166
Für die Beurteilung der Steuerpflichtigkeit der Unternehmen in Privatrechtsform ist die Rechtsform, für die Beurteilung der Steuerpflichtigkeit öffentlichrechtlich organisierter Unternehmen die konkrete Art der Betätigung entscheidend. Das wird in der Regel zu keinen Unterschieden führen, da die
Befreiungstatbestände (insbes. Gemeinnützigkeit) weitgehend übereinstimmen, kann aber doch eine Besserstellung der öffentlich-rechtlichen Unternehmen zur Folge haben. So besteht für privatrechtliche Gesellschaften eine Steuerpflicht auch für den Fall, dass die Eigen- oder Beteiligungsgesellschaft der
Erfüllung hoheitlicher kommunaler Aufgaben dient.496
III. Zwischenresümee
Abschließend sei der Rechtsformenvergleich in einer schematisierenden
Tabelle zusammengefasst. Dabei wird der Vergleich auf das Kommunalunternehmen und die GmbH beschränkt, da die Aktiengesellschaft gegenüber einer
effektiven Einbindung in die kommunalen Legitimations- und Verantwortungszusammenhänge weitgehend resistent ist und deshalb als Organisationsform der Daseinsvorsorge allenfalls für kapitalintensive Großunternehmen in
Frage kommt. Die Übersicht macht deutlich, dass das selbständige Kommunalunternehmen in durchweg allen Punkten der Eigengesellschaft in der Form
der GmbH gleichwertig, in einer Reihe von Punkten deutlich überlegen ist, so
dass ein tragfähiger Grund für die Wahl der Privatrechtsform in der Regel
nicht vorhanden ist. Nur bei Beteiligung eines Privaten ist die Wahl einer privatrechtlichen Gesellschaftsform zurzeit alternativenlos (vgl. dazu die rechtspolitischen Überlegungen in Abschnitt IV. 3.). Zu betonen ist, dass bei dieser
typisierenden Zusammenfassung der wichtigste Vorteil der Öffentlich-Rechtlichkeit des Kommunalunternehmens nicht zum Ausdruck kommt, der Vorteil
nämlich, dass dem Rechtsverkehr die besonderen öffentlichen Bindungen des
Unternehmens bereits durch die gewählte Rechtsform offenbart und Spannungen mit dem privatrechtlichen Gesellschaftsrecht vermieden werden.497
f) Grundsteuer Ausnahme
§§ 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. a, 4
Nr. 6 GrStG
Ausnahme
§§ 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. b, 4
Nr. 6 GrStG
g) Grunderwerbsteuer Keine Unterschiede Keine Unterschiede
496 A. Gaß, Umwandlung (Fußn. 334), S. 100.
497 So zutreffend Th . Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft (Fußn. 275), S. 302 f.
167
Tabelle 4: Rechtsformenvergleich
sKU GmbH
1. Unternehmerische Flexibilität
a) Einfache Gründung und Auflösung
b) Flexibilität der Organisationsform
c) Flexibilität des Verwaltungshandelns
+
+
= =
2. Ausübung öffentlich-rechtl. Befugnisse ++
3. Einwirkungsmöglichkeiten der Kommune
a) Konkretisierung des Unternehmens
zwecks
b) Regelung der Kompetenzverteilung
c) Personelle Besetzung der Organe
d) Weisungsrechte
e) Informationsrechte
=
=
=
=
+
=
=
=
=
4. Publizität = =
5. Kommunale Kontrollinstrumente
a) Rechnungs- und Prüfungswesen
b) Beteiligungsberichte
c) »Parlamentarische Kontrolle«
=
++
=
+
6. Staatsaufsicht ++
7. Personalwirtschaftliche Aspekte = =
8. Betriebliche Mitbestimmung +
9. Unternehmensmitbestimmung +
10. Haftungsrisiken = =
11. Finanzierungsmöglichkeiten +
12. Kooperationsmöglichkeiten
