172
den sollte, ihrerseits »Sub-Kommunalunternehmen« auszugliedern. Dieses Recht könnte dadurch an die Trägerkommune zurückgebunden wer den, dass es ausdrücklich in der Satzung verliehen werden muss und einer
Genehmigung der Gemeinde im Einzelfall bedarf; auch könnte sich die
Gemeinde Mitspracherechte bei der personellen Besetzung und unmittelbare Informationsrechte vorbehalten. Voraussetzung einer solchen – im
Einzelnen noch konkretisierungsbedürftigen – Regelung wäre die Ablö sung der vollen, auf der Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung beruhenden Einstandspflicht der Gemeinde. Am einfachsten wäre der Vorschlag mit der Haftungsbegrenzung auf das Stammkapital des »Tochter-
Kommunalunternehmens« zu verwirklichen, müsste aber auch mit der
kommunalen Unterstützungspflicht vereinbar sein.
2. Inkurs 1:
Zur direktiven Mitbestimmung im Kommunalunternehmen
Wie im Abschnitt II. 9. bereits ausgeführt, ist in Bayern, Nordrhein-Westfalen
und Schleswig-Holstein jede Form direktiver Mitbestimmung der Beschäftigten im Aufsichtsrat des Kommunalunternehmens ausgeschlossen, wird in
Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt den Beschäftigtenvertretern nur eine
beratende Teilnahme an den Sitzungen des Verwaltungsrats eingeräumt und
ist nur in Niedersachsen der Verwaltungsrat bis zu einem Drittel mit Vertretern der Beschäftigten besetzt.511 Diese restriktiven Regelungen stehen in auffälligem Gegensatz zu den mitbestimmungsfreundlichen Regelungen im
Eigenbetriebsrecht mehrerer Länder und vor allem zur Rechtslage bei öffentlichen Unternehmen in Privatrechtsform.
Die restriktive Gesetzgebung zur Unternehmensmitbestimmung im Kommunalunternehmen widerspricht anerkannten Grundsätzen einer kooperativen
Unternehmensführung (dazu Abschnitt 1.) und ist verfassungsrechtlich keineswegs geboten (dazu Abschnitt 2.); sie sollte durch mitbestimmungsfreundlichere Regelungen abgelöst werden (dazu Abschnitt 3.).
a) Direktive Mitbestimmung als Bestandteil guter Unternehmensführung
Sinn und Zweck der Einführung des Kommunalunternehmens ist es, den kommunalen öffentlichen Unternehmen im gemeinwirtschaftlichen Bereich und
auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge eine Rechtsform zur Verfügung zu stellen, die es ihnen ermöglicht, unter Berücksichtigung ihrer Gemeinwohlver -
511 Zur entsprechend restriktiven Praxis der direktiven Mitbestimmung in den Aufsichtsräten
der bayerischen Krankenhaus-Kommunalunternehmen vgl. Fünfter Teil Abschnitt II. 3. a)
aa).
173
antwortung möglichst so effektiv »wie Privatunternehmen« zu agieren. Es ist
deshalb nur konsequent, wenn öffentliche Unternehmen in vielen Fragen der
Unternehmensführung von der Praxis und den Erfahrungen der Privatunternehmen »lernen«. Es ist ein Ausdruck dieses Vergleichs- und Austauschprozesses, dass der Diskussion über gute Unternehmensführung im Bereich der
Privatwirtschaft (Corporate Governance)512 eine Diskussion über gute Unternehmensführung im Bereich der öffentlichen Unternehmen (Public Corporate
Governance) gefolgt ist.513 In dieser Diskussion sollte neben den bisher im
Vordergrund stehenden, primär aus der Perspektive der Shareholder formulierten Themen Management, Steuerung, Transparenz und Kontrolle auch die
Rolle der Stakeholder und in diesem Zusammenhang die Funktion der Arbeitnehmerbeteiligung stärkere Beachtung finden.514
Im Bereich der Privatwirtschaft ist die Unternehmensmitbestimmung ein fest
etabliertes Element einer spezifisch deutschen Unternehmenskultur. Zwar ist
die Unternehmensmitbestimmung immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen der Kapitalseite auf der einen und der Arbeitnehmerseite auf der anderen Seite, eine Auseinandersetzung, die stellvertretend von
Unternehmensverbänden515 und Gewerkschaften516 geführt wird. Bei diesen
512 Vgl. dazu: OECD-Grundsätze der Corporate Governance, Neufassung 2004. Die OECD-
Grundsätze dienten auch in Deutschland als Grundlage für den von der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex 2002 vorgelegten Deutschen Corporate
Governance Kodex, der jetzt in der überarbeiteten Fassung vom 21.05.2003 vorliegt.
513 OECD Guidelines on Corporate Governance of State-Owned Enterprises, 2005; im Zentrum
der OECD-Vorschläge stehen staatliche Betriebe, die als Wirtschaftsunternehmen am Markt
tätig sind. – Auch die inzwischen angelaufene deutsche Diskussion zur Public Corporate
Governance bezieht sich in erster Linie auf öffentliche Unternehmen in Privatrechtsform;
vgl. H.-P. Schwintowski, NVwZ 2001, 607 ff.; T. Klenk / F. Nullmeier, Public Governance
als Reformstrategie, 2. Aufl. 2004; W. Bremeier / H. Brinckmann / W. Killian / K. Schneider,
ZögU 28 (2005), 267 ff.; M. Ganske, Corporate Governance in öffentlichen Unternehmen
(Fußn. 254); vgl. auch die Einzelbeiträge im Sammelband R. X. Ruter / K. Sahr / G. Graf
Waldersee (Hrsg.), Public Corporate Governance, 2005. – Leitlinien für einen kommunalen
Public Corporate Governance Kodex bei W. Bremeier / H. Brinckmann / W. Killian, Public
Governance (Fußn. 408), S. 150 ff. – Nur vereinzelt wird die Bedeutung von Corporate
Governance für öffentlich-rechtliche Un ternehmen untersucht; vgl. dazu H. Siekmann, Jb. f.
Neue Politische Ökonomie 15 (1996), S. 282 ff.
514 Die OECD-Grundsätze (Fußn. 512) fordern, im Interesse des Unternehmenserfolgs sollte
die Möglichkeit zur Entwicklung von Mechanismen der Arbeitnehmerbeteiligung bestehen
(IV. C.). In den Anmerkungen wird dazu ausgeführt, im Zusammenhang mit Corporate
Governance könnten Verfahren für eine auf die Perfomance-Steigerung abzielende Arbeitnehmerbeteiligung den Unternehmen insofern direkt wie auch indirekt zugute kommen, als
sie die Bereitschaft der Arbeitnehmer zum Erwerb firmenspezifischer Qualifikationen
erhöhten (S. 56). – In der Literatur wird das Thema Corporate Governance und Mitbestimmung bisher weitgehend vernachlässigt; erste Überlegungen bei H. Plamper, in: R. X. Ruter
u. a. (Hrsg.), Public Corporate Governance (Fußn. 513), S. 63 ff.; A. Zitzmann / Th. Fischer,
in: N. Pfitzer / P. Oser / Chr. Orth (Hrsg.), Deutscher Corporate Governance Kodes, 2. Aufl.
2005, S. 419 ff. Positiv zur
515 BDA / BDI, Mitbestimmung modernisieren. Bericht der Kommission Mitbestimmung. Berlin, November 2004 [Internetfassung].
516 DGB-Bundesvorstand (Hrsg.), Mitbestimmung – ein Gewinn für Deutschland und Europa,
Berlin, Oktober 2005 [Internetfassung]; DGB-Bundesvorstand, Bereich Mitbestimmung und
174
Auseinandersetzungen geht es aber seit langem nicht mehr um die Frage des
Ob, sondern bei allen verantwortlich Beteiligten nur um die Frage des Wie.
