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D. Verbesserung und Vereinheitlichung der Kostenverteilung und Information
Um die Vergleichbarkeit der Abschlusskosten der verschiedenen Produkte und Produktgruppen zu verbessern, sowie das Entstehen von Nachteilen für den Nachfrager
bei einem Anbieterwechsel zu vermeiden, müssen die Kostenverteilung und die Information über die wesentlichen Eigenschaften des Altersrentenvertrages verbessert
und vereinheitlicht werden.
I. Die Höhe der Abschlusskosten und ihre Verteilung beim Altersrentenvertrag
1. Die Verteilung der Abschlusskosten bei Investmentanteilen als Vorbild?
Zunächst könnte man daran denken, die für den Wettbewerb vorteilhaftere Verteilung der Abschlusskosten bei Investmentanteilen auf Lebensversicherungsprodukte
zu übertragen. Das hätte zur Folge, dass ein Teil der monatlichen Prämie (z.B. 5 %)
wie bei Investmentanteilen der Ausgabeaufschlag von dem Versicherungsunternehmen an den Vermittler des Vertrages weitergeleitet wird und nicht in den Aufbau
des Kapitalstocks fließt. Eine derartige Verteilung der Abschlusskosten hätte den
Vorteil, dass vom Beginn des Sparvorgangs an der größte Teil der Sparbeiträge in
den Aufbau des Kapitalstocks fließt und der Vorsorgende auf diese Weise von Anfang an Zins- und Zinseszinseffekte generieren kann. Auch der Wechsel des Anbieters wäre ebenso wie bei Investmentfonds mit geringeren Nachteilen für den Nachfrager verbunden. Allerdings sind häufige Wechsel des Anbieters auch bei einer derartigen Kostenverteilung mit negativen Auswirkungen auf die Rendite verbunden.
Denn bei der Umschichtung, dem sog. "shifting" von Investmentanteilen werden erneut Ausgabeaufschläge fällig. Ein häufiges Shiften kann sich dadurch auch bei einer derartigen Verteilung der Abschlusskosten negativ auf die Rendite auswirken.865
Allerdings sind die Auswirkungen geringer als bei der Lebensversicherung, da ein
Ausgabeaufschlag von 5 % nach Ablauf einer kurzen Zeitspanne ausgeglichen werden kann.866
2. Einmalige Erhebung der Abschlusskosten durch "Abschlusskostenguthaben"
Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung des Wettbewerbs bestünde in der einmaligen Erhebung von Abschlusskosten. Auf diese Weise könnte ein Anbieterwechsel
ohne wirtschaftliche Nachteile für den Nachfrager erreicht werden. Um einen neut-
865 Vgl. Kling/Ruß/Seyboth, Fondspolice oder Fondssparplan - Erste Antworten auf eine
schwierige Frage, Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften, Ulm.
866 Im Zeitraum von 1967-1998 betrug die durchschnittliche Aktienrendite real 7 % p.a.,
Bundeswertpapiere kamen im Vergleich dazu auf 3,9 % p.a., vgl. Stehle, Renditevergleich
von Aktien und festverzinslichen Wertpapieren auf Basis des DAX und des REXP, S. 13, 15.
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ralen Wechsel von Anbieter zu Anbieter ohne zusätzliche Kosten zu ermöglichen,
könnte geregelt werden, dass Abschlusskosten nur einmalig erhoben werden und bei
einem Anbieterwechsel keine neuen Abschlusskosten berechnet werden dürften.
Hier müsste eine Lösung gefunden werden, wie die Aufwendungen für den Abschluss des Vertrages von demjenigen Anbieter, zu dem ein Nachfrager wechselt,
Berücksichtigung finden können. Als solche könnte eine "Mitnahme" von Abschlusskosten bei einem Wechsel in Betracht kommen. Dies könnte so funktionieren, dass bei einem Wechsel des Anbieters eines Altersrentenvertrages der Versicherte beim neuen Anbieter selbst keine Abschlusskosten mehr aufwendet, sondern
einen Teil der geleisteten Abschlusskosten zum neuen Anbieter "mitnimmt". Der
erste Anbieter, bei welchem der Nachfrager einen Altersrentenvertrag abschließt,
würde zunächst Abschlusskosten berechnen und auf eine bestimmte Laufzeit verteilen, z. B. von mindestens 5 Jahren wie derzeit schon bei den Riester-Verträgen
nach § 1 Abs. 1, Nr. 8 AltZertG. Wechselt der Nachfrager zu einem anderen Anbieter des Altersrentenvertrages, so werden ihm keine neuen Abschlusskosten berechnet, sondern der zweite Anbieter erhält von nun an die Abschlusskostenzahlungen
unter Abzug eines beim ersten Anbieter verbleibenden Anteils. Die Höhe dieses
Anteils würde sich nach der Länge der Zeitspanne richten, in welcher der Versicherte beim vorherigen Anbieter des Altersrentenvertrages versichert gewesen ist.
Dieses Konzept würde mehrere positive Anreize setzen: Zum Einen würde der Anbieter eines Altersrentenvertrages, bei welchem der Versicherte lange bleibt, in der
Weise "belohnt", dass ein höherer Anteil der Abschlusskosten oder die gesamten
geleisteten Abschlusskosten bei diesem verblieben. Damit würde es im Interesse eines jeden Anbieter eines Altersrentenvertrages liegen, den Versicherten möglichst
lange an sein Unternehmen zu binden und eine hohe Leistung zu erbringen, um ihn
nicht zu einem Anbieterwechsel zu veranlassen. Ein weiterer wichtiger Vorteil dieser Regelung bestünde auf der anderen Seite darin, dass das Interesse am Abwerben
von Versicherten eines Konkurrenzanbieters in Relation mit dem Zeitablauf der Versicherung abnehmen würde, der Wettbewerb aber gleichwohl nicht beeinträchtigt
wäre. Dieser Aspekt ist nicht zu unterschätzen, denn wie das Beispiel der privatisierten kapitalgedeckten Vorsorge in Chile zeigt, hatten zeitweise aggressive Abwerbungsstrategien zu einer Kostenexplosion bei den AFP geführt, ohne dass die
Abwerbung für die Versicherten mit Vorteilen verbunden gewesen ist.867 Die
Konzeption eines "Abschlusskostenguthabens" wäre in ihren Grundzügen übrigens
nicht neu: Im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge existiert eine ähnliche Regelung zur Portabilität von Betriebsrentenanwartschaften, das Portabilitätsabkommen.
Hintergrund des Portabilitätsabkommens ist § 4 Abs. 3 BetrAVG und die Folgen der
Zillmerung beim Arbeitgeberwechsel: Nach § 4 Abs. 3 BetrAVG kann der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen bei den versicherungsförmigen Durchführungswegen (Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds) innerhalb
eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom ehemaligen Arbeitgeber
verlangen, dass der Übertragungswert der Anwartschaft auf den neuen Arbeitgeber
867 Vgl. Burger, Deregulierungspotentiale der gesetzlichen Rentenversicherung, S. 192 ff. (203).
233
übertragen wird.868 Der Inhalt des Übertragungsanspruches besteht darin, dass
Arbeitgeber bzw. Versorgungsgträger den Übertragungswert an den neuen Versorgungsträger zahlen.869 Problematisch war es dann, wenn der Arbeitnehmer über den
ehemaligen Arbeitgeber eine Direktversicherung abgeschlossen hatte und nach kurzer Zeit den Arbeitgeber wechselte, so dass eine Übertragung der Anwartschaft auf
eine (andere) Direktversicherung des neuen Arbeitgeber stattfand. Denn aufgrund
des Zillmerverfahrens, welches die Verteilung der Abschlusskosten auf die ersten
Jahre der Laufzeit des Versicherungsvertrages zur Folge hat, konnte es passieren,
dass der Arbeitnehmer bei einem häufigen Arbeitgeberwechsel kaum in der Lage
war, eine Betriebsrentenanwartschaft aufzubauen, da aufgrund des mit dem Arbeitgeberwechsel verbundenen häufigen Wechsels des Versicherungsunternehmens immer wieder neue Abschlusskosten anfielen, die von den Beiträgen des Arbeitnehmers bestritten werden mussten, so dass gerade flexible Arbeitnehmer Nachteile
hatten.870 Um diese Folgen zu vermeiden, wurde zwischen einigen Versicherungsunternehmen ein Portabilitätsabkommen geschlossen.871 Das Portabilitätsabkommen
sieht unter 1. b) vor, dass der übertragende Versorgungsträger an den übernehmenden den Zeitwert der Versicherung überweist und dabei auf Abzüge verzichtet. Dabei wird der Wert etwaiger Forderungen auf geleistete, rechnungsmäßig gedeckte,
aber noch nicht getilgte Abschlusskosten von dem übernehmenden Versorgungsträger an den übertragenden überwiesen.872 Dieses Abkommen der Versicherungswirtschaft verdeutlicht, dass es sich bei der Regelung über ein "Abschlusskostenguthaben" um eine praktikable Lösung handeln könnte, die die Versicherungswirtschaft nicht unvorbereitet treffen würde. Im Gegensatz zum derzeitigen AltZertG
würde der Wechsel zwischen verschiedenen Anbietern des Altersrentenvertrages
erleichtert. Wechselkosten, die sich prohibitiv auf einen Wechsel auswirken873, würden so verhindert, der Wettbewerb zwischen den Anbietern würde gestärkt. Der
Nachteil dieses Modells im Verhältnis zur Kostenerhebung bei Investmentanteilen
besteht allerdings darin, dass auch hier die Kosten auf die ersten Jahre der Laufzeit
verteilt werden, wodurch der Ertrag der Kapitalanlage am Ende der Laufzeit geschmälert würde.874
868 Der Begriff des "Übertragunsgwertes" ist in § 4 Abs. 2, Nr. 2 BetrAVG legaldefiniert als "der
Wert der vom Arbeitnehmer erworbenen unverfallbaren Anwartschaft auf betriebliche
Altersversorgung".
869 Dazu Blomeyer/Rolfs/Otto, Kommentar zum BetrAVG, § 4, Rn 129.
870 Schwintowski, Thesen zur vorsorgenden Verbraucherpolitik, nestor informiert Nr. 3, 2005, S.
1 ff. (2).
871 Abkommen zur Übertragung von Direktversicherungen oder Versicherungen in einer
Pensionskasse bei Arbeitgeberwechsel, vom 24.1.2006. Mittlerweile gehören dem
Übertragungsabkommen etwa 110 Versicherungsunternehmen an (Stand: 5.12.2006).
872 Abkommen, Nr. 1 b) (S. 2).
873 Insoweit vgl. Bertelsmann-Stiftung/IFF, Die „Riester-Rente“ aus Verbrauchersicht – Eine
Analyse der Vorsorgeprodukte, (Zusammenfassung wesentlicher Inhalte) , S. 9.
874 Vgl. die Beispiele oben unter C. III. 2. a.
234
3. Volle Erhebung der Abschlusskosten beim Abschluss von Lebensversicherungsverträgen
Eine weitere Alternative könnte in der sofortigen vollen Erhebung der Abschlusskosten des Altersrentenvertrages bestehen. Dieser Vorschlag erscheint paradox, da
der Nachfrager zu Beginn der Laufzeit des Vertrages nun noch stärker belastet
würde als bei einer Verteilung der Kosten. Der Alternative liegt allerdings folgender
Gedanke zu Grunde: Werden die Abschlusskosten, z.B. für einen Lebensversicherungsvertrag, über eine längere Zeitspanne von mehreren Jahren verteilt, so spricht
vieles dafür, dass tendenziell höhere Abschlusskosten erhoben werden, als wenn der
Nachfrager nach einem Altersvorsorgeprodukt die anfallenden Abschlusskosten bei
Vertragsschluss in voller Höhe gleich zahlen müsste. Die Ursache dafür ist, dass bei
der Verteilung der Abschlusskosten über eine längere Laufzeit dem Nachfrager die
absolute Höhe der Abschlusskostenbelastung nicht in der Weise offen vor Augen
geführt wird, wie bei einer vollständigen Belastung mit Abschlusskosten beim Vertragsschluss. Diese Vermutung wird durch die tatsächliche Entwicklung der Höhe
der Abschlusskosten in Norwegen gestützt: Nachdem der norwegische Gesetzgeber
eine Verpflichtung zur vollständigen Belastung mit Abschlusskosten bei der ersten
Prämie eingeführt hatte, sank die absolute Höhe der Abschlusskosten um 80-90
%.875 Dies könnte für die Schaffung einer entsprechenden Regelung beim Altersrentenvertrag sprechen. Bei Lebensversicherungsverträgen, die im Rahmen des Altersrentenvertrages nachgefragt werden, könnte eine Erhebung der Abschlusskosten in
voller Höhe bei Vertragsschluss zu niedrigeren Abschlusskosten führen. Dennoch ist
zweifelhaft, ob dieser Modus der Abschlusskostenerhebung für den Altersrentenvertrag praktikabel erscheint. Dagegen spricht, dass der Altersrentenvertrag aufgrund seiner Konzeption als Pflichtvorsorge für alle Einkommensgruppen konzipiert
werden muss, die auch bei niedrigeren Abschlusskosten mit der sofortigen Erhebung
überfordert sein könnten. Zudem ist mit einer derartigen Konzeption nicht das
Problem gelöst, dass bei einem Anbieterwechsel Nachteile für den Nachfrager entstehen können. Denn auch hier müsste er bei einem Anbieterwechsel erneut (und
sofort) Abschlusskosten tragen.
4. Fazit
Von den genannten Alternativen zur Abschlusskostenerhebung erscheint die bei Investmentanteilen gebräuchliche am vorteilhaftesten. Durch die Verteilung über die
gesamte Ansparphase in Form des Ausgabeaufschlags kann der Wettbewerb zwischen den Anbietern im Gegensatz zu der derzeitigen Abschlusskostenverteilung bei
Lebensversicherungsprodukten erhöht werden, da der Wechsel des Anbieters weni-
875 Urteil des EFTA-GH vom 25.11.2005, E-1/05; vgl. Sajkow, nestor informiert Nr. 5, 2006, S.
24 f.
235
ger nachteilhaft ist. Diese Art der Abschlusskostenerhebung ist derjenigen, die bei
Lebensversicherungen und Riester-Verträgen praktiziert wird, vorzuziehen. Ein
weiterer Vorteil besteht darin, dass von Anfang an Beiträge in den Kapitalstock flie-
ßen und von Anfang an Zins- und Zinseszinseffekte generiert werden können. Damit
muss für Unternehmen, die ihr Produkt als Altersrentenvertrag anbieten, gelten, dass
sie unabhängig davon, ob es sich um ein Versicherungsunternehmen oder einen Anbieter von Investmentanteilen handelt, die Abschlusskosten als Anteil des monatlichen Beitrags erheben müssen, wie bei den heutigen Ausgabeaufschlägen von
Investmentanteilen. Ein weiterer Vorteil der Verteilung der Kosten über die gesamte Ansparphase besteht darin, dass dadurch die Höhe der Abschlusskosten für
den Nachfrager eines Altersrentenvertrages vergleichbar wird, unabhängig davon,
ob er eine Lebensversicherung nachfragt oder ein Investmentprodukt. Damit hat die
Verteilung der Abschlusskosten über die gesamte Ansparphase drei positive Wirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Anbieter: Die Erhöhung der Ablaufleistung
bei Ende der Ansparphase, die Erhöhung des Wettbewerbs aufgrund der Verminderung der nachteiligen Wirkungen eines Anbieterwechsels und eine bessere Vergleichbarkeit der Höhe der Abschlusskosten zwischen allen Anbietern von Altersrentenverträgen. Unabhängig davon, ob es sich beim Anbieter des Altersrentenvertrages um ein Versicherungsunternehmen oder einen Anbieter von Investmentanteilen handelt, sollte künftig geregelt werden, dass die Abschlusskosten als Vomhundertsatz des monatlichen Beitrags erhoben werden.
5. Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Regelung zur Verteilung der Abschlusskosten
beim Altersrentenvertrag mit dem Gemeinschaftsrecht
Nachdem erörtert worden ist, welche Art und Weise der Kostenverteilung am besten
dazu geeignet ist, im Rahmen des Altersrentenvertrages ein hohes Maß an Wettbewerb zu verwirklichen, stellt sich die Frage, ob Regelungen, die den Anbietern von
Altersrentenverträgen eine bestimmte Art der Kostenverteilung vorschreiben, mit
der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 Abs. 1 EG zu vereinbaren sind. Denn solche Regelungen können grundsätzlich mit Art. 49 Abs. 1 EG kollidieren.876 Ferner
zeigt das Beispiel des § 125 InvG in seiner alten Fassung, dass Vorschriften ihre
Wirkung verfehlen können, wenn für Anbieter aus dem europäischen Ausland Ausnahmeregelungen getroffen werden: Denn nach § 125, 2. Hs. InvG a.F. galt die Regelung zur Kostenvorausbelastung des § 125, 1. Hs. InvG, nach welchem die Kostenverteilung bei der Vereinbarung einer Abnahme von Anteilen für einen mehrjährigen Zeitraum geregelt ist und die die Zillmerung von Banksparplänen damit nicht
zulässt, nicht für EG-Investmentanteile. Diese Regelung wurde deswegen getroffen,
876 Urteil des EFTA-Gerichtshofes vom 25.11.2005, E-1/05; vgl. Sajkow, nestor informiert Nr. 5,
2006, S. 24 f.
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da nach Auffassung des Gesetzgebers aufgrund der Richtlinie 85/611/EWG877 keine
materielle Regelungsbefugnis für die Kosten von EG-Investmentanteilen, die im
Geltungsbereich des Gesetzes vertrieben werden, besteht.878 In der Folge wurden
Banksparpläne mit Investmentfonds verstärkt aus dem EU-Ausland angeboten, die
gezillmert waren und nicht den Voraussetzungen des § 125, 1. Hs. InvG genügten,
sondern die Ausnahmevorschrift des § 125, 2. Hs. InvG nutzten.879 Diese Entwicklung war problematisch, da der Nachfrager bei diesen Banksparplänen nun ebenso
an den Anbieter gebunden war wie bei der kapitalbildenden Lebensversicherung, da
ein Wechsel sich aufgrund der Belastung des Banksparplanes mit Abschlusskosten
in den ersten Jahren der Ansparphase nachteilig auswirken kann.880 Das Beispiel
zeigt jedoch, dass bei Regelungen, die zur Verteilung von Abschlusskosten getroffen
werden, europarechtliche Vorgaben zu berücksichtigen sind.
a. Vereinbarkeit mit dem europäischen Sekundärrecht
Fraglich ist zunächst, ob die Regelung mit dem europäischen Sekundärrecht zu vereinbaren ist. Eine Kollision kann sich einerseits mit der Richtlinie 85/611/EWG
(OGAW-Richtlinie)881 ergeben als auch mit der Lebensversicherungsrichtlinie882.
aa. Vereinbarkeit mit der Richtlinie 85/611/EWG
Auch bei der für den Altersrentenvertrag beabsichtigten Abschlusskostenverteilung
könnte sich wie derzeit bei § 125, 1. Hs. InvG das Problem ergeben, dass aufgrund
der Richtlinie 85/611/EWG der deutsche Gesetzgeber keine Regelungsbefugnis für
Kosten von EG-Investmentanteilen hat. Fraglich ist indes, ob sich aus der Richtlinie
85/611/EWG tatsächlich eine fehlende Regelungsbefugnis in Bezug auf Kosten für
den Gesetzgeber ergibt. Es würde nur dann an einer Regelungsbefugnis fehlen,
877 Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlage in
Wertpapieren (OGAW), Abl. L 375, S. 3 ff.
878 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Investmentwesens und zur Besteuerung von
Investmentvermögen (Investmentmodernisierungsgesetz), BT-Drs. 15/1553, S. 114,
Begründung zu § 125 InvG.
879 Vgl. vzbv, Anmerkungen zur europarechtlichen Beurteilung von nationalen Normen über
eine Mindestrückvergütung bei Fondssparplänen und bei Kapitalversicherungen vom
6.5.2005, S. 2.
880 Vzbv, a.a.O.
881 Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlage in
Wertpapieren (OGAW), Abl. L 375, S. 3 ff.
882 Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002
über Lebensversicherungen.
237
wenn der Sachverhalt der Kostenverteilung selbst in der Richtlinie geregelt wäre.
Das ist jedoch zweifelhaft, denn zwar geht aus den Vorschriften der Richtlinie
85/611/EWG hervor, dass Mitgliedstaaten weder diejenigen OGAW, die in einem
anderen Mitgliedstaat ansässig sind, noch die von ihnen begebenen Anteile anderen
Bestimmungen unterwerfen dürfen als den in der Richtlinie vorgesehenen, wenn
diese OGAW ihre Anteile in seinem Gebiet vertreiben (Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie
85/611/EWG). Allerdings bestimmt Art. 44 der Richtlinie 85/611/EWG, dass diejenigen OGAW, die ihre Anteile aus anderen Mitgliedstaaten in Deutschland vertreiben, die hier geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu beachten haben, die
den nicht von dieser Richtlinie geregelten Bereich betreffen. In Bezug auf die Regelung in § 125, 1. Hs. InvG, wird es derzeit als unbedenklich angesehen, die Abschlusskostenverteilung auch auf Investmentanteile zu erstrecken, die aus dem EU-
Ausland angeboten werden, da die Richtlinie selbst keine Vorschriften über die
Verteilung der Abschlusskosten enthalte.883 Diesen Erwägungen wurde im neuen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Investmentgesetzes Rechnung getragen,
wonach die Regelung des § 125, 2. Hs. InvG ersatzlos entfallen ist.884 Tatsächlich
können in der Richtlinie keine Vorschriften gefunden werden, die Vorgaben hinsichtlich der Verteilung von Abschlusskosten enthalten, aus denen zu schließen
wäre, dass der Gesetzgeber daran gehindert sein könnte, entgegen Art. 1 Abs. 7
Richtlinie 85/611/EWG strengere Vorschriften wie § 125, 1. Hs. InvG auf Anbieter
aus anderen Mitgliedstaaten, die ihre Anteile in Deutschland anbieten, zu erstrecken.
Daraus folgt jedoch auch, dass eine Regelung, die eine Verteilung der Abschlusskosten über die gesamte Laufzeit des Vertrages vorschreibt, nicht gegen die Vorgaben der Richtlinie 85/611/EWG verstoßen würde.
bb. Vereinbarkeit mit der Richtlinie 2002/83/EG
Fraglich ist, ob die Regelung zur Abschlusskostenverteilung beim Altersrentenvertrag bei der Anwendung auf Lebensversicherungsprodukte mit der Richtlinie
2002/83/EG885 (Lebensversicherungsrichtlinie) vereinbar ist. Das wäre dann
zweifelhaft, wenn die Richtlinie 2002/83/EG den Mitgliedstaaten Vorgaben machen
würde hinsichtlich der Abschlusskostenverteilung bei Lebensversicherungen. Solche
Vorgaben werden in der Richtlinie jedoch nicht getroffen. Nach Art. 32 Abs. 1 der
Richtlinie 2002/83/EG ist das Recht, das auf die Versicherungsverträge anwendbar
ist, das Recht des jeweiligen Mitgliedstaaten. Es ist den Mitgliedstaaten allerdings
nach Art. 34, 45 der Richtlinie 2002/83/EG verwehrt, Vorschriften vorzusehen, in
denen eine vorherige Genehmigung oder eine systematische Übermittlung der all-
883 vzbv, Anmerkungen zur europarechtlichen Beurteilung von nationalen Normen über eine
Mindestrückvergütung bei Fondssparplänen und bei Kapitalversicherungen, S. 10.
