155
ten.617 Der Übergang zur Systemergänzung soll allerdings schrittweise stattfinden
mit unterschiedlichen Konsequenzen für verschiedene Jahrgänge.
II. Möglichkeiten
1. Rentenneutrale Ergänzung des Umlagesystems
Für einen Umstieg von einem Umlage- auf ein Kapitaldeckungssystem im Rahmen
des Altersrentenvertrages bieten sich grundsätzlich mehrere Möglichkeiten an. Die
eine Möglichkeit besteht in einer rentenneutralen Ergänzung des Umlagesystems
durch den kapitalgedeckten Altersrentenvertrag:
Für gesetzlich Rentenversicherte besteht ab einem Stichtag die Pflicht zum Abschluss eines Altersrentenvertrages. Diese sind damit zusätzlich zur Beitragspflicht
zum Umlageverfahren verpflichtet, Beiträge zum Aufbau einer kapitalgedeckten
Vorsorge zu leisten. Gesetzlich Rentenversicherte werden damit zunächst stärker
belastet. Allerdings hängt die Höhe ihrer Belastung von ihrem Alter ab. Je weiter
entfernt sie vom Rentenalter sind, desto geringer ist ihre Belastung durch einen zusätzlichen Pflichtbeitrag zur kapitalgedeckten Altersvorsorge, da im Gegenzug ihr
Einkommen im Rentenalter durch die Leistungen aus dem Kapitalstock steigt. Und
diese zusätzliche Einnahme ist umso höher, je größer der Kapitalstock ist, dessen
Umfang von der Ansparzeit abhängig ist. Bei rentennahen Jahrgängen ist es zweifelhaft, ob der Aufbau eines Kapitalstockes überhaupt sinnvoll ist, da die verbleibende Zeit zu gering ist, um einen Betrag anzusparen, aus dem ein nennenswertes zusätzliches Einkommen generiert werden kann. Aus diesem Grund könnte darüber
nachzudenken sein, rentennahe Jahrgänge von der Vorsorgepflicht auszunehmen.
Für diese Jahrgänge würde sich ebenso wie für die Rentenempfänger zunächst nichts
ändern. Eine Zusatzbelastung durch den Altersrentenvertrag entstünde damit nur für
jüngere Rentenversicherte.
Beschränkt man sich auf dieses Konzept, würden die Beiträge zum Umlagesystem beibehalten und allein für die Gruppe der Beitragszahler zusätzliche Belastungen erwachsen. Damit würde das Konzept eine bloße Ergänzung des derzeitigen
Riester-Konzepts um eine Vorsorgepflicht darstellen und wäre kein Teilumstieg von
einem Umlage- zu einem Kapitaldeckungssystem. Das Problem dieses Konzepts
läge darin, dass unverändert hohe Beiträge an das Umlagesystem entrichtet würden.
Dies könnte für diejenigen Jahrgänge ein Problem darstellen, die hohe zusätzliche
Vorsorgeaufwendungen erbringen müssen, um das Absinken des Rentenniveaus zu
kompensieren. Betroffen wären davon besonders stark diejenigen Jahrgänge, die
zwischen 2030 und 2050 das Rentenalter (67 Jahre) erreichen, also die Geburtsjahrgänge zwischen 1957-1987, die heute ca. 20- 50 - Jährigen, deren Renteneintritt in
617 Siehe in Teil I. D. III. 4. c.
156
die Zeit fällt, in welcher der Altersquotient besonders hoch ist.618 Diese Gruppe der
gesetzlich Rentenversicherten bekommt die Auswirkungen des demographischen
Wandels über den Nachhaltigkeitsfaktor in Form niedrigerer Rentenleistungen am
stärksten zu spüren. Im Unterschied zu jüngeren Jahrgängen wiederum hat ein Teil
dieser Gruppe, die derzeit 30-50-Jährigen, jedoch weniger Zeit, einen Kapitalstock
aufzubauen und muss damit höhere Aufwendungen für die zusätzliche Vorsorge tätigen. Für diese Gruppe der gesetzlich Rentenversicherten können Schwierigkeiten
bestehen, neben den Beitragssätzen zum Umlagesystem zusätzliche Sparleistungen
zu erbringen. Bei dieser Gruppe würde eine "rentenneutrale Ergänzung des Umlagesystems" nicht ausreichen, um die Gefahr einer unzureichenden Alterssicherung abzuwenden.