Das wird besonders deutlich in der seit den späten neunziger Jahren geführten
Kontroverse über die Unternehmensmitbestimmung, in der über das Ausmaß
der Mitbestimmung durchaus heftig debattiert, die Unternehmensmitbestimmung als solche aber auch von der Kapitalseite nicht nur nicht bestritten, sondern grundsätzlich positiv beurteilt wird. Streitpunkt dieser neueren Kontroverse ist insbesondere die spezifische im Gesetz von 1976 geregelte Form der
Halbparität. Auf diese spezifische Form bezieht sich die Modernisierungsforderung der Unternehmer, da diese nur in Deutschland praktizierte Form der
Internationalisierung der Kapitalmärkte, der Globalisierung der Wirtschaft,
der europäischen Gesetzgebung zum Gesellschaftsrecht und der Rechtsprechung des EuGH nicht mehr gerecht werde; auf sie bezieht sich der Vorschlag
einer Vereinbarungslösung mit einer subsidiären Gesetzesregelung, für die –
das ist zu beachten – immerhin eine Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im
Aufsichtsrat empfohlen wird.517 Da die von Unternehmerseite vorgebrachten
Bedenken sich primär auf die halbparitätische Mitbestimmung und dort auf
Problemlagen beziehen, die sich aus der Globalisierung, Internationalisierung
und Europäisierung für privatwirtschaftliche Großunternehmen ergeben,518
braucht auf sie für die grundsätzliche Frage, ob direktive Mitbestimmung im
Verwaltungsrat von Kommunalunternehmen überhaupt sinnvoll und empfehlenswert ist, nicht näher eingegangen zu werden, da Kommunalunternehmen
definitionsgemäß auf einem weit beschränkteren Felde agieren und als Mitbestimmungsmodell hier keineswegs die Halbparität im Vordergrund steht. Für
516
Unternehmenspolitik, Mitbestimmung: Auch ökonomisch ein Erfolgsmodell, Infodienst,
Berlin 04/2007; Hans Böckler Stiftung, Zur aktuellen Kritik der Mitbestimmung im Aufsichtsrat. o. O., Februar 2004 [Internetfassung].
517 BDA / BDI, Mitbestimmung modernisieren (Fußn. 515), S. 28 ff.
518 Hingewiesen sei darauf, dass die von den Unternehmerverbänden vorgetragenen Bedenken
von der Arbeitnehmerseite nicht geteilt werden und auch wissenschaftlich wohl nicht überzeugend belegt sind. Vgl. dazu M. Höpner, Unternehmensmitbestimmung unter Beschuss,
Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Köln, Oktober 2004. Der Autor fasst den
Stand der empirischen Mitbestimmungsforschung zusammen und kommt zu dem Ergebnis,
hinsichtlich der ökonomischen Effekte werde die These vom profitabilitäts- oder aktienkursmindernden Effekt der Mitbestimmung weder durch unternehmensvergleichende Studien noch durch ländervergleichende Daten belegt; auf den sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsstand könnten sich die Mitbestimmungskritiker nicht berufen. – S.
Vitols, Ökonomische Auswirkungen der paritätischen Mitbestimmung, 2006, hat in einer
ökonometrischen Analyse die ökonomischen Auswirkungen der paritätischen Mitbestimmung untersucht mit dem Ergebnis, dass keine negativen Auswirkungen auf die Unternehmensperformance festgestellt werden könnten. – Auch die wissenschaftlichen Mitglieder
der sog. Biedenkopf-Kommission (s. Fußn. 524) kommen aufgrund einer Sichtung und Auswertung des empirischen Forschungsstandes zu Akzeptanz und Wirkung der Mitbestimmung zu dem Schluss, der Forschungsstand ergebe insgesamt keinen Nachweis negativer
wirtschaftlicher Wirkungen der Unternehmensmitbestimmung und keine Begründung für
Forderungen nach einer grundlegenden Umgestaltung derselben (vgl. ebd. S. 13). – Die hier
ausgewählten Studien enthalten umfassende Nachweise.
175
die insoweit deutlich »entspanntere« Frage einer Unternehmensmitbestimmung im Kommunalunternehmen sind jedoch die allgemeinen Gründe relevant, die für eine direktive Mitbestimmung sprechen.
Die für eine Unternehmensmitbestimmung sprechenden Gründe werden im
BDA/BDI-Gutachten sehr klar und deutlich genannt. Die Beteiligung der
Arbeitnehmer in der Form der betrieblichen wie der überbetrieblichen Mitbestimmung sei – so heißt es dort – in fast 100 Jahren ein fester Bestandteil der
Unternehmens- und Betriebskultur in Deutschland geworden. Als geregelte
Form der Konfliktbewältigung könne sie einen Beitrag zum sozialen Frieden
leisten und habe dies in der Vergangenheit auch häufig getan. Die Einbindung
in Entscheidungsprozesse auf einer institutionalisierten Grundlage könne
vielfach zu einem höheren Verantwortungsbewusstsein der Arbeitnehmer
gegenüber dem Unternehmen beitragen. Insbesondere ein ausreichender
Informationsfluss könne die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer und damit das Betriebsklima verbessern und
die Identifikation der Arbeitnehmer mit dem Unternehmen sowie ihre Motivation positiv beeinflussen. Die Mitbestimmung könne dazu beitragen, dass die
Arbeitnehmer sich in das Unternehmen integriert fühlen, sich aktiv für Inno vationen einsetzen und den unternehmerischen und den wirtschaftlichen
Wandel stärker unterstützen.519 Die sich in dieser Beschreibung abzeichnende
Entwicklung der Mitbestimmung von einem Instrument der Gegenmachtbildung zu einem unternehmensimmanenten Instrument des aktiven Mitgestaltens und der Mitverantwortung wird auch in Studien bestätigt, die der Arbeitnehmerseite näher stehen. So heißt es in dem von der Bertelsmann Stiftung
und der Hans-Böckler-Stiftung herausgegebenen Mitbestimmungsbericht, die
inzwischen eng miteinander verwobene betriebliche und überbetriebliche
Mitbestimmung habe sich als ein wirkungsvolles Mittel zur sozialen Integration des Unternehmens erwiesen. Indem die deutsche Mitbestimmung die
repräsentative Mitwirkung der Beschäftigten an Entscheidungen des Arbeitgebers auf eine gesetzliche Grundlage und damit im Prinzip außerhalb des
betrieblichen Streits stelle, entlaste sie das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern von Konflikten. Die dadurch ermöglichte vertrauensvolle Zusammenarbeit habe den breiten Einsatz nicht-hierarchischer und
informationsintensiver Führungsmethoden sowie die Entstehung kooperativer
Unternehmenskulturen begünstigt. Im Zuge ihrer Entwicklung zu einer Infrastruktur betrieblicher Integration und Kooperation habe sich die Mitbestimmung in Anpassung an die besonderen technologischen und wirtschaftlichen
Gegebenheiten verschiedener Branchen und Unternehmen vielfältig differenziert. Die interne Ausdifferenzierung des Mitbestimmungssystems sei im
wesentlichen Resultat eines institutionellen Reifungsprozesses, als dessen
519 BDA / BDI, Mitbestimmung modernisieren (Fußn. 515), S. 6 ff.
176
Folge Mitbestimmung immer weniger reaktiv und zunehmend entscheidungsbegleitend ausgeübt werde. Der Schwerpunkt der Mitbestimmung verlagere
sich immer deutlicher von der defensiven Sicherung und Durchsetzung von
Rechten auf die laufende Einbringung von Belegschaftsinteressen in einen an
internationaler Wettbewerbsfähigkeit orientierten Entscheidungsprozess und
die Unterstützung der Umsetzung einvernehmlich beschlossener strategischer
Unternehmensentscheidungen.520
Damit steht, so lässt sich zusammenfassend feststellen, die Unternehmensmitbestimmung im Schnittpunkt zweier konvergierenden Entwicklungslinien:
der Entwicklung zu einem partizipativen Management auf der einen und zu
einem kooperativen Co-Management auf der anderen Seite.521 In diesem
Zusammenhang spielen – wie eine von Ulrich Jürgens und Inge Lippert vorgelegte Studie herausgearbeitet hat – die Fragen der Wissensressourcen und
der Wissensrepräsentanz eine zentrale Rolle. Die Studie weist nach, dass jede
der im Aufsichtsrat vertretenen Gruppen ein spezifisches Wissensprofil mit
unterschiedlichen Schwerpunkten aufweist und dass keine der Gruppen das
gesamte Spektrum des im Aufsichtsrat benötigten Wissensportfolios allein
abdecken kann. Eine ausreichende Kompetenz- und Wissensbasis zur Bewältigung der auf den Aufsichtsrat zukommenden Anforderungen könne – so
führen die Autoren aus – demnach nur durch die Summe der einzelnen Wissensprofile erreicht werden. Die Ausgliederung einer der Gruppen aus dem
Aufsichtsrat würde unweigerlich eine Lücke im bisher gut abgedeckten Wissensportfolio der Aufsichtsräte aufreißen, die von keiner der anderen Gruppen
kompensiert werden könne. Dies gelte insbesondere für die Arbeitnehmer seite, die ihren Wissensschwerpunkt im Bereich des internen Organisationswissens habe, das im Ranking der Wissensarten als am wichtigsten bewertet
worden sei.522
In ihrer modernen kooperativen Form ist Unternehmensmitbestimmung ein
wesentliches Element einer modernen Corporate Governance und Voraussetzung für die wechselseitigen Kooperations- und Informationsbeziehungen,
die für die kooperative Modernisierung der Unternehmen und den Prozess
einer kontrollierten Dezentralisierung unverzichtbar sind. Es sind diese posi-
520 Bertelsmann Stiftung / Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.), Mitbestimmung und neue Unternehmenskulturen – Bilanz u. Perspektiven. Bericht der Kommission Mitbestimmung, 1998, S. 7
ff., 95 ff. – Auch K. Schneider, Arbeitspolitik im »Konzern Stadt« (Fußn. 79), S. 73 f., der
im Anschluss an L. Kißler, Die Mitbestimmung in der Bundesrepublik Deutschland, 1992,
S. 60 ff., wegen des geringen Einflusses des Aufsichtsrats auf die Unternehmenspolitik die
tatsächliche Wirkung der direktiven Mitbestimmung skeptisch beurteilt, betont, durch die
Beteiligung der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten habe sich eine Kultur der
Kooperation herausgebildet; insbesondere ein dichtes Netz informeller Kontakte wirke hier
sehr förderlich.
