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Angelegenheiten vorenthalten, für die dieses zuständig ist. Voraussetzung für
eine Weitergabe von Gesellschaftsinterna an das Plenum oder Ausschüsse der
kommunalen Volksvertretung ist auch hier, dass dort der Geheimnisschutz
gewährleistet ist.
Zusammenfassend lässt sich für den Bereich der kommunalen Privatrechtsgesellschaften feststellen, dass eine Praxis, die der von der »herrschenden«
gesellschaftsrechtlichen Lehre vertretenen Linie eines extensiven Geheimnisschutzes folgt, die kommunale Volksvertretung weitgehend von Informationen über Interna der organisationsprivatisierten Gesellschaften abschneidet.
4. Publizität
Publizität ist ein Wesenselement des demokratischen Verfassungsstaates.395
Die demokratische Legitimation und Kontrolle der öffentlichen Gewalt und
die demokratische Bestimmung des öffentlichen Wohls vollziehen sich im
Medium der formellen Öffentlichkeit. Diese vermittelt Legitimation durch
Verfahren nicht nur im Sinne funktioneller Reibungslosigkeit, sondern als
»eine solche der Einsehbarkeit, Überschaubarkeit, Verstehbarkeit: substantielle Rationalität, die tätige Anteilnahme erst ermöglicht und Grundlage staatlicher Legitimität ist«.396 Als Gewährleistung substantieller Rationalität ist
das Öffentlichkeitsprinzip zugleich Ausdruck des auf Berechenbarkeit und
Rechtssicherheit angewiesenen Rechtsstaats.397
Durch die Ausgliederung von Verwaltungsaufgaben auf verselbständigte
öffentliche Unternehmen wird das Öffentlichkeitsprinzip in mehrfacher
Weise eingeschränkt. Während die Kommunalgesetze für die Kommunalgremien den Grundsatz der Öffentlichkeit aufstellen (vgl. z. B. Art. 52 GO Bay),
treffen die Organe sowohl der öffentlich-rechtlichen Kommunalunternehmen
als auch der privatrechtlichen Eigen- oder Beteiligungsgesellschaften ihre
Entscheidungen grundsätzlich nichtöffentlich. Öffentlichkeit wird nur für den
Jahresabschluss verlangt und dies wiederum sowohl bei Kommunalunternehmen (§ 27 Abs. 3 KUV i. V. m. § 25 Abs. 4 EBV) als auch bei kommunalen
Privatrechtsgesellschaften (§ 325 ff. HGB). Und auch in den Kommunalgremien selbst finden, wie im vorstehenden Abschnitt erläutert, die relevanten
Diskussionen über die Interna der öffentlichen Unternehmen in nichtöffentli cher Sitzung statt.
395 Vgl. dazu grundsätzlich A. Rinken, Geschichte und heutige Valenz des Öffentlichen (Fußn.
125), S. 39 ff.,
396 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts (Fußn. 8), Rn. 138.
397 Zur Ableitung des Öffentlichkeitsprinzips aus dem Rechtsstaatsprinzip vgl. U. Rösch,
Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, 1999, S. 37 ff., 44 ff.
