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Teil 3: Vorschläge zur rechtlichen Ausgestaltung eines Altersrentenvertrages unter Wettbewerbsbedingungen
Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, wie eine kapitalgedeckte Altersvorsorge, der ein höherer Stellenwert als bislang zukommen würde, ausgestaltet
werden sollte. Im Gegensatz zum „Generationenvertrag“ stünde der "Altersrentenvertrag" für die Verpflichtung zum Abschluss einer kapitalgedeckten Altersvorsorge. Das Konzept des Altersrentenvertrages sollte jedoch nicht auf diese Verpflichtung beschränkt bleiben, sondern es müssten bestimmte Eigenschaften geregelt
werden, die die kapitalgedeckte Vorsorge erfüllen muss. Die rechtliche Ausgestaltung des Altersrentenvertrages sollte ferner auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen berücksichtigen. Dazu gehören der lange Ansparprozeß (ab Geburt) bei zukünftigen Generationen und die absehbare demographische Entwicklung. Eine weitere Frage besteht darin, wie ein hohes Maß an Wettbewerb zwischen den Anbietern
verwirklicht werden könnte. Das Konzept könnte auf demjenigen der Riester-Rente
aufbauen, in deren Rahmen bestimmte zertifizierte Altersvorsorgeprodukte angeboten werden. Es ist jedoch zu klären, ob die Anforderungen an die Produkte, die
künftig als Altersrentenvertrag zertifiziert werden können, weiter gehen sollten. Zunächst wird jedoch auf den Sinn und Zweck funktionierenden Wettbewerbs eingegangen und darauf, welche Aspekte im Zusammenhang mit der Altersvorsorge zu
berücksichtigen sind.
A. Wettbewerb als Mittel zur Gewährleistung einer effizienten Altersversorgung
Der Idealtypus des Wettbewerbs wird als Vorgang des Handelns und der Reaktion
auf dieses Handeln beschrieben. Als dynamischer Prozeß, als Abfolge von Vorstoß
und Verfolgung, von Innovation und Imitation zwischen den Wettbewerbern.652 Dabei streben die Marktteilnehmer danach, durch überlegene Marktleistung, andere
Wettbewerber zum eigenen Vorteil, nämlich dem Gewinn von Marktanteilen, zu
verdrängen. Das Streben der Marktteilnehmer nach überlegener Leistung bewirkt im
Prozeß von Vorstoß und Verfolgung, dass sich die Leistung aller Marktteilnehmer
verbessert. Nur diejenigen, die ihre Leistung nicht verbessern können, werden dadurch, dass die Marktgegenseite (die Nachfrager) auf andere Marktteilnehmer ausweicht, vom Markt verdrängt. Im Gegensatz zum Wettbewerb führt eine Marktstruktur, in welcher kein Wettbewerb herrscht, zu höheren Marktpreisen und
652 Vgl. Tolksdorf, Dynamischer Wettbewerb, S. 11 ff.
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schlechterer Marktversorgung.653 Sinn und Zweck des Wettbewerbs besteht somit
darin, durch das Streben der Marktteilnehmer, ihre einzelwirtschaftlichen Ziele mittels überlegener Leistung durchzusetzen und eine Wohlfahrtssteigerung zu erreichen.654 Als Funktionen des Wettbewerbs können unterschieden werden: Konsumentensouveränität, leistungsgerechte Einkommensverteilung, optimale Faktorallokation, Anpassungsflexibilität, technischer Fortschritt.655 Von diesen Zielen
hervorzuheben ist für den Markt für Altersvorsorge die Konsumentensouveränität.
Denn nur durch die Verwirklichung seiner Konsumentensouveränität kann der
Nachfrager die für ihn geeigneten Produkte mittels der Instrumente "Abwanderung
und Widerspruch" finden und den Anbieter dazu zwingen, sich effizient zu verhalten.656
I. Mechanismen zur Erreichung eines funktionierenden Wettbewerbs
Kann man Sinn und Zweck des Wettbewerbs leicht bestimmen, so ist die Frage
schon weitaus komplizierter, wie sich funktionierender Wettbewerb am besten herstellen lässt und unter welchen Bedingungen von einem funktionierenden Wettbewerb gesprochen werden kann. Zur Erreichung eines funktionsfähigen Wettbewerbes, wird es als die Aufgabe der Wettbewerbspolitik angesehen, die Wettbewerbsdynamik auf einem realen Markt zu schützen und zu fördern und alle ihr entgegenstehenden Hemnisse zu entfernen.657 Um die Mechanismen zur Herstellung eines
funktionsfähigen Marktes zu bestimmen, muss die Wettbewerbspolitik die Wettbewerbsvorgänge auf einem Markt in Hinblick auf die zu erreichenden Ziele bewerten
und die Ursachen von Mängeln bei realen Vorgängen feststellen, um dann im Anschluss konkret zu bestimmen, mit welchen Mitteln versucht werden sollte, die
Mängel im Hinblick auf die Stärkung der Wettbewerbsdynamik zu beseitigen.658 Ein
Mangel an Wettbewerb in einem Markt wird als "Marktversagen" bezeichnet. Wenn
ein Marktversagen festgestellt werden kann, entsteht wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf.659
653 Diese Entdeckung machte im 19. Jhd. der Mathematiker Cournot, vgl.Tolksdorf,
Dynamischer Wettbewerb, S. 15.