521 M. Höpner, Unternehmensmitbestimmung unter Beschuss (Fußn. 518), S. 30 ff.
522 U. Jürgens / I. Lippert, Kommunikation und Wissen im Aufsichtsrat, Wissenschaftszentrum
Berlin für Sozialforschung, 2005, S. 88.
177
tiven Funktionen der Mitbestimmung, die die wissenschaftlichen Mitglieder
der sog. Biedenkopf-Kommission zu der auf die paritätische Mitbestimmung
bezogenen Feststellung veranlasst haben, sie sähen keinen Grund, der Bundesregierung eine grundlegende Revision der deutschen Unternehmensmitbestimmung vorzuschlagen;523 das gelte auch und gerade unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Unternehmensmitbestimmung.
Auch in den vergangenen Jahren durchgeführte Befragungen von Vorständen,
Geschäftsleitungen und Mitgliedern von Aufsichtsräten ergäben keine Hinweise auf eine grundsätzliche Ablehnung der Unternehmensmitbestimmung
oder gar einen überwiegenden Wunsch, sie abgeschafft zu sehen. Dem überwiegenden Teil der Befragten erscheine eine gute Mitbestimmungspraxis
innerhalb des bestehenden Systems möglich; auch schlechte Praxis erscheine
möglich und komme vor, sei aber in der überwiegenden Wahrnehmung eher
die Ausnahme. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass mitbestimmte Unternehmen sich unter den veränderten Wirtschaftsbedingungen der Gegenwart und
des kommenden Jahrzehnts weniger erfolgreich behaupten werden als in den
drei Jahrzehnten seit Verabschiedung des Mitbestimmungsgesetzes.524
Zusammenfassend stellen die Wissenschaftlichen Kommissionsmitglieder
fest:
»Nach Ansicht der wissenschaftlichen Mitglieder ist sowohl die betriebliche Mitbestimmung als auch die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gerade
in wirtschaftlich angespannten Zeiten ihrem Auftrag gerecht geworden, ein wirksames Instrumentarium zum Ausgleich unterschiedlicher Interessen zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmern zur Verfügung zu stellen. Der kooperative Ansatz
der Mitbestimmung hat nicht nur positive Auswirkungen auf die Motivation und
das Verantwortungsbewusstsein der Arbeitnehmer, sondern durch seinen Beitrag
zum Erhalt des sozialen Friedens auch bedeutende gesellschaftspolitische Auswirkungen. Unternehmen können und sollten sich die Produktivität der Kooperation
im Wettbewerb nutzbar machen.«525
Es gibt keinen vernünftigen Grund, diesen an die privaten Wirtschaftsunternehmen gerichteten Rat nicht auch auf die öffentlichen Unternehmen zu
beziehen und dies nicht nur auf öffentliche Unternehmen in Privatrechtsform,
sondern gerade auch auf die öffentlich-rechtliche Form des Kommunalunternehmens und hier nicht nur auf die der Privatwirtschaft besonders nahestehenden kommunalen Wirtschaftsunternehmen, sondern in gesteigertem Maße auf
523 Auch Th. Raiser, Unternehmensmitbestimmung, 2006, plädiert für eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrats unter Aufrechterhaltung der Zweitstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden (These 15).
524 Kommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung [Biedenkopf-
Kommission]. Bericht der wissenschaftlichen Mitglieder der Kommission mit Stellungnahmen der Vertreter der Unternehmen und der Vertreter der Arbeitnehmer, Dezember 2006
[Internetfassung], S. 12 ff., 17.
525 Ebd., S. 20 f.
178
die Dienstleistungsunternehmen der kommunalen Daseinsvorsorge. Für diese
ist eine mit den Stichworten partizipatives Management und kooperatives Co-
Management gekennzeichnete Unternehmensstruktur geradezu die conditio
sine qua non eines flexiblen und effektiven Agierens. Ohne die Kooperation
mit hochmotivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ohne Rückgriff
auf deren internes Organisationswissen kann ein kommunales Dienstleistungsunternehmen nicht erfolgreich sein. Exemplarisch ist auch hier wieder
das Krankenhaus, dessen Leitung gerade in den vom Verwaltungsrat zu treffenden strategischen Entscheidungen auf das Wissen und die Kooperation des
ärztlichen, medizinisch-technischen, pflegerischen und verwaltenden Personals angewiesen ist. Institutionell können die erforderlichen Transfers »von
oben nach unten« und »von unten nach oben« und ein fruchtbarer Dialog nicht
besser als durch das bewährte Mittel der mit der betrieblichen Mitbestimmung
verschränkten direktiven Mitbestimmung hergestellt werden. Deshalb ist
Unternehmensmitbestimmung auch im Kommunalunternehmen ein zentrales
und dringliches Erfordernis einer guten Public Governance.
Ein weiterer Grund trägt diese rechtspolitische Forderung nach Einführung
der direktiven Mitbestimmung in das Kommunalunternehmen. Die referierte
Mitbestimmungsdiskussion der vergangenen Jahre leidet unter einer auf das
Ökonomische verkürzten Sichtweise. Mitbestimmung ist aber nicht nur ein
wirtschaftliches Phänomen, sondern auch ein Teil unserer politischen Ordnung. Sie unterliegt deshalb nicht nur der ökonomischen Beurteilung, sondern
ist auch Gegenstand der demokratietheoretischen Diskussion.526 Die über das
rein Ökonomische hinausgehende sozialethische sowie sozial- und gesellschaftspolitische Fundierung von Mitbestimmung war im Mitbestimmungsbericht 1970 noch präsent.527 In diesem Bericht, auf dessen Empfehlungen
das Mitbestimmungsgesetz von 1976 basiert, wurden besonders hervorgehoben die Würde der menschlichen Person und ihre freie Entfaltung, die Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit, die Verwirklichung des demokratischen
Prinzips auch im wirtschaftlichen Bereich sowie die Kontrolle von Unternehmensmacht.528 In dieser nicht nur ökonomischen Betrachtungsweise steckt
die auf historischer Erfahrung beruhende Erkenntnis, dass die Verwirklichung
realer Demokratie eine Demokratisierung aller gesellschaftlichen Bereiche
voraussetzt.529 Für Organisationsgestaltungen im öffentlichen, kommunalen
526 So zutreffend J. Kocka, Geschichte und Zukunft der Mitbestimmung. Vortrag, Magazin
Mitbestimmung 04/2006 [Internetfassung].
527 Mitbestimmung im Unternehmen. Bericht der Sachverständigenkommission zur Auswertung der bisherigen Erfahrungen bei der Mitbestimmung [BT-Drucks. VI/334], Stuttgart
1970.
528 Zitiert nach Bericht der wissenschaftlichen Mitglieder der Biedenkopf-Kommission (Fußn.
524), S. 7 f.
529 E. Stein, Art. 20 Abs. 1-3 III, in: Denninger, Erhard u. a. (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz (Fußn. 2), Rn. 63 ff.
