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sie z. T. sogar verfassungsrechtlich geboten, wie dies beispielsweise im Fall entgegenstehender schutzwürdiger Interessen Dritter etwa im Hinblick auf das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung der Fall ist.89
a. Entgegenstehende gesetzliche Vorschriften, Staatsgeheimnisse, schutzwürdige
Interessen Dritter
Als ausdrückliche Grenze einer Antwortpflicht und damit letztlich auch einer Informations- und insbesondere einer Informationsbeschaffungspflicht der Regierung
gegenüber dem einzelnen Abgeordneten und damit gegenüber dem Parlament – mithin in der politischen Praxis v. a. der parlamentarischen Opposition – nennt Art. 67
Abs. 3 S. 1 Nr. 1 ThürVerf entgegenstehende gesetzliche Vorschriften, Staatsgeheimnisse oder schutzwürdige Interessen einzelner, insbesondere des Datenschutzes.
Damit hat die ThürVerf ein Antwortverweigerungsrecht der Landesregierung für
alle Sachverhalte normiert, die durch Gesetz oder Verfassung vor einer Offenlegung
geschützt sein sollen. Letztlich sind damit alle privaten wie auch alle öffentlichen
(Staats-)Geheimnisse vor einer Veröffentlichung im Wege einer Regierungsantwort
auf eine parlamentarische Anfrage geschützt.90
Die Bestimmung setzt damit nicht nur zwingende Vorgaben des Verfassungsrechts und insbesondere der Grundrechte um – insoweit wird man von einem lediglich deklaratorischen Gehalt der Norm sprechen können –; sie entspricht zudem
überkommenem deutschem Parlamentsrecht. Ihre Vorgaben finden sich so oder in
ähnlicher Form auch auf Bundes- und Landesebene wieder.
b. Die nicht nur geringfügige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und der
Eigenverantwortung der Landesregierung
Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung stellen unterschiedliche Aspekte ein
und derselben Regierungstätigkeit dar. Sie vermögen daher auch je für sich eine
Antwortverweigerung der Regierung zu rechtfertigen.
Mithin kommt dem Begriff der Funktionsfähigkeit der Landesregierung gegen-
über dem Begriff der Eigenverantwortung der Landesregierung ein eigenständiger
Begriffsinhalt zu, da die Begriffe der Funktionsfähigkeit und der Eigenständigkeit
durchaus Unterschiedliches meinen und auf unterschiedliche Aspekte der Regie-
89 S. hierzu z. B. C. Raap, Grundrechtsschutz bei der Information des Parlaments durch die Bundesregierung, NJW 1997, S. 508.
90 S. hierzu auch J. Lennartz/G. Kiefer, Parlamentarische Anfragen im Spannungsfeld von Regierungskontrolle und Geheimhaltungsinteressen, DÖV 2006, S. 185/188 ff.; C. Raap, Grundrechtsschutz bei der Information des Parlaments durch die Bundesregierung, NJW 1997, S. 508.
39
rungstätigkeit zielen, die im Einzelfall ein Antwortverweigerungsrecht zur Folge
haben können.91
Insbesondere lässt sich der Formulierung der Bestimmung wie auch dem Blick in
die Materialien der Entstehung der Thüringer Verfassung nicht entnehmen, dass
sich die Begriffe der »Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung« an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im sog. Flick-Urteil und damit am Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung orientieren.92
aa. Die nicht nur geringfügige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Landesregierung
Dass die Antwort der Regierung auf eine parlamentarische Anfrage verweigert werden darf, wenn sie die Funktionsfähigkeit der Regierung als eines eigenständigen
Entscheidungsträgers in Frage stellen würde, entspricht überkommenem deutschem
Parlamentsrecht.93
Nicht zu erstaunen vermag es daher, dass sich diese Maßgabe auch im Thüringer
Verfassungsrecht findet.
(1) Der Aspekt der Funktionsfähigkeit
Nach Art. 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 ThürVerf kann die Landesregierung die Beantwortung von Anfragen und die Erteilung von Auskünften ablehnen, wenn die Funktionsfähigkeit der Landesregierung nicht nur geringfügig beeinträchtigt ist. Der
Aspekt der Funktionsfähigkeit der Regierung genießt damit eine die Antwortverweigerung der Regierung rechtfertigende Eigenständigkeit, der Verfassungsrang
zukommt.
(a) Rechtfertigung der Bestimmung
Die Bestimmung trägt der Tatsache Rechnung, dass der demokratische Rechtsstaat
im Sinne des Grundgesetzes (Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) notwendig eine funktionsfähige (Hervorhebung durch den Verfasser) und verantwortliche Regierung voraussetzt.94
91 Die Gesichtspunkte der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung mit Blick
auf Art. 23 Abs. 3 S. 1 LV Schleswig-Holstein und dessen Entstehungsgeschichte hingegen als einheitliches Tatbestandsmerkmal interpretierend BVerfGE 110, 199/216.
