übertragen wurde und er sämtliche Geschäfte nach Belieben steuern
kann, verfügen die Gesellschaft und die Komplementäre über „no separate mind of their
own“.1049 Verstärkt wird die Annahme eines solchen Haftungsdurchgriffs in der vorliegenden Fallkonstellation durch die Tatsache, dass die Verbindung von Management
und aktiver Kontrollausübung als wesentlich für die Anwendung der veil piercing
doctrine angesehen wird.1050 Diese Verbindung ist in der atypischen limited partnership
regelmäßig anzutreffen, wenn dem nur beschränkt haftenden limited partner die vollständige Kontrolle übertragen wird.1051
Im Fall der Vermögenslosigkeit des Komplementärs und einer insgesamt geringen
Kapitalausstattung der limited partnership besteht zudem die Möglichkeit einer Durchgriffshaftung unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Unterkapitalisierung der
Gesellschaft. Aufgrund der Besteuerung als pass-through entity ist davon auszugehen,
1047 Vamco, Inc. v. Polhemus, 302 A.D.2d 946, 947, 754 N.Y.S.2d 802, 804 (2003); siehe dazu
O’Loughlin/Bonner, 54 Syracuse L.Rev. 807, 814 (2004).
1048 Dies war in der entscheidungserheblichen New Yorker Vorschrift (§ 96 NYPL) nicht der Fall.
1049 Vgl. zu dieser Formulierung Craig v. Lake Asbestos, 843 F.2d 145, 150 (3d Cir.1988); auch Secon
Serv. Sys., Inc. v. St. Joseph Bank and Trust Co., 855 F.2d 406, 415 (7th Cir.1988).
1050 Vgl. die Analyse von Thompson, 32 Wake Forest L.Rev. 1, 10–12 (1997); ders., 76 Cornell L.Rev.
1036, 1054 (1991).
1051 Zu Recht Huss, 70 U.Cin.L.Rev. 95, 115–16 (2001); auch bereits Thompson, 32 Wake Forest
L.Rev. 1, 12–13 (1997).
195
dass bei der limited partnership eine Kapitalerhaltung eher nicht anzutreffen ist und
somit das Risiko einer unzureichenden Kapitalausstattung verstärkt wird.
Ob eine estoppel-Haftung in der vorliegenden Fallkonstellation greifen wird, bleibt
abzuwarten. Denn die Gläubiger müssten nicht nur darlegen und beweisen, dass sie
berechtigterweise annehmen konnten, der limited partner sei der Inhaber des Unternehmens, also der general partner, sie müssten außerdem beweisen, dass sie gerade
darauf vertraut haben, dass der limited partner in dieser Rechtsstellung persönlich und
unbeschränkt für die Verbindlichkeiten des Unternehmens aufkommen wird.1052 Eine
solche Annahme wird jedoch im Hinblick auf die derzeitige schwindende Bedeutung
der persönlichen Haftung im US-amerikanischen Unternehmensrecht kaum mehr möglich sein.
B. Ergebnis
In den USA musste ein herrschender Kommanditist regelmäßig mit dem Risiko der
persönlichen und unbeschränkten Inanspruchnahme rechnen, zumindest solange der
ULPA 2001 von den einzelnen Bundesstaaten noch nicht in gliedstaatliches Recht
umgesetzt wurde.
Im Rahmen der Haftungsmodelle lassen sich zwei Haftungsvarianten unterscheiden.
Hervorzuheben ist zunächst die rein objektive Anwendung der control rule, durch die
jegliche wesentliche Einflussnahme des limited partner, unabhängig von einem
enttäuschten Vertrauen des Rechtsverkehrs, mit der persönlichen und unbeschränkten
Haftung sanktioniert wurde. Diese bis zum Jahre 1985 vorherrschende rein objektive
Auslegung sollte zum einen die These aufrechterhalten, dass die Gläubiger einer
Personengesellschaft weiterhin in ihrer Annahme geschützt werden, ein Handelsunternehmen werde von den unbeeinflussten Fähigkeiten des unbeschränkt haftenden
Inhabers geleitet. Zudem diente die control rule als Sicherungskorrektiv gegen rücksichtslose und risikoreiche Geschäfte einer beschränkt haftenden Person. Lange Zeit
war die Annahme vorherrschend, dass sich das Privileg der beschränkten Haftung nicht
mit der direkten Kontrolle über die Geschäftsführung verbinden lässt, weil dadurch die
Gefahr einer negativen Risikoallokation zu Lasten der Allgemeinheit zu groß wird. Die
atypische Kommanditgesellschaft wurde mit Hilfe der control rule somit wieder ins
traditionelle US-amerikanische Gesellschaftsrechtssystem „zurechtgerückt“.
Auf der anderen Seite wurde und wird die control rule durch das reliance-Erfordernis
eingeschränkt. Unter dem subjektiven reliance-Tatbestand kommt eine Haftung des
limited partner nur in Betracht, wenn die Gläubiger der Gesellschaft aufgrund seiner
1052 Vgl. nur Roehtke v. Sanger, 68 S.W. 352 (Ky.2001); Kondos Entertainment, Inc. v. Quinney Elec.,
Inc., 948 S.W.2d 820 (Tex.App. 1997); dazu etwa Waters/Miller, 51 SMU L.Rev. 1245, 1257 f.
(1998); auch American Cas. Co. v. Costello, 435 N.W.2d 760 (Mich.App. 1989).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Einheit von Herrschaft und Haftung beherrschte in Deutschland wie in den USA lange Zeit die Diskussion über den Sinn und Unsinn der beschränkten Haftung im Gesellschaftsrecht. Um opportunistischem Handeln von herrschenden Gesellschaftern entgegenzuwirken, wurde die beschränkte Haftung nur gegen einen Verlust von Mitwirkungsbefugnissen in der Gesellschaft gewährt. Eine Trennung von Herrschaft und Haftung war nicht möglich. In Deutschland wurde dieses Dogma durch die atypische KG bereits frühzeitig durchbrochen. In den USA trat eine solche Entwicklung erst vollständig in den letzten Jahrzehnten ein. In jüngster Zeit entstand in den europäischen Rechtsordnungen ein neuer Reformprozess, der maßgeblich durch die Bestrebungen geprägt war eine mindestkapitallose Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung zu kreieren, in der die Gesellschafter die Kontrolle über die Gesellschaft ausüben können.
Das Werk zeigt die die Ursachen für diese Entwicklung sowie die rechtlichen und ökonomischen Konsequenzen einer Durchbrechung des Grundsatzes einer Einheit von Herrschaft und Haftung im Gesellschaftsrecht auf und hinterfragt diese im Hinblick auf den weltweiten Markt der Gesellschaftsrechte.