180
einzubehalten.1003 Die Gläubiger einer Personengesellschaft verdienen in einem solchen
Fall einer unzureichenden Kapitalausstattung denselben Schutz wie die Gläubiger einer
Kapitalgesellschaft.1004
5. Ergebnis
Insgesamt bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung die Grundsätze des veil piercing
unter abgewandelten Anforderungen auf die limited partnership übertragen wird.1005
Betrachtet man die Grundüberlegung der veil piercing doctrine, liegt es nahe die Lehre
zumindest in den Jurisdiktionen anzuwenden, in denen die Haftung des limited partner
vollständig aufgeben wird und dann nur in den absoluten Ausnahmefällen.1006 Denn die
Lehre greift grundsätzlich nur aus Gründen des Gläubigerschutzes ein, wenn das
vertragliche und gesellschaftsrechtliche Gleichgewicht zwischen den Gläubigerinteresse
und Gesellschafterinteressen auf unfaire Weise zugunsten der Gesellschafter verschoben
wurde. Ein solcher Fall kommt dann zumindest im Fall der Strohmann-KG in Betracht.
Gleichwohl muss beachtet werden, dass es hunderttausende von closely held
corporations in den USA gibt und nach einer führenden Studie zur Durchgriffshaftung
nur 226 Fälle zur veil-piercing Theorie in der Datenbank „Westlaw“ im Jahre 1985
verzeichnet worden sind.1007 In nur 70 von diesen Fällen haben die Gerichte wirklich
einen Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter vorgenommen..
§ 5: Zusammenfassung der Ergebnisse im US-amerikanischen Recht
Über ein Jahrhundert lang war das Recht der limited partnership durch den Grundsatz
geprägt, dass ein limited partner unbeschränkt und persönlich für die Verbindlichkeiten
der Gesellschaft haftet, wenn er wesentlichen Einfluss in die Geschäftsführung der
1003 Vgl. dazu Cohen-Whelan, 32 U.S.F.L.Rev. 335, 357 (1998); auch Lackey, 55 Ark.L.Rev. 553,
572–73 (2002); zu diesem Aspekt auch Lind, Fundamentals of Corporate Taxation, 30–31 (4th
1997).
1004 Siehe zur LLC insbesondere Braukman, 39 U.Kan.L.Rev. 967, 992 (1991); kritisch aber Fox, 62
Geo.Wash.L.Rev. 1143, 1170–72 (1994); so wie hier Lackey, 55 Ark.L.Rev. 553, 573–74 (2002).
1005 Mittlerweile existieren Bestrebungen, die Grundsätze des veil piercing im Rahmen der entity
rationalization erstmalig zu kodifizieren. Vgl. etwa Callison, 58 Bus.Law. 1063, 1068 (2003); zur
entity rationalization im Allgemeinen vgl. ad hoc Committee on Entity Rationalization, 57
Bus.law. 1569 (2002); auch Geu/Keatinge, 37 Real Prop.Prob & Tr.J. 385 (2002); Clark, 58
Bus.Law. 1005 (2003); siehe auch bereits Oesterle/Gazur, 32 Wake Forest L.Rev. 101 (1997)
(“Small Business Limited Liability Statute”); kritisch aber Ribstein, 58 Bus.Law. 1023 (2003).
1006 Ähnlich Huss, 70 U.Cin.L.Rev. 95, 123 (2001); Cohen, 51 Okla.L.Rev. 427 ff. (1998); Lackey, 55
Ark.L.Rev. 553, 571 (2002); wohl auch Bishop, 29 Suffolk U.L.Rev. 985, 1026 (1995);
Thompson, 32 Wake Forest L.Rev. 1, 26 (1997).
1007 Thompson, 76 Cornell L.Rev. 1036, 1058 Tbl. 8 (1991).
181
Gesellschaft nimmt. Das US-amerikanische Gesellschaftsrecht war der Auffassung,
dass derjenige, der die Entscheidungsgewalt über die Geschäfte eines Unternehmens
hat, auch persönlich und unbeschränkt für die Verbindlichkeiten des Unternehmens
aufkommen muss. Die Trennung zwischen Inhaberschaft, Kontrolle und beschränkter
Haftung wurde strikt eingehalten, um zu vermeiden, dass ein nur beschränkt haftender
Gesellschafter risikoreiche und rücksichtslose Transaktionen vornimmt, deren Scheitern
auf die Allgemeinheit verlagert wird. Nur rein passiven Aktionären von großen
Publikumsgesellschaften wird das Privileg der beschränkten Haftung seit jeher gewährt.