884 § 125, geändert durch Art. 1 Investmentänderungsgesetz (InvÄndG) vom 21.12.2007, BGBl.
I, 3089.
885 Abl. EG 2002 L 345.
238
gemeinen und besonderen Versicherungsbedingungen, der Tarife, der insbesondere
für die Berechnung der Tarife und versicherungstechnischen Rückstellungen verwendeten technischen Grundlagen, Formblätter und sonstige Druckstücke, die das
Unternehmen im Verkehr mit den Versicherungsnehmern verwenden will, verlangt
wird. Aus der Norm lässt sich allerdings nicht der Schluss ziehen, dass Bestimmungen unzulässig sind, die Versicherungsunternehmen vorschreiben, wie sie die Abschlusskosten zu verteilen haben. Allerdings könnte sich eine Unvereinbarkeit der
vorgeschlagenen Regelung mit Art. 33 der Richtlinie 2002/83/EG ergeben. Danach
darf ein Mitgliedstaat den Versicherungsnehmer nicht daran hindern, "einen Vertrag
mit einem gemäß Art. 4 zugelassenen Versicherungsunternehmen abzuschließen,
solange der Vertrag nicht im Widerspruch steht zu den im Mitgliedstaat geltenden
Rechtsvorschriften des Allgemeininteresses". Damit konkretisiert Art. 33 der Richtlinie 2002/83/EG die Anforderungen, die sich für die Mitgliedstaaten aus der
Dienstleitungsfreiheit ergeben, so dass im Folgenden bei der Prüfung eines Versto-
ßes der Abschlusskostenregelung gegen die Dienstleistungsfreiheit auf diese Vorschrift eingegangen werden wird.
cc. Zwischenergebnis
Eine Regelung, die für Anbieter von Altersrentenverträgen vorsieht, ihre Abschlusskosten über die gesamte Ansparphase zu verteilen und sie als Anteil am monatlich
zu entrichtenden Beitrag des Nachfragers zu erheben, verstößt weder bei Investmentanteilen noch bei Lebensversicherungen gegen europäisches Sekundärrecht,
ausgenommen Art. 33 der Richtlinie 2002/83/EG bei Lebensversicherungen, auf den
im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 49 Abs. 1 EG im Folgenden
eingegangen werden wird.
b. Vereinbarkeit mit Art. 49 Abs. 1 EG
Fraglich ist, ob die Regelung zur Abschlusskostenverteilung über die geamte Laufzeit des Vertrages gegen die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 49 Abs. 1 EG versto-
ßen würde. Von der Regelung der Abschlusskostenverteilung beim Altersrentenvertrag werden die Anbieter von Investmentanteilen und von Lebensversicherungsprodukten zunächst nicht berührt. Im Bereich außerhalb der Pflichtvorsorge des Altersrentenvertrags können sie ihre Produkte nach den bisher geltenden Rahmenbedingungen anbieten. Erst wenn sie sich dafür entscheiden, zertifizierte Altersrentenverträge anzubieten, müssen sie bei diesen Verträgen die Abschlusskosten über die gesamte Laufzeit verteilen. Dadurch dass alle Anbieter eines Altersrentenvertrages die
Regelung zur Abschlusskostenverteilung beachten müssen, könnten Anbieter aus
dem EU-Ausland in ihrer Dienstleistungsfreiheit beschränkt werden, da sie ihr Produkt für Nachfrager des Altersrentenvertrages nicht mit derjenigen Abschlusskostenverteilung anbieten können, wie sie dass in ihren jeweiligen Mitgliedstaaten tun.
239
aa. Schutzbereich
Zunächst schützt die Dienstleistungsfreiheit vor Diskriminierungen. Das bedeutet,
dass der Dienstleistungserbringer nicht aus Gründen der Staatsangehörigkeit gegen-
über den Staatsangehörigen des Bestimmungsstaates anders behandelt werden darf,
weder unmittelbar noch mittelbar.886 In Vorschriften zur Verteilung der
Abschlusskosten ist keine derartige Diskriminierung zu erkennen, denn sie würde
unterschiedslos alle betreffen, die ihre Produkte als Altersrentenvertrag anbieten,
gleich welcher Staatsangehörigkeit sie sind.
Neben dem Diskriminierungsverbot enthält Art. 49 Abs. 1 EG jedoch auch ein
Beschränkungsverbot, welches dann relevant wird, wenn es um den „Zugang“ zu
einem nationalen Markt geht.887 Die Mitgliedstaaten müssen nach Art. 49 Abs. 1 EG
alle Beschränkungen aufheben, die, obwohl sie unterschiedslos für einheimische
Dienstleistende wie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gelten, geeignet
sind, die Tätigkeit eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden,
der dort rechtmässig gleichartige Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu
behindern.888 Daraus wir die Verpflichtung der Mitgliedstaaten gezogen, den freien
Dienstleistungsverkehr zu fördern und Hindernisse zu beseitigen, die sich aus den
Unterschieden in ihren Vorschriften ergeben.889 Unter diesem Gesichtspunkt könnte
in der vorgeschlagenen Regelung zur Abschlusskostenverteilung eine Beschränkung
der Dienstleistungsfreiheit zu erkennen sein. Denn für ausländische Anbieter von
Investmentanteilen und Anbieter von Lebensversicherungen könnte die Regelung
dazu führen, dass sie behindert werden, ihre Produkte den Nachfragern des Altersrentenvertrages anzubieten. Insbesondere ausländische Anbieter von
Lebensversicherungen könnten dann behindert werden, wenn sie ihre Abschlusskosten gewöhnlicherweise nicht über die gesamte Laufzeit eines Vertrages verteilen,
sondern auf die ersten Jahre der Laufzeit. Durch die Regelung der Verteilung der
Abschlusskosten über die gesamte Laufzeit müssten ausländische Anbieter von Lebensversicherungen ihren Vertrieb, der von den existierenden Provisionssystemen
geprägt ist, vollkommen umgestalten. Das könnte sie davon abhalten, ihre Produkte
in Deutschland anzubieten. Allerdings würde sich diese Beschränkung nicht auf den
gesamten Lebensversicherungsmarkt in Deutschland beziehen, auf dem die Anbieter
weiterhin nicht daran gehindert wären, ihre Produkte so wie bisher anzubieten. Eine
Beschränkung würde sich für den Markt des Altersrentenvertrages ergeben. Die Anbieter wären in diesem Bereich in ihrer Dienstleistungsfreiheit beeinträchtigt. Fraglich ist, ob eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit hier zulässig ist.
886 Grundlegend EuGH v. 3.12.1974, Az.: C-33/74 – van Binsbergen; zuletzt EuGH v.
18.7.2007, EuZW 2007, 540 (544); vgl. auch Geiger, EUV/EGV, Art. 50, Rn. 9 f.;
Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 49/50 EGV, Rn. 73.
887 Vgl. Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 49/50, Rn. 98.
888 EuGH v. 25. 7. 1991, Rs. C-76/90 -Säger, Slg. 1991, I-4221, Rn. 12; EuGH v. 9.8.1994, Rs.
C-43/93 -Vander Elst, Tz. 14.