2. Teilweiser Umstieg durch eine Reduzierung des Umlagebeitrages
Es ist also für einige Gruppen von Beitragszahlern erforderlich, den Umlagebeitrag
zum System der gesetzlichen Rentenversicherung abzusenken, damit sie das dann
„freiwerdende“ Kapital für den Aufbau eines Kapitalstocks verwenden können. Infolge der Absenkung des Umlagebeitrags für diese Gruppe der Versicherten würden
die Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung sinken. Um die verminderten
Einnahmen zu kompensieren, gibt es zwei Alternativen: Entweder erfolgt ein Ausgleich über die Erhöhung des Bundeszuschusses, also aus Steuermitteln oder die
verminderten Einnahmen werden über die Rentenformel an die Leistungsempfänger,
also die derzeitige Rentnergeneration weitergegeben. Mit diesem Schritt würde tatsächlich ein Teilumstieg der Finanzierung der Altersvorsorge vom Umlageverfahren
auf das Kapitaldeckungsverfahren vollzogen. Das Umlagesystem würde in seinem
Umfang reduziert.
Auch für die nachfolgenden Rentnerkohorten sollte die teilweise Finanzierung der
Altersvorsorge aus Umlage und Kapitaldeckung aufrecht erhalten bleiben. Denn
auch wenn angenommen wird, dass in der Zeit nach 2050 der Altersquotient langsam wieder sinken wird, bleibt er doch zunächst auf einem weit höheren Niveau als
heute erhalten.619 Zudem können bei einer dauerhaften Aufteilung der Finanzierung
der Altersversorgung in einen Umlage- und einen Kapitaldeckungsteil die Vorteile
beider Systeme genutzt und die jeweiligen Risiken diversifiziert werden. Ein teilweiser Umstieg vom Umlage- auf ein Kapitaldeckungssystem würde im Übrigen
dem bisherigen Ansatz des Gesetzgebers folgen, der mit der sozialabgabenrechtlichen Privilegierung der Entgeltumwandlung in der betrieblichen Altersversorgung
bereits das Konzept eines teilweisen Umstiegs auf eine kapitalgedeckte Alterssicherung verfolgt, wenn auch nur in einem geringen Umfang und auf freiwilliger Basis.620
618 Vgl. die 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2006, S. 23.
619 Vgl. 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2006, S. 18, Schaubild 4.
620 Siehe oben unter Teil 1 C. III.2.
157
3. Umstiegskonzept
Das System der gesetzlichen Rentenversicherung würde grundsätzlich für alle Sozialversicherungspflichtigen beibehalten. Ab einem bestimmten Jahrgang würde der
Beitragssatz zum Umlagesystem der gesetzlichen Rentenversicherung gesenkt. Dabei sollte der Beitrag zum Umlagesystem zu Gunsten des Beitrags zum Kapitaldeckungssystem umso mehr gesenkt werden, je weiter die Versicherten vom Erreichen
des Rentenalters entfernt sind. Diese Differenzierung wäre aus dem Grunde geboten,
dass die derzeit noch rentenfernen Jahrgänge von den demographischen Verschiebungen stärker betroffen sein werden als die rentennahen Jahrgänge. Zum anderen
ist die Vorsorge im Wege der Kapitaldeckung aufgrund des Zinseszinseffektes umso
effektiver, je länger die Ansparphase ist. Zusätzlich müssten jedoch weitere Beiträge
zur kapitalgedeckten Vorsorge aufgewendet werden, um eine ausreichende Vorsorge
zu sichern.
Ein Umstiegskonzept könnte danach folgendermaßen beschaffen sein:
Diejenigen, die derzeit zwischen 31 und 60 Jahre alt sind (Jahrgänge 1947-1976),
würden statt dem Umlagebeitrag von derzeit 19,9 % nur einen Beitrag von 18,9 %
entrichten. Die weiteren 1 % (des Bruttogehalts) würden kapitalgedeckt angelegt.
Das bedeutet, dass etwa 5 % der Beitragssumme im Wege der Kapitaldeckung angelegt würden. Der Betrag würde verpflichtend zum Aufbau eines zusätzlichen Kapitalstocks im Rahmen eines Altersrentenvertrages verwendet und direkt an einen
Anbieter eines Altersrentenvertrages durch den Arbeitgeber überwiesen. Im Gegenzug würde der spätere Anspruch auf Rentenleistungen entsprechend den weniger
eingezahlten Beiträgen (ab einem Rentenalter von 67 Jahren) vermindert.
