252
III. Zusätzliche Anforderungen an die Information des Nachfragers eines Altersrentenvertrages
Dass die Kosten in klarer und einheitlicher Weise unabhängig von dem jeweiligen
Produkt ausgewiesen werden müssen, ist bereits geklärt worden.937 Im Folgenden
besteht die Frage, welche weiteren Informationen erforderlich sind und wie die Informationen zu präsentieren sind. Zu beachten ist dabei der Aspekt, dass zuviele Informationen es wiederum dem Nachfrager eines Vorsorgeprodukts erschweren können, die für ihn wichtigen Informationen zu erkennen und einzuordnen.938 Ein information overload muss unter allen Umständen vermieden werden, so dass Nachfrager
nicht überlastet wird und die Verarbeitung der Informationen an dessen Grenzen
stößt.939
1. Transparenzgebot
Für die Statuierung von zusätzlichen Informationspflichten sind die Grundsätze des
Transparenzgebotes von Bedeutung.
a. Klarheit und Verständlichkeit
Das Transparenzgebot, das in § 307 Abs. 1, S. 2 BGB verankert ist und sich zunächst auf Allgemeine Geschäfts- bzw. Versicherungsbedingungen bezieht, besagt,
dass diese zu ihrer Wirksamkeit hinreichend transparent sein müssen940: Nach § 307
Abs. 1, S. 2 BGB kann sich eine "unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist". Seit der Deregulierung
der Versicherungsmärkte im Jahre 1994 ist es den Versicherungsunternehmen erlaubt, eigene Bedingungswerke zu entwickeln, die keiner Vorabgenehmigung
durch die Versicherungsaufsicht mehr bedürfen. Allerdings müssen Allgemeine
Versicherungsbedingungen (AVB) nach § 10 Abs. 1 VAG einen Mindestinhalt enthalten, der in Bezug auf Lebensversicherungsverträge bereits auch durch Art. 36
Abs. 3 EG der Richtlinie 2002/83/EG determiniert wurde.941 Nach der Richtlinie
2002/83/EG sind Informationen eindeutig und detailliert schriftlich abzufassen.942
Durch die Deregulierung sollte der Wettbewerb zwischen den Versicherungsunter-
937 Siehe oben unter D.II.
938 Sog. Information Overload, vgl. Tiffe, Die Struktur der Informationspflichten bei
Finanzdienstleistungen, S. 87 f.
939 Tiffe, S. 88.
940 Präve, in: Prölss, Versicherungsaufsichtsgesetz, § 10, Rn. 5.
941 Dazu. Präve, in: Prölss, VAG-Kommentar, § 10, Rn. 4.; vgl. Lebensversicherungsrichtlinie
vom 5.11.2002, 2002/83/EG, insbesondere Anhang III, Abl. EG 2002 L 345.
942 Richtlinie 2002/83/EG vom 5.11.2002, Anhang III Abs. 1, Abl. EG 2002 L 345.
253
nehmen verstärkt werden, insbesondere der Konditionenwettbewerb, der Wettbewerb mit Versicherungsbedingungen. Die Kehrseite der Deregulierung wird jedoch
darin gesehen, dass sie zu einer Verstärkung der Informationsdefizite der Versicherungsnehmer geführt hat.943 Zur Kompensation der fehlenden Aufsicht über die
Bedingungswerke und der verstärkten Informationsdefizite soll das Transparenzgebot dienen.944 Zentraler Zweck des Transparenzgebotes im Versicherungsrecht ist
die Klarheit und Verständlichkeit der vom Versicherungsunternehmen an den Nachfrager weiterzugebenden Information.945 Informationen müssen klar, bestimmt,
wahr, vollständig und rechtzeitig dem Vertragspartner/Verbraucher zugehen.946 Die
Informationspflichten des Versicherungsunternehmens in Verbindung mit der Beachtung des Transparenzgebotes sollen die Informationsassymmetrie zwischen Versicherungsunternehmen und Nachfrager beseitigen, Markttransparenz herstellen und
damit für einen funktionierenden Markt sorgen.947 Die Berücksichtigung des
Transparenzgebotes soll die Last des Verbrauchers, sich Klarheit über die ihm angebotenen Produkte zu verschaffen, auf den Verwender verlagern, und eine Mindestqualität des Bedingungswerkes sichern.948 Das Transparenzgebot stellt die Anforderungen an Klarheit, Bestimmtheit, Wahrheit und Vollständigkeit zum Einen an die
Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und zum Anderen an die Verbraucherinformation nach § 10a VAG949, die nicht notwendig Bestandteil der AVB sein
muss. Das Transparenzgebot hat damit Wirkung über die AVB hinaus und ist als
tragendes Prinzip des Verbraucherschutzrechtes anerkannt.950 Die Grundsätze des
Transparenzgebotes müssen damit auch bei der Statuierung von Informationspflichten für den Altersrentenvertrag und außerhalb von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Beachtung finden.