179
und staatlichen Bereich haben die über das Ökonomische hinausweisenden
partizipatorischen Begründungselemente eine besonders hohe Relevanz.
Hochaktuell ist in diesem Zusammenhang die Charakterisierung von Mitbestimmung durch den Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen in einer
Entscheidung vom 3. Mai 1957, die sich zwar unmittelbar auf die betriebliche
Mitbestimmung bezieht, in ihrer Grundaussage aber auch für die Unternehmensmitbestimmung Geltung beanspruchen kann:
Danach bedeutet die in der Bremischen Verfassung normierte Mitbestimmung
»eine Konkretisierung des Grundsatzes des sozialen und demokratischen Rechtsstaats … Anstelle des früher in den wirtschaftlichen Unternehmen und im öffentlichen Dienst üblichen Herrschaftsprinzips hat eine Art genossenschaftlichen
Zusammenarbeitens zu treten. Auch Behördenangehörige sind Mitträger des
betrieblichen und innerdienstlichen Geschehens. Insoweit soll der in seinem
Wesen demokratische Mitverantwortungs- und Mitbestimmungsgedanke in der
Wirtschaftsgesellschaft, aber auch im öffentlichen Dienst zur Geltung gebracht
werden. Er schränkt das aus der obrigkeitsstaatlichen Ordnung überkommene,
lediglich herrschaftlich-hierarchische Denken mit dem Ziel demokratischer Beteiligung der Bediensteten an der Lösung ihrer eigenen Probleme ein, ohne aber die
ihrem Wesen nach auf die politische Willensbildung bezogene Gewalt der Organe
des demokratischen Staats beeinträchtigen zu wollen.«530
b) Der verfassungsrechtliche Rahmen direktiver Mitbestimmung
Allerdings steht die partizipatorische Legitimierung der direktiven Mitbestimmung der Arbeitnehmer im staatlichen und kommunalen Bereich in einem
Spannungsverhältnis zu der in direkter oder repräsentativer Weise vom Volk
abgeleiteten demokratischen Legitimation. Das in Art. 20 Abs. 2 und Art. 28
Abs. 1 GG verankerte demokratische Prinzip fordert, dass alle Staatsgewalt
vom Volke ausgeht und von diesem in Wahlen und Abstimmungen und durch
besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der
Rechtsprechung ausgeübt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts531 bedarf jede Ausübung der Staatsgewalt einer Legitimation,
die sich auf die Gesamtheit der Bürger als Staatsvolk zurückführen lässt. Volk
im Sinne dieser Verfassungsnormen und damit Legitimationssubjekt ist das
jeweilige Bundes- oder Landestaatsvolk. Als Ausübung von Staatsgewalt, die
demokratischer Legitimation bedarf, stellt sich jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter dar. Dies gilt gleichermaßen für Entscheidungen, die unmittelbar nach außen wirken, wie auch für solche, die nur
530 BremStGH 1, 96, 107 f. – BremPVG = ZBR 1957, 234 ff.
531 Vgl. dazu BVerfGE 47, 253, 275 ff; 83, 60, 71 ff; insbes. den Beschluss des Zweiten Senats
des Bundesverfassungsgerichts zum Schleswig-Holsteinischen Mitbestimmungsgesetz vom
24.05.1995, BVerfGE 93, 37, 66 ff.; die folgende Darstellung im Anschluss die Zusammenfassung in BVerfGE 107, 59, 86 ff.; jeweils m. w. Nachw.
180
behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Amtsaufga ben schaffen, sowie für die Wahrnehmung von Mitentscheidungsbefugnissen
einschließlich der Ausübung von Vorschlagsrechten. Für die unmittelbare
Staatsverwaltung und die kommunale Selbstverwaltung gilt nach dieser
Rechtsprechung: Die verfassungsrechtlich notwendige demokratische Legitimation erfordert eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den
mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern. Für die Beurteilung, ob ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht
wird, haben die Formen der institutionellen, funktionellen, sachlich-inhaltlichen und der personellen Legitimation nicht für sich Bedeutung, sondern nur
in ihrem Zusammenwirken. Aus verfassungsrechtlicher Sicht entscheidend ist
nicht die Form der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns, sondern deren Effektivität; notwendig ist ein bestimmtes Legitimationsniveau.
Die Ausübung von Staatsgewalt ist dann demokratisch legitimiert, wenn sich
die Bestellung der Amtsträger – personelle Legitimation vermittelnd – auf das
Staatsvolk zurückführen lässt und das Ha ndeln der Amtsträger selbst eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt, d. h. die Amtsträger im
Auftrag und nach Weisung der Regierung handeln und die Regierung damit in
die Lage versetzen, die Sachverantwortung gegenüber Volk und Parlament zu
übernehmen. Ein Amtsträger ist uneingeschränkt personell legitimiert, wenn
er sein Amt im Wege einer Wahl durch das Volk oder das Parlament oder
durch einen seinerseits personell legitimierten Amtsträger oder mit dessen
Zustimmung erhalten hat. Wird er von einem Gremium mit nur zum Teil personell legitimierten Amtsträgern bestellt, erfordert die volle demokratische
Legitimation, dass die die Entscheidung tragende Mehrheit aus einer Mehrheit unbeschränkt demokratisch legitimierter Mitglieder des Kreationsorgans
besteht (Prinzip der doppelten Mehrheit). Das demokratische Prinzip lässt
Raum für die Beteiligung einer Mitarbeitervertretung, solange diese nicht den
Grundsatz berührt, dass alle der Staatsgewalt Unterworfenen den gleichen
Einfluss auf die Ausübung von Staatsgewalt haben müssen.
Diese Grundsätze zur Entfaltung des demokratischen Prinzips hat das Bundesverfassungsgericht für die unmittelbare Staatsverwaltung auf Bundes- und
Landesebene sowie die Selbstverwaltung in den Kommunen entwickelt. Für
die Kommunen ergibt sich das Erfordernis personeller demokratischer Legitimation (Legitimationskette) wegen des sachlich-gegenständlich nicht weiter
eingegrenzten umfassenden Aufgabenkreises der Selbstverwaltung der
Gemeinden. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG will nach dieser Rechtsprechung nicht
die »mitgliedschaftlich-partizipatorische« Komponente, die aller Selbstverwaltung eigen ist, zusätzlich stärken, sondern die Einheitlichkeit der demokratischen Legitimation durch das Volk im Staatsaufbau sicherstellen.532
532 BVerfGE 107, 59, 88.
181
Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betont zutreffend die
egalitäre Grundlage demokratischer Legitimation: Staatlicher Herrschaft sollen die Bürger nur unterworfen sein, wenn diese auf das »Volk« als Zusammenschluss aller Freien und Gleichen zurückgeführt werden kann; nur auf der
Grundlage staatsbürgerlicher Freiheit und Gleichheit ist demokratische Herrschaft »Selbstherrschaft« und nicht eine durch Klassen, durch ideologische
oder ethnische Gruppen oder durch mächtige Interessenverbände ausgeübte
»Fremdherrschaft«. Das Bundesverfassungsgericht betont deshalb zu Recht,
dass demokratische Legitimation eine effektive Einwirkung des Volkes auf
die Ausübung von Staatsgewalt und deren wirksame Kontrolle sichern muss.
Auf Kritik gestoßen ist allerdings die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene konkrete Ausgestaltung des demokratischen Legitimationsprinzips.
Sie binde durch eine einseitige Betonung der personellen Legitimationskomponente (die »ununterbrochene Legitimationskette«) demokratische Legitimation insgesamt zu stark an das Hierarchieprinzip und vernachlässige die
anderen Legitimationselemente, vor allem die sachlich-inhaltliche Legitimation; dadurch schränke sie die organisatorische Gestaltungsmöglichkeit des
unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgebers unangemessen und
unnötig ein533 und werde der Partizipation der Betroffenen und Interessierten
am Verwaltungsverfahren »als Scharnier und Bindeglied zwischen Staat und
Bürger« nicht gerecht.534
Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen und das Bundesverwaltungsgericht bejahen die Verbindlichkeit des strikten Konzepts der
ununterbrochenen Legitimationskette auch für ausgegliederte Verwaltungseinheiten. Der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof hatte über die
Verfassungsmäßigkeit der Wahl von Dienstkräften der Sparkasse in den Verwaltungsrat der Sparkasse unmittelbar durch die Dienstkräfte zu entscheiden.