92 In diese Richtung etwa der Niedersächsische Staatsgerichtshof, Beschluss vom 15.5.1996, Nds.
MBl. 25/1996, S. 98. In diese Richtung auch BVerfGE 110, 199/214.
93 Vgl. nur M. Schröder, in: Bonner Kommentar, Art. 43 (Zweitbearbeitung 1978), Rdnr. 43 a,
m. w. N.
94 So ausdrücklich BVerfGE 9, 268/281.
40
Über die Vermittlung des Homogenitätsprinzips, das auch insoweit als Transmissionsriemen zwischen grundgesetzlichen Vorgaben und landesrechtlicher Ausgestaltung wirkt, gilt dies auch für den Freistaat Thüringen.
Neben der selbständigen politischen Entscheidungsgewalt der Regierung und
ihrer Sachverantwortung gegenüber Volk und Parlament ist auch ihre Funktionsfähigkeit zur Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben ein zwingendes Gebot
der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassung.95
Daher ist es nur konsequent, wenn auch der Verfassungsgeber des Freistaats Thüringen das Kriterium der Funktionsfähigkeit der Regierung als Grenze des parlamentarischen Fragerechts in der Thüringer Landesverfassung niedergelegt hat. Er
nimmt damit letztlich eine im bundesdeutschen Parlamentsrecht gängige Leitlinie
auf.96
Unabhängig davon, ob man das Gebot der Rücksichtnahme auf die Funktionsund Arbeitsfähigkeit der Regierung aus dem Prinzip der Verfassungsorgantreue
ableitet97 oder als verselbständigte verfassungsrechtliche Schranke der Thüringer
Verfassung begreift: In jedem Fall erwächst der Landesregierung hieraus eine – verfassungsrechtlich umgrenzte – Einschätzungsprärogative, die nicht nur von Bedeutung für die Art und Weise und den Zeitpunkt der Antwort sein kann, sondern der
Regierung in letzter Konsequenz auch die Möglichkeit einräumt, eine Antwort
wegen Unmöglichkeit abzulehnen.98
Wann die Grenze der nicht nur geringfügigen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit erreicht ist, wird sich nicht anhand einzelner Sachmaterien oder am Maßstab einzelner Verfahrensabschnitte bei der Erledigung dieser Materien beantworten lassen; dass eine Materie komplexer ist als eine andere, stärker vom Europarecht durchdrungen als eine andere oder einem größeren Anpassungsdruck unterworfen ist als eine andere Materie, kann für das »Ob« der Beantwortungspflicht
dann jedenfalls keine Rolle spielen, wenn der einschlägige Maßstab hierfür die
Funktionsfähigkeit der Regierung ist. Für die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Landesregierung den Maßstab der Sachmaterie anzulegen, ginge daher in
die Leere.
Maßgebliche Bedeutung kommt insoweit vielmehr den Anforderungen der
Organadäquanz und der Funktionsgerechtigkeit der Kompetenzordnung zu.99
Unter dem Begriff der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit, der eine Antwortverweigerung der Landesregierung begründen kann, wird man daher solche
Belastungen der Regierung – gerade auch durch parlamentarische Anfragen – zu
95 So ausdrücklich BVerfGE 9, 268/281.
96 Vgl. z. B. J. Lennartz/G. Kiefer, Parlamentarische Anfragen im Spannungsfeld von Regierungskontrolle und Geheimhaltungsinteressen, DÖV 2006, S. 185/186.
97 So NWVerfGH, NVwZ 1994, S. 678.
98 S. hierzu H.-A. Roll, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, 2001, vor §§ 100 – 105,
Rdnr. 10.
99 Vgl. S. Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: H.-P.
Schneider/W. Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 52, S. 1443.
41
verstehen haben, die die Beeinträchtigung von Regierungsfunktionen in einem nicht
unerheblichen Maße zur Folge haben. Führt die Inanspruchnahme der Regierung
durch eine parlamentarische Anfrage dazu, dass diese – oder Teile von ihr – ihr
obliegende Aufgaben nicht mehr vollständig, nicht mehr ordnungsgemäß, nicht
mehr in angemessener Zeit oder sogar nicht mehr dem geltenden Recht gemäß
wahrnehmen kann, so wird in einem solchen Fall eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Regierung anzunehmen sein, die ggf. sogar in Konflikt mit den
Grundsätzen des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes geraten kann. Wird mithin die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung und -erfüllung durch eine
konstituierte Staatsgewalt in Mitleidenschaft gezogen, die durch das Gewaltenteilungsprinzip vorausgesetzt und insoweit mit Verfassungsrang ausgestattet ist, so
wird man von einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit ausgehen können.