b. Kritik in der Literatur
In Bezug auf den Markt für Lebensversicherungen wird allerdings bezweifelt, ob das
derzeitige Maß an Information sowie die Art und Weise der Weitergabe dazu geeignet sind, ausreichend Transparenz herzustellen. Es wird angeführt, dass in der Praxis
kein Kunde die Vertragsbedingungen lese und sich keine Gedanken mache über die
943 Ihle, S. 68 f.
944 Vgl. Rosenow/Schaffelhuber, ZIP 2001, 2211 (2212).
945 Vgl. die Darstellung bei Tiffe, Die Struktur der Informationspflichten bei
Finanzdienstleistungen, S. 118 ff.
946 Hierzu ausführlich: Schwintowski, Das Transparenzgebot im Privatversicherungsrecht -
Kriterien und Beispiele für verständliche und transparente Verbraucherinformationen und
Allgemeine Versicherungsbedingungen, S. 87 ff. (103 ff.).
947 Vgl. Tiffe, a. a. O., S. 124.
948 So zuletzt Ihle, Informationsschutz des Versicherungsnehmers, S. 82 f. m. w. N.
949 Präve, a.a.O., § 10a, Rn 56; § 10, Rn. 10.
950 Lerch, Verständlichkeit als Pflicht?, S. 243.
254
Klauseln eines Versicherungsvertrages.951 Erst wenn die Intransparenz von Klauseln
allgemein bekannt wird und durch Verbandsklagen auch das Interesse der Presse
erregt, setze die Wahrnehmung des Kunden ein.952 Nach pessimistischer Auffassung
sind transparente Versicherungsbedingungen für die überwiegende Anzahl der Versicherungsnehmer aufgrund ihrer "intellektuellen Unterlegenheit" und ihrem fehlenden Grundverständnis von Versicherungsangelegenheiten wenig hilfreich.953 Das
eigentliche Ziel von Verbraucherinformationen, die Reduzierung komplexer und
intransparenter Informationen auf ihren Wesensgehalt, werde nicht erreicht.954
c. Folgerung
Wesentliche Herausforderung bei der Konzeption von zusätzlichen Informationen
beim Altersrentenvertrag ist es, klare, verständliche Informationen zu geben, die so
komprimiert werden, dass sie vom typischen Nachfrager955 eines Altersrentenvertrages erfasst werden können.
2. Informationen zur Renditeentwicklung des Produkts
Von zentraler Bedeutung ist die Information des Nachfragers über die Leistungsfähigkeit des Anbieters. Kennzeichen dieser Leistungsfähigkeit ist die Rendite, welche
der Anbieter mit den Beiträgen des Nachfragers erwirtschaftet. Im AltZertG existiert
in § 7 Abs. 4, S. 1 AltZertG eine Vorgabe zur Renditeausweisung von Altersvorsorgeverträgen. Danach ist der Anbieter verpflichtet, „den Vertragspartner jährlich
schriftlich über die (...), erwirtschafteten Erträge“ zu informieren. Damit existiert
eine Pflicht zur Information über die Renditeentwicklung für alle zeritifizierten Altersvorsorgeverträge, unabhängig davon, ob es sich um Lebensversicherungsverträge oder Verträge zum Erwerb von Investmentfonds handelt. Bei der Angabe von
Renditen muss man unterscheiden zwischen der Information darüber, welche Rendite bislang erwirtschaftet wurde und Aussagen über die in Zukunft zu erwartende
Rendite.