Dabei würden die jeweiligen Beiträge, die in die kapitalgedeckte Altersvorsorge
investiert worden sind, von der Rentenanwartschaft, die im Umlagesystem erworben
wurde, in Abzug gebracht. Will man den Zinseszinseffekt der Kapitaldeckung entlastend an das Umlagesystem weiterzugeben, müssten auch die Abzüge von der
Rentenanwartschaft verzinst werden. Auf diese Weise könnten die Zins- und Zinseszinseffekte, die im Rahmen der Kapitaldeckung erzielt werden, zur Senkung der
Rentenbelastung in der Zukunft verwendet werden.
Problematisch ist, dass ein Betrag in Höhe von 1 % des Bruttogehalts für den
Aufbau einer kapitalgedeckten Vorsorge gerade bei den rentennahen Jahrgängen
kaum ausreichen würde, eine nennenswerte Zusatzrente zu ermöglichen. Aus diesem
Grund müssten die Rentenversicherten zusätzlich weitere 2,1 % des Bruttogehalts
zur kapitalgedeckten Vorsorge aufwenden. Die Beitragsbelastung stiege für die betroffene Gruppe der Rentenversicherten damit auf insgesamt 22 %.
Für diejenigen rentenversicherungspflichtig Beschäftigten, die derzeit 30 Jahre
und jünger sind (ab Jahrgang 1977), würde ein Umlagebeitrag von lediglich 16,9 %
ausreichen. Die restlichen drei Prozent würden im Kapitaldeckungssystem angelegt.
Das entspräche einem Anteil von etwa 15 % an der derzeitigen Beitragssumme zum
158
Umlagesystem. Im Gegenzug würde ihr späterer Anspruch auf Rentenleistungen
entsprechend den weniger eingezahlten Beiträgen (ab einem Rentenalter von 67 Jahren) vermindert. Auch diese Jahrgänge müssten zusätzlich noch etwa 2,1 % des
Bruttogehalts für die kapitalgedeckte Vorsorge aufwenden, so dass auch hier ein Gesamtbeitrag von 22 % erforderlich wäre.
Für diejenigen Jahrgänge, die älter als Jahrgang 1947 sind, würde sich nichts ändern: Sie würden weiterhin den vollen Umlagebeitrag entrichten und auch ihre
Rentenansprüche würden ihnen im vollen Umfang erhalten bleiben.
4. Entlastungen/Belastungen
Das Umstiegskonzept hätte zur Folge, dass bestimmte Jahrgänge unterschiedlich mit
Beiträgen zur Altersvorsorge belastet werden. Während die Jahrgänge vor 1947 den
derzeitigen Umlagebeitrag zu entrichten hätten, hätten die Jahrgänge danach einen
verminderten Umlagebeitrag zu entrichten. Jedoch wären im Gegenzug auch ihre
Ansprüche gegen die gesetzliche Rentenversicherung vermindert. Die Belastungen
aus dem demographischen Wandel würden dadurch vermindert, dass sie zusätzlich
zu ihrem Alterseinkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine kapitalgedeckte Altersvorsorge erhielten, die verminderte Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der Abnahme der erwerbstätigen Bevökerung ausgleichen
können. Auch die Belastungen der zu der Zeit Erwerbstätigen würden vermindert,
da die späteren Ansprüche der heute 50-Jährigen und nachfolgenden Jahrgänge an
das Umlagesystem, vermindert sind.
a. Belastungen der rentennahen Jahrgänge und der Rentner
Eher belastet würden durch die Umstellung die rentennahen Jahrgänge und Rentenempfänger. Denn aufgrund der Absenkung des Umlagebeitrags verminderten sich
die Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung621:
Die Einnahmeausfälle der gesetzlichen Rentenversicherung würden durch die
Systemumstellung im ersten Jahr etwa 5 % der gesamten Beitragseinnahmen betragen, was in etwa 9,57 Mrd. Euro entspricht.622 In den ersten 10 Jahren würde diese
Einnahmeausfälle auf 7 % und bis zum Jahre 2050 auf 13 % der Beitragseinnahmen
steigen. Die absoluten Einnahmeausfälle würden in den ersten 10 Jahren auf 12,7
Mrd. Euro/Jahr steigen und dann bis zum Jahre 2043 auf 17,77 Mrd. Euro/Jahr an-
621 Diese folgenden Angaben resultieren aus Berechnungen vom nestor Forschungsinstitut für
neue Alterssicherungssysteme und Rechtsbiometrik (durchgeführt von Alena Mysickova).