Letztlich ist in diesem Zusammenhang auch von Bedeutung, dass die Regierung
dem Parlament gegenüber für ihre Arbeit verantwortlich ist. Wenn daher das durch
eine parlamentarische Anfrage ausgelöste Regierungshandeln Anlass für das Parlament bieten kann, die parlamentarisch verantwortliche Regierung wegen einer
anderweitigen ineffizienten, zu langsamen oder schlechten Aufgabenerfüllung politisch zur Beantwortung ziehen zu können, so ist die Sphäre erreicht, bei der man von
einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Regierung auszugehen hat.
Unbestritten in diesem Zusammenhang ist zwar, dass die Regierung als Teil ihrer
politischen Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament die Bindung von
Arbeitskapazität durch die Beantwortung parlamentarischer Anfragen einkalkulieren muss. Allerdings sind dieser Verpflichtung nach allgemeiner Auffassung durch
die Notwendigkeit, die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung aufrechtzuerhalten, deutliche Grenzen gesetzt. Daher ist die Regierung ihrer Antwortpflicht
ganz oder teilweise enthoben, wenn sie andernfalls ihre sonstigen Aufgaben in
unvertretbarem Umfang vernachlässigen müsste oder gar ein Zustand der Funktionsunfähigkeit in diesen Bereichen zu besorgen wäre,100 was ggf. mit politischen
oder sogar mit parlamentarischen Konsequenzen verbunden sein könnte.
Ist daher eine in diesem Sinn reguläre Aufgabenerfüllung durch die Regierung
wegen ihrer anderweitigen Inanspruchnahme – auch durch parlamentarische Anfragen – nicht mehr in einem ordnungsgemäßen Maße möglich, so wird man von einer
Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Regierung auszugehen haben.
(b) Die Praxis der Parlamentsverwaltung im Freistaat Thüringen
Ergänzend mag im vorliegenden Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass
auch in der parlamentarischen Praxis des Freistaats Thüringen der Aspekt der Funktionsfähigkeit der Verwaltung durchaus eine erhebliche Rolle spielt. So hat die
Landtagsverwaltung der Kleinen Anfrage 1307 der Abgeordneten Dr. Klaubert und
100 NWVerfGH, NVwZ 1994, S. 678/680.
42
Kuschel vom 13.4.2007 einen Hinweis zu den Kleinen Anfragen 1308 bis 1958 beigefügt. Hierin wird darauf hingewiesen, dass Abgeordnete der Fraktion der Linkspartei.PDS weitere 651 gleichlautende Kleine Anfragen gestellt haben. Die Kleinen
Anfrage unterscheiden sich, so die Landtagsverwaltung, nur hinsichtlich der
Gemeinden, auf die sich die Kleinen Anfragen beziehen, und der Abgeordneten, die
die Frage stellen.
Hieraus hat die Landtagsverwaltung ihre Konsequenzen gezogen und in der
Weise reagiert, dass sie »aus Kosten- und Kapazitätsgründen (Hervorhebung durch
Verf.) nur diese Kleine Anfrage (Kleine Anfrage 1307, Anmerkung des Verfassers)
gedruckt, vom Druck und der Verteilung der Kleinen Anfragen 1308 bis 1958 (. . .)
dagegen abgesehen« hat. Der Kleinen Anfrage 1307 hat die Landtagsverwaltung
eine Anlage beigefügt, aus der die Gemeinden und die Fragesteller der Kleinen
Anfragen 1308 bis 1958 entnommen werden können.
Dies macht deutlich, dass bereits bei der Verteilung der weiteren 651 Kleinen
Anfragen im Thüringer Landtag die Funktionsfähigkeit des Landtages ernstlich
bedroht war, da die Landtagsverwaltung deren Nichtabdruck und deren Nichtverteilung mit Kapazitätsgründen gerechtfertigt hat. Eingedenk dieses Verhaltens der
Landtagsverwaltung drängt sich daher im Hinblick auf die Antwortverpflichtung
der Landesregierung im Zusammenhang mit parlamentarischen Anfragen der Erst-
Recht-Schluss der nicht nur geringfügigen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit
der Landesregierung geradezu auf.
(c) Die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung im Allgemeinen Verwaltungsrecht
Nur am Rande sei schließlich darauf verwiesen, dass der Aspekt der möglichen
Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit von Behörden auch das Verwaltungsverfahrensrecht kennzeichnet. So enthalten § 17 VwVfG bzw. § 17 ThürVwVfG eine
Regelung im Hinblick auf Vertreter bei gleichförmigen Eingaben. In diesem
Zusammenhang verlangt das Gesetz bei gleichförmigen Anträgen und Eingaben die
Bestellung eines gemeinsamen Vertreters, der mit besonderen Vollmachten ausgestattet ist. Die Grenze, die das Gesetz hierfür vorsieht, sind 50 Personen. Zweck dieser Regelung ist nicht nur eine Vereinfachung des Verfahrens, sondern auch eine
Entlastung der Behörden.