a) mit öffentl.-rechtl. Rechtsträger
– ohne Gemeinsamens KU
– mit Gemeinsamem KU
b) mit Privaten
+
+
++
13. Vergaberechtliche Situation = =
14. Europäisches Beihilferecht = =
15. Steuerrechtliche Aspekte = =
168
Die Gefahr einer solchen unausweichlich verkürzenden schematischen Übersicht ist, dass sie die Grundtendenz der meist nur als technische Maßnahme
gesehenen Organisationsprivatisierung nicht deutlich macht. Diese Grundtendenz besteht darin, dass das privatisierte Unternehmen, das gilt besonders für
die Aktiengesellschaft, in geminderter Form aber auch für die GmbH, in eine
deutliche Distanz zu seinem »Muttergemeinwesen« tritt. Klarer Beleg für die
Verselbständigung der privatrechtlichen Trabanten ist der Fortfall der allgemeinen Staatsaufsicht und deren Ersatz durch die (schwache) sich aus dem
Privatrecht ergebende »Inhaberaufsicht«.498 Zwar hat die Gemeinde eine aus
dem Demokratiegebot abgeleitete Pflicht, sich personelle und vertragliche
Einflussrechte zur Gewährleistung des Gemeinwohlauftrags zu sichern, aber
der Praktizierung dieser Gewährleistungsverantwortung stehen in abgeschwächter, aber immer noch höchst effektiver Weise die Wissens- und
Know-how-Defizite entgegen, wie sie für die funktionale Privatisierung
beschrieben worden sind. Gravierend ist vor allem der Kompetenzverlust, den
die kommunale Vertretungskörperschaft durch die Organisationsprivatisierung erleidet.499 Die Steuerungs- und Kontrollprobleme eskalieren im
gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, da hier ein Zielkonflikt zwischen
dem privaten Renditeinteresse und dem öffentlichen Interesse an der Erfül lung des öffentlichen Dienstleistungsauftrags vorprogrammiert ist.500 Im
Zweifel dürfte hier die Unternehmensleitung, die sich als (entsprechend hochdotiertes) privatwirtschaftlich agierendes Wirtschaftsmanagement versteht,
zugunsten des shareholder value votieren. Es besteht weitgehende Übereinstimmung in der rechtswissenschaftlichen Literatur, dass das vermehrte Ausweichen in die Privatrechtsform zu einer Schwächung der kommunalen
Selbstverwaltung führt. »Die Einheit der Kommunalverwaltung und des
Kommunalhaushalts werden aufgegeben, die Gesamtverantwortung der kommunalen Vertretungskörperschaft ist geschmälert, die Steuerungs-, Einflussund Kontrollmöglichkeiten werden beeinträchtigt, die politisch-demokratische Funktion der kommunalen Selbstverwaltung erleidet empfindliche Einbußen.«501 Zusammenfassend hat Horst Dreier festgestellt, auch eine
umfängliche Liste von Kontrollpflichten und –rechten bei formell privatisierten Unternehmen könne nicht darüber hinwegtäuschen, »dass faktisch eine
498 G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen (Fußn. 27), S. 261; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform (Fußn. 107), S. 268.
499 Vgl. dazu vertiefend E. Röper, Der Staat 1998, 249 ff., 268 ff.; Chr. Gusy, ZRP 1998, 265
ff.; F. Schoch, Public Private Partnership, in: H.-U. Erichsen, (Hrsg.), Kommunale Verwaltung im Wandel, 1999, S. 101 ff., 113.
500 Zu dieser Konfliktsituation vgl. auch D. Schefold, Organisatorische Aspekte des Öffentlichen, in: G. Winter (Hrsg.), Das Öffentliche heute (Fußn. 121), S. 134 ff., 138 f.; M. Ganske,
Corporate Governance (Fußn. 254), S. 87 f.