622 Angenommenes erstes Jahr der Umstellung 2007. Angenommene Beitragseinnahmen ohne
Systemumstellung (nach dem derzeitigen System) etwa 176,8 Mrd. Euro; Quelle:
Berechnungen des nestor-Instituts (durchgeführt von Alena Mysickova).
159
wachsen, um dann bis zum Jahre 2050 wieder auf 16,78 Mrd. Euro/Jahr zu sinken.623
b. Berücksichtigung des reduzierten Beitrags zum Umlagesystem bei der Rentenberechnung
Der verminderte Beitragssatz zum Umlagesystem sollte, wie bereits dargelegt624, mit
einer Verzinsung nach dem Basiszinssatz rentenmindernd berücksichtigt werden.
Die Höhe der Altersrente wird aus den Faktoren Anzahl der Entgeltpunkte und
Rentenwert bestimmt. Dabei muss jedoch nicht nur der verminderte Beitrag selbst
berücksichtigt werden, sondern auch die Anzahl der Jahre, in welchen er geleistet
wurde. Eine Möglichkeit, diese verminderte Beitragslast zum Umlagesystem bei der
Rentenberechnung zu berücksichtigen, besteht bei der Anzahl der Entgeltpunkte.
Die Zahl die Entgeltpunkte, die pro Beitragsjahr erworben würden, könnten dabei
um den Faktor verringert werden, der der Verminderung des Beitragssatz entspricht.
Darüberhinaus besteht die Möglichkeit den Beitragsanteil, der nicht mehr in das
Umlageverfahren fließt, gedanklich zu verzinsen und diese Verzinsung anspruchsmindernd in Bezug auf den Anspruch auf eine umlagefinanzierte Rente zu berücksichtigen. Eine Verzinsung erscheint aus dem Grunde sachgerecht, da derjenige
Beitragsanteil, der nicht mehr in das Umlageverfahren fließt, vom Versicherten auf
dem Kapitalmarkt angelegt wird und ebenfalls dort verzinst wird. Als Zinssatz kann
der Basiszinssatz der EZB zum Maßstab genommen werden. Der durchschnittliche
Basisizinssatz seit 1999 betrug 2,25 % p.a. Verzinst man mit diesem Zinssatz gedanklich den Beitragsanteil, der nicht mehr dem Umlageverfahren zugute kommt
und rechnet diesen auf die Entgeltpunkte an, ergibt sich dadurch eine weitere Reduzierung des Anspruchs der Versicherten gegen das Umlagesystem, was sich in der
Zukunft weiter entlastend auf das Umlagesystem auswirkt.
aa. Beispiel 1
Ein Rentenversicherter, der mit 67 Jahren im Jahre 2024 das Rentenalter erreicht
und 45 Jahre lang ein Durchschnittsentgelt verdient hat, hätte nach dem dargestellten
Umstiegskonzept ab dem 51 Lebensjahr 17 Jahre lang einen um 5 % verminderten
Beitragssatz gezahlt. Rechnet man dies auf die Anzahl der Entgeltpunkte an, so hätte
dieser Rentner 28 Jahre jeweils einen vollen Entgeltpunkt erworben und 17 Jahre
lang nur jeweils 0,95 Entgeltpunkte. Insgesamt würde sich daraus eine Gesamtzahl
von 44,15 Entgeltpunkten ergeben (anstatt von 45 Entgeltpunkten, wenn die Systemumstellung unterbliebe). Verzinst man den Beitrag, der in Abzug zu bringen ist
623 Quelle: Berechnungen des nestor-Instituts (durchgeführt von Alena Mysickova).
624 Siehe oben unter 3.
160
von dem Anspruch auf die Umlagerente mit dem durchschnittlichen Basiszinssatz in
Höhe von 2,25 % p.a. über den Zeitraum von 17 Jahren625, so würde sich die Zahl
der Entgeltpunkte noch weiter vermindern um 1,24 Entgeltpunkte auf 43,76 Entgeltpunkte. Die Verringerung entspräche einem Betrag von 32,60 EUR.626
bb. Beispiel 2
Bei einem derzeit 31-Jährigen künftigen Eckrentner, der bis zum Rentenalter von 67
Jahren einen verminderten Umlagebeitrag leistet, würde sich nach derselben Berechnungsmethode die Anzahl der Entgeltpunkte um 4,2 vermindern, was einem
Betrag von 110,30 EUR entspräche. Dieser hätte damit im Ergebnis einen Anspruch
auf eine Umlagerente für 40,8 Entgeltpunkte. Die Zahl der Entgeltpunkte im Umlageverfahren würde damit umso mehr verringert, je weiter entfernt die einbezogenen
Jahrgänge vom Rentenalter sind. Mit längerer Anspardauer stiege im Gegenzug die
kapitalgedeckte Leistung.
