Abbildung 20 – Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik, Krankenhäuser in Bayern, Grund- und Kostendaten 2002 – 2004. Grafik: O. Kellmer.
0
10
20
30
40
50
60
70
n
Einrichtungen nach Bettenklassen (Bayern)
2002 54 61 60 56 29 13 27 17 10 8 4 9
2003 57 56 61 55 30 12 26 17 10 8 4 9
2004 53 56 64 47 30 11 26 15 11 8 3 9
<50 <100 <150 <200 <250 <300 <400 <500 <600 <800 <10000 =>1000
Einrichtungen nach Bettenklassen (Bayern
226
III. Rechtsformentwicklung im öffentlichen Krankenhausbereich
1. Gesamtüberblick
Im Abschnitt II. 2. b) ist auf den Zusammenhang von Krankenhausgröße (Bettenzahl) und Trägerschaft hingewiesen worden (vgl. Abbildung 12). Daran
anknüpfend soll nun in einem ersten Schritt die Rechtsformentwicklung im
öffentlichen Krankenhausbereich anhand der verschiedenen Bettenklassen
untersucht werden. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die
Datenlage hier außerordentlich eng ist. Die Rechtsformproblematik ist erst
vor wenigen Jahren in den Blickpunkt des Interesses gerückt, so dass Daten
hier nur sporadisch zur Verfügung stehen.
Aus den verfügbaren Daten ist ersichtlich, dass noch 2001 in der größten Bet tenklasse der Eigenbetrieb mit knapp einem Drittel die dominierende Rechtsform darstellte. Die gGmbH war im Bereich der zweitgrößten, die GmbH in
der kleinsten Bettenklasse führend. Der Regiebetrieb stellte bereits 2001
kaum noch eine nennenswerte Größe dar. Bereits drei Jahre später hatte sich
227
dieses Bild entscheidend verändert. Hervorzuheben ist die stark gewachsene
Bedeutung der Rechtsform der gGmbH, die jetzt in fast allen Bettenklassen
die zahlenmäßig stärkste Rechtsform stellt. Insbesondere im Bereich der Einrichtungen zwischen 300 und 600 Betten ist die Bedeutung dieser Rechtsform
mit rund 44% überragend. Die Bedeutung des Regiebetriebes ist noch weiter
zurückgegangen, aber auch die andere klassische öffentlich-rechtliche
Rechtsform, der Eigenbetrieb, hat erheblich an Bedeutung verloren. Insbesondere in der größten Bettenklasse tritt – allerdings bisher geografisch weitgehend beschränkt auf den Freistaat Bayern – die Rechtsform des selbständigen
Kommunalunternehmens als starke Rechtsform in den Markt ein. Insgesamt
wird deutlich, dass die klassischen öffentlich-rechtlichen Rechtsformen
erheblich an Bedeutung verlieren und die klassisch privatrechtlichen Rechtsformen an Gewicht in den großen Bettenklassen zulegen.
Durch die Novellierung der Krankenhausstatistikverordnung612 sind seit 2002
Zahlen verfügbar,613 die eine Differenzierung der Krankenhäuser in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft nach ihrer Rechtsform ermöglichen. Zwar ist bei
diesen Daten die Darstellung nicht rechtsformgenau wie in den Abbildungen
21 und 22, jedoch ist dafür die Datengrundlage stabiler. Seit Ende 2006 stehen
die Daten für 2005 zur Verfügung, so dass jetzt ein Beobachtungszeitraum
von vier Jahren vorliegt.
Während der Anteil der öffentlichen-rechtlichen Krankenhäuser am Gesamtmarkt in diesem Zeitraum nur relativ leicht von 36,8% auf rund 35% sank, gab
es innerhalb dieses Sektors erhebliche Verschiebungen. Es zeigt sich, dass
nicht nur die materielle Privatisierung, sondern auch die Rechtsform-Privatisierung (formelle Privatisierung) öffentlicher Krankenhäuser stark voranschreitet. Der Anteil der privatrechtlichen Rechtsform (z.B. GmbH) an der
Gesamtheit öffentlicher Krankenhäuser erhöhte sich von rund 28% in 2002
über 36,8% in 2004 auf rund 44% in 2005 und damit von rund 10% (vgl.
