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Höhe des Umsatzes oder der Ausgleichszahlungen von der Notifizierungspflicht ausgenommen, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen.607 Die
Kommission begründet dies damit, dass Krankenhäuser Besonderheiten aufwiesen, die bei der Freistellung von der Anmeldepflicht zu berücksichtigen
seien. So stehe im Krankenhausbereich »im jetzigen Entwicklungsstadium
des Binnenmarktes die Wettbewerbsverfälschung ... nicht zwangsläufig in
einem direkten Verhältnis zum Umsatz und zur Höhe der Ausgleichszahlungen«.
II. Aufgabenprivatisierung im Krankenhausbereich
Über Privatisierungen wird im Krankenhausbereich nicht nur diskutiert, Aufgabenprivatisierungen von Krankenhäusern werden vielmehr mit steigender
Tendenz praktiziert. Bevor die aktuelle Situation dargestellt wird (dazu 2.),
soll zum besseren Verständnis dieser Situation ein Überblick über die
Gesamtentwicklung gegeben werden (dazu 1.).608 Auf die Entwicklung in
Bayern wird sodann genauer eingegangen (dazu 3.)
1. Die Entwicklungen im Krankenhausbereich vor 1990
a) Bundesrepublik
Der Krankenhaussektor in der Bundesrepublik Deutschland ist seit Jahrzehnten erheblichen, im Laufe der Jahre intensivierten Veränderungen ausgesetzt.
Zwar sind die Zahlen, die für die Zeit vor der Wiedervereinigung vorliegen,
auf Grund der durch die Krankenhausstatistik-Verordnung (KHStatV) vom
10. April 1990 (BGBl. I S. 730) veränderten Systematik nicht eins zu eins mit
den Zahlen nach der Wiedervereinigung zu vergleichen, jedoch werden
Trends deutlich.
Bis in die 1980er Jahre hinein ist eine deutliche Reduzierung der Zahl der
Krankenhäuser feststellbar. In diesem Zeitraum verringerte sich deren Anzahl
insgesamt um gut 10%, wobei die öffentlich-rechtlichen und freigemeinnützi gen Einrichtungen mit gut 14% und 16% überproportional verloren. Allerdings stieg die Zahl der Betten in dem selben Zeitraum um gut 21%; diese
Zahl fiel bis 1989 nur leicht wieder zurück, um jedoch immer noch knapp
607 Zu den Voraussetzungen im Einzelnen vgl. Erster Teil Abschnitt II. 2. am Ende.
608 Vgl. dazu auch H. R. Buse, Geeignete Rechtsformen (Fußn. 357), S. 5 ff.
Abbildung 2 – Quelle : Deutsche Krankenhausgesellsch,, Zahlen, 2004/
2005. Grafik: O. Kellmer.
Abbildung 3 – Quelle : Deutsche Krankenhausgesellschaft, Zahlen, Daten,
Fakten, 2004/2005. Grafik: O. Kellmer.
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15% über dem Wert von 1960 zu liegen. Somit ist in diesem Zeitraum ein
Auseinanderdriften der Entwicklung und somit ein Trend zu größeren Einheiten festzustellen.
b) DDR
Eine andere Entwicklung nahm der Krankenhaussektor in der Deutschen
Demokratischen Republik. Hier verlief die Entwicklung von Krankenhäusern
und Betten relativ proportional. Im gesamten Zeitraum verringerte sich die
Zahl der Einrichtungen um gut 34%, die Anzahl der Betten um gut 25%. Ab
1980 kann jedoch eine relative Stabilisierung des Krankenhaussektors festgestellt werden. In Bezug auf die Rechtsformentwicklung in der DDR ist
systembedingt eine Quasi-Monokultur zu beobachten. Ein privater Krankenhaussektor fehlte in der DDR fast vollständig und auch der freigemeinnützige
Sektor war, im Vergleich zur BRD, stark unterrepräsentiert. Kurz vor der
Wiedervereinigung standen über 85% der Einrichtungen und über 93% der
Betten in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft.
Abbildung 4 – Quelle: Deutschen Krankenhausgesellschaft, »Zahlen,
Daten, Fakten«, 2004/2005. Grafik: O. Kellmer.
Abbildung 5 – Quelle: Deutschen Krankenhausgesellschaft, »Zahlen,
Daten, Fakten«, 2004/2005. Grafik: O. Kellmer.
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2. Entwicklungen nach 1990 in Gesamtdeutschland
Wie bereits dargelegt, können die Daten für die Zeit nach der Wiedervereinigung nicht eins zu eins mit den Daten vor der Wiedervereinigung verglichen
werden. Jedoch kann festgestellt werden, dass auch in der Zeit nach der Wiedervereinigung der Krankenhaussektor einer kontinuierlichen Veränderungsbewegung unterworfen ist. Gab es 1991 in der Bundesrepublik Deutschland
insgesamt noch 665.565 Krankenhaus-Betten, so wurden 2005 nach einem
beständigen Rückgang nur noch 523.824 Betten (das entspricht 635 Betten
pro 100.000 Einwohner) gezählt, das ist ein Rückgang von rund 21%. In dem
gleichen Zeitraum war die Anzahl der Krankenhäuser insgesamt ebenfalls
rückläufig, wenn auch mit rund 11% geringer als die Reduzierung der Bettenzahl. In dem Zeitraum schlossen 272 Einrichtungen bzw. gaben ihre Selbständigkeit auf, so dass sich die Anzahl der Krankenhäuser von 2.411 auf 2.139
reduzierte.
Vor dem Hintergrund dieser Gesamtentwicklung kann im Folgenden die Privatisierungspraxis in Gesamtdeutschland untersucht und können auch zumindest ansatzweise die Gründe hierfür nachvollzogen werden.
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References
Zusammenfassung
Die Arbeit problematisiert die gegenwärtige Praxis einer materiellen und formellen Privatisierung weiter Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge. Im Ersten Teil wird als verfassungstheoretisches Problem der materiellen Privatisierung auf die Gefahr einer Erosion des Öffentlichen hingewiesen: auf die Tendenz zur Ausdünnung der demokratischen und sozialstaatlichen Legitimations- und Verantwortungsstrukturen. Im Zweiten Teil wird die These entwickelt, dass es sich bei der Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform für öffentliches Handeln (formelle Privatisierung) nicht um eine rein rechtstechnische Frage, sondern um eine verfassungsrelevante Strukturentscheidung handelt, die einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Als eine flexible Handlungsform des öffentlichen Rechts und als geeignete Alternative zu privatrechtlichen Rechtsformen wird im Dritten Teil die Organisationsform des selbständigen Kommunalunternehmens vorgestellt. Die Leistungsfähigkeit dieser neuen öffentlich-rechtlichen Organisationsform wird sodann im Vierten Teil auf der Grundlage eines ausführlichen Rechtsformenvergleichs dargestellt und im Fünften Teil anhand einer rechtstatsächlichen Analyse der bayerischen Krankenhaus-Kommunalunternehmen konkretisiert. Von den rechtspolitischen Vorschlägen ist die Forderung nach einer Einführung einer direktiven Mitbestimmung im Kommunalunternehmen hervorzuheben.