a. Bisherige Renditeentwicklung
Vegleichsweise einfach ist die Darstellung der bisher erwirtschafteten Rendite. Anknüpfend an die Vorschrift des § 7 Abs. 4, S. 1 AltZertG sollte auch beim Alters-
951 So Tiffe, a. a. O., S. 125.
952 Tiffe, a. a. O.
953 Zu diesem Ergebnis kommt Ihle, S. 106.
954 Nitschke, Maßstäbe für die Transparenz Allgemeiner Versicherungsbedingungen, S. 44, 45.
955 Dazu siehe oben unter A. IV. 3.
255
rentenvertrag der Vertragspartner jährlich und schriftlich über die erwirtschafteten
Erträge zu informieren sein. Dabei ist, wie derzeit üblich und vom Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen (BAV)956 vorgesehen, darauf hinzuweisen, dass
die angegebenen Zahlen sich nur auf die Vergangenheit beziehen und der Verlauf in
der Vergangenheit keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung ermöglicht.957 Weiterführend wäre es, zusätzlich die Kosten und die Rendite des Produkts
miteinander zu verknüpfen und so dem Nachfrager die Auswirkungen der Kosten
auf die Renditeentwicklung des Produkts besser vor Augen zu führen.958
b. Zukünftige Leistungen
Schwieriger als die Darstellung der bisher erzielten Rendite ist die Darstellung der
künftigen Entwicklung und der daraus resultierenden Leistungen, da diese naturgemäß ungewiß ist, so dass die Verwendung von Prognosen erforderlich ist. Hierbei
muss vermieden werden, dass der Nachfrager Prognosen mit verbindlichen Leistungsangaben (gewährte garantierte Leistungen) verwechselt und damit über die
Leistungsfähigkeit des Anbieters getäuscht wird. Hinsichtlich der Darstellung der
künftigen Überschussbeteiligung bei Lebensversicherungen hat das BAV verschiedene Grundsätze entwickelt. Garantierte Leistungen sind danach drucktechnisch hervorzuheben.959 Zudem steige die Gefahr, dass ein Versicherungsnehmer Angaben
über zukünftige Entwicklungen wegen der Detailliertheit der Angaben für verbindlich hält, da konkrete Zahlenangaben den höchsten denkbaren Glaubwürdigkeitsgrad
haben.960 Ferner seien realitätsnahe Angaben zur Überschußbeteiligung nur für wenige Jahre möglich.961 Für den Altersrentenvertrag folgt daraus, dass auf die Darstellung zukünftiger möglicher Leistungen verzichtet werden sollte, soweit diese nicht
garantiert sind. Eine Möglichkeit bestünde allerdings darin, einheitlich für alle Altersrentenverträge eine einheitliche Prognoserechnung auf Grundlage eines einheitlich vorgegebenen, wahrscheinlichen Zinssatzes vorzugeben, um dem Nachfrager
eine Vorstellung zu vermitteln, mit welcher Leistung er im Alter rechnen kann.
956 Das Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen ist im Jahre 2002 mit den
Bundesaufsichtsämtern für das Kreditwesen den Wertpapierhandel zusammengelegt worden.
Die Versicherungs- und Bankenaufsicht wird nun von der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) durchgeführt.