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Der Schutz von Unternehmensinterna ist bei öffentlichen Unternehmen gleich
welcher Rechtsform ein legitimer Grund für eine Ausnahme vom fundamentalen demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsatz der Öffentlichkeit,
wenn es sich um die Geheimhaltung funktional auf die Wettbewerbssituation
des Unternehmens bezogene sensible Daten handelt. Der Staatsgerichtshof
der Freien Hansestadt Bremen hat auf die Dialektik von Öffentlichkeit und
Geheimnis hingewiesen. Geheimhaltung könne für politische und rechtliche
Entscheidungsverfahren – namentlich angesichts der Notwendigkeit, Entscheidungen unter Unsicherheitsbedingungen in einer politischen Umwelt zu
treffen, in der es nicht nur Freunde, sondern auch politische Gegner gebe –
von Nutzen sein, z. B. zur Wahrung unerlässlicher Diskretion in wirtschaftlichen und außenpolitischen Fragen. Doch sei dies nur die eine Seite der Funktion von Geheimhaltung. Zugleich sei die Tendenz der Bürokratie zu beachten, über jede rein sachlich motivierte Geheimhaltung hinaus aus reinem
Macht- und Eitelkeitsinteresse das »Amtsgeheimnis« als Mittel zu nutzen, um
sich parlamentarischer Kontrolle zu entziehen.398 Die Ausführungen können
sowohl in ihrer positiven als auch in ihrer kritischen Aussage auf öffentliche
Unternehmen übertragen werden. Dem berechtigten Geheimhaltungsinteresse
wirtschaftender Unternehmen im Wettbewerb steht auch hier – gerade in einer
Zeit finanzieller Engpässe und unvermeidlicher Leistungseinschränkungen –
die Gefahr gegenüber, durch Organisationsprivatisierungen unpopuläre
Agenda aus dem öffentlichen politischen Diskurs herauszunehmen und in den
gegenüber Medien, Opposition und Öffentlichkeit abgeschirmten Arkanbereich ausgegliederter Verwaltungstrabanten zu verweisen.399
5. Kommunale Kontrollinstrumente
a) Rechnungs- und Prüfungswesen400
Von den laufenden Einwirkungsmöglichkeiten der Kommune auf die Unternehmenspolitik ihrer öffentlichen Unternehmen zu unterscheiden sind ihre
Möglichkeiten zur Kontrolle der Unternehmensergebnisse. Voraussetzung
einer Außenkontrolle durch die kommunale Rechnungsprüfung ist eine
interne Kontrolle durch ein effektives Rechnungswesen.
Das Rechnungswesen dient der Ermittlung, Aufbereitung und Auswertung
betrieblich relevanter Informationen zur Dokumentation und zur Kontrolle
398 Vgl. BremStGH, Entsch. vom 01.03.1989, BremStGHE 5, 15 ff., 30 f. = DVBl. 1989, 453 =
NVwZ 1989, 953, unter Berufung auf M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl.,
1972, S. 572 f.
399 Zu einer solchen »Entpolitisierungstendenz« vgl. auch W. Graf Vitzthum, AöR 104 (1979),
S. 580 ff., 583.
400 Zum Folgenden A. Gaß, Umwandlung (Fußn. 334), S. 137 ff.
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References
Zusammenfassung
Die Arbeit problematisiert die gegenwärtige Praxis einer materiellen und formellen Privatisierung weiter Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge. Im Ersten Teil wird als verfassungstheoretisches Problem der materiellen Privatisierung auf die Gefahr einer Erosion des Öffentlichen hingewiesen: auf die Tendenz zur Ausdünnung der demokratischen und sozialstaatlichen Legitimations- und Verantwortungsstrukturen. Im Zweiten Teil wird die These entwickelt, dass es sich bei der Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform für öffentliches Handeln (formelle Privatisierung) nicht um eine rein rechtstechnische Frage, sondern um eine verfassungsrelevante Strukturentscheidung handelt, die einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Als eine flexible Handlungsform des öffentlichen Rechts und als geeignete Alternative zu privatrechtlichen Rechtsformen wird im Dritten Teil die Organisationsform des selbständigen Kommunalunternehmens vorgestellt. Die Leistungsfähigkeit dieser neuen öffentlich-rechtlichen Organisationsform wird sodann im Vierten Teil auf der Grundlage eines ausführlichen Rechtsformenvergleichs dargestellt und im Fünften Teil anhand einer rechtstatsächlichen Analyse der bayerischen Krankenhaus-Kommunalunternehmen konkretisiert. Von den rechtspolitischen Vorschlägen ist die Forderung nach einer Einführung einer direktiven Mitbestimmung im Kommunalunternehmen hervorzuheben.