Auch wenn eine Vergleichbarkeit der Intention dieser Regelung mit der Problematik der Beantwortung parlamentarischer Anfragen ausscheidet, so macht doch
der Blick in das Allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht deutlich, dass auch dort
der Aspekt der Funktionsfähigkeit von grundlegender Bedeutung ist und eine erhebliche Rolle spielt. Die Intention des Gesetzes geht erkennbar dahin, eine »Lähmung« der Verwaltung zu verhindern und damit deren Funktionsfähigkeit zu
sichern.
43
(2) Die »nicht nur geringfügige« Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit
Im Hinblick auf das Erfordernis der »nicht nur geringfügigen Beeinträchtigung der
Funktionsfähigkeit« der Landesregierung ist zunächst und einleitend festzuhalten,
dass die Beantwortung einer jeglichen parlamentarischen Anfrage mit einem entsprechenden Arbeitsaufwand auf Seiten der gefragten Regierung korrespondiert.
Mit jeder Frage, die beantwortet werden muss, geht daher ein entsprechender
Arbeitsaufwand der Regierung – im Regelfall des für die Beantwortung zuständigen
Ministers und seines Ministeriums – einher.
Vor diesem Hintergrund hat mit Blick auf die Reichweite der Antwortpflicht der
Landesregierung und insbesondere die Möglichkeit einer nicht nur geringfügigen
Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Landesregierung zunächst der Grundsatz zu gelten, dass das Argument, die Beantwortung einer parlamentarischen
Anfrage rufe zusätzliche Arbeit in der Landesregierung bzw. in einem einzelnen
Ministerium hervor, letztlich ohne Bedeutung ist. Insoweit ist vielmehr festzuhalten,
dass aufgrund ihrer gegenüber dem Parlament verfassungsrechtlich unterschiedlichen Organstruktur »die Regierung mit dem ihr zugeordneten Verwaltungsapparat
grundsätzlich zur Sammlung, Sichtung und Aufbereitung der für die Wahrnehmung
der Staatsaufgaben erforderlichen Informationen verpflichtet (ist), und zwar nicht
nur für ihre eigenen, sondern auch für die Zwecke des Parlaments«.101
Dass mit anderen Worten die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage
auf Seiten der Regierung mit einem – im Einzelfall auch nicht unerheblichen – Aufwand verbunden ist, liegt mithin in der Natur der Sache – nämlich des parlamentarischen Fragerechts – begründet. Mit Blick auf ihre politische Rechenschaftspflicht
gegenüber dem Parlament muss die Regierung daher die Bindung von Arbeitskapazität durch die Beantwortung parlamentarischer Anfragen einkalkulieren und sich
ggf. auch auf Anfragen in großer Zahl und mit umfangreicher Thematik einstellen.102
Dies gilt grundsätzlich auf für den Fall, dass die Beantwortung einer oder mehrerer Fragen einen besonders hohen Zeitaufwand verursacht.103
Auch eine Zunahme von Anfragen, etwa am Beginn einer Legislaturperiode,
kann nicht bereits als eine missbräuchliche Ausübung des Fragerechts qualifiziert
werden. Auch ist es nicht missbräuchlich, wenn Abgeordnete Fragen stellen, die in
gleicher Form in einem anderen Landtag gestellt worden sind und bereits Gegenstand der Beratungen in einem Ausschuss waren; anderes wird freilich zu gelten
101 S. Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: H.-P.
Schneider/W. Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 52, S. 1440 f.
102 VerfGH NRW, DVBl. 1994, S. 48/50; J. Lennartz/G. Kiefer, Parlamentarische Anfragen im Spannungsfeld von Regierungskontrolle und Geheimhaltungsinteressen, DÖV 2006, S. 185/192.
103 So H. Weis, Parlamentarisches Fragerecht und Antwortpflicht der Regierung, DVBl. 1988, S. 268/
272; S. Magiera, in: H.-P. Schneider/W. Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 52,
Rdnr. 65.
44
haben, wenn eine solche Anfrage offensichtlich nicht auf die Verhältnisse im betreffenden Land zutreffen kann.104
Gleichwohl: »Die Regierung ist ihrer Antwortpflicht ganz oder teilweise enthoben, wenn sie andernfalls ihre sonstigen Aufgaben in unvertretbarem Umfang vernachlässigen müsste oder gar ein Zustand der Funktionsunfähigkeit in diesen Bereichen zu besorgen wäre«.105
Diese Ausnahme, die vom Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen aus der
Funktions- und Arbeitsfähigkeit der obersten Landesorgane abgeleitet worden ist,
wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn die parlamentarischen Anfragen
ihrer Zahl (Hervorhebung durch den Verf.) oder ihrem Inhalt nach die Lahmlegung
der Regierung bezwecken oder bewirken106 – was im vorliegend interessierenden
Kontext gleichlautender Anfragen durchaus angenommen werden kann.
