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ist; diese können geschriebener Natur sein – als solche sind sie in Art. 67 Abs. 3
ThürVerf enthalten –, aber auch ungeschriebener Natur. Abschließender Charakter
kommt indes der Bestimmung des Art. 67 Abs. 3 ThürVerf nicht zu, so dass die Landesregierung auch aus anderen als den in Art. 67 Abs. 3 ThürVerf genannten Gründen – mithin aus verfassungsimmanenten Gründen – die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage verweigern kann.
2. Art. 67 Abs. 3 ThürVerf: Die geschriebenen Grenzen der Antwortverpflichtung
der Landesregierung
Durch Art. 67 Abs. 3 ThürVerf wird die Verpflichtung der Landesregierung, parlamentarische Anfragen zu beantworten und Auskunft zu erteilen, bestimmten
geschriebenen verfassungsrechtlichen Grenzen unterworfen. Wenn die Voraussetzungen einer der Varianten des Art. 67 Abs. 3 S. 1 ThürVerf vorliegen, entfällt die
Verpflichtung der Landesregierung zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen
wie auch zur Erteilung von Auskunft.
Man wird in diesem Zusammenhang sogar davon auszugehen haben, dass –
ungeachtet der Tatsache, dass es sich hierbei um eine Ermessensbestimmung handelt – in den Fällen, die Art. 67 Abs. 3 S. 1 ThürVerf normiert, in aller Regel nicht
nur ein Recht, sondern sogar die Pflicht des Landesregierung besteht, die Auskunft
jedenfalls nicht öffentlich zu erteilen, da andernfalls in unzulässiger Weise in gegenläufige verfassungsrechtliche Positionen eingegriffen würde.88
Damit nimmt die Verfassung in Art. 67 Abs. 3 S. 1 ThürVerf eine eindeutige
Gewichtung dahingehend vor, dass zumindest in Fällen einer Ermessensreduzierung auf Null die Belange, die in Art. 67 Abs. 3 S. 1 ThürVerf genannt sind, gegen-
über dem parlamentarischen Fragerecht Vorrang genießen und das Fragerecht hinter
diese zurückzutreten hat.
Nach Art. 67 Abs. 3 S. 1 ThürVerf kann die Landesregierung die Beantwortung
von Anfragen und die Erteilung von Auskünften ablehnen, wenn 1. dem Bekanntwerden des Inhalts gesetzliche Vorschriften, Staatsgeheimnisse oder schutzwürdige
Interessen einzelner, insbesondere des Datenschutzes, entgegenstehen, oder 2. die
Funktionsfähigkeit und die Eigenverantwortung der Landesregierung nicht nur
geringfügig beeinträchtigt werden. Die Ablehnung ist nach Art. 67 Abs. 3 S. 2 Thür-
Verf den Frage- oder Antragstellenden auf deren Verlangen zu begründen, was auch
der ThürVerfGH in seiner Entscheidung vom April 2003 betont hat.
Die Bestimmung zeigt damit der grundsätzlich bestehenden Antwortpflicht der
Landesregierung verschiedene geschriebene Grenzen auf, die indes der deutschen
Verfassungspraxis entsprechen und deshalb durchaus gängig sind. Im Übrigen sind
88 So zutreffend J. Linck, in: Linck/Jutzi/Hopfe, Die Verfassung des Freistaats Thüringen, 1993, Art.
67, Rdnr. 16, allerdings mit Blick auf Nr. 1 der Bestimmung.