654 Tolksdorf, Dynamischer Wettbewerb, S. 11.
655 Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 28 ff.; vgl. auch Knieps,
Wettbewerbsökonomie, S. 4 ff.
656 Vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 29 f.: Der Leitbildcharakter der
Konsumentensouveränität werde allerdings nicht schon deshalb in Frage gestellt, weil die
Verbraucher nicht in der Lage seien, nutzenmaximierende Entscheidungen zu treffen. Ein
Ideal verliere dann nicht seine Gültigkeit, wenn es nur annäherungsweise realisiert werden
könne.
657 Tolksdorf, S. 47.
658 Tolksdorf, S. 47 ff.
659 Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 11 ff.
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II. Marktversagen bei unvollständiger Information
Ein Marktversagen kann bei unvollständiger Information der am Markt Beteiligten
vorliegen.660 Zunächst kann eine unvollständige Information hohe Suchkosten bei
den Nachfragern verursachen und dazu führen, dass bei homogener Produktqualität
Preisstreuungen zu beobachten sind.661 Dieser Effekt wird als natürlich angesehen
und ist wettbewerbspolitisch hinzunehmen.662
Unvollständige Information auf Seiten der Nachfrager kann jedoch auch den Effekt haben, dass sich aufgrund adverser Selektion und eines moral-hazard-Verhaltens auf Seiten der Anbieter des Produkts die Qualität aller am Markt gehandelten
Produkte verschlechtert und eine allgemeine Wohlfahrtsminderung zu beobachten
ist. Diese These geht auf den Ökonomen Akerlof zurück und seine Beobachtungen
auf dem amerikanischen Gebrauchtwagenmarkt.663 Hier kann der Nachfrager vor
Vertragsabschluss die Qualität eines Fahrzeugs nicht vollständig beurteilen. Die
Folge ist, dass er sich an der durchschnittlich zu erwartenden Qualität orientiert. Er
wird nur für ein durchschnittliches Produkt zu zahlen bereit sein. Anbieter eines
überdurchschnittlichen Produktes werden keinen höheren Preis erzielen, da der
Nachfrager aufgrund von Unkenntnis der höheren Qualität nicht bereit sein wird,
einen überdurchschnittlichen Preis zu zahlen. Damit entfällt für die Anbieter der Gebrauchtfahrzeuge jeglicher Anreiz, eine überdurchschnittliche Qualität bereitzuhalten, da dieses Verhalten nicht honoriert wird. Im Gegenteil: Es lohnt sich für den
Anbieter eher, eine mindere Qualität anzubieten, was dazu führt, dass sich die
durchschnittliche Qualität aller am Markt angebotenen Fahrzeuge verringert und
auch der Nachfrager immer weniger bereit ist, zu zahlen. Der Markt für die hochwertigen Produkte bricht jedenfalls zusammen, denn die asymmetrische Information
verhindert, dass die Nachfrage nach diesen Produkten bedient wird.
Auf Versicherungsmärkten spielt das Problem der unvollständigen Information
aufgrund von Informationsasymmetrie eine bedeutende Rolle. Die Informationsasymmetrie tritt in zwei Varianten auf. Zunächst kann der Versicherungsnehmer einen Informationsvorsprung haben und ihn zum Nachteil des Versicherungsunternehmens nutzen. Das klassische Beispiel dafür ist, dass der Nachfrager
einer Versicherungsleistung nach Abschluss der Versicherung sein Verhalten ändert.
Da Versicherer mit diesem Verhalten bei einem Teil der Versicherten kalkulieren,
führt dies zu insgesamt höheren Prämien. Das kann dazu führen, dass "gute Risiken", also diejenigen, die ihr Verhalten auch nach Abschluss einer Versicherung
nicht ändern werden, keine Versicherung abschließen, da die Prämien zu hoch
660 Dazu ausführlich Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 243 ff.
661 Knieps, Wettbewerbsökonomie, a. a. O.
662 Knieps, Wettbewerbsökonomie, a. a. O.
663 Akerlof, The Market for "Lemons": Uncertainty and the Market Mechanism, Quarterly
Journal of Economics, 84, S. 488 ff.; vgl. auch die anschauliche Darstellung bei Schmidt,
Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 39 f.; siehe auch: Fritsch/Wein/Ewers,
Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 281 ff. (283).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Buch thematisiert die Herausforderungen der Alterssicherung in Deutschland unter Berücksichtigung des Europarechts. Der Autor beurteilt das System der gesetzlichen Rentenversicherung aus der Perspektive des Europarechts und kommt zu dem Ergebnis, dass der deutsche Gesetzgeber aufgrund der demografischen Veränderungen das Umlagesystem der gesetzlichen Rentenversicherung in einem größeren Maße als bislang auf ein kapitalgedecktes System umstellen muss. Dabei geht er auch auf die ökonomischen Möglichkeiten einer derartigen Umstellung ein. Er zeigt auf, welche Handlungsspielräume der Gesetzgeber hat und untersucht, welche Anforderungen hinsichtlich einer wettbewerblichen Ausgestaltung die kapitalgedeckte Vorsorge erfüllen muss. Mit seinem Werk gibt der Autor einen Einblick in die Probleme der Alterssicherung in Deutschland und kommt dabei zu neuen rechtlichen Schlussfolgerungen.