Abbildung 23) auf rund 15% des Gesamtmarktes (vgl. Abbildung 24). Demgegenüber war der Anteil der öffentlich-rechtlich organisierten Krankenhäuser, die als rechtlich unselbständige Einrichtungen (Eigenbetriebe, Regiebetriebe) betrieben wurden, stark rückläufig. Ihr Anteil an der Gesamtheit
öffentlicher Krankenhäuser sank von knapp 57% im Jahr 2002 über 47,6% im
Jahre 2004 auf rund 37% im Jahr 2005 und damit von 21% auf 13% des
Gesamtmarktes. Der Anteil der rechtlich selbständigen Einrichtungen stieg
zunächst nur leicht von knapp 15% in 2002 (5% des Gesamtmarktes) auf
knapp 16% in 2004 (6% des Gesamtmarktes); 2005 stieg der Anteil um 18
612 Erste Verordnung zur Änderung der Krankenhausstatistikverordnung vom 13.08.2001
(BGBl. I S. 2135).
613 Statistisches Bundesamt, Gesundheitswesen. Grunddaten der Krankenhäuser, 2004 und
2005 (Fachserie 12 / Reihe 6.1.1).
Abbildung 21 – Quelle : Deutsches Krankenhausinstitut, Krankenhaus
Barometer – Herbstumfrage 2001. Die Zahlen basieren auf einer repräsentativen Stichprobe von allgemeinen Krankenhäusern in Deutschland, die in der
Zeit von Oktober bis Dezember 2001 durchgeführt worden ist. Grafik: O.
Kellmer.
Tabelle 6 – Quelle: Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser, 2004/2005.
Einrichtungen öff.-Einrichtungen
Jahr freigemeinn. private E.
in privatr.Form
öffR-unselbst.
öffR-selbst.
2002 877 527 231 465 121
2003 856 545 245 431 120
2004 831 555 287 371 122
2005 818 570 332 279 140
Rechtsform der Krankenhäuser nach Bettengrößenklassen
(2001)
0% 20% 40% 60% 80% 100%
>= 600Betten
300<600 Betten
100<300 Betten
<100 Betten
Rest 26,7 22,4 22,9 32,7
Stiftung 2,3 8,2 7,4 3,3
Regiebetrieb 9,3 4,1 6,8 4,3
Eigenbetrieb 32,6 19,4 17,9 13
gGmbH 12,8 25,9 19,1 13
Gm bH 16,3 20 25,9 33,7
>= 600Betten 300<600 Betten 100<300 Betten <100 Betten
228
Abbildung 22 – Quelle : Deutsches Krankenhausinstitut, Krankenhaus
Barometer – Erhebung 2004. Grafik: O. Kellmer.
Tabelle 7 – Quelle: Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser, 2004/2005.
Betten öff.-Einrichtungen
Jahr freigemeinn. private E. in privatr.Form
öffR-unselbst.
öffR-selbst.
2002 200.635 48.615 80.646 159.791 57.597
2003 197.343 53.933 86.741 144.516 59.368
2004 189.334 61.282 99.639 120.220 60.858
2005 184.752 65.351 116.475 90.344 66.902
Rechtsform der Krankenhäuser nach Bettengrößenklassen
(2004)
0% 20% 40% 60% 80% 100%
>= 600Betten
300<600 Betten
100<300 Betten
<100 Betten
Res t 14,5 11,6 10,4 22,8
Stiftung 2,9 8 7,6 1,8
Kommunalunternehmen 15 6
Regiebetrieb 0 2,3 4,3 1,8
Eigenbetrieb 20,6 12,6 11,4 10,5
gGmbH 29,4 41,4 27,7 29,8
Gm bH 17,6 24,1 32,6 33,3
>= 600Betten 300<600 Betten 100<300 Betten <100 Betten
229
230
Einrichtungen auf rund 7% des Gesamtmarktes (vgl. Abbildungen 25-28). Es
ist ersichtlich, dass die Zeit der unselbständigen öffentlichen Rechtsformen
sich dem Ende nähert. Ein Wechsel zu einer selbständigen öffentlichen
Rechtsform findet relativ selten statt; zu beobachten ist ein Trend hin zu den
privatrechtlichen Rechtsformen.