889 Geiger, EUV/EGV, Art. 50, Rn. 11;
240
bb. Zulässigkeit der Beschränkung
Die dargestellte nichtdiskriminierende Beschränkung könnte zulässig sein, da die
Dienstleistungsfreiheit immanenten Schranken unterliegt, die durch die Rechtsprechung des EuGH entwickelt wurden und in der sog. „Gebhard-Formel“890 münden,
nach der eine Behinderung der Grundfreiheiten durch eine nationale Maßnahme
dann zulässig, wenn in nichtdiskrminierender Weise angwandt wird, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten und nicht über das hinausgeht,
was zur Erreichung des Zieles erforderlich ist.891 Diese Formel zieht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach sich, in deren Rahmen zu prüfen ist, ob die Maßnahme den
Kriterien der zwingenden Allgemeininteressen, der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit genügt.892 Wenn die Regelung zur
Abschlusskostenverteilung beim Altersrentenvertrag diesen Erfordernissen, die kumulativ vorliegen müssen, enstpricht, würde sie nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßen.
Zunächst ist zu klären, ob die vorgeschlagene Regelung zur Abschlusskostenverteilung zwingenden Allgemeininteressen entspricht. Die zwingenden Allgemeininteressen sind im EG-Vertrag nicht definiert. Jedoch wurden von der Rechtsprechung
bestimmte Belange als zwingende Allgemeininteressen anerkannt.893 Zu diesen
Belangen zählt nach der Rechtsprechung des EuGH auch der Verbraucherschutz.894
Die vorgeschlagene Abschlusskostenregelung beim Altersrentenvertrag hat zum
Ziel, es dem Nachfrager zu ermöglichen, den Anbieter des Vertrages nach Ablauf
einer kurzen Zeitspanne wechseln zu können, ohne faktische Nachteile in Kauf
nehmen zu müssen. Zwar ist es auch bei einer Verteilung der Abschlusskosten über
die ersten Jahre der Laufzeit möglich, den Anbieter zu wechseln. Dem Nachfrager
ist dies jedoch faktisch verwehrt, denn er würde dadurch erhebliche Nachteile in
Kauf nehmen. Das liegt daran, dass durch die Verteilung der Abschlusskosten auf
die ersten Jahre der Laufzeit kein Kapital angespart wird. Dadurch ist er viele Jahre
lang an den Anbieter, den er ursprünglich gewählt hat, gebunden (Lock-In-Problem).895 Durch diese Bindung ist der Nachfrager faktisch daran gehindert, bei Unzufriedenheit mit dem gewählten Anbieter, z. B. weil die Kosten steigen oder die Rendite sinkt, diesen zu verlassen und mit einem neuen Anbieter zu kontrahieren. Eine
890 Vgl. Müller-Graff, in: Streinz, Art. 49, Rn. 99.
891 EuGH v. 30.11.1995; Rs. C-55/94, Gebhard Slg. 1995 I-4165 ff., Rn. 37.
892 vgl. Geiger, Art. 50, Rn. 13; Müller-Graff, in: Streinz, Art. 49 Rn. 106;
Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 49/50 EGV, Rn. 99.
893 Nachweise bei Müller-Graff, in: Streinz, Art. 49, Rn. 107; Kluth, in Callies/Ruffert, Art. 49,
50 Rn. 79 ff.
894 EuGH, Rs. 220/83, Slg. 1986, 3663, Rn. 20 und Leitsatz 5; EuGH Rs. C-275/92, Schindler,
Slg. 1994 I-1039, Leitsatz 2; EuGH, Rs. C-67/98, Zenatti, Slg. 1999, I-7289, Rn. 31; EuGH v.
15.7.2004, Rs. C-239/02, Slg. 2004, I-7007, Rn. 55.
895 Vgl. die Ausführungen unter C. III. 2. a.
241
Regelung, die diese Folgen verhindert und mit welcher der Nachfrager nicht an den
ursprünglich gewählten Anbieter gebunden ist, schützt den Nachfrager in zweifacher
Weise: Zum Einen kann er den Anbieter bei einer Verschlechterung der Leistung
verlassen und mit einem anderen Anbieter einen Altersrentenvertrag schließen, der
eine bessere Leistung erbringt. Zum anderen kann die Möglichkeit des Nachfragers,
den Anbieter jederzeit ohne erhebliche Nachteile zu wechseln die Wirkung haben,
dass der Anbieter Anstrengungen unternehmen wird, eine möglichst hohe Leistung
zu erbringen, so dass der Nachfrager bei ihm verbleibt.
Fraglich ist allerdings, ob gegen diese Sichtweise empirische Erfahrungen sprechen, die in Chile gemacht worden sind, dem Land, das über die größte Erfahrung
mit einem kapitalgedeckten Pflichtvorsorgesystem verfügt.896 Die obligatorische
kapitalgedeckte Altersvorsorge wird dort durch Fondsverwaltungen (AFP) durchgeführt. Die AFP sind Aktiengesellschaften, die frei miteinander konkurrieren und
die durch eine Aufsichtsbehörde, die SAFP geregelt, überwacht und kontrolliert
werden.897 Die Fondsverwaltungen stehen untereinander im Wettbewerb und
definieren ihre Leistungsfähigkeit über die Rentabilität der Fonds, also die erzielte
Rendite. Zur Förderung des Wettbewerbs wird die Rentabilität der Pensionsfonds
täglich durch Bewertung ihrer Anlagen überprüft. Ist der Versicherte mit der Entwicklung seines Fonds nicht mehr zufrieden, kann er zu einem anderen Unternehmen wechseln und das angesammelte Kapital mitnehmen, wobei die Pensionsfonds
einem Kontrahierungszwang unterliegen.898
Die Intention dieses Konzepts ist es, durch freien Ein- und Austritt, Wettbewerb,
freie Wahl- und Wechselmöglichkeit unter den Pensionsfonds die Leistungsfähigkeit
des Systems zu sichern, die Akzeptanz bei der Bevölkerung zu steigern, die Anzahl
der Pensionsfonds zu vergrößern, die Renditen zu steigern und die Verwaltungskosten und Gebühren zu senken. Diese Ziele sind jedoch nur teilweise erreicht worden. Es gibt zur Zeit 16 Pensionsfonds, bei Entstehen des Systems 1981 waren es
12, so dass hier keine signifikante Steigerung zu beobachten ist. Auf dem Markt für
die gesetzlich vorgeschriebene Alterssicherung herrscht eine hohe Konzentration. 69
% der Versicherten zahlen in die drei größten Pensionsfonds ein. Bemerkenswert ist
dabei, dass diese drei großen Pensionsfonds zwischen 1981 und 1995 einen Investitionsertrag erwirtschaftet haben, der unter dem Durchschnitt aller Pensionsfonds
liegt. Somit besteht die Frage, was die Mehrzahl der Versicherten dazu bewegt, sich
gerade bei diesen Pensionsfonds zu versichern. Gemutmaßt wird, dass die hohen
Wechselquoten durch sittenwidrige Methoden und die Gewährung von Geschenken
verursacht wurden, die in keinem Zusammenhang mit der Leistung der AFP standen, wie Tachenrechnern oder Telefonen.899 Die durch den Wettbewerb prognosti-
896 Vgl. die Ausführungen oben in Teil I. D. III. 2. a. bb.
897 Vgl. Mesa-Lago/ Arenas de Mesa, DRV 1997, 406.
898 Vgl. Decreto Ley N° 3.500, de 1980, Articulo 32.
899 Vgl. Shah, Towards better regulation of private pension funds, S. 9; vgl. auch Mesa-
Lago/Arenas de Mesa, DRV 1997, 405 (422); Burger, Deregulierungspotentiale der
242
zierte Kostensenkung hat sich nicht verwirklicht. In der Vergangenheit stiegen z.B.