Dort ist die Gefahr opportunistisch handelnder Gesellschafter nicht sehr groß, besteht
doch keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschäftsführung.
Dementsprechend sahen die ersten Limited Partnership Acts der einzelnen US-
Bundesstaaten eine Vielzahl gesetzlicher Haftungstatbestände vor, die eine jede Einmischung des limited partner – sei es als Vertreter der Gesellschaft, sei es als bloßer
Angestellter der Gesellschaft – mit der unbeschränkten Haftung sanktionierten. Der
Einfluss nehmende limited partner wurde im Grundsatz wie ein general partner
behandelt. Das Privileg der beschränkten Haftung wurde ihm nur gewährt, wenn er sich
überhaupt nicht an der Geschäftsführung beteiligte und auch sonst alle formalen
Voraussetzungen exakt einhielt. Eine Kombination zwischen Geschäftsführung und
beschränkter Haftung war nicht möglich.
Der Trend setzte sich sodann in abgeschwächter Form in dem ersten Modellgesetz
aus dem Jahre 1916 fort. Der ULPA 1916 führte die sog. control rule ein, deren
Konkretisierung fast ein Jahrhundert ein Kernproblem des Personengesellschaftsrechts
in den USA darstellte. Die control rule stellte den Grundsatz auf, dass ein limited
partner nicht für die Verbindlichkeiten des Unternehmens haften muss, „ unless he
takes part in control of the business“. Im Wesentlichen hat die Rechtsprechung ein solch
unzulässiges Verhalten festgestellt, wenn der limited partner auf die Alltagsgeschäfte
der Gesellschaft Einfluss genommen hatte oder eine eigene Entscheidungsverantwortlichkeit innehatte. Zudem war es von Bedeutung, ob der limited partner
Einfluss auf die finanziellen Belange der Gesellschaft nahm. Im Wesentlichen wurde
somit weiter an der These festgehalten, dass eine Person, die größeren Einfluss auf die
kapitalzehrenden Geschäfte des Unternehmens hat, unbeschränkt und persönlich für die
Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften muss. Der Rechtsverkehr sollte zudem nicht
in seiner Annahme enttäuscht werden, dass ein Unternehmen von den unbeeinflussten
Fähigkeiten des persönlich haftenden Inhabers geleitet wird.
Im Jahre 1976 wurde der RULPA verabschiedet. Der Vorschlag sollte das Recht der
limited partnership rechtssicherer ausgestalten. Der control-Haftungstatbestand wurde
gestrichen. Stattdessen wurde der substantially-the-same-as test eingeführt. Der
substantially-the-same-as test setzt den gleichen Grad der Einflussnahme des limited
partner wie der ursprüngliche control test voraus. Zur näheren Konkretisierung des
Begriffs hat die Rechtsprechung demzufolge auf die alte Rechtsprechung zum control-
Tatbestand zurückgegriffen. Ein gesetzliches Novum stellte der Ausnahmekatalog dar,
182
der Verhaltensweisen erfasst, die grundsätzlich keine haftungsrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Davon erfasst sind insbesondere Maßnahmen, die in Aus-
übung eines Angestelltenverhältnisses bzw. einer Vertreterstellung getroffen wurden.
Durch den RULPA 1985 werden die Anforderungen, ab wann ein herrschender
limited partner persönlich und unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft
haften muss, erstmalig etwas verschärft. Durch die Einführung des reliance test wird die
strikte Trennungsthese von beschränkter Haftung und Geschäftsführung erstmalig
gelockert. Gemäß § 303 (a) RULPA 1985 kommt eine persönliche Haftung des limited
partner für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Grunde nur noch in Betracht,
wenn der limited partner für die Gesellschaft rechtsgeschäftliche Handlungen vornimmt
und gerade durch diese Maßnahmen der berechtigte Eindruck entsteht, er sei ein
unbeschränkt haftender general partner. Unter Geltung des § 303 (a) RULPA 1985
führt jedes positive Wissen seitens des Dritten, dass der handelnde Gesellschafter zum
Zeitpunkt seiner Maßnahme kein general partner, sondern ein limited partner der
Gesellschaft war, zu einem Ausschluss der Haftung des limited partner. Ein Haftung
kommt noch bei Vertragsabschlüssen in Betracht, die im Rahmen des day-to-day
business der limited partnership getätigt werden, ohne auf die Rechtsstellung als limited
partner hinzuweisen oder ohne dass aus anderen Umständen ersichtlich ist, dass das
Gegenüber kein general partner ist.