957 Vgl. Rundschreiben des BAV R 2/2000 v. 23.10.2003, VerBAV 2000, S. 252 ff. (256).
958 Siehe oben unter II. 4.
959 BAV R 2/2000 v. 23.10.2003, VerBAV 2000, 252 (254)
960 BAV, a.a.O.
961 BAV, a.a.O.
256
3. Informationen zum Anbieterwechsel
Bislang besteht für den Anbieter von Altersvorsorgeverträgen nach § 7 Abs. 1, Nr. 3
AltZertG die Pflicht, den Vertragspartner schriftlich vor Vertragsschluss über die
Kosten zu informieren, die ihm im Falle eines Wechsels in ein anderes begünstigtes
Anlageprodukt oder zu einem anderen Anbieter unter Mitnahme des gebildeten Kapitals entstehen. Wichtig wäre hierbei die Ergänzung, dass der Nachfrager auch über
die finanziellen Konsequenzen eines Wechsels zu informieren ist, wenn ihm aufgrund der bisherigen Renditeentwicklung in Verbindung mit der Kostenbelastung
ein finanzieller Nachteil enstehen würde, z. B. eine Minusrendite für die Dauer der
Vertragslaufzeit. Diese Information ist von hoher Bedeutung, denn der Nachfrager
muss im Ergebnis beurteilen können, wann ein Anbieterwechsel ohne finanzielle
Nachteile möglich ist, um einer sinnlosen Wechselaktivität, wie sie in Chile zu beobachten war962, vorzubeugen. Da es fraglich ist, ob ein Nachfrager immer selbst
beurteilen kann, wann ein Wechsel mit Nachteilen verbunden ist, muss er darüber
informiert werden, bei welcher Renditeentwicklung des von ihm nachgefragten Produkts und nach welchem Zeitablauf ein Anbieterwechsel ohne finanziellen Nachteil
möglich ist. Dabei sollte generell darauf hingewiesen werden, dass sich ein sehr häufiger Anbieterwechsel aufgrund neu anfallender Ausgabeaufschläge negativ auf die
Gesamtrendite der Kapitalanlage auswirken kann.963
4. Zusammenfassung
Die Informationspflichten müssen einerseits erweitert, andererseits auch vereinfacht
und auf die für den durchschnittlichen Nachfrager eines Altersrentenvertrages wesentlichen Inhalte reduziert werden. Als wesentliche Inhalte verbleiben damit Informationen über die Kosten (Abschluss- und Verwaltungskosten des Produkts)964, die
Rendite des Produkts und die Wechselwirkung zwischen Kosten und Rendite.
5. Vereinbarkeit zusätzlicher Informationspflichten mit dem europäischen Recht
Fraglich ist, ob die vorgeschlagenen zusätzlichen Informationspflichten mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht kollidieren würden. Die Frage stellt sich insbesondere bei der Ausweisung von Kosten und der Darstellung der Auswirkungen von
Kosten auf die Rendite des Produkts.
962 Siehe oben unter D. I. 5. c.
963 Vgl. Kling/Ruß/Seyboth, Fondspolice oder Fondssparplan – Erste Antworten auf eine
schwierige Frage, Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften, Ulm.
964 Siehe oben unter D. II.
257
a. Vereinbarkeit zusätzlicher Informationspflichten mit Art. 49 Abs. 1 EG
Fraglich ist zunächst, ob eine gesetzliche Regelung, die zusätzliche Informationspflichten bei Altersvorsorgeprodukten vorsieht, gegen die Dienstleistungsfreiheit
nach Art. 49 Abs.1 EG verstoßen würde. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen
zur Vereinbarkeit einer Regelung zur Abschlusskostenverteilung mit dem europäischen Primärrecht ist dies zu verneinen.965 Denn dort wurde festgestellt, dass eine
Regelung, die die zwingende Verteilung der Abschlusskosten über die gesamte
Laufzeit vorsieht, mit Art. 49 Abs. 1 EG vereinbar ist.966 Da eine Ausweitung von
Informationspflichten eine mildere Maßnahme darstellt als Regelungen zur Verteilung der Abschlusskosten, müssen diese mit Art. 49 Abs. 1 EG vereinbar sein. Vereinzelt wird sogar davon ausgegangen, dass unter Anwendung der zu Art. 28 EG
ergangenen "Keck-Rechtsprechung" auf die Dienstleistungsfreiheit, die Statuierung
von zusätzlichen Informationspflichten schon deshalb nicht gegen Art. 49 Abs. 1 EG
verstoße, da es sich dabei um eine den Marktzugang nicht beschränkende Verkaufsmodalität handele.967 Zusätzliche Informationspflichten der oben geschilderten
Art kollidieren somit nicht mit Art. 49 Abs. 1 EG. Problematisch könnten zusätzliche Informationspflichten allerdings im Hinblick auf das europäische Sekundärrecht
sein, den Richtlinien zur Kapitallebensversicherung oder der OGAW-Richtlinie.
b. Vereinbarkeit mit der Lebensversicherungsrichtlinie
Nach Erwägungsgrund 23 der dritten Lebensversicherungsrichtlinie968 muss der
Verbraucher "im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen". Dazu sind "Mindestvorschriften zu koordinieren", damit der Verbraucher "klare und genaue Angaben
über die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte (...) erhält". Ebenso
ist der Wortlaut der Richtlinie 2002/83/EG über Lebensversicherungen in Erwägungsgrund 52 gefasst.969 Das könnte darauf schließen lassen, dass die in Anhang II
bzw. III der Richtlinien vorgesehenen Anforderungen nur Mindestanforderungen
sind. Die Informationspflichten für die Anbieter von Lebensversicherungen könnten
somit durch den nationalen Gesetzgeber ausgeweitet werden. Gegen eine grenzenlose Ausweitung der Informationspflichten bei Lebensversicherungsunternehmen
spricht jedoch die die Regelung in Art. 36 Abs. 3 der Richtlinie 2002/83/EG. Danach kann der Mitgliedstaat von den Versicherungsunternehmen nur dann die Vor-
965 Siehe oben unter D. I. 6.
966 Ebda.
967 Vgl. EuGH Keck und Mithouard, C-267/91 und C-268/91, Slg. 1993, 16097; so auch Müller,
VersR 2003, 933.