Insbesondere für den Fall, dass die Handhabung des parlamentarischen Fragerechts erkennbar darauf gerichtet ist, missbräuchlich die Exekutive lahm legen zu
wollen, wird man der Regierung nicht die Verpflichtung auferlegen können, für die
Beantwortung solcher Anfragen geeignete, insbesondere personelle Kapazitäten
bereit zu halten oder diese Kapazitäten gar, nur um die Beantwortung erkennbar
missbräuchlicher Fragen ermöglichen zu können, zu vergrößern.
Wann die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Regierung die Grenze der
Geringfügigkeit überschreitet, ist am Maßstab des Üblichen und damit letztlich der
Spürbarkeit zu beurteilen. Ungeachtet der Tatsache, dass es auch im regulären
Amtsbetrieb eines Ministeriums zu Schwankungen im Hinblick auf das Arbeitsaufkommen und die Arbeitslast kommen kann, so wird man doch davon auszugehen
haben, dass der Personalbestand, den ein Ministerium im Jahresmittel aufweist, darauf ausgelegt ist, die im Ministerium anfallenden Aufgaben ordnungsgemäß zu
erfüllen. Diese Annahme ist nicht zuletzt durch die Tatsache gerechtfertigt, dass der
(Haushalts-)Gesetzgeber gehalten ist, für eine ordnungsgemäße, am Maßstab des
Gesetzes ausgerichtete Erfüllung staatlicher Aufgaben Sorge zu tragen und hierfür
mit Blick auf den Haushalt die entsprechenden Mittel anzusetzen. Umgekehrt
bedeutet dies, dass die Personalmittel, die der Haushaltsgesetzgeber für ein einzelnes Ministerium ansetzt und bereitstellt, regelmäßig für eine geordnete Aufgabenerfüllung erforderlich, aber auch ausreichend sind.
Wird daher von diesem Mittel durch eine anderweitige Aufgabenwahrnehmung,
etwa durch den im Zusammenhang mit der Beantwortung einer parlamentarischen
Anfrage stehenden Aufwand, in einer Art und Weise abgewichen, die dazu führt,
dass die einem Ministerium obliegenden Aufgaben – auch in einzelnen Abteilungen
– nur mit erheblicher Verzögerung wahrgenommen werden können, so ist davon
104 J. Lennartz/G. Kiefer, Parlamentarische Anfragen im Spannungsfeld von Regierungskontrolle und
Geheimhaltungsinteressen, DÖV 2006, S. 185/192.
105 NWVerfGH, NVwZ 1994, S. 678/679 ff.
106 So C. Gusy, Frage und Antwort im Parlament als Instrumente parlamentarischer Kontrolle, JuS
1995, S. 878/881.
45
auszugehen, dass diese Beeinträchtigung eine nicht nur geringfügige ist. Während
man eine geringfügige Beeinträchtigung dahingehend zu interpretieren haben wird,
dass diese nach außen nicht erkennbar in Erscheinung tritt und ggf. Arbeitsabläufe
im Ministerium um einige Stunden oder einige Tage verzögert werden, wird man
eine nicht nur geringfügige Beeinträchtigung dann anzunehmen haben, wenn dieses
Maß deutlich überschritten ist.
Bleiben mit anderen Worten im Falle einer anderweitigen, durch die Ausübung
des parlamentarischen Fragerechts bedingten Inpflichtnahme Aufgaben eines Ministeriums liegen, müssen sie auf die »lange Bank« geschoben werden oder kann die
Aufgabenerfüllung nur dann sichergestellt werden, wenn weiteres Personal eingestellt wird, so ist von einer nicht nur geringfügige Beeinträchtigung auszugehen.
(3) Funktionsfähigkeit der Regierung und parlamentarische Anfragen
Die Tatsache, dass die Thüringer Verfassung den Aspekt der Funktionsfähigkeit der
Regierung in Art. 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 mit eigenständigem Verfassungsrang ausgestattet hat, der zur Folge haben kann, dass die Antwortpflicht der Landesregierung
ausgeschlossen ist, trägt der Tatsache Rechnung, dass der Regierung nicht nur die
Pflicht zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen obliegt; sie hat zudem – nicht
zuletzt bedingt durch die Maßgabe des Art. 70 Abs. 1 ThürVerf, wonach die Landesregierung das oberste Organ der vollziehenden Gewalt ist – eine Reihe anderer,
ihr durch die Verfassung übertragener Aufgaben wahrzunehmen, was in seinem
innersten Kern auch der Tatsache geschuldet ist, dass der Freistaat Thüringen seine
Staatsorganisation am Grundsatz der Gewaltenteilung ausgerichtet hat, der wiederum voraussetzt, dass jede Staatsgewalt eigenverantwortlich bestimmte Aufgaben
wahrzunehmen hat; ansonsten liefe ein maßgebliches Grundanliegen des Gewaltenteilungsgedankens – die gegenseitige Hemmung und Kontrolle der Staatsgewalten –
in die Leere.