Durch die Überarbeitung des safe harbor-Katalogs wird dem limited partner,
zumindest auf den ersten Blick, das Recht zugestanden, aktiv an der Geschäftsführung
der Gesellschaft teilzunehmen. Erstmals wurde festgelegt, dass ein limited partner
mittelbar über die Komplementär-Kapitalgesellschaft Einfluss auf die Geschäfte der
limited partnership nehmen kann, ohne eine persönliche Haftung befürchten zu müssen.
Insbesondere aufgrund des erweiterten safe harbor-Katalogs muss ein limited partner
unter Geltung des RULPA 1985 nur noch in wenigen Einzelfällen gegenüber Dritten für
die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Die persönliche Haftung kann ein limited
partner nur noch auslösen, wenn sein Verhalten eine Beherrschung der Gesellschaft
darstellt, dass es aus dem Schutzbereich des safe harbor-Katalogs fällt und zugleich bei
den Gläubigern der Gesellschaft das berechtigte Vertrauen (reliance) hervorruft, der
limited partner sei in Wirklichkeit ein general partner.
Im Jahre 2001 wurde von den Verfassern des ULPA 2001 vorgeschlagen, die
Trennungsthese in der Kommanditgesellschaft durch die Streichung sämtlicher
Haftungstatbestände ersatzlos aufzugeben. Nach dem Vorschlag könnte ein limited
partner nunmehr umfassend die Kontrolle über die Gesellschaft ausüben, ohne mit der
unbeschränkten und persönlichen Haftung rechnen zu müssen. Eine Verbindung von
Inhaberschaft, Kontrolle und beschränkter Haftung wäre damit möglich. Gleichwohl
wurde der ULPA 2001 bisher erst von vier US-Bundesstaaten umgesetzt.
Allerdings hat sich ergeben, dass ein herrschender limited partner auch unter anderen
Voraussetzungen als denen der control rule persönlich und unbeschränkt für die
Verbindlichkeiten einer Gesellschaft in Anspruch genommen werden kann. Dabei ist
183
eine Haftung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens zumindest denkbar. Dagegen
scheitert eine solche Haftung zumeist an der Tatsache, dass der Rechtsverkehr nur noch
in Einzelfällen berechtigterweise darauf vertrauen kann, dass der vermeintliche Inhaber
einer Gesellschaft auch persönlich und unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der
Gesellschaft aufkommen wird. Es verbleibt jedoch die Möglichkeit, auf eine vollständige Beherrschung der Gesellschaft durch den limited partner mit der allgemeinen
Durchgriffshaftung zu reagieren.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Einheit von Herrschaft und Haftung beherrschte in Deutschland wie in den USA lange Zeit die Diskussion über den Sinn und Unsinn der beschränkten Haftung im Gesellschaftsrecht. Um opportunistischem Handeln von herrschenden Gesellschaftern entgegenzuwirken, wurde die beschränkte Haftung nur gegen einen Verlust von Mitwirkungsbefugnissen in der Gesellschaft gewährt. Eine Trennung von Herrschaft und Haftung war nicht möglich. In Deutschland wurde dieses Dogma durch die atypische KG bereits frühzeitig durchbrochen. In den USA trat eine solche Entwicklung erst vollständig in den letzten Jahrzehnten ein. In jüngster Zeit entstand in den europäischen Rechtsordnungen ein neuer Reformprozess, der maßgeblich durch die Bestrebungen geprägt war eine mindestkapitallose Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung zu kreieren, in der die Gesellschafter die Kontrolle über die Gesellschaft ausüben können.
Das Werk zeigt die die Ursachen für diese Entwicklung sowie die rechtlichen und ökonomischen Konsequenzen einer Durchbrechung des Grundsatzes einer Einheit von Herrschaft und Haftung im Gesellschaftsrecht auf und hinterfragt diese im Hinblick auf den weltweiten Markt der Gesellschaftsrechte.