im Zeitraum zwischen 1989 bis 1993 die Verwaltungsausgaben pro Versicherten um
38 %.900 Als ein Grund für den Anstieg dieser Kosten wird die Wechselmöglichkeit
angesehen.901 In dem geschilderten Zeitraum war es rechtlich möglich, jederzeit den
Pensionsfonds zu wechseln. Mehrmals im Jahr konnte ein Versicherter den Fonds
ohne eigenen Kostenaufwand wechseln. Der Prozentsatz der wechselnden Beitragszahler stieg auf 40 % im Jahre 1994 an, 1997 wechselten dann schon 50 % aller
Versicherten die Pensionsfonds.902 Viele Wechsel werden durch eine rege
Vertretertätigkeit (die Anzahl der Vertreter verfünffachte sich zwischen 1989 und
1994) veranlasst. Da jedoch ausgerechnet die Pensionsfonds mit den größten Marktanteilen die im Vergleich schlechtesten Erträge liefern, stellt sich die Frage, welche
Gründe die Versicherten zum Wechsel des Pensionsfonds bewegen. Chilenische
Wissenschaftler machen schlechte Information seitens der Pensionsfonds und mangelnde Transparenz dafür verantwortlich: So geben die großen Pensionsfonds große
Summen für Werbekampagnen aus, aber sehr wenig Geld für die sachliche Information der Öffentlichkeit.903 Aufgrund der hohen Inanspruchnahme der Möglichkeit,
den Pensionsfonds zu wechseln, die augenscheinlich nicht durch rationale Erwägungen zu begründen war, hat der chilenische Gesetzgeber die Wechselmöglichkeit
mittlerweile auf einmal pro Jahr beschränkt.904 Das Beispiel zeigt scheinbar, dass
Wettbewerb trotz der Möglichkeit des häufigen Anbieterwechsels nicht optimal
funktionieren muss. Die hohen Verwaltungskosten aufgrund der häufigen Anbieterwechsel durch den Nachfrager deuten auf ein Dilemma hin, wonach häufige Wechsel einerseits die Kosten erhöhen, andererseits ohne Wechselmöglichkeit kein ausreichender Wettbewerbsdruck zwischen den Anbietern herrschen würde.905
In Anbetracht dieser Erfahrungen mit häufigen Anbieterwechseln seitens der
Nachfrager kann die Frage zu stellen sein, ob die Ermöglichung eines häufigen Anbieterwechsels überhaupt ein erstrebenswertes Ziel ist. Zwar würde der Wettbewerbsdruck auf die Anbieter von Altersrentenverträgen erhöht, gleichzeitig könnte
jedoch die Gefahr von Kostensteigerungen bestehen, die den Vorteil funktionierenden Wettbewerbs, der naturgemäß in einer Kostensenkung zu erkennen ist, zunichte
machen würden.
Eine derartige Einschätzung ist jedoch abzulehnen, da die Erfahrungen in Chile
und das ihnen zugrundeliegende Alterssicherungssystem nicht vergleichbar sind mit
dem hier vorgestellten Konzept einer Verteilung der Abschlusskosten über die gegesetzlichen Rentenversicherung, S. 203; zu den Marketingaufwendungen siehe auch Gerber,
Freie Pensionskassenwahl, S. 275.
900 Vgl. Börsch-Supan, PdW 2000, 431 (445); Schulz-Weidner, DRV 1998, 371 (381).
901 Börsch-Supan, PdW 2000, 431 (445); Schulz-Weidner, DRV 1998, 371 (381).
902 Vgl. Mesa-Lago/ Arenas de Mesa, DRV 1997, 406 (422).
903 Vgl. Mesa-Lago/ Arenas de Mesa, a. a. O.
904 Schulz-Weidner, DRV 1998, 371 (381). Im Jahre 2003 wechselten nur noch 235 000
Versicherte den Pensionsfonds.
905 Vgl. Börsch-Supan, PdW 2000, 431 (445).
243
samte Laufzeit des Altersrentenvertrages. Denn in Chile war es für die Nachfrager
jederzeit möglich, völlig kostenneutral den Anbieter zu wechseln. Die Kosten dieser
Möglichkeit hatte dort zunächst der Anbieter zu tragen, was durch den Anstieg der
Verwaltungskosten an den Nachfrager weitergegeben wurde. Das hier vorgeschlagene Konzept einer Verteilung der Abschlusskosten über die gesamte Laufzeit des
Vertrages unterscheidet sich davon erheblich. Denn auch nach diesem Konzept trägt
direkt der Nachfrager die Kosten eines Wechsels, der in neuen Abschlusskosten begründet ist und ggf. in der noch nicht abgeschlossenen Amortisation der beim ehemaligen Anbieter angefallenen Abschlusskosten. Der Vorteil gegenüber einer Verteilung der Kosten über die ersten Jahre der Laufzeit liegt allerdings darin, dass ein
Anbieterwechsel ohne schwere Nachteile überhaupt und früher möglich ist. Ein sehr
häufiger Anbieterwechsel nach kurzer Zeit kann demgegenüber auch nach dem hier
vorgestellten Konzept nachteilig sein, wie dies auch derzeit bei häufigen Fondswechseln bei Fonds mit Ausgabeaufschlägen der Fall ist.906 Dass die Nachfrager
zum übermäßigen Anbieterwechsel verleitet werden und damit die Kosten übermä-
ßig steigen, ist bei dem hier vorgestellten Konzept der Verteilung der Abschlusskosten somit nicht zu erwarten. Eine Verteilung der Abschlusskosten stellt somit ein
Ziel dar, welches dem Nachfrager nützt und dem Verbraucherschutz als zwingendem Allgemeininteresse dient.
Zulässig sind Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit jedoch nur, wenn sie
geeignet und erforderlich sind, die Verwirklichung des mit ihnen angestrebten Zieles
zu gewährleisten.907
Nur mit für die Zielerreichung gänzlich untauglichen Mitteln, kann die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht legitimiert werden.908 Die hier vorgeschlagene
Abschlusskostenregelung stellt aus den bereits genannten Gründen jedenfalls kein
gänzlich untaugliches Mittel dar, zwingenden Allgemeininteressen, wie dem
Verbraucherschutz zu dienen. Damit erscheint sie geeignet, den Verbraucherschutz
beim Altersrentenvertrag in wirksamer Weise zu gewährleisten.
Fraglich ist, ob die Regelung der Verteilung der Abschlusskosten über die gesamte
Laufzeit des Altersrentenvertrages erforderlich ist, das Allgemeininteresse, den
Verbraucherschutz, zu gewährleisten. Dem Erforderlichkeitsprinzip genügt eine
Maßnahme dann nicht, wenn das zwingende Allgemeininteresse genauso wirksam
durch eine Maßnahme verwirklicht werden kann, die den freien Dienstleistungsver-
906 Vgl. die Untersuchung des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften:
Kling/Ruß/Seyboth, Fondspolice oder Fondssparplan - Erste Antworten auf eine schwierige
Frage.
907 Ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. EuGH, Rs. C-67/98, Zenatti, Slg. 1999, I-7289, Rn.
29.
908 In Bezug auf Art. 30 EGV: EuGH v. 7.3.1990, Rs. C-362/88, GB-Inno, Slg. 1990, I-667, Rn.
16, 17; vgl. auch Müller-Graff, in: Streinz, Art. 49, Rn. 110.