c. Die Höhe der künftigen Leistungen aus dem Kapitaldeckungssystem
Die Höhe der Leistungen, die aus dem künftigen Kapitalstock resultieren, werden
aufgrund des Zinseszinseffekts mit der Dauer der Einzahlungsphase steigen. So
werden die ersten Rentnerjahrgänge, die einen Teil ihrer Beiträge in den Kapitalstock einbezahlt, und im Jahre 2017 das Rentenalter erreicht haben, nur geringe monatliche Zusatzleistungen erhalten.
aa. Beispiel 1
Setzt man den Eckrentner627 voraus, der im Jahe 2017 das Rentenalter erreicht und
ab dem 50. Lebensjahr ca. 5 % der Beiträge zum Umlagesystem und zusätzlich noch
2,1 % des Bruttoeinkommens kapitalgedeckt anlegt, kann davon ausgegangen werden, dass er bei Erreichen des Rentenalters von 67 Jahren ein Kapitalvermögen in
Höhe von ca. 7050 Euro erwarten kann.628 Woraus unter realistischen Annahmen629
eine monatliche Leistung von 46 Euro resultieren könnte.
625 Maßstab ist der durchschnittliche Basiszinssatz nach § 1 DÜG in Höhe von 2,25 %.
626 Der Wert eines Entgeltpunktes beträgt 26,27 EUR (West) bzw. 23,09 EUR (Ost), Stand: Juli
2007.
627 Mit einem Bruttojahresentgelt von 28 412 Euro (durchschnittliches Bruttojahresentgelt der
Aktivversicherten in der Deutschen Rentenversicherung, Quelle: Deutsche
Rentenversicherung Bund).
628 Angenommene Voraussetzungen: monatlicher Beitrag 23,60 Euro (5 % der Beiträge zum
Umlagesystem) + 49,70 Euro (2,1 % zusätzlicher Kapitaldeckungsbeitrag) = 73,70 Euro, 7
161
bb. Beispiel 2
Ein derzeit 31-Jähriger Eckrentner, der im Jahre 2043 das Rentenalter erreicht und
36 Jahre lang ein Kapitalvermögen aus dem ersparten Umlagebeitrag und dem zusätzlichen Kapitaldeckungsbeitrag aufgebaut hat, würde unter den gegebenen Voraussetzungen630 eine monatliche Leistung in Höhe von 542 Euro erhalten.
d. Die Auswirkungen der Systemumstellung insgesamt
Aufgrund der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge kann ein individuelles Kapitalvermögen aufgebaut werden, welches das Leistungsniveau trotz der demographischen
Verwerfungen annähernd aufrecht erhalten wird. Das trifft insbesondere für diejenigen Jahrgänge zu, die in den Jahren ab 2040 das Rentenalter erreichen werden und
die die Zins- und Zinseszinseffekte des Ansparvorgangs noch nutzen können.
Jahre Einzahlungsdauer, 5 % p.a. Verzinsung, 5 % Ausgabeaufschlag (Abschlusskosten des
Vertrages, bei Investmentfonds ausgedrückt durch den Ausgabeaufschlag). Berechnungen:
DIA Sparplanschätzer, www.dia-vorsorge.de
629 Abschlusskosten einer Rentenversicherung von 4 % des angesparten Kapitals, 3 %
Verzinsung p.a. in der Auszahlungsphase und 23 Jahre Auszahlungsdauer, was einer
angenommenen durchschnittlichen Lebenserwartung von 90 Jahren entspricht.