Weiter erlauben die Daten einen Einblick in die Größenstrukturen der Einrichtungsarten. Während im Jahre 2005 der Anteil der Einrichtungen in
öffentlich-rechtlicher Trägerschaft bei rund 35% liegt, ist der Anteil der Betten in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft erheblich höher und liegt bei rund
52% (vgl. Abbildungen 26 und 30). Auch hier zeigt sich wiederum, dass die
Kliniken in privater Trägerschaft im Durchschnitt eher über einer geringere
Bettenzahl verfügen, wenn ihr Anteil am Gesamtmarkt bei rund 27% liegt, ihr
Anteil an der Bettenkapazität jedoch nur bei rund 12%. Jedoch ist nicht zu
verkennen, dass im Beobachtungszeitraum die Bettenkapazitäten in Krankenhäusern in privater Trägerschaft mit rund 34% überproportional zugenommen
haben.
Innerhalb der Struktur der Krankenhäuser in öffentlich-rechtlicher Rechtsform entwickelte sich der Bettenstand eher proportional zu der Anzahl der
Einrichtungen. Lediglich bei den selbständigen Einrichtungen war ein leichter
Trend zur Vergrößerung der durchschnittlichen Einrichtung zu erkennen, der
sich 2005 jedoch wieder umkehrte.
Wenn auch die Aussagen auf Grund der noch recht dünnen Datengrundlage
zunächst mit Vorsicht zu bewerten sind, so zeigt sich dennoch bereits jetzt,
dass im öffentlichen Sektor eine Rechtsform-Privatisierung hauptsächlich zu
Lasten der öffentlich-rechtlich-unselbständigen Rechtsformen erfolgt. Dies
dürfte in der Struktur der in dieser Rechtsform verbliebenen Einrichtungen
begründet liegen; anders als die öffentlich-rechtlich-selbständigen Einrich tungen handelt es sich hier vorwiegend um kleinere Einrichtungen. Der hauptsächliche Rechtsformwandel dürfte auch in Zukunft zwischen den öffentlichrechtlich-unselbständigen Formen und den öffentlich-rechtlichen Einrichtungen in privater Rechtsform stattfinden, während der öffentlich-rechtlich-selbständige Teil relativ stabil zu sein scheint. Insgesamt bleibt zu erwarten, dass
eher die kleineren Einrichtungen einen erneuten Rechtsformwechsel wagen
werden.
Abbildung 23 – Quelle : Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser, 2004/2005. Grafik: O. Kellmer.
Abbildung 24 – Quelle : Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser, 2004/2005. Grafik.: O. Kellmer.
231
Abbildung 25 – Quelle : Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser, 2004/2005. Grafik: O. Kellmer.
Abbildung 26 – Quelle : Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser, 2004/2005. Grafik: O. Kellmer.
232
Abbildung 27 – Quelle: Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser, 2004/2005. Grafik: O. Kellmer.
Abbildung 28 – Quelle : Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser, 2004/2005. Grafik: O. Kellmer.
233
Abbildung 29 – Quelle : Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser, 2004/2005. Grafik: O. Kellmer.
Abbildung 30 – Quelle: Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser, 2004/2005. Grafik: O. Kellmer.
234
235
2. Die Entwicklung in Bayern
a) Allgemeine Entwicklung
Bis zum 1. September 1992 waren die kommunalen Krankenhäuser in Bayern
fast ausschließlich als Regiebetriebe organisiert.614 1995 wurde den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, ihre Krankenhäuser entweder als Regiebetrieb, als Eigenbetrieb, in einer Rechtsform des privaten Rechts und als Neuerung auch in der Rechtsform des selbständigen Kommunalunternehmens zu
betreiben.615 Auch für Bayern gilt, dass weiter zurückreichende Daten in
Bezug auf die Rechtsformentwicklung nicht verfügbar sind. Aus den verfüg baren Daten ist jedoch ersichtlich, dass der seit 1992 stattfindende Umwandlungsprozess auch in Bayern weit fortgeschritten ist und seit Ende der neunziger Jahre nochmals forciert wurde.