244
kehr weniger beschränkt.909 Dabei ist nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere zu prüfen, ob Beschränkungen (z.B. Erbringungsverbote) durch Informationspflichten vermeidbar sind.910 Hinter diesem Informationsprinzip911 ist der Gedanke
zu erkennen, das zunächst zu prüfen ist, ob den allgemeinen Interessen durch weniger einschneidende Beschränkungen in die Dienstleistungsfreiheit Genüge getan
werden kann. Dieser Gedanke ist ähnlich demjenigen der Erforderlichkeit bei der
Verhältnismäßigkeitsprüfung eines Eingriffs in Grundrechte im deutschen Verfassungsrecht. Wenn also gezeigt werden könnte, dass sich eine Regelung zur Verteilung der Abschlusskosten dann erübrigen würde, wenn man das Ziel des Verbraucherschutzes durch Auferlegung von bestimmten Informationspflichten ebenfalls
erreichen kann, würde die Regelung nicht mit Art. 49 Abs. 1 EG vereinbar sein.
In einer Entscheidung des EFTA-Gerichtshofes zur norwegischen Regelung der
Abschlusskostenverteilung wurde aufgrund des Informationsprinzips die Rechtmä-
ßigkeit einer Regelung zur Abschlusskostenverteilung verneint. Der EFTA-Gerichtshof entschied, dass die entsprechende Regelung unvereinbar mit Art. 33 Richtlinie 2002/83/EG912 (Lebensversicherungsrichtlinie) sei und gegen die
Dienstleistungsfreiheit verstoße.913 Nach einer Bestimmung des norwegischen
Gesetzgebers war es Lebensversicherungsunternehmen untersagt, die Abschlusskosten mit der Versicherungsprämie zu verrechnen. Die Abschlusskosten mussten
separat und spätestens mit der ersten Prämienzahlung erhoben werden. Die norwegische Regelung hatte zur Folge, dass für Versicherungsunternehmen keine Möglichkeit bestand, die Höhe der Abschlusskosten in irgendeiner Weise zu verdecken.
Dadurch versprach sich der Gesetzgeber einen höheren Druck auf die Versicherungsunternehmen, die Abschlusskosten zu reduzieren.914 Zudem sollte der Wechsel
zwischen verschiedenen Versicherungsunternehmen erleichtert werden. Der EFTA-
Gerichtshof erklärte auf Klage der EFTA-Aufsichtsbehörde die Bestimmung als unvereinbar mit Art. 33 der Richtlinie 2002/83/EG, die im Wege des Abkommens über
den europäischen Wirtschaftsraum auch für Norwegen Gültigkeit hat. Nach Art. 33
der Richtlinie 2002/83/EG darf ein Mitgliedstaat den Versicherungsnehmer nicht
daran hindern, "einen Vertrag mit einem gemäß Art. 4 zugelassenen Versicherungsunternehmen abzuschließen, solange der Vertrag nicht im Widerspruch steht zu den
im Mitgliedstaat geltenden Rechtsvorschriften des Allgemeininteresses". Die EFTA-
Behörde vertrat den Standpunkt, dass die norwegische Regelung bezüglich der Erhebung der Abschlusskosten den Versicherungsnehmer daran hindere, einen Vertrag
mit einem solchen Versicherungsunternehmen abzuschließen, welches die Ab-
909 EuGH v. 25.7.1991, Rs. C-288/89, Mediawet I, Slg. 1991 I-4007, Rn. 15.
910 EuGH v. 12.3.1987, Rs. 178/84, Reinheitsgebot für Bier, Slg. 1987 I-1227, Rn. 35.
911 Müller-Graff, in: Streinz, Art. 49, Rn. 112.
912 Abl. EG 2002 L 345.
913 Urteil des EFTA-Gerichtshofes vom 25.11.2005, Az.: E-1/05; vgl. Sajkow, nestor informiert
Nr. 5, 2006, S. 24 f.
914 Die Höhe der Abschlusskosten konnte durch diese Bestimmung um 80-90 % reduziert
werden (Urteil des EFTA-GH vom 25.11.2005, E-1/05, Rn. 26).
245
schlusskosten über die Zeit verteile.915 Auch werde der Wettbewerb behindert, da
Versicherungsunternehmen durch die Regelung davon abgehalten werden könnten,
ihre Produkte in Norwegen anzubieten.916 Dieser Argumentation schloß sich der
EFTA-Gerichtshof an und erklärte die norwegischen Bestimmungen für unwirksam.
Sie verstießen gegen die Dienstleistungsfreiheit und seien auch durch Allgemeininteressen, zu denen der Verbraucherschutz gehöre, nicht gerechtfertigt.917 Nach
Auffassung des EFTA-Gerichtshofes sind Regelungen, nach denen Abschlusskosten
über einen längeren Zeitraum erhoben werden, für den mündigen Verbraucher, auf
den es ankomme, nicht schwer verständlich. Es gebe weniger einscheidende Regelungen als die norwegische, um Verbraucherschutz zu erreichen, so dass diese Regelungen und der Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit unverhältnismäßig seien.918
Aus dem Urteil kann gefolgert werden, dass ein Mitgliedstaat die Verrechnung der
Abschlusskosten mit der Versicherungsprämie nicht verbieten darf. Aus der Begründung geht ferner hervor, dass durch Information des mündigen Verbrauchers
ebenso Verbraucherschutz erreicht werden kann wie mit einer Regelung, die den
Versicherungsunternehmen eine bestimmte Abschlusskostenerhebung vorschreibt.919
Daraus könnte geschlossen werden, dass auch die vorgeschlagene Abschlusskostenverteilung beim Altersrentenvertrag über die ganze Laufzeit nicht dem Kriterium
der Erforderlichkeit genügen würde, da auch hier Bestimmungen zur Information
ausreichen würden, Verbraucherschutz zu gewährleisten. Dies erscheint jedoch
zweifelhaft. Zunächst ist die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch eine
Regelung zur Abschlusskostenverteilung beim Altersrentenvertrag weniger einschneidend als in dem Fall, der dem Urteil des EFTA-Gerichtshofes zugrunde lag.
Denn die Regelung würde sich nicht auf alle Lebensversicherungen in Deutschland
beziehen, sondern lediglich auf diejenigen Verträge, die als Altersrentenvertrag angeboten werden. Damit würde die Vorschrift von ihrer Bedeutung her derjenigen
entsprechen, die der Gesetzgeber bereits für Riester-Verträge in § 1 Abs. 1, Nr. 8
AltZertG vorsieht, wonach die Abschlusskosten über einen Zeitraum von mindestens 5 Jahren in gleichmäßigen Jahresbeträgen verteilt werden müssen. Zum anderen
ist es zweifelhaft, ob Vorschriften, die zu einer Verbesserung der Information der
Nachfrager beitragen, und die den freien Dienstleistungsverkehr weniger beeinträchtigen, den Verbraucherschutz im gleichen Maße gewährleisten würden. Denn das
Problem einer Bindung des Nachfragers an einen Anbieter, wenn die Abschlusskosten wie bei der Lebensversicherung derzeit über die ersten Jahre der Laufzeit
verteilt werden, kann nicht durch eine verbesserte Information des Nachfragers gelöst werden: Eine verbesserte Information kann den Nachfrager lediglich bei der
Entscheidung für oder gegen einen Anbieters schützen. Hat er sich jedoch für einen
Anbieter entschieden und möchte er ihn wieder wechseln, weil sich z. B. dessen
915 Urteil des EFTA-Gerichtshofes, Rn. 19.
916 Urteil des EFTA-Gerichtshofes, Rn. 19.
917 Urteil des EFTA-Gerichtshofes, Rn. 46.
918 Urteil des EFTA-Gerichtshofes, Rn. 45.
919 Urteil des EFTA-Gerichtshofes, a.a.O.
246
Leistung verschlechtert, so ist ihm dies nicht aufgrund fehlender Information erschwert, sondern aufgrund der Art und Weise der Verteilung der Abschlusskosten.
Die Information des Nachfragers stellt damit kein gleichwirksames Mittel im Verhältnis zu einer Vorschrift zur Abschlusskostenverteilung dar, um einen wirksamen
Verbraucherschutz zu erreichen.