Berechnungen: DIA Sparplanschätzer, www.dia-vorsorge.de
630 Ausgehend von einem Kapitalvermögen bei Erreichen des Rentenalters von 52 872 Euro,
Abschlusskosten einer Rentenversicherung von 4 % des angesparten Kapitals, 3 %
Verzinsung p.a. in der Auszahlungsphase und 23 Jahre Auszahlungsdauer, was einer
angenommenen durchschnittlichen Lebenserwartung von 90 Jahren entspricht. Berechnungen: DIA Sparplanschätzer, www.dia-vorsorge.de
162
Welche Auswirkungen die Systemumstellung auf die gesamten Leistungen haben
wird, soll nun dargestellt werden. Die Auswirkungen der hier vorgeschlagenen Systemumstellung können folgendermaßen verdeutlicht werden631:
aa. Zur Darstellung allgemein
Die Darstellung zeigt die Entwicklung der Leistungen des Rentensystems insgesamt
in drei verschiedenen Szenarien. Nicht berücksichtigt sind die Unterschiede zwischen verschiedenen Rentnerjahrgängen, die sich daraus ergeben können, dass die
jüngeren Jahrgänge Leistungen aus dem Kapitalsystem erhalten und die älteren
Jahrgänge nicht (die dafür jedoch auch die volle Umlagerente erhalten).
Die durchgezogene Linie markiert die Entwicklung der Leistungen, wenn das
Umlagesystem in dem hier vorgeschlagenen Maße umgestellt wird.
Die gepunktete Linie bezeichnet die Entwicklung der Leistungen, wenn das
derzeitige System beibehalten wird. Für diese beiden Linien ist vorauszusetzen, dass
der Beitragssatz gleich bleibt.
Die gestrichelte Linie schließlich zeigt die Entwicklung des Leistungsniveaus,
wenn anstatt der vorgeschlagenen Systemumstellung der Beitragssatz aktuell auf 22
% angehoben würde.
631 Die Darstellung und die Berechnungen wurden von Alena Mysickova am nestor Institut
durchgeführt. Den Berechnungen liegt die Variante 2-W 1 des Statistischen Bundesamtes
zugrunde. Diese Variante geht von einem hohen Anstieg der Lebenserwartung, einer
konstanten Geburtenrate und einer moderaten Zuwanderungsquote aus, vgl. 11. koordinierte
Bevölkerungsvorausberechnung 2006, S. 55.
163
Die „Rentenleistung“, die prozentual dargestellt wird, orientiert sich an dem derzeitigen Leistungsniveau, welches in der Grafik einem Wert von 100 % entspricht.
Im Grunde wird vorausgesetzt, dass die derzeitige Rentenleistung sich vollständig
aus Beiträgen zusammensetzt, was aufgrund des Bundeszuschusses aus dem Steueraufkommen nicht zutreffend ist, hier aber der Vereinfachung der Darstellung dient.
Aus diesem Grunde würde nach der Grafik eine sofortige Erhöhung des Umlagebeitrags auf 22 % die Leistung auf über 100 % erhöhen, was aber nur bedeutet, dass die
Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung erhöht würden und damit weniger
Bundeszuschüsse erforderlich wären.
bb. Interpretation der drei Szenarien
Verglichen werden die Leistungen des Pflichtsystems mit und ohne Umstellung auf
Kapitaldeckung. Würde das derzeitige System beibehalten, so würden ohne eine Erhöhung des Beitragssatzes zum Umlagesystem die Leistungen rapide absinken, um
im Jahre 2050 etwa 50 % des derzeitigen Leistungsniveaus zu erreichen. Würde man
den Beitragssatz zum Umlagesystem auf 22 % erhöhen, so würden die Leistungen
natürlich nicht dermaßen absinken, jedoch ebenfalls ein Leistungsniveau im Jahre
2050 erreichen, welches weit unter dem heutigen liegt, nämlich bei 55 %. Stellt man
das System in dem vorgeschlagenen Maße um, so würde das Versorgungsniveau
insgesamt ebenfalls erheblich absinken, jedoch nur bis zum Jahre 2033, auf etwa 69
% des heutigen Versorgungsniveaus, um dann wieder anzusteigen und bis zum Jahre
2050 etwa 88 % des heutigen Versorgungsniveaus zu erreichen. Vergleicht man das
Umstellungsszenario mit den beiden anderen Szenarien, Beibehaltung des reinen
Umlagesystems mit dem derzeitigen Beitragssatz und mit einem erhöhten Beitragssatz, so ist das Umstellungsszenario im Verhältnis zur Beibehaltung des derzeitigen
Systems ab dem Jahre 2022 und im Verhältnis zu einer Erhöhung des Beitragssatzes
auf 22 % ab dem Jahre 2029 vorteilhafter, da durch die Systemumstellung ab diesem
Zeitpunkt insgesamt höhere Leistungen gewährt werden können.