Im Vergleich zum bundesdeutschen Durchschnitt ist der bereits oben dargestellte relativ hohe Anteil der Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Rechtsform zu beachten. Werden im Bundesschnitt nur knapp über ein Drittel der
Einrichtungen in öffentlicher Rechtsform betrieben, so liegt dieser Anteil in
Bayern bei knapp 60%, im Betten-Anteil bei knapp 80%.
Auch für Bayern werden seit 2002 die Rechtsformen der öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser erfasst, so dass ein erster Trend erkennbar wird. Dieser
Trend besteht auch in Bayern zuungunsten der rechtlich-unselbständig
geführten Einrichtungen. Wurden 2002 noch rund 60% der Einrichtungen in
öffentlich-rechtlicher Trägerschaft in diesen Rechtsformen betrieben (35%
des Gesamtmarktes, vgl. Abbildung 31), so lag dieser Anteil 2004 nur noch
bei rund 51% (29% des Gesamtmarktes, vgl. Abbildung 33). Noch stärker war
der Rückgang in Bezug auf den Bettenanteil. Standen 2002 noch knapp 63%
der Betten in rechtlich-unselbständig geführten Einrichtungen (48% des
Gesamtmarktes, vgl. Abbildung 34), so lag dieser Wert 2004 nur noch bei
rund 50% (39% des Gesamtmarktes, vgl. Abbildung 36).
Deutlich an Bedeutung gewonnen haben hingegen die selbständigen Einrichtungen, insbesondere das selbständige Kommunalunternehmen. Ihr Anteil
stieg von rund 19% in 2002 auf knapp 25% in 2004 (von 11% auf 14% des
Gesamtmarktes, vgl. Abbildungen 31 und 33), in Bezug auf die Bettenzahl
von rund 21% in 2002 auf knapp 30% in 2004 (von 16% auf 23% des Gesamtmarktes, vgl. Abbildungen 34 und 36). Deutlich seltener konnten die öffentlichen Einrichtungen in privatrechtlicher Rechtsform von dieser Umstrukturierung profitieren. Ihr Anteil stieg nur leicht von rund 21% in 2002 auf knapp
24% in 2004 (entsprechend von 12% auf 14% des Gesamtmarktes), ihr Anteil
614 Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband, Geschäftsbericht 2001, S. 75.
615 Art. 25 Abs. 1 BayKrG.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit problematisiert die gegenwärtige Praxis einer materiellen und formellen Privatisierung weiter Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge. Im Ersten Teil wird als verfassungstheoretisches Problem der materiellen Privatisierung auf die Gefahr einer Erosion des Öffentlichen hingewiesen: auf die Tendenz zur Ausdünnung der demokratischen und sozialstaatlichen Legitimations- und Verantwortungsstrukturen. Im Zweiten Teil wird die These entwickelt, dass es sich bei der Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform für öffentliches Handeln (formelle Privatisierung) nicht um eine rein rechtstechnische Frage, sondern um eine verfassungsrelevante Strukturentscheidung handelt, die einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Als eine flexible Handlungsform des öffentlichen Rechts und als geeignete Alternative zu privatrechtlichen Rechtsformen wird im Dritten Teil die Organisationsform des selbständigen Kommunalunternehmens vorgestellt. Die Leistungsfähigkeit dieser neuen öffentlich-rechtlichen Organisationsform wird sodann im Vierten Teil auf der Grundlage eines ausführlichen Rechtsformenvergleichs dargestellt und im Fünften Teil anhand einer rechtstatsächlichen Analyse der bayerischen Krankenhaus-Kommunalunternehmen konkretisiert. Von den rechtspolitischen Vorschlägen ist die Forderung nach einer Einführung einer direktiven Mitbestimmung im Kommunalunternehmen hervorzuheben.