968 Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992, Abl. EG 1992 L 360.
969 Vgl. Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November
2002 über Lebensversicherungen, Abl. EG 2002 L 345.
258
lage von Angaben zusätzlich zu den in Anhang III genannten Auskünften verlangen,
wenn diese für das tatsächliche Verständnis der wesentlichen Bestandteile der Versicherungspolice durch den Versicherungsnehmer notwendig sind. Daraus wird der
Schluss gezogen, dass die Vorgaben aus der Lebensversicherungsrichtlinie grundsätzlich abschließend seien, es sei denn, dass der Gesetzgeber geltend machen kann,
dass zusätzliche Angaben zum Verständnis des Versicherungsprodukts notwendig
sind.970 Nach dieser Auffassung entsprechen dieser Begründung keine Erwägungen,
mit denen der Gesetzgeber zusätzliche Informationspflichten im Rahmen des Alt-
ZertG gerechtfertigt hat, wie der Ermöglichung der Vergleichbarkeit der verschiedenen Altersvorsorgeprodukte und der Förderung des Wettbewerbs.971 Allerdings wird
der „Spezialcharakter, der in der besonderen steuerlichen Förderung der zertifizierten Altersvorsorgeverträge begründet liege“ erkannt und damit ein Verstoß gegen
europäisches Recht hier nicht angenommen.972
In Bezug auf die Angabe von Abschlusskosten wird allerdings die Auffassung
vertreten, dass eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung gegen Art. 36 Abs. 3
der Richtlinie 2002/83/EG verstoßen würde.973 Begründet wird dies damit, dass der
Versicherungsnehmer für „das Produkt als Ganzes“ eine Entscheidung zu treffen
habe und „nicht für einzelne Teile desselben“.974 Mit einer gesonderten Angabe der
Kosten könne ein Versicherungsnehmer nichts anfangen.975 Diese Argumentation ist
abzulehnen, denn die Abschlusskosten stellen aufgrund ihrer Auswirkungen auf die
Rendite einen wichtigen Aspekt zum Verständnis des Lebensversicherungsvertrages
dar, wenn der Vertrag zur Altersvorsorge dient. Denn von der Höhe der Rendite und
damit auch von der Höhe der Abschlusskosten hängt maßgeblich die Höhe des mit
den Prämien zu erreichenden Vorsorgevermögens ab. Mithin würde die Statuierung
zusätzlicher Informationspflichten nicht gegen die Richtlinie 2002/83/EG verstoßen.
c. Vereinbarkeit mit der OGAW-Richtlinie
Die Anforderungen an die Statuierung von Informationspflichten für Kapitalanlagegesellschaften beim Vertrieb von Investmentfonds sind in der OGAW-Richtlinie geregelt.976 Nach Art. 27 der Richtlinie haben die Kapitalanlagegesellschaften Prospekte für Investmentfonds zu veröffentlichen. Nach Art. 28 Abs. 1 müssen die Prospekte "die Angaben enthalten, die erforderlich sind, damit sich die Anleger über die
ihnen vorgeschlagene Anlage und vor allem über die damit verbundenen Risiken ein
970 Präve, in: Prölss, VAG, § 10a, Rn. 3 f.
971 So Präve, a.a.O., Rn. 62.
972 Präve, a.a O., Rn. 5.
973 Präve, NVersZ 2000, 201 (203); ders.in: Prölss, VAG, § 10a, Rn. 5.
974 Präve, NVersZ 2000, 203.
975 Präve, a.a.O.
976 Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlage in
Wertpapieren (OGAW), ABl. L 375 vom 31.12.1985, S. 3 ff.
