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Der Vorteil des unterbreiteten Vorschlages liegt darin, dass die allgemeinen Regeln des internationalen Deliktsrechts Anwendung finden. Zusätzlich werden nicht
etwa Schutzkonzepte des deutschen Sachrechts durchgesetzt, sondern die Grundsätze der Berufshaftung des Gründungsstaates unverfälscht zur Geltung gebracht.
Bei Hervorhebung des Umstandes, dass lediglich eine zusätzliche deliktische
Haftung Anwendung findet, ergeben sich keine europarechtlichen Bedenken.3578
Auch bei Abstellen auf die Überlagerung durch eine zusätzliche quasigesellschaftsrechtliche Dimension entstehen im Hinblick auf die Garantie der Niederlassungsfreiheit keine Zweifel, weil eine Regelung des Gründungsstaates authentisch zur Geltung gebracht wird.3579 Schließlich lässt die zusätzliche subsidiäre Anknüpfung keine weitergehenden Ergebnisse zu als die zur Auflösung der Anpassungslage vorgenommene irreguläre gesellschaftsrechtliche Qualifikation der
professional negligence.3580
Auch unter dem Gesichtspunkt einer Erweiterung des Regelungsvorschlages über
den konkreten Anpassungsfall hinaus ergibt sich kein abweichendes Ergebnis. Denn
die Gewährleistung der Achtung der Gesellschaft als Geschöpf des Gründungsstaates unter Berücksichtigung der gewachsenen Strukturen des Gründungsrechts ist
nicht nur gegenüber der LLP als eine den Leitlinien der Niederlassungsfreiheit entsprechende Vorgehensweise anzusehen.3581
Selbst wenn im Einzelfall die im Verhältnis zur Niederlassungsfreiheit subsidiäre
Dienstleistungsfreiheit nach Art. 50, 55 EGV einschlägig sein sollte3582, liegt aus
den genannten Gründen keine europarechtlich unzulässige Beschränkung vor.
3. Ergebnis
Insgesamt ist der Regelungsvorschlag für eine eigene Kollisionsnorm zur Erfassung
der berufsbedingten Haftung aus unerlaubter Handlung bei Gründung einer Berufsausübungsgesellschaft europarechtlich zulässig.
X. Ausschlusswirkung von Rom II
Der Regelungsvorschlag bleibt eine bloße Hypothese. Es besteht eine Ausschlusswirkung gegenüber einer ergänzenden autonomen Kollisionsregel, weil die Rom II-
Verordnung dem Zweck dient, die Regeln des internationalen Privatrechts für au-
ßervertragliche Schuldverhältnisse zu vereinheitlichen.3583 Daneben ist für zusätz-
3578 Siehe oben Teil 3 D IX 3 b) cc) (2).
3579 Siehe oben Teil 3 D IX 3 b) cc) (2).
3580 Siehe oben Teil 3 D IX 3 b) cc) (2).
3581 Siehe oben Teil 3 D IX 3 b) cc) (2).
3582 EuGH, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Ziff. 22.
3583 Erwägungen Ziff. 6 Rom II.
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liche, autonome Kollisionsregeln kein Raum. Hier gilt etwas anderes als in Bezug
auf die Anwendung allgemeiner Techniken wie z. B. der Anpassung in einem konkreten Fall.3584 Regelungstechnisch wäre eine zusätzliche Kollisionsnorm durchaus
zu formulieren. Es genügt, wenn statt auf Art. 40, 41 EGBGB auf die Rom II-
Verordnung Bezug genommen, und die Wortwahl dem Wortlaut der Verordnung
angepasst wird. Ein entsprechender Regelungsvorschlag könnte wie folgt lauten:
Haben sich Angehörige der freien Berufe zum Zwecke der gemeinsamen Berufsausübung in einer Berufsausübungsgesellschaft zusammengeschlossen und sieht
das nach der Rom II-Verordnung auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus
unerlaubter Handlung anwendbare Recht keinen Anspruch auf Ersatz eines aus
einem beruflichen Fehler entstandenen Schadens gegenüber dem für die Gesellschaft verantwortlich tätigen Gesellschafter vor, so unterliegen diese Ansprüche
dem Recht des Staates, nach dem die Gesellschaft organisiert ist. Dies gilt nicht,
wenn nach dem Recht des Staates, nach dem die Gesellschaft organisiert ist, die
Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften.
Doch würde diese Umformulierung die Wirkung der vorgeschlagenen Kollisionsnorm nicht abmildern. Es wird im Allgemeinen und losgelöst von der Prüfung des
Vorliegens einer konkreten Anpassungslage die Möglichkeit eingeräumt, nicht nur
die Rom II-Verordnung zur Bestimmung des anwendbaren Rechts heranzuziehen.
Für eine solche autonome einzelstaatliche Regelung bleibt neben der Rom II-
Verordnung kein Raum. Soll für die Zukunft eine besondere Berücksichtigung der
berufsbezogenen Haftung ermöglicht werden, ist eine Lösung auf europäischer Ebene herbeizuführen.
C. Lösungsvorschlag de lege ferenda auf europäischer Ebene
I. Mögliche Lösungswege
Die Rom II-Verordnung hat als Umwälzung im internationalen Deliktsrecht am
11. Juli 2007 Gestalt angenommen und ist ab dem 11. Januar 2009 geltendes Recht.
Dies führt nicht nur zur Unzulässigkeit einer autonomen gesetzlichen Lösung der
vielschichtigen Problematik der berufsbezogenen Haftung bei Gründung einer Berufsausübungsgesellschaft durch einzelstaatliche Regelungen. Gleichzeitig besteht
Anlass, die Vorteile einer europarechtlich einheitlichen Erfassung der vorliegenden
kollisionsrechtlichen Problematik ins Auge zu fassen. Es würde sichergestellt, dass
alle betroffenen Mitgliedstaaten auch im Verhältnis zu Drittstaaten der oben3585
ausführlich erörterten speziellen Interessenlage Rechnung tragen.
Auf europäischer Ebene bestehen de lege ferenda im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, um durch Übertragung der bei der vorstehenden Entwicklung des hypo-
3584 Siehe oben Teil 3 D IX 6 b) aa).
3585 Siehe oben Teil 4 A, B.
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References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.