In seinem Urteil vom 15. September 1986 verneinte das Gericht die Verfassungsmäßigkeit einer solchen unmittelbaren Wahl.535 Die Sparkassen seien
aufgrund ihres besonderen Status als öffentlichrechtliche Anstalten und des
ihnen gesetzlich zugeordneten öffentlichen Auftrags Teil der kommunalen
Verwaltung und somit dem Demokratieprinzip unterworfen. Die erforderliche
Legitimationskette zwischen dem Verwaltungsrat und dem Gemeinde- bzw.
533 Zur Kritik dieser demokratietheoretischen Linie des Zweiten Senats vgl. Th. Blanke, KritJ
1998, 452 ff.; H. P. Bull, Hierarchie als Verfassungsgebot?, in: Festschrift für U. Bermbach,
1998, S. 241 ff.; B.-O. Bryde, Die bundesrepublikanische Volksdemokratie als Irrweg der
Demokratietheorie, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis, 1994, S. 305 ff.; F.-W.
Dopatka, KritJ 1996, 224 ff.; A. Fisahn, KritV 79 (1996), S. 267 ff.; J. H. H. Weiler, JöR 44
(1996), S. 91 ff.; A. Rinken, KritV 1996, 282 ff., 288 ff.; vgl. auch ders., PersR 1999, 523 ff.
534 E. Th. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S.
388; vgl. auch E. Stein, Art. 20 Abs. 1-3 III (Fußn. 529), Rn. 48.
535 Vgl. zum Folgenden NWVerfGH Urteil v. 15.09.1986 – VerfGH 17/85 -, DÖV 1987, 108 ff.
= JZ 1987, 242 ff. = NVwZ 1987, 211 ff.
182
Kreisvolk oder seinen Vertretungskörperschaften vermöge die Wahl von Mitgliedern des Verwaltungsrates durch die Dienstkräfte der Sparkasse nicht herzustellen. Die wählende Personalversammlung sei weder Gemeinde- noch
Kreisvolk noch deren Vertretung. Für die von ihr berufenen Mitglieder des
Verwaltungsrates fehle daher ein Glied der vom Demokratieprinzip geforderten Legitimationskette. Entbehre das Wahlorgan – auch nur zum Teil – der
demokratischen Legitimation, so besitze keines der von ihm gewählten Mitglieder die für die Berufung gebotene individuelle Legitimation. Die Legitimationskette sei nicht mehr ununterbrochen. Es komme nicht darauf an, ob es
sich bei den auf diese Weise Gewählten nur um eine Minderheit handele. Das
Sozialstaatsprinzip sei nicht geeignet, die Unterbrechung demokratischer
Legitimations- und Verantwortungsstränge zu rechtfertigen. Infolge der Nichtigkeit der betreffenden Gesetzesnorm seien die Mandate der durch die Personalversammlungen gewählten Vertreter der Dienstkräfte erloschen.536 Bemerkenswert ist, dass der Verfassungsgerichtshof die Gültigkeit der damit wieder
wirksam werdenden Vorgängervorschrift nicht bezweifelt. Nach dieser Vorschrift wurden die dem Verwaltungsrat angehörenden Dienstkräfte der Sparkasse von der Gemeinde-/Kreisvertretung aus einem Vorschlag der Personalversammlung der Sparkasse gewählt; der Vorschlag musste mindestens die
doppelte Anzahl der zu wählenden ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder enthalten.
Gegenstand eines beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahrens
waren Vorschriften über die Arbeitnehmermitbestimmung in den Verbandsorganen nordrhein-westfälischer Wasserverbände (Lippeverband und
Emschergenossenschaft), die als öffentlich-rechtliche Körperschaften nahezu
alle wesentlichen wasserwirtschaftlichen Aufgaben für das Einzugsgebiet der
Lippe bzw. der Emscher wahrnehmen. Verbandsmitglieder sind u. a. die im
Verbandsgebiet tätigen Unternehmen der öffentlichen Wasserversorgung
sowie im Verbandsgebiet liegende Wasserentnehmer wie Kommunen, Bergwerke und gewerbliche Unternehmen. Organe des sich selbst verwaltenden
Lippeverbandes – für die Emschergenossenschaft gilt Entsprechendes – sind
die Verbandsversammlung, der Verbandsrat und der Vorstand. Die Verbandsversammlung besteht im Wesentlichen aus Delegierten der Mitglieder. Der
Verbandsrat besteht aus 15 Mitgliedern, von denen fünf Vertreter der Arbeitnehmer des Verbands sein müssen, die nach Vorschlägen des Personalrats des
Verbands gewählt werden. Die Wahlvorschläge des Personalrats müssen mindestens die doppelte Anzahl der zu wählenden Mitglieder enthalten. Der Verbandsrat wählt den Vorstand. – Das Bundesverwaltungsgericht hat mit
536 Ausführliche Kritik des Urteils des NWVerfGH bei B. Nagel / U. Bauers, Mitbestimmung in
öffentlich-rechtlichen Unternehmen und Verfassungsrecht, 1990, S. 13 ff., 43 ff.; dort auch
eine Interpretation des Demokratieprinzips als materiales Prinzip und eine stärkere Betonung der sachlich-inhaltlichen Legitimation.
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Beschlüssen vom 17. Dezember 1997 die Sache gemäß Art. 100 Abs. 1 GG
dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.537 Es war der Auffassung, die
gesetzlichen Regelungen über die Besetzung der Verbandsorgane seien insgesamt und nicht nur hinsichtlich der Arbeitnehmermitbestimmung mit den
Grundsätzen des in Art. 20 Abs. 12, 28 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten, für die
Erfüllung von Gemeinwohlaufgaben unverzichtbaren Erfordernisses der
organisatorisch-personellen demokratischen Legitimation unvereinbar,
soweit die Organe aus Amtswaltern beständen, denen – insgesamt oder mehrheitlich – eine ununterbrochene, auf das Volk zurückzuführende Legitimation
fehle. Den Anforderungen aus dem Demokratieprinzip könne bei einer Selbstverwaltungskörperschaft der vorliegenden Art, die bedeutende Schutz- und
Regelungsaufgaben hinsichtlich des überragend wichtigen Gemeinschaftsguts Wasser für ein großes Einzugsgebiet und die gesamte dort lebende
Bevölkerung wahrzunehmen habe, nur durch organisatorisch-personelle
demokratische Legitimation, nicht auf andere Weise, etwa allein durch die
sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation genügt werden. Auch wenn
das Bundesverfassungsgericht die (oben referierten) Kriterien demokratischer
Legitimation für die hierarchisch organisierte Bundes- und Landesverwaltung
sowie die kommunalen Gebietskörperschaften entwickelt habe, seien sie
jedenfalls dann auf funktionale Selbstverwaltungskörperschaften anzuwenden, wenn diese nicht nur Angelegenheiten ihrer Mitglieder, sondern auch
überragende Gemeinwohlbelange und Angelegenheiten Dritter wie lebenswichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge für weite Bevölkerungskreise wahr zunehmen hätten.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Beschluss vom 5. Dezember 2002 der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht angeschlossen, vielmehr hat das Gericht eine deutliche Lockerung seiner rigiden Legitimationstheorie vorgenommen.538 Es konnte den vom Bundesverwaltungsgericht aus der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gezogenen
Schlussfolgerungen nur entgehen, weil es die in dieser Rechtsprechung praktizierte formale Demokratietheorie für den Bereich der funktionalen Selbstverwaltung539 durch eine offenere materiale Demokratietheorie ersetzte und
der sachlich-inhaltlichen Legitimation durch das parlamentarische Gesetz
einen höheren Legitimationswert einräumte. Auf diese Weise können sowohl
eine Betroffenenpartizipation als auch eine Mitarbeitermitbestimmung demokratisch legitimiert werden, obwohl die Entscheidenden nicht an die Legiti-
537 Vgl. zum Folgenden BVerwGE 106, 64 ff.; vgl. dazu Th. Blanke, PersR 1999, 50 ff.; P.
Unruh, VerwArch 2001, 531 ff.
538 Vgl. zum Folgenden BVerfGE 107, 59, 86 ff.; zustimmend A. Musil, DÖV 2004, 116 ff.;
eher kritisch P. Unruh, JZ 1061-1063; J. Becker, DÖV 2004, 910-915.
539 Zur funktionalen Selbstverwaltung grundlegend E. Th. Emde, Die demokratische Legitimation (Fußn. 534); W. Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 1996.