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sie z. T. sogar verfassungsrechtlich geboten, wie dies beispielsweise im Fall entgegenstehender schutzwürdiger Interessen Dritter etwa im Hinblick auf das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung der Fall ist.89
a. Entgegenstehende gesetzliche Vorschriften, Staatsgeheimnisse, schutzwürdige
Interessen Dritter
Als ausdrückliche Grenze einer Antwortpflicht und damit letztlich auch einer Informations- und insbesondere einer Informationsbeschaffungspflicht der Regierung
gegenüber dem einzelnen Abgeordneten und damit gegenüber dem Parlament – mithin in der politischen Praxis v. a. der parlamentarischen Opposition – nennt Art. 67
Abs. 3 S. 1 Nr. 1 ThürVerf entgegenstehende gesetzliche Vorschriften, Staatsgeheimnisse oder schutzwürdige Interessen einzelner, insbesondere des Datenschutzes.
Damit hat die ThürVerf ein Antwortverweigerungsrecht der Landesregierung für
alle Sachverhalte normiert, die durch Gesetz oder Verfassung vor einer Offenlegung
geschützt sein sollen. Letztlich sind damit alle privaten wie auch alle öffentlichen
(Staats-)Geheimnisse vor einer Veröffentlichung im Wege einer Regierungsantwort
auf eine parlamentarische Anfrage geschützt.90
Die Bestimmung setzt damit nicht nur zwingende Vorgaben des Verfassungsrechts und insbesondere der Grundrechte um – insoweit wird man von einem lediglich deklaratorischen Gehalt der Norm sprechen können –; sie entspricht zudem
überkommenem deutschem Parlamentsrecht. Ihre Vorgaben finden sich so oder in
ähnlicher Form auch auf Bundes- und Landesebene wieder.
b. Die nicht nur geringfügige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und der
Eigenverantwortung der Landesregierung
Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung stellen unterschiedliche Aspekte ein
und derselben Regierungstätigkeit dar. Sie vermögen daher auch je für sich eine
Antwortverweigerung der Regierung zu rechtfertigen.
Mithin kommt dem Begriff der Funktionsfähigkeit der Landesregierung gegen-
über dem Begriff der Eigenverantwortung der Landesregierung ein eigenständiger
Begriffsinhalt zu, da die Begriffe der Funktionsfähigkeit und der Eigenständigkeit
durchaus Unterschiedliches meinen und auf unterschiedliche Aspekte der Regie-
89 S. hierzu z. B. C. Raap, Grundrechtsschutz bei der Information des Parlaments durch die Bundesregierung, NJW 1997, S. 508.
90 S. hierzu auch J. Lennartz/G. Kiefer, Parlamentarische Anfragen im Spannungsfeld von Regierungskontrolle und Geheimhaltungsinteressen, DÖV 2006, S. 185/188 ff.; C. Raap, Grundrechtsschutz bei der Information des Parlaments durch die Bundesregierung, NJW 1997, S. 508.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Der Autor lotet das Verhältnis von parlamentarischem Fragerecht und Antwortverweigerungsrecht der parlamentarisch verantwortlichen Regierung näher aus. Er analysiert die Legitimation wie auch die Grenzen des Fragerechts der Abgeordneten, betont aber zugleich das Recht der Regierung, in bestimmten Fällen, namentlich bei einer missbräuchlichen Handhabung des Fragerechts, die Antwort auf parlamentarische Anfragen verweigern zu können. Das Werk dient zugleich als Leitfaden für die parlamentarische Praxis.
Nach der Einbettung des parlamentarischen Fragerechts in den Kontext des Kontrollfunktion des Parlaments untersucht der Verfasser mit einem ausführlichen Blick auf die Rechtslage im Freistaat Thüringen zunächst die inneren und äußeren Grenzen des parlamentarischen Fragerechts, bevor er die Antwortverpflichtung der Regierung näher konturiert. Anschließend werden die geschriebenen wie auch die ungeschriebenen Grenzen der Antwortpflicht der Regierung ausführlich behandelt, wobei der Aspekt der Funktionsfähigkeit der Regierung eine intensive Beachtung erfährt. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Beantwortung der Frage gelegt, wann eine missbräuchliche Inanspruchnahme des parlamentarischen Fragerechts angenommen werden kann. In diesem Zusammenhang wird auch der Grundsatz der Organtreue näher erläutert.