Art. 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 ThürVerf macht damit deutlich, dass die ThürVerf der
Landesregierung nicht abverlangt, parlamentarische Anfragen unter allen Umständen und ohne Einschränkung, gewissermaßen auf Biegen und Brechen, beantworten
zu müssen. In letzter Konsequenz würde dies nämlich bedeuten, dass die Landesregierung ggf. ihre sämtlichen Aufgaben zu vernachlässigen und unter Umständen
vollständig aufzugeben hätte, nur um parlamentarische Anfragen zu beantworten.
Dem schiebt Art. 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 ThürVerf indes einen mit Verfassungsrang
ausgestatteten Riegel vor.
Die Norm lässt sich daher, nicht zuletzt deshalb, weil sie als Ermessensbestimmung ausgestaltet ist, als Ausdruck praktischer Konkordanz begreifen, um sowohl
dem parlamentarischen Fragerecht als auch der Funktionsfähigkeit der Regierung
hinreichend Rechnung zu tragen. Freilich macht die Bestimmung auch unmissverständlich deutlich, dass, wenn die Inanspruchnahme des parlamentarischen Fragerechts zu einer verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch nicht mehr hinnehm-
46
baren Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Regierung führen würde, die
Regierung die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage verweigern kann. Das
parlamentarische Fragerecht kann mithin – verfassungsrechtlich abgesichert – im
Einzelfall faktisch leer laufen, wenn seine Ausübung zu einer Beeinträchtigung der
Funktionsfähigkeit der Regierung führen würde. Anders formuliert: Im Konfliktfall
hat die Funktionsfähigkeit der Regierung Vorrang gegenüber der Beantwortung
einer parlamentarischen Anfrage.
Dass diese Abwägung im Einzelfall nicht nur verfassungsrechtlich zulässig ist,
sondern sogar verfassungsrechtlich geboten sein kann, ist auch vom Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen so gesehen worden. Der Gerichtshof hat klargestellt,
dass die Regierung ihrer Antwortpflicht dann ganz oder teilweise enthoben sei,
wenn sie andernfalls ihre sonstigen Aufgaben in unvertretbarem Umfang vernachlässigen müsste oder gar ein Zustand der Funktionsunfähigkeit in diesen Bereichen
zu besorgen wäre.107
(4) Handlungsspielräume der Landesregierung
Die Entscheidung der Landesregierung, die Antwort auf eine parlamentarische
Anfrage zu verweigern, ist daher durch eine durch die Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts verfassungsrechtlich umgrenzte Einschätzungsprärogative der
Landesregierung gekennzeichnet. Würdigt die Landesregierung in ihrer Entscheidung das parlamentarische Fragerecht umfassend und in einer dessen verfassungsrechtlicher Bedeutung gerecht werdenden Art und Weise, kommt aber gleichwohl
zu dem Schluss, dass die Funktionsfähigkeit der Landesregierung durch die Beantwortung einer oder ggf. mehrerer parlamentarischer Anfragen nicht nur geringfügig
beeinträchtigt werden würde, so ist die Weigerung der Landesregierung, auf die parlamentarische(n) Anfrage(n) zu antworten, durch das Thüringer Verfassungsrecht
gedeckt.
Daran wird deutlich, dass die Landesregierung zwar nicht nach eigenem Gutdünken über das »Ob« und den Umfang der ihr obliegenden Informationspflicht verfügen kann, sondern nur nach Maßgabe der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung zwischen ihrer Antwortverpflichtung auf der einen und ihrer Funktionsfähigkeit auf der anderen Seite; indes gewährt ihr das am Maßstab des Kriteriums der
Funktionsfähigkeit ausgerichtete Verfassungsrecht wie auch die Tatsache, dass es
sich insoweit um eine Ermessensentscheidung handelt, durchaus die Möglichkeit,
bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen differenziert vorzugehen, in letzter Konsequenz aber eben auch die Antwort unter Berufung auf die nicht nur geringfügige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Landesregierung zu verweigern.
107 VerfGH NRW, DVBl. 1994, S. 48/50.
47
Gerade bei besonders umfangreichen Anfragen kommt der Landesregierung
damit die Möglichkeit zu, die Bedeutung des konkreten Informationsverlangens
abzuwägen mit den durch die Beantwortung entstehenden Belastungen und einer
damit eventuell verbundenen Gefährdung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit der
Regierung. In diese Abwägung kann z. B. der Umfang der Frage(n) und die praktische Schwierigkeit der Ermittlung der nachgefragten Sachverhalte, die Dringlichkeit und die Aktualität des Informationswunsches sowie die Interpretation dessen,
was der Anfragende im Ergebnis erreichen will, einbezogen werden. Danach darf
die Regierung die Art und Weise ihrer Antwort an dem Abwägungsergebnis ausrichten; ihr gebührt insoweit eine Einschätzungsprärogative,108 die sich letztlich als
eine Art Stufenleiter verschiedener Antwortoptionen begreifen lässt und sich damit
auf das »Wie« der Beantwortung, in letzter Konsequenz aber auch auf das »Ob« der
Beantwortung der gestellten Fragen bezieht.