259
fundiertes Urteil" bilden können. Die Erläuterung des Risikoprofils des Fonds muss
"eindeutig" und "leicht verständlich" sein. Außerdem muss nach Art. 34 der Ausgabe- und Verkaufspreis, der Rücknahme- und Auszahlungspreis der Anteile mindestens zweimal im Monat veröffentlicht werden. Der Anhang der OGAW-Richtlinie enthält nähere Bestimmungen zu der Art und Weise, wie Anleger über den Investmentfonds und die Anlagegesellschaft zu informieren sind und welche Informationen in den periodischen Berichten enthalten sein müssen, z. B. bezüglich des
Vermögensgegenstands, der Anzahl der umlaufenden Anteile, den Nettobestandswert je Anteil, die Erträge, Verwaltungskosten, Gebühren, Ein- und Ausstiegsprovisionen. Darüberhinaus enthält die Richtlinie kein Verbot für die Statuierung weiterer
Informationspflichten oder zusätzlicher Vorgaben für die Art und Weise der Präsentation.
d. Fazit
Weder für den Bereich der Lebensversicherung noch bei Investmentprodukten wäre
der Gesetzgeber daran gehindert, zusätzliche Informationspflichten zu statuieren.
6. Vorschlag für eine vereinfachte Information zum Altersrentenvertrag
Um den Nachfragern des Altersrentenvertrages eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den Produkten der verschiedenen Arten von Anbietern wie Banken, Kapitalanlagegesellschaften und Versicherungsunternehmen zu ermöglichen, ist es erforderlich, die genannten wichtigsten Informationen zu Kosten und Rendite auf eine
kurze, präzise und verständliche Art und Weise in einer gesonderten standardisierten
Information zusammenzufassen. Untersuchungen haben gezeigt, dass es bei der Information nicht allein auf den objektiven Informationsgehalt ankommt, sondern
auch auf die Art der "Präsentation" der Information, auf den Kontext, in welchem
die Information gegeben wird und die Formulierung der Information.977 Auch eine
zu hohe Quantität der Information kann dem Verbraucher die Informationsaufnahme
erschweren.978 Aus diesem Grund wird ein Ziel des Verbaucherschutzes und der
Schaffung von Transparenz darin gesehen, Informationen zu reduzieren und zu ver-
977 Diese Tatsache ist unter dem Begriff "Asian-Disease-Problem" bekannt. vgl. Brömmelmeyer, Der Königsweg der Information? Informations- und Beratungspflichten auf Märkten
für Finanzinstrumente nach der Richtlinie 2004/39/EG, S. 13 ff. (23 f.); vgl. zu
sprachwissenschaftlichen Messmethoden und der "Lesbarkeits-Forschung" die ausführliche
Darstellung bei Nitschke, Maßstäbe für die Transparenz allgemeiner Versicherungsbedingungen, S. 92 ff.
978 Information Overload, vgl. Tiffe, Die Struktur der Informationspflichten bei
Finanzdienstleistungen, S. 87 f.
260
einfachen.979 Einen Ansatz für eine derartige Information stellen die neuen gesetzlichen Regelungen zum Produktinformationsblatt in der neuen VVG-InfoV dar.980
Nach § 4 Abs. 1 VVG-InfoV hat der Versicherer „dem Versicherungsnehmer ein
Produktinformationsblatt zur Verfügung zu stellen, das diejenigen Informationen
enthält, die für den Abschluss oder die Erfüllung des Versicherungsvertrages von
besonderer Bedeutung sind“. Dazu zählen nach § 4 Abs. 2 der VVG-InfoV u.a. Informationen über die Art des angebotenen Versicherungsvertrages, die Beschreibung des versicherten Risikos, die Höhe der zu entrichtenden Prämie in Euro, Hinweise auf Obliegenheiten des Versicherungsnehmers und die Vertragslaufzeit. Bei
Lebensversicherungsverträgen mit Überschussbeteiligung muss das Produktinformationsblatt nach § 4 Abs. 3 VVG-InfoV zusätzlich noch Hinweise auf eine Modellrechnung enthalten. Für die Lebensversicherung insgesamt gilt nach § 4 Abs. 4
VVG-InfoV, dass der Versicherer hier auch die Abschluss- und Vertriebskosten sowie die in die Prämie eingerechneten Verwaltungskosten „jeweils in Euro gesondert
auszuweisen“ hat. Die Informationen müssen in übersichtlicher und verständlicher
Form knapp dargestellt werden, § 4 Abs. 5 VVG-InfoV. Nach der Zielsetzung dieser
Regelung soll es dem Antragssteller ermöglicht werden, sich anhand einer knappen,