e. Belastungen für die Rentenempfänger in der Übergangszeit und Art.14 Abs. 1 GG
Wie gezeigt, können mit der Systemumstellung auch Belastungen einhergehen, da
aufgrund der Reduzierung des Beitragssatzes dem Umlagesystem ad hoc weniger
Einnahmen zur Verfügung stehen. Derzeitige Rentner und rentennahen Jahrgänge
haben jedoch im Gegensatz zu den zukünftigen Rentenjahrgängen noch keine kapitalgedeckte Vorsorge aufgebaut. Aus den Mindereinnahmen des Umlagesystems
können für sie Belastungen erwachsen.
Fraglich ist, inwieweit es hinsichtlich der Belastungen dem Gesetzgeber überlassen bleiben würde, die Einnahmeausfälle der gesetzlichen Rentenversicherung an
die Leistungsempfänger weiterzugeben oder diese mit Bundeszuschüssen aus Steuermitteln auszugleichen. Zu beachten hat der Gesetzgeber bei Eingriffen in Renten-
164
leistungen die Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 GG.632 Im Folgenden sind diese Vorgaben nochmals zusammengefasst dargestellt: Wird das gesunkene Beitragsaufkommen an die derzeitigen Rentenjahrgänge und rentennahen Jahrgänge weitergegeben,
dann hat die Systemumstellung einen Eingriff in bestehende Rentenanwartschaften,
die dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterliegen, zur Folge. Wie beschrieben, verfügt der Gesetzgeber im Bereich des Rentenrechts jedoch über eine weite Gestaltungsfreiheit.633 Insbesondere ist dies nach Ansicht der Rechtsprechung dann der
Fall, wenn die eingreifenden Regelungen dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller
zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen.634 Zulässige Ziele von Eingriffen können ausdrücklich die Funktionsfähigkeit
und Finanzierbarkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung und die
Entlastung der Beitragszahler sein.635 Eine Grenze für Eingriffe in
Rentenanwartschaften besteht nach der Rechtsprechung und nach Auffassung der
Literatur erst dann, wenn die Schwelle der Bedürftigkeit nach einem vollen Erwerbsleben unterschritten wird.636 Die Umstellung würde auch der zukünftigen Entlastung des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung und seiner Finanzierbarkeit dienen. Denn aufgrund einer zusätzlichen kapitalgedeckten Versorgung in der
Zukunft würden keine oder nur geringe Erhöhungen des Umlagebeitrags erforderlich werden, um den demographischen Veränderungen Rechnung zu tragen, als
wenn das System nicht umgstellt würde.
Fraglich könnte sein, inwieweit die Weitergabe der Einnahmeausfälle an die
Leistungsempfänger unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit möglich ist.
Würden die Einnahmeausfälle durch die Systemumstellung an die Rentner weitergegeben, so müssten die Rentenleistungen abgesenkt werden. Nimmt man die oben
genannten Zahlen zum Maßstab, nach denen das Beitragsaufkommen zunächst um
etwa 5 % der Beitragseinnahmen absinken würde und würden die Renten entsprechend diesen Prozentsatzes abgesenkt, so würde die monatliche Eckrente von 1176
Euro/Monat637 zunächst auf etwa 1117 Euro sinken.
Setzt man die Eckrente mit der „Rente nach einem vollen Erwerbsleben“ gleich,
so würde durch diese Rente durch die Umstellung nicht die Schwelle der Bedürftigkeit unterschreiten.638 Damit würde eine Leistungskürzung in Folge einer derartigen
Systemumstellung nach der Rechtsprechung einen verhältnismäßigen Eingriff in die
Rentenanwartschaften darstellen, so dass der Gesetzgeber zunächst nicht dazu gezwungen wäre, die Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erhöhen. Aufgrund der weiteren Entwicklung des Systems und der weiteren demogra-
632 Vgl. die Ausführungen in Teil I. G. I. 1.
633 BVerfGE 53, 257 (292); vgl. Teil I. G. I. 1.
634 BVerfGE 53, 257 (293).
635 Siehe oben inTeil I. G. I. 4. b.
636 Ebda.
637 Rentenversicherungsbericht 2005, Anhang 12.
638 Zum Problem der Definition der „Rente nach einem vollen Erwerbsleben“ vgl. oben unter G.
I. 4. c.
165
phiebedingten Absenkung der Leistungen könnte sich für den Gesetzgeber bis nach
2030 eine Notwendigkeit zu Unterstützungsmaßnahmen ergeben, diese bestünde,
wie die Grafik anschaulich zeigt, allerdings auch dann, wenn das System nicht umgestellt würde und zwar in einem viel gravierenden Maße und mindestens bis zum
Jahre 2050.