501 F. Schoch, DVBl. 1994, 1 ff., 9.
169
weitgehende Entlassung aus dem demokratischen Autorisations-, Legitimations- und Kontrollzusammenhang stattfindet«.502
Das neue Bild einer Kommune, in der wesentliche Aufgaben in zunehmender
Zahl aus der demokratisch verantwortlichen Kernverwaltung auf Eigengesellschaften oder gemischtwirtschaftliche Unternehmen ausgelagert sind, wird
durchaus treffend mit dem Begriff »Konzern Stadt« charakterisiert. Die
Ambivalenz dieses neuen Gemeindedesigns wird durch dessen gegensätzliche
Einschätzung signalisiert. Während die Befürworter von Organisationsprivatisierungen in Politik und Wissenschaft den Begriff als Ausdruck einer notwendigen Umstellung des Gemeindehandelns auf Wettbewerb und Marktorientierung preisen, auf eine Holdingstruktur, in der die kommunalen Unternehmen effizient nach eigenen Rationalitätskriterien arbeiten und sich als kunden- und marktorientierte Dienstleister verstehen, sehen die an der politischen
Struktur der Gemeinde orientierten Kritiker in dem von der Kommunalpolitik
eingeschlagenen Weg zum Konzern Stadt den Anfang vom Ende einer
gemeinwohlorientierten politischen Führungskultur, die schrittweise durch
multipolare Entscheidungszentren ersetzt wird, so dass der Zusammenhalt des
kommunalen Sektors verloren zu gehen droht.503 Mit Friedrich Schoch wird
man feststellen müssen, dass die »Gemeinde als Holding« jedenfalls nicht
dem verfassungsrechtlichen Leitbild der kommunalen Selbstverwaltung entspricht.504
IV. Rechtspolitische Vorschläge
Mit der Aktivierung der Anstalt des öffentlichen Rechts für die öffentlichen
Unternehmen der Kommunen haben die Gesetzgeber in Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-
Holstein eine seit langem erhobene Forderung nach einer flexiblen Organisationsform erfüllt,505 die sowohl für die Erfüllung von Hoheitsaufgaben als
auch für wirtschaftliche Aktivitäten sowie für Tätigkeiten auf dem Gebiet der
Daseinsvorsorge geeignet ist und den Gemeinden die Möglichkeit bietet, das
502 H. Dreier, Hierarchische Verwaltung (Fußn. 243), S. 259 f., m. w. Nachw.
503 So N. Wohlfahrt / W. Zühlke, Ende der kommunalen Selbstverwaltung (Fußn. 31), 62 f.; vgl.
auch die Kritik bei K. Schneider, Arbeitspolitik im »Konzern Stadt« (Fußn. 79), S. 19 f.,
58 ff.
504 F. Schoch, DVBl. 1994, 9.
505 Vgl. z. B. W. Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580 ff., 629 f.; H. Dreier, Hierarchische
Verwaltung (Fußn. 243), S. 296; ein eigener, eng an das Anstaltsmodell angelehnter Entwurf bei Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft (Fußn. 275), S. 340 ff.; dort, S.
308 ff., auch ein Überblick über ältere Rechtformentwürfe.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit problematisiert die gegenwärtige Praxis einer materiellen und formellen Privatisierung weiter Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge. Im Ersten Teil wird als verfassungstheoretisches Problem der materiellen Privatisierung auf die Gefahr einer Erosion des Öffentlichen hingewiesen: auf die Tendenz zur Ausdünnung der demokratischen und sozialstaatlichen Legitimations- und Verantwortungsstrukturen. Im Zweiten Teil wird die These entwickelt, dass es sich bei der Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform für öffentliches Handeln (formelle Privatisierung) nicht um eine rein rechtstechnische Frage, sondern um eine verfassungsrelevante Strukturentscheidung handelt, die einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Als eine flexible Handlungsform des öffentlichen Rechts und als geeignete Alternative zu privatrechtlichen Rechtsformen wird im Dritten Teil die Organisationsform des selbständigen Kommunalunternehmens vorgestellt. Die Leistungsfähigkeit dieser neuen öffentlich-rechtlichen Organisationsform wird sodann im Vierten Teil auf der Grundlage eines ausführlichen Rechtsformenvergleichs dargestellt und im Fünften Teil anhand einer rechtstatsächlichen Analyse der bayerischen Krankenhaus-Kommunalunternehmen konkretisiert. Von den rechtspolitischen Vorschlägen ist die Forderung nach einer Einführung einer direktiven Mitbestimmung im Kommunalunternehmen hervorzuheben.