Daher kommt insoweit beispielsweise in Betracht, eine Fristverlängerung zu
beantragen, bei extrem umfangreichen oder arbeitsaufwendigen Fragen aber auch –
unter Umständen innerhalb einer vorgegebenen Frist – pauschal zu antworten und
ggf. die Antwort wegen Unmöglichkeit abzulehnen,109 insbesondere aber wegen
einer nicht nur geringfügigen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Regierung.
(5) Art. 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 ThürVerf als »reale« Verfassungsvariante
Abschließend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass Art. 67 Abs. 3
S. 1 Nr. 2 ThürVerf vom Verfassungsgeber mit einem konkreten Anwendungsbereich vorgestellt gewesen sein muss. Da sich der Verfassungsgeber eindeutig dafür
ausgesprochen hat, dass die nicht nur geringfügige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Landesregierung dazu führen können soll, die Antwortverpflichtung
der Regierung in einer verfassungsrechtlich abgesicherten Form auszuschließen,
muss diese Variante auch in der politischen Praxis mit Leben erfüllt werden können.
Das Argument, dass die Regierung zur Beantwortung auch umfangreicher parlamentarischer Fragen eben entsprechende Kapazitäten bereitstellen müsse, kann
nicht gewissermaßen als »Totschlagsargument« gegenüber einer möglichen Antwortverweigerung der Landesregierung verwendet werden, da ansonsten im realen
Verfassungsleben des Freistaats für die Variante der nicht nur geringfügigen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Regierung letztlich kein Platz mehr wäre. Es
muss mit anderen Worten in der politischen Realität durchaus Fälle geben und
geben können, in denen die Funktionsfähigkeit der Landesregierung durch parlamentarische Anfragen nicht nur geringfügig beeinträchtigt wird, da ansonsten die
108 So BayVerfGH, BayVerfGHE 54, 62/75.
109 So H.-A. Roll, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, 2001, vor §§ 100 – 105, Rdnr. 10.
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Verfassungsbestimmung zur faktischen Wirkungslosigkeit verdammt wäre – was
vom Verfassungsgeber so nicht gewollt gewesen sein kann.
Daher ist mit großer Berechtigung die Frage zu stellen, welche Fälle von dieser
Verfassungsnorm umschlossen sein sollten, wenn nicht die Varianten besonders
zeitaufwändiger und besonders arbeitsintensiver parlamentarischer Anfragen?
bb. Die nicht nur geringfügige Beeinträchtigung der Eigenverantwortung der
Landesregierung
Art. 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 ThürVerf gewährt der Landesregierung des Weiteren
die Möglichkeit, von der Beantwortung von Anfragen und der Erteilung von Auskünften abzusehen, wenn dadurch die Eigenverantwortung der Landesregierung
nicht nur geringfügig beeinträchtigt würde.
Mit dieser, ebenfalls eine allgemeine Leitlinie des bundesdeutschen Parlamentsrechts aufnehmenden Bestimmung110 wird verfassungsrechtlich anerkannt, dass der
Regierung ein unantastbarer und uneinsehbarer, vor einer »Ausforschung« mit Hilfe
des parlamentarischen Fragerechts geschützter Eigenbereich zukommt, der vom
Bundesverfassungsgericht als »Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung«
bezeichnet worden ist; dieser Bereich schließt einen vom Parlament »grundsätzlich
nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich« ein.111
Dieser Eigenbereich der Regierung, der vom ThürVerfGH auch für die Thüringer
Landesregierung anerkannt wurde,112 ist im parlamentarischen Regierungssystem
ungeachtet der parlamentarischen Kontrolle der Regierung mit Blick auf die parlamentarische Verantwortung der Regierung zu wahren. Auch der Grundsatz der parlamentarischen Verantwortung der Regierung setzt notwendigerweise einen solchen
Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung voraus.113
Dieser eigenständige Bereich der Regierung wird durch das Informationsverweigerungsrecht der Regierung vor einem Zugriff des Parlaments wie auch der Abgeordneten geschützt, er muss nicht offen gelegt werden; weder dem Parlament noch
einem einzelnen Abgeordneten soll mithin das Recht zukommen, das Innenleben
der Regierung mit Hilfe des parlamentarischen Fragerechts auszuforschen. Würde
eine Beantwortung parlamentarischer Fragen die Eigenverantwortlichkeit der
Regierung – verstanden als deren nicht ausforschbarer Eigenbereich – erheblich
beeinträchtigen, wird man sogar eine Pflicht zur Auskunftsverweigerung anzunehmen haben,114 woran deutlich wird, dass einem inquisitorischen Fragerecht weder
110 Vgl. z. B. J. Lennartz/G. Kiefer, Parlamentarische Anfragen im Spannungsfeld von Regierungskontrolle und Geheimhaltungsinteressen, DÖV 2006, S. 185/186, sowie ausführlich insbes. S. 191 f.