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mationskette angeschlossen sind. Die Neuausrichtung der demokratietheoretischen Grundorientierung wird am besten deutlich, wenn die betreffenden
Urteilspassagen im Wortlaut zur Kenntnis genommen werden.
»Art. 20 Abs. 2 GG enthält eine Staatszielbestimmung und ein Verfassungsprinzip. Aufgrund seines Prinzipiencharakters ist Art. 20 Abs. 2 GG entwicklungsoffen. Das ›Ausgehen der Staatsgewalt‹ vom Volk muss für das Volk wie auch die
Staatsorgane jeweils konkret erfahrbar und praktisch wirksam sein. … Außerhalb
der unmittelbaren Staatsverwaltung und der in ihrem sachlich-gegenständlichen
Aufgabenbereich nicht beschränkten gemeindlichen Selbstverwaltung ist das
Demokratiegebot offen für andere, insbesondere vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation aller Entscheidungsbefugten abweichende
Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt. Eine solche Interpretation des Art. 20 Abs. 2 GG ermöglicht es zudem, die im demokratischen Prinzip
wurzelnden Grundsätze der Selbstverwaltung und der Autonomie (vgl. BVerfGE
33, 125 <159>) angemessen zur Geltung zu bringen. Im Rahmen der repräsentativ
verfassten Volksherrschaft erlaubt das Grundgesetz auch besondere Formen der
Beteiligung von Betroffenen bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben.
Die funktionale Selbstverwaltung ergänzt und verstärkt insofern das demokratische Prinzip. Sie kann als Ausprägung dieses Prinzips verstanden werden, soweit
sie der Verwirklichung des übergeordneten Ziels der freien Selbstbestimmung
aller (vgl. BVerfGE 44, 125 <142> ; Emde, Die demokratische Legitimation der
funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S. 356 f.) dient. Demokratisches Prinzip und
Selbstverwaltung stehen unter dem Grundgesetz nicht im Gegensatz zueinander.
Sowohl das Demokratieprinzip in seiner traditionellen Ausprägung einer ununterbrochen auf das Volk zurückzuführenden Legitimationskette für alle Amtsträger
als auch die funktionale Selbstverwaltung als organisierte Beteiligung der sachnahen Betroffenen an den sie berührenden Entscheidungen verwirklichen die sie verbindende Idee des sich selbst bestimmenden Menschen in einer freiheitlichen Ordnung (Art. 1 Abs. 1 GG; dazu auch Maihofer, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., 1994,
S. 490 ff.). Das demokratische Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG erlaubt deshalb,
durch Gesetz – also durch einen Akt des vom Volk gewählten und daher klassisch
demokratisch legitimierten parlamentarischen Gesetzgebers – für abgegrenzte
Bereiche der Erledigung öffentlicher Aufgaben besondere Organisationsformen
der Selbstverwaltung zu schaffen. Dadurch darf zum einen ein wirksames Mitspracherecht der Betroffenen geschaffen und verwaltungsexterner Sachverstand aktiviert werden.«540
Das Gericht betont sodann das Ermessen des Gesetzgebers bei der Auswahl
der auf Organisationseinheiten der Selbstverwaltung zu übertragenden Aufgaben und die Regelung der Strukturen und Entscheidungsprozesse, in denen sie
bewältigt werden. Von den Staatsaufgaben im engeren Sinne abgesehen
ergebe sich aus dem demokratischen Prinzip nicht, welche Aufgaben dem
Staat vorzubehalten seien. Insbesondere lasse sich Art. 20 Abs. 2 GG nicht
540 BVerfGE 107, 59, 92.
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entnehmen, dass Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge oder sonstige
Aufgaben allein deshalb zwingend unmittelbar vom Staat zu erledigen wären,
weil sie von wesentlicher Bedeutung für das Allgemeinwohl seien. Die
gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit bei der Schaffung und näheren Ausgestaltung von Organisationseinheiten der Selbstverwaltung erlaube auch, den
Selbstverwaltungsträger zu verbindlichem Handeln mit Entscheidungscharakter zu ermächtigen; dies gelte in allerdings begrenztem Umfang auch für
ein Handeln gegenüber Dritten, also Nichtmitgliedern. Nicht bereits die Erledigung öffentlicher Aufgaben als solche, wohl aber die Befugnis zu verbindlichem Handeln mit Entscheidungscharakter mache es erforderlich, Maßnahmen, welche die jeweilige Selbstverwaltungskörperschaft bei der Erfüllung
der ihr übertragenen Aufgaben ergreift, am Maßstab des Art. 20 Abs. 2 GG zu
messen. Das bedeute im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung nicht,
dass dies im Wege einer lückenlosen personellen Legitimationskette vom
Volk zum einzelnen Entscheidungsbefugten zu geschehen habe. Verbindliches Handeln mit Entscheidungscharakter sei den Organen von Trägern der
funktionalen Selbstverwaltung aus verfassungsrechtlicher Sicht aber nur
gestattet, weil und soweit das Volk auch insoweit sein Selbstbestimmungsrecht wahre, indem es maßgeblichen Einfluss auf dieses Handeln behalte. Das
erfordere, dass die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe in einem
von der Volksvertretung beschlossenen Gesetz ausreichend vorherbestimmt
sind und ihre Wahrnehmung der Aufsicht personell demokratisch legitimierter Amtswalter unterliege.541
Für unseren Zusammenhang in besonderer Weise bedeutsam sind die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur drittelparitätischen Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Verbandsrat, also auf der Unternehmensebene.
Eine solche Mitbestimmung in der Selbstverwaltung sei – so führt das Gericht
aus – grundsätzlich vereinbar mit dem im demokratischen Prinzip wurzelnden
Grundgedanken der Beteiligung Betroffener bei der Erfüllung öffentlicher
Aufgaben. Die in der Selbstverwaltungseinrichtung tätigen Arbeitnehmer
seien zwar nicht unmittelbar verantwortlich für die Erfüllung der gesetzlichen
Aufgaben und auch nicht Adressaten der gesetzlichen Pflichten. Aber sie
wirkten kraft ihres Beschäftigungsverhältnisses an der Aufgabenerfüllung der
funktionalen Selbstverwaltung mittelbar mit. Über die betriebliche Mitbestimmung hinaus könne es im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung
zulässig sein, zur Steigerung ihrer Wirksamkeit Arbeitnehmervertreter in Leitungsorgane der jeweiligen Körperschaft zu berufen und ihnen sowie auch
externen Vertretern die Beteiligung an der allgemeinen Aufgabenerfüllung zu
eröffnen. Eine Beteiligung Nichtbetroffener könne durch eine angestrebte
541 BVerfGE 107, 59, 93 f.
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Steigerung der Wirksamkeit der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung
gerechtfertigt sein.542
Die wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung ausführlich referierten Leitlinien
der Wasserverbandsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts beziehen
sich zwar ausdrücklich nur auf die funktionale Selbstverwaltung, haben aber
eine über diesen Bereich hinausweisende Wirkungstendenz. Indem das
Gericht dem Gesetzgeber zugesteht, den funktionalen Selbstverwaltungsträger zu verbindlichem Handeln mit Entscheidungscharakter zu ermächtigen
und dies in allerdings begrenztem Umfang auch für ein Handeln gegenüber
Dritten, also gegenüber Nichtmitgliedern, wird die Grenze zum Entscheidungshandeln unmittelbar staatlicher und kommunaler Verwaltungsträger
zumindest porös. Wesentliche Argumente der Wasserverbandsentscheidung –
der materiale demokratietheoretische Ansatz, die stärkere Betonung der sachlich-inhaltlichen Legitimation durch Parlamentsgesetz, die demokratische
Legitimation der Betroffenenpartizipation, das Effizienzargument bei der
Nichtbetroffenenpartizipation – haben unabweisbar Relevanz auch über den
engeren Bereich der funktionalen Selbstverwaltung hinaus.