5. Zusammenfassung
Die Belastungen, die aus der Umstellung des Systems resultieren sind überschaubar
und beeinträchtigen die Renten in nicht unverhältnismäßiger Weise. Durch die Umstellung würden sich die zukünftigen Belastungen ab dem Jahre 2023 vermindern im
Vergleich zur Beibehaltung des derzeitigen Umlagesystems. Das vorgeschlagene
Umstellungsszenario stellt lediglich ein Beispiel dar, wie vorzugehen sein könnte.
Denkbar ist es auch die Gewichtung der Belastungen anders zu verteilen, z.B. indem
man den Beitragssatz zum Umlagesystem noch stärker absenkt zu Gunsten des Aufbaus einer kapitalgedeckten Vorsorge. Dadurch wäre die sofortige Belastung höher
aber die spätere Belastung niedriger. Im Grunde ist die Entscheidung in das Belieben des Gesetzgebers gestellt, der nur die in Teil 1 dargestellten rechtlichen Grenzen
zu beachten hat. Eine bloße Ausweitung des Umlagesystems erscheint dagegen nicht
als wirksame Reaktion auf die demographischen Veränderungen, da die Belastung
nur verschoben wird und aus Erwägungen des Europäischen Wettbewerbsrechts abzulehnen ist.639
III. Vorteile gegenüber der derzeitigen Förderung der kapitalgedeckten Altersvorsorge
Durch die Verwendung eines Teils der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für den kapitalgedeckten Altersrentenvertrag würde die Notwendigkeit zur
Förderung der kapitalgedeckten Vorsorge, wie sie derzeit für gesetzlich Rentenversicherte im Rahmen der Riester-Vorsorge vorgesehen ist, entfallen. Damit können
die Förderbeträge, die für künftig abgeschlossene Riester-Verträge aufgewendet
würden, eingespart werden. Damit könnte der Staat erhebliche Summen, die er aus
Steuermitteln bestreiten muss, künftig einsparen: Bei der Riester-Förderung beträgt
die Grundzulage für Zulageberechtigte nach § 79 EStG, die Beiträge zugunsten eines zertifizierten Altersvorsorgevertrages leisten nach § 84 EStG 114 Euro und ab
2008 154 Euro/Jahr. Nach § 85 EStG wird zusätzlich eine Kinderzulage gewährt, die
für jedes Kind 138 Euro/ Jahr beträgt (ab 2008 185 Euro/Jahr).640 Ein Förderberech-
639 Siehe oben Teil I. F.
640 Diese Zulagen erhält der Zulagenberechtigte, wenn er einen Mindesteigenbeitrag leistet. Der
Mindesteigenbeitrag lässt sich nach § 86 Abs. 1 EStG ermitteln. Danach muss der
Mindesteigenbeitrag 3 % (ab 2008: 4 %) "der Summe der in dem dem Kalenderjahr
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Buch thematisiert die Herausforderungen der Alterssicherung in Deutschland unter Berücksichtigung des Europarechts. Der Autor beurteilt das System der gesetzlichen Rentenversicherung aus der Perspektive des Europarechts und kommt zu dem Ergebnis, dass der deutsche Gesetzgeber aufgrund der demografischen Veränderungen das Umlagesystem der gesetzlichen Rentenversicherung in einem größeren Maße als bislang auf ein kapitalgedecktes System umstellen muss. Dabei geht er auch auf die ökonomischen Möglichkeiten einer derartigen Umstellung ein. Er zeigt auf, welche Handlungsspielräume der Gesetzgeber hat und untersucht, welche Anforderungen hinsichtlich einer wettbewerblichen Ausgestaltung die kapitalgedeckte Vorsorge erfüllen muss. Mit seinem Werk gibt der Autor einen Einblick in die Probleme der Alterssicherung in Deutschland und kommt dabei zu neuen rechtlichen Schlussfolgerungen.