Damit ist eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch die Regelung der
Verteilung der Abschlusskosten über die gesamte Laufzeit des Altersrentenvertrages
erforderlich, um den Verbraucherschutz zu gewährleisten.
Somit stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Eine Beschränkung der
Dienstleistungsfreiheit ist dann verhältnismäßig, wenn die die Behinderung auslösende Maßnahme zur Verwirklichung des Allgemeininteresses in einem angemessenen Verhältnis zur Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs steht.920 Die
Prüfung, ob die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit angemessen ist, macht
eine Abwägung zwischen der Schwere der Beeinträchtigung und dem Grad der Gewichtigkeit des Zielgewinns erforderlich.921 Durch die Regelung zur Verteilung der
Abschlusskosten über die gesamte Vertragslaufzeit bei Altersrentenverträgen werden Anbieter nicht beschränkt, so wie bisher in Deutschland tätig zu werden, denn
die Regelung würde nur für Altersrentenverträge gelten. Und auch hier dürfte es für
Anbieter, die eine Verteilung der Abschlusskosten über die gesamte Laufzeit und die
diese Form der Abschlusskostenerhebung bisher nicht praktizieren, also insbesondere Versicherungsunternehmen, nicht unmöglich sein, tätig zu werden. Eine Unzulässigkeit der Beschränkung könnte dann vorliegen, wenn durch die Vorschrift die
Versicherungsunternehmen im Bereich des Altersrentenvertrages gezwungen wären,
ihr Produkt grundlegend umzugestalten.922 Dies ist jedoch nicht ersichtlich. Gegebenenfalls müssten sie in diesem Bereich lediglich ihre Vertriebsstruktur anders gestalten. Vor dem Hintergund des Zugewinns an Verbraucherschutz und des hohen
Maßes an Wettbewerb, welches durch eine solche Regelung gewährleistet würde,
erscheinen die Folgen der Beschränkung für die Anbieter weniger schwer. Damit
wäre die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch eine Regelung, nach welcher die Abschlusskosten über die gesamte Laufzeit verteilt werden müssen, verhältnismäßig.
cc. Zwischenergebnis
Eine Regelung, nach welcher die Anbieter von Altersrentenverträgen die Abschlusskosten über die gesamte Laufzeit verteilen müssen, würde eine Beschränkung der
Dienstleistungsfreiheit darstellen. Die Beschränkung wäre jedoch verhältnismäßig
und damit zulässig.
920 EuGH v. 9.7.1997, Rs. C-34/95, De Agostini, Slg. 1997, I-3483, Rn. 54.
921 Müller-Graff, in: Streinz, Art. 49, Rn. 115.
922 Vgl. vzbv, Anmerkungen zur europarechtlichen Beurteilung von nationalen Normen über
eine Mindestrückvergütung bei Fondssparplänen und bei Kapitalversicherungen, S. 12 f.
247
6. Ergebnis
Eine Regelung zur Abschlusskostenverteilung über die gesamte Laufzeit des Altersrentenvertrages ist aus wettbewerblichen Gesichtspunkten jeder anderen Alternative
vorzuziehen. Eine derartige Regelung wäre mit dem europäischen Recht vereinbar.
Mit dieser Regelung wären Lebensversicherungsprodukte den Investmentprodukten
hinsichtlich der Kostenverteilung als ebenbürtig anzusehen. Ein Anbieterwechsel
unter Mitnahme des angesparten Vermögens wäre für den Nachfrager in weit höherem Maße möglich als dies heute der Fall ist, was die Marktdynamik verbessern
würde.
248
II. Vorschläge für die Ausweisung der Kosten beim Altersrentenvertrag
1. Die Ausweisung der Kosten allgemein
Wie festgestellt, lassen sich Investmentprodukte ihren Kosten nach bereits vergleichen, da sie den Regelungen zur Kostenausweisung nach § 41 Abs. 1, 2 InvG unterliegen. Ebenso müssen auch Lebensversicherungen durch die Kostenausweisung
nach dem Entwurf der Informationsverordnung ihre Abschluss- und Verwaltungskosten offenlegen, so dass sich die Versicherungen miteinander vergleichen lassen.
Während jedoch Investmentfonds die Kosten prozentual ausweisen müssen, werden
Versicherungsunternehmen ihre Kosten in Euro-Beträgen, also absoluten Angaben
ausweisen müssen. Zwar ist auch bei ihnen eine prozentuale Ausweisung denkbar
(z.B. als Anteil an der Versicherungssumme), vorgeschrieben ist dies jedoch nicht.
Aus diesem Grunde besteht das Problem, dass je nachdem, ob es sich bei dem angebotenen Produkt um eine Lebensversicherung oder einen Investmentfonds handelt,
verschiedene Arten der Kostenausweisung möglich sind. Dadurch kann es für den
Nachfrager schwierig sein, auf Anhieb die Höhe der Kostenbelastung bei Versicherungs- wie Investmentprodukten zu vergleichen. Um dem Nachfrager jedoch eine
autonome Produktwahl zu ermöglichen, ist es erforderlich, dass er die Kosten von
Investmentfonds und Lebensversicherungen vergleichen kann. Aus diesem Grund
sollten für Versicherungs- wie Investmentprodukte, die im Rahmen des Altersrentenvertrages angeboten werden, einheitliche Regelungen zur Methode der Kostenausweisung gefunden werden. Der Gesetzgeber hat mit dem Eigenheimrentengesetz
vom 29. Juli 2008 bezüglich der zertifizierten Riester-Verträge bereits insoweit
Klarheit geschaffen, als dass er den Anbietern in § 7 Abs. 5 AltZertG vorschreibt,
die Kosten nun in Euro auszuweisen.923
2. Prozentuale Ausweisung der Abschlusskosten
Es spricht jedoch nichts dagegen, die Kosten sowohl in absoluten Euro-Beträgen als
auch in prozentualer Angabe offenzulegen. Denn bei einer Angabe der Kosten lediglich in Euro-Beträgen wird die Gefahr erkannt, dass z.B. der absolute Abschlusskostenbetrag von den Anbietern dadurch niedrig gehalten wird, dass die Abschlusskosten in die laufenden Verwaltungskosten und Kapitalanlagekosten einberechnet
werden, so dass im Ergebnis das nach den Abschlusskosten günstigste Produkt nicht
unbedingt insgesamt das Günstigste sein muss.924 Daraus folgt, dass die Abschlusskosten auch prozentual auszuweisen sind. Die Angabe in absoluten Euro-Beträgen
923 Gesetz zur verbesserten Einbeziehung der selbstgenutzten Wohnimmobilie in die geförderte
Altersvorsorge vom 29. Juli 2008, BGBl. I, S. 1509 ff.
924 So Ortmann, in: Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum
Versicherungsvertragsrecht §§ 150 bis 171 VVG, Rn. 105.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Buch thematisiert die Herausforderungen der Alterssicherung in Deutschland unter Berücksichtigung des Europarechts. Der Autor beurteilt das System der gesetzlichen Rentenversicherung aus der Perspektive des Europarechts und kommt zu dem Ergebnis, dass der deutsche Gesetzgeber aufgrund der demografischen Veränderungen das Umlagesystem der gesetzlichen Rentenversicherung in einem größeren Maße als bislang auf ein kapitalgedecktes System umstellen muss. Dabei geht er auch auf die ökonomischen Möglichkeiten einer derartigen Umstellung ein. Er zeigt auf, welche Handlungsspielräume der Gesetzgeber hat und untersucht, welche Anforderungen hinsichtlich einer wettbewerblichen Ausgestaltung die kapitalgedeckte Vorsorge erfüllen muss. Mit seinem Werk gibt der Autor einen Einblick in die Probleme der Alterssicherung in Deutschland und kommt dabei zu neuen rechtlichen Schlussfolgerungen.