Relevant sind die normativen Leitlinien der Wasserverbandsendscheidung
auch für die Organisation des Kommunalunternehmens. Zwar ist das Kommunalunternehmen nicht der funktionalen Selbstverwaltung zuzurechnen;543
als Anstalt des öffentlichen Rechts fehlt ihm die mitgliedschaftliche Binnenstruktur; seine Entscheidungsorgane werden nicht aus den Betroffenen, typischerweise den Mitgliedern, rekrutiert;544 sein Wirkbereich ist nicht durch
einen spezifischen Aufgabenbezug geprägt; der Legitimationsmodus der
Betroffenenpartizipation ist für das Kommunalunternehmen somit nicht einschlägig. Das Kommunalunternehmen steht aber als kommunale Selbstverwaltungsanstalt hinsichtlich seiner Distanz zur unmittelbaren Staatsverwaltung und mit seiner ausgeprägten Selbstverwaltungsorganisation der funktionalen Selbstverwaltung strukturell nahe,545 so dass jedenfalls die Begründung
für eine Arbeitnehmermitbestimmung von der funktionalen Selbstverwaltung
auf die anstaltliche Selbstverwaltung des Kommunalunternehmens übertragen werden kann. Auch hier muss es zulässig sein, »zur Steigerung der Wirksamkeit Arbeitnehmervertreter in Leitungsorgane zu berufen und ihnen sowie
auch externen Vertretern die Beteiligung an der allgemeinen Aufgabenerfüllung zu eröffnen«. Auch beim Kommunalunternehmen kann eine »Beteiligung Nichtbetroffener durch eine angestrebte Steigerung der Wirksamkeit der
542 BVerfGE 107, 59, 98 f.
543 Insoweit zutreffend B. Lübbecke, Das Kommunalunternehmen (Fußn. 325), S. 153 ff.
544 E. Th. Emde, Die demokratische Legitimation (Fußn. 534), S. 5 ff., 383.
545 Zur Unterscheidung von anstaltlicher Selbstverwaltung und anstaltlicher Staatsverwaltung
und zur Angleichung der Binnenstruktur der Selbstverwaltungsanstalten an die der Körperschaften vgl. E. Th. Emde, Die demokratische Legitimation (Fußn. 534), S. 8.
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öffentlichen Aufgabenwahrnehmung gerechtfertigt sein«.546 Welche Konsequenzen daraus im Einzelnen zu ziehen sind, soll im Folgenden erläutert
werden.
c) Möglichkeiten direktiver Mitbestimmung im Kommunalunternehmen
In dem dargestellten verfassungsrechtlichen Rahmen stehen dem Gesetzgeber
mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, um die Beschäftigten an der Leitung
des Kommunalunternehmens zu beteiligen.547 Dabei sollten sich die gesetzlichen Regelungen an der in Abschnitt 1. skizzierten Entwicklung im Bereich
der privatrechtlichen Gesellschaften orientieren, für den ein Funktionswandel
der Arbeitnehmermitbestimmung von der Gegenmachtbildung zum Co-
Management festgestellt worden ist. Da das auf dem Gegensatz von Kapital
und Arbeit beruhende Gegenmachtkonzept auf den öffentlichen Bereich
ohnehin nur in modifizierter Form anwendbar ist und da Partizipation als
demokratisches Element in diesem Bereich einen besonderen Stellenwert
besitzt, ist das moderne Corporate-Governance-Konzept einer partizipativen
Führung auf der einen und eines kooperativen Co-Management auf der anderen Seite gerade für das Kommunalunternehmen als ausgegliederte Selbstverwaltungseinheit von hoher Aktualität. Für den Verwaltungsrat bedeutet dies,
dass er sich nicht nur kontrollorientiert, sondern vor allem prospektiv-beratungsorientiert verstehen sollte. Wie für den Aufsichtsrat einer AG oder einer
GmbH wird es bei einer solchen Grundausrichtung auch für den Verwaltungsrat des Kommunalunternehmens weniger auf die Abstimmungsmacht der
Beschäftigtenvertreter ankommen als auf ihre Aufnahme in die Kooperationsund Informationsprozesse des Unternehmens – und dies »auf gleicher Augenhöhe« mit den kommunalen und sonstigen Mitgliedern. Werden die Verkehrsformen zwischen Verwaltungsrat und Vorstand und innerhalb des Verwaltungsrats primär durch die Stichworte Information, Kommunikation und
Kooperation geprägt,548 so geht es mehr darum, die Effektivität dieser Verkehrsformen abzusichern, als um Stimmanteile zu kämpfen, so sehr beim
unvermeidlichen Austrag von Interessengegensätzen die Abstimmungsmacht
546 BVerfGE 107, 59, 99.
547 Die Grundentscheidung über die Unternehmensmitbestimmung muss der Gesetzgeber treffen. Der Auffassung von St. Detig, Die kommunale Anstalt (Fußn. 321), S. 108, Mitarbeitervertreter mit oder ohne Stimmrecht könnten durch die Unternehmenssatzung in den Verwaltungsrat aufgenommen werden, kann nur für eine Beteiligung ohne Stimmrecht zugestimmt werden.
548 Auch G. F. Schuppert, PersR 1997, 137 ff., 145, 150, betont, der Umgang mit der Ressource
Personal müsse als Prozess des kommunikativen Dialogs verstanden werden. Es gehe
darum, personalvertretungsrechtliche Beteiligungsrechte als Kommunikations- und Kooperationsrechte auszugestalten. – Diese Feststellung gilt auch für die mit der betrieblichen Mitbestimmung zunehmend verschränkte Unternehmensmitbestimmung.
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der Beschäftigten die Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft »der
anderen Seite« auch fördern mag.
Da das Kommunalunternehmen als solches nicht auf bestimmte Aufgaben
festgelegt ist, sondern für die ganze Breite der kommunalen Agenden zur Verfügung steht, sollte der Kommunalgesetzgeber den Kommunen unterschiedliche Beteiligungsmodelle zur Verfügung stellen und sie ermächtigen, für das
konkrete Kommunalunternehmen durch Satzung eine auf die jeweilige Aufgabenstellung bezogene Mitarbeiterbeteiligung auszuwählen.549 Dabei sollte
schon durch den Gesetzgeber verbindlich klargestellt werden, dass die Ingerenzrechte der Kommune gewahrt sein müssen (vgl. dazu Abschnitt II. 3.)550
und dass die Intensität der Mitarbeiterbeteiligung aufgabenspezifisch geregelt
werden muss. Während bei der Wahrnehmung von Hoheitsaufgaben und bei
der Ausübung öffentlich-rechtlicher Befugni sse, die mit Eingriffen in Freiheit
und Eigentum der Bürger verbunden sein können, das Demokratiegebot eine
ununterbrochene Legitimationskette erfordert und damit eine mitentscheidende Beteiligung nicht unmittelbar demokratisch legitimierter Verwaltungsratsmitglieder ausschließt, sind Mitbestimmungsrechte im Sinne echter Mitentscheidung verfassungsrechtlich unbedenklich und im Sinne partizipatorischer Organisationsgestaltung rechtspolitisch erwünscht, je mehr die Aufgabenwahrnehmung sich in einer Weise vollzieht, wie sie auch von Privaten
marktförmig erbracht werden könnte. 551 Das ist besonders deutlich im
Bereich der wirtschaftlichen Betätigung der Fall, trifft aber in weitem Umfang
auch für den Bereich der Daseinsvorsorge zu, wie wiederum exemplarisch an
der stationären Krankenversorgung dargestellt werden kann. Rein deklaratorisch sollte der Gesetzgeber feststellen, dass auch die Arbeitnehmervertreter
im Verwaltungsrat des Kommunalunternehmens keine Interessenvertreter im
engeren Sinne sind und dies auch nicht, wenn sie von den Arbeitnehmern
gewählt worden sind, sondern dem Gemeinwohlauftrag des Kommunalunternehmens verpflichtete Organmitglieder. Ihr besonderer Auftrag ist es, die
Interessen der Beschäftigten im Meinungs- und Willensbildungsprozess des
549 Damit wird eine Flexibilisierung der Mitbestimmungsregelungen erreicht, wie sie vergleichbar im privaten Bereich anhand von Verhandlungslösungen diskutiert wird. Für eine
»abgestufte Stringenz« oder bereichsspezifische Differenzierungen des Demokratieprinzips
P. Tettinger, Mitbestimmung in den Sparkassen und verfassungsrechtliches Demokratiegebot, 1986, S. 31 ff.; im Anschluss daran auch D. Schefold / M. Neumann, Entwicklungstendenzen der Kommunalverfassungen (Fußn. 21), S. 182 ff.
550 In einer auf die Rechtsform des kommunalen Eigenbetriebs bezogenen Untersuchung verneint H.-P. Schneider, DÖV 1972, 598, 604, die Zulässigkeit der direktiven Mitbestimmung
wegen Verletzung des Direktions- und Ingerenzrechts der Gemeindevertretung nur unter
den im Folgenden nicht angenommenen Voraussetzungen, dass der Verwaltungsrat rein
oder nahezu paritätisch besetzt ist und in Einzelfragen definitive Beschlüsse fassen kann.