verständlichen Darstellung einen Überblick über die wesentlichen Merkmale des
Vertrages zu verschaffen.981 Das Produktinformationsblatt soll eine „erste Orientierungshilfe“ bieten, sich rasch mit den wesetntlichen Rechten und Pflichten des Vertrages vertraut zu machen.982 Das Produktinformationsblatt ist bislang auch in
Verbraucherschutzkreisen generell positiv bewertet worden.983 Die Vorschriften zu
einem Produktinformationsblatt greifen den Gedanken einer schnellen, einfachen
und leicht verständlichen Information auf, die nur die wichtigsten Merkmale enthalten soll, um den Nachfrager eines komplexen Produkts wie einer Versicherung
nicht zu überfordern. Dieser Gedanke lässt sich auch auf den Altersrentenvertrag
übertragen, der sowohl Versicherungsprodukte als auch Investmentprodukte umfassen soll. Unter Berücksichtigung der Ausführungen zu den Anforderungen, die ein
Altersrentenvertrag erfüllen sollte, könnte dem Nachfrager die kurze und verständliche Darstellung folgender Informationen über die wesentlichen Merkmale des Produkts eine leichte Vergleichbarkeit der Produkte verschiedener Anbieter ermöglichen:
979 Schwintowski, Das Transparenzgebot im Privatversicherungsrecht - Kriterien und Beispiele
für verständliche und transparente Verbraucherinformationen und Allgemeine
Versicherungsbedingungen, S. 87 ff. (88).
980 Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen vom 18. Dezember 2007,
BGBl. I, 3004.
981 Begründung zum Entwurf einer Verordnung über Informationspflichten bei
Versicherungsverträgen, S. 11 (Stand: 18. Juni 2007).
982 Begründung, a.a.O.
983 vzbv, Stellungnahme des vzbv zum Entwurf einer Verordnung über Informationspflichten bei
Versicherungsverträgen vom 24.7.2007.
261
• Angabe zur Höhe der Abschlusskosten, prozentual und in absoluten Zahlen984,
• Angaben zur Höhe der Verwaltungskosten, prozentual gemessen am
Nettoinventarwert und in absoluten Zahlen985,
• Angaben zur Höhe der garantierten Rendite nach Abzug der Kosten,
• Angaben zur Höhe der in der Vergangenheit erzielten durchschnittlichen jährlichen Rendite des Produkts nach Abzug der Kosten,
• Angaben zur Höhe der garantierten Leistung bei Erreichen des Alters von 67
Jahren,
• Angaben zur Höhe dieser Leistung bei der Erzielung einer Rendite wie sie bei
dem Produkt vom Anbieter in der Vergangenheit erzielt worden ist,
• der Hinweis auf die Möglichkeit des jederzeitigen Wechsels des Anbieters des
Altersrentenvertrages
Die Informationen müssten jedem Nachfrager eines Altersrentenvertrages vor
Abschluss eines Altersrentenvertrages in einheitlicher Art und Weise übermittelt
werden. Von dieser Information unberührt blieben die jeweiligen produktspezifischen Vorschriften zur Übermittlung von Prospekten und Verbraucherinformationen, sowie die Vorschriften zu den erforderlichen Angaben in den allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Gestaltung der Standardinformation müsste den sprachtheoretischen Erkenntnissen von einer klaren und verständlichen Informationsübermittlung folgen und dürfte keine inhaltlichen Verweisungen enthalten, weder auf beiliegende Unterlagen noch auf gesetzliche Vorschriften. Die Information müsste konkrete Zahlenangaben enthalten. Werte und Prognosen von Werten sollten in realen
Zahlen unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Inflationsrate angegeben werden. Bei der Gewährung von Förderzahlungen seitens des Staates müssten die Angaben zur Rendite des Produkts einerseits unter Einbeziehung der Förderung und
andererseits ohne Einbeziehung der Förderung angegeben werden. Die in der Vergangenheit erwirtschafteten Renditen sollten unter Einbeziehung der Kosten angegeben werden und der Wertzuwachs sollte in absoluten Zahlen angegeben werden. Mit
einer derartigen Information bestünde die Möglichkeit, dass Produkte der Alterssicherung auch von denjenigen, die bislang keine private Vorsorge betrieben haben,
verstanden werden und die Produkte vergleichbar würden.