111 BVerfGE 67, 100/139. Vgl. hierzu BVerfGE 68, 1/87. S. in diesem Zusammenhang auch V. Busse,
Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung im Spannungsfeld der staatlichen Gewalten, DÖV
1989, S. 45.
112 Vgl. ThürVerfGH, LKV 2003, S. 422/424.
113 BVerfGE 68, 1/87, unter Bezugnahme auf E 67, 100/139.
114 So mit Recht J. Linck, in: Linck/Jutzi/Hopfe, Die Verfassung des Freistaats Thüringen, 1993, Art.
67, Rdnr. 18.
49
das Grundgesetz noch die ThürVerf die Hand reicht. Ihr Innenleben und damit ihr
exekutivisches Innerstes muss die Regierung ungeachtet ihrer parlamentarischen
Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament nicht outen.
Geschützt und damit gewissermaßen parlamentsfest ist freilich nur das innere
Verfahren der Regierung, nicht hingegen die ihm zu Grunde liegende Sachmaterie.115
Besteht die Gefahr, dass durch die Beantwortung von Anfragen oder die Erteilung von Auskünften die Eigenverantwortung der Landesregierung nicht nur
geringfügig beeinträchtigt wird, so gelten die gleichen Maßgaben wie im Hinblick
auf die nicht nur geringfügige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Regierung.116
Dies bedeutet, dass der Landesregierung ein weit gespanntes Entschließungsermessen im Hinblick auf das »Wie« der Beantwortung der Frage zukommt, das aber
auch in die Sphäre des »Ob« der Antworterteilung bzw. -verweigerung hinüber
reicht.
3. Ungeschriebene Grenzen der Antwortverpflichtung der Landesregierung
Neben den geschriebenen ist die Antwortverpflichtung der Landesregierung aber
auch ungeschriebenen Schranken unterworfen, was im Übrigen auch der Thür-
VerfGH in seiner Entscheidung vom 4. April 2003 deutlich gemacht hat.117
Diese werden im Folgenden einer genaueren Betrachtung zu unterwerfen sein.
a. Der Aspekt der Verantwortung – Die Regierung muss zu dem befragten Thema
»etwas zu sagen haben«
Auf eine Frage sinnvoll und plausibel antworten kann nur derjenige, der zu der
Frage und dem mit ihr angesprochenen Themenkomplex »etwas zu sagen hat«. Dies
stellt nicht nur eine Leitlinie menschlichen Handelns und menschlicher Vernunft
dar, sondern ist auch eine Maxime des Rechts, wie beispielsweise die Ausgestaltung
des Petitionsrechts in Art. 17 GG und Art. 14 ThürVerf deutlich macht; beide
Bestimmungen sehen vor, dass eine Petition neben der Volksvertretung nur an die
»zuständigen Stellen« gerichtet werden kann. Damit ist gesagt, dass eine mit einer
Petition befasste Volksvertretung wie auch eine Stelle der Verwaltung zur Behandlung und Entscheidung über eine Petition nur befugt ist, wenn sowohl der Volksvertretung als auch der Stelle der Verwaltung insoweit Entscheidungsbefugnis
zukommt, sie mithin zuständig ist.118
115 S. Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider/
Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 52, S. 1444.
116 S. hierzu oben, VII. 2. b.
117 S. hierzu oben, VII. 1.
118 Vgl. M. Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 5. Aufl., 2005, Art. 17,
Rdnr. 50.
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Zusammenfassung
Der Autor lotet das Verhältnis von parlamentarischem Fragerecht und Antwortverweigerungsrecht der parlamentarisch verantwortlichen Regierung näher aus. Er analysiert die Legitimation wie auch die Grenzen des Fragerechts der Abgeordneten, betont aber zugleich das Recht der Regierung, in bestimmten Fällen, namentlich bei einer missbräuchlichen Handhabung des Fragerechts, die Antwort auf parlamentarische Anfragen verweigern zu können. Das Werk dient zugleich als Leitfaden für die parlamentarische Praxis.
Nach der Einbettung des parlamentarischen Fragerechts in den Kontext des Kontrollfunktion des Parlaments untersucht der Verfasser mit einem ausführlichen Blick auf die Rechtslage im Freistaat Thüringen zunächst die inneren und äußeren Grenzen des parlamentarischen Fragerechts, bevor er die Antwortverpflichtung der Regierung näher konturiert. Anschließend werden die geschriebenen wie auch die ungeschriebenen Grenzen der Antwortpflicht der Regierung ausführlich behandelt, wobei der Aspekt der Funktionsfähigkeit der Regierung eine intensive Beachtung erfährt. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Beantwortung der Frage gelegt, wann eine missbräuchliche Inanspruchnahme des parlamentarischen Fragerechts angenommen werden kann. In diesem Zusammenhang wird auch der Grundsatz der Organtreue näher erläutert.