551 Die Zulässigkeit einer direktiven Mitbestimmung bejaht auch D. Ehlers, Das selbständige
Kommunalunternehmen (Fußn. 310), S. 61, jedenfalls in wirtschaftlichen Unternehmen;
ungeklärt sei die Frage, wenn öffentliche Einrichtungen betrieben würden, die öffentlichrechtliche Eingriffsbefugnisse ausüben.
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Verwaltungsrats zur Geltung zu bringen, nicht aber diese Interessen ohne
Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Unternehmens durchzusetzen.
Als in dem dargelegten Sinne aufgabenspezifisch einsetzbar sollte der Gesetzgeber den Kommunen für ihre Kommunalunternehmen folgende, hier nur
stichwortartig skizzierte Beteiligungsmodelle zur Verfügung stellen:
1. Dem Verwaltungsrat gehören Mitarbeitervertreter mit beratender Stimme
an. Die Mitarbeitervertreter sollten von den Mitarbeitern des Kommunalunternehmens unmittelbar gewählt werden (so in Rheinland-Pfalz); eine
Wahl durch den Gemeinderat (so in Sachsen-Anhalt) erscheint bei nur beratender Mitwirkung als Überlegitimation. Mitberatung ist zwar eine Beteiligung auf niedrigem Niveau, angesichts der Bedeutung wechselseitiger
Information aber nicht zu unterschätzen.
2. Dem Verwaltungsrat gehören von der Personalversammlung des Kommunalunternehmens gewählte Mitarbeitervertreter mit eingeschränktem
Stimmrecht an. Die Zahl der Mitarbeitervertreter darf ein Drittel der Mitglieder des Verwaltungsrats nicht übersteigen. Entscheidungen dürfen nur
mit doppelter Mehrheit getroffen werden, das heißt: Es genügt nicht, dass
dem Verwaltungsrat zwei Drittel vom Gemeinderat gewählter und damit
individuell demokratisch legitimierter Mitglieder angehören; die einzelnen Entscheidungen müssen auch von der Mehrheit der demokratisch legitimierten Mitgliedern getragen werden. Der Sache nach handelt es sich
bei diesem Modell um ein qualifiziertes Beratungsmodell.552
3. Dem Verwaltungsrat gehören vom Gemeinderat gewählte Mitarbeitervertreter mit vollem Stimmrecht an. Die Zahl der Mitarbeitervertreter soll ein
Drittel der Mitglieder des Verwaltungsrats nicht übersteigen. Der Personalrat oder die Personalversammlung des Kommunalunternehmens legen
dem Gemeinderat Vorschlagslisten vor, die doppelt soviel Vorschläge enthalten, wie Mitarbeitervertreter zu wählen sind. Unter Legitimationsaspekten erscheint ein Recht des Gemeinderats, einzelne Vorschläge zurückzuweisen, positiv; aus der Sicht einer ungefälschten Repräsentation
der Mitarbeiter ist ein solches Recht kritisch zu bewerten, dies vor allem
dann, wenn die Vorschläge von der Personalversammlung vorgelegt worden sind.
4. Dem Verwaltungsrat gehören von der Personalversammlung des Kommunalunternehmens gewählte Mitarbeitervertreter mit vollem Stimmrecht
an; an Entscheidungen im Hoheitsbereich nehmen die Mitarbeitervertreter
552 Bei der Praktizierung des Prinzips der doppelten Mehrheit ist das erforderliche Legitimationsniveau (BVerfGE 93, 37, 67) erreicht; ebenso Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche
Gesellschaft (Fußn. 275), S. 62 ff.; mit einer pragmatischen Begründung im Ergebnis
ebenso E. W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: HdbStR, Bd. I, 1987,
§ 22 Rn. 17 ff., m. w. Nachw. Die oben bei Fußn. 535 geschilderte Auffassung des
NWVerfGH ist deshalb zu restriktiv.
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nur mit beratender Stimme Teil. Die Zahl der Mitarbeitervertreter darf ein
Drittel der Mitglieder des Verwaltungsrats nicht übersteigen. Während es
sich bei den Mitbestimmungsmodellen der Ziffern 2. und 3. um Modelle
handelt, die sich ganz im Rahmen der restriktiven Vorgaben des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zum Schleswig-Holsteinischen Mitbestimmungsgesetz (BVerfGE 93, 37) halten, nutzt das Modell der Ziffer 4.
die durch die Wasserverbandsentscheidung (BVerfGE 107, 59) eröffneten
Gestaltungsspielräume. Die in dieser Entscheidung aufgestellten Voraussetzungen für eine Lockerung der Legitimation sind jedenfalls für den Be reich der Mitarbeitermitbestimmung erfüllt: Ausgliederung einer Selbstverwaltungsanstalt aus der unmittelbaren Kommunalverwaltung; sachlich-inhaltliche Legitimation durch Modellvorgaben des parlamentarischen Gesetzgebers und die gesetzliche Ermächtigung an den demokratisch legitimierten kommunalen Satzungsgeber, den jeweiligen Aufgabenbereich des mitbestimmten Kommunalunternehmens genau zu bestimmen
und dem Unternehmen ein aufgabenadäquates Mitbestimmungsmodell
zuzuordnen; Festlegung der Handlungsbefugnisse der Organe durch Gesetz und Satzung und über die Rechtsaufsicht hinausgehende Einwirkungsbefugnisse der organisatorisch-personell unmittelbar demokratisch
legitimierten Amtsträger in der Kommune und im Kommunalunternehmen.
3. Inkurs 2:
Zur Beteiligung Privater am Kommunalunternehmen
Im Abschnitt II. 12. b) ist darauf hingewiesen worden, dass die Kooperation
mit Privaten in besonders gelagerten Fällen wünschenswert sein kann, dass
aber die öffentlich-rechtlichen Rechtsformen für solche Public Private Partnership weitgehend ungeeignet sind und auch die »Umwege« über eine typische oder atypische stille Gesellschafterstellung nur Notlösungen darstellen,
so dass für eine aktive Beteiligung Privater an einem öffentlichen Unterneh men nur das privatrechtliche gemischtwirtschaftliche Unternehmen mit seiner
prekären »Mischung« aus öffentlichen und privaten Interessen zur Verfügung
steht. Es wird deshalb die Forderung erhoben, es müsse die unternehmensrechtliche Stellung des Privaten im Kommunalunternehmen so ausgestaltet
werden, dass sie auch für private Kapitalgeber attraktiv ist.553 Diese Voraussetzung ist nur unter zwei Bedingungen gegeben: Die Position des Privaten im
553 Nachdrücklich z. B. B. Thode / H. Peres, BayVBl. 1999, 6 ff.; M. Burgi, Neue Organisationsformen (Fußn. 160), S. 71 f., der die Anstaltsform ohne diese Option gegenüber dem
gemischwirtschaftlichen Unternehmen im Wettstreit der Organisationskonzepte für nicht
konkurrenzfähig hält.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit problematisiert die gegenwärtige Praxis einer materiellen und formellen Privatisierung weiter Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge. Im Ersten Teil wird als verfassungstheoretisches Problem der materiellen Privatisierung auf die Gefahr einer Erosion des Öffentlichen hingewiesen: auf die Tendenz zur Ausdünnung der demokratischen und sozialstaatlichen Legitimations- und Verantwortungsstrukturen. Im Zweiten Teil wird die These entwickelt, dass es sich bei der Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform für öffentliches Handeln (formelle Privatisierung) nicht um eine rein rechtstechnische Frage, sondern um eine verfassungsrelevante Strukturentscheidung handelt, die einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Als eine flexible Handlungsform des öffentlichen Rechts und als geeignete Alternative zu privatrechtlichen Rechtsformen wird im Dritten Teil die Organisationsform des selbständigen Kommunalunternehmens vorgestellt. Die Leistungsfähigkeit dieser neuen öffentlich-rechtlichen Organisationsform wird sodann im Vierten Teil auf der Grundlage eines ausführlichen Rechtsformenvergleichs dargestellt und im Fünften Teil anhand einer rechtstatsächlichen Analyse der bayerischen Krankenhaus-Kommunalunternehmen konkretisiert. Von den rechtspolitischen Vorschlägen ist die Forderung nach einer Einführung einer direktiven Mitbestimmung im Kommunalunternehmen hervorzuheben.