7. Fazit
Zusätzliche Informationen und eine vereinfachte und einheitliche Darstellung der
Information würden dazu beitragen, Transparenz in der künftigen zertifizierten kapitalgedeckten Vorsorge im Rahmen des Altersrentenvertrages herzustellen und so
den Nachfrager in die Lage zu versetzen, als souveräner Konsument am Markt zu
agieren und den Leistungswettbewerb zwischen den Anbietern zu verstärken.
984 Siehe oben unter D. II.
985 Siehe oben unter D. II.
262
E. Die Kapitalanlage beim Altersrentenvertrag
Im Folgenden soll untersucht werden, ob für den Altersrentenvertrag besondere
Anlagebeschränkungen geregelt werden sollten, die sich von denjenigen, die derzeit
für die zertifizierten Altersvorsorgeverträge unterscheiden und wie der Nachfrager
optimal über die Kapitalanlagestrategie des Anbieters informiert werden kann.
I. Anlagebeschränkungen
Grundsätzlich kann zwischen unmittelbaren Anlagebeschränkungen und mittelbaren
Anlagebeschränkungen unterschieden werden. Unmittelbare Anlagebeschränkungen
sind qua Norm definierte Beschränkungen, also Vorschriften, wie das Kapital vom
Normadressaten angelegt werden soll. Mittelbare Anlagebeschränkungen können
sich daraus ergeben, dass aus gesetzlichen Vorschriften folgt, Rücklagen für feste
Verpflichtungen zu bilden. Das kann zur Folge haben, dass der Normadressat ökonomisch dazu gezwungen wird, die Kapitalanlage in einer bestimmten Art und
Weise zu tätigen, z. B. das Kapital in Nominalwertpapieren anzulegen anstatt in
Aktien.986
1. Europarechtliche Vorgaben für Anlagebeschränkungen
Rechtliche Grundlagen für die Kapitalanlage von Lebensversicherungsunternehmen
und Kapitalanlagegesellschaften finden sich im europäischen Sekundärrecht.
a. Bei Lebensversicherungsunternehmen
Für die Kapitalanlagevorschriften für Lebensversicherungsunternehmen war zunächst die Dritte Richtlinie Leben maßgeblich.987 Nach Art. 21 der Dritten Richtlinie
Leben kann ein Herkunftstaat jedem Versicherungsunternehmen gestatten, die versicherungstechnischen Rückstellungen durch verschiedene Kategorien von Vermögenswerten zu bedecken. Zu den zulässigen Kapitalanlagen zählen Schuldverschreibungen, Anleihen, Darlehen, Aktien, Anteile an OGAW988 und Immobilien. Art. 22
der Dritten Richtlinie Leben schließlich gibt den Rahmen für die zulässigen Streuungsvorschriften vor, d. h. Angaben zur Höhe des Anteils von Aktien eines Unternehmens oder des Anteils an einer Immobilie. Während die Streuungsvorschriften in
der Richtlinie vergleichsweise detailliert vorgegeben sind, existieren keinerlei Mi-
986 Vgl. Ortmann, Kapitalanlage deutscher und britischer Lebensversicherer, S. 86.
987 Richtlinie 92/96/EWG, Abl. EG 1992 L 360.
988 OGAW = "Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren".
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Buch thematisiert die Herausforderungen der Alterssicherung in Deutschland unter Berücksichtigung des Europarechts. Der Autor beurteilt das System der gesetzlichen Rentenversicherung aus der Perspektive des Europarechts und kommt zu dem Ergebnis, dass der deutsche Gesetzgeber aufgrund der demografischen Veränderungen das Umlagesystem der gesetzlichen Rentenversicherung in einem größeren Maße als bislang auf ein kapitalgedecktes System umstellen muss. Dabei geht er auch auf die ökonomischen Möglichkeiten einer derartigen Umstellung ein. Er zeigt auf, welche Handlungsspielräume der Gesetzgeber hat und untersucht, welche Anforderungen hinsichtlich einer wettbewerblichen Ausgestaltung die kapitalgedeckte Vorsorge erfüllen muss. Mit seinem Werk gibt der Autor einen Einblick in die Probleme der Alterssicherung in Deutschland und kommt dabei zu neuen rechtlichen Schlussfolgerungen.