483
4. Ergebnis
Im Ergebnis hat die kritische Würdigung verschiedene Möglichkeiten der Weiterentwicklung des vorläufigen Vorschlages einer Kollisionsnorm aufgezeigt. Es wurde
zu den verschiedenen Alternativen Stellung genommen und eine Ergänzung der
Kollisionsnorm befürwortet. Nach alldem kann nunmehr ein endgültiger Regelungsvorschlag unterbreitet werden.
VIII. Endgültiger hypothetischer Regelungsvorschlag
Auf der Grundlage der bisherigen Prüfung wird der folgende endgültige hypothetische Entwurf einer Kollisionsnorm vorgeschlagen:
Haben sich Angehörige der freien Berufe zum Zwecke der gemeinsamen Berufsausübung in einer Berufsausübungsgesellschaft zusammengeschlossen und sieht
das gemäß Art. 40, 41 EGBGB auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung anwendbare Recht keinen Anspruch auf Ersatz eines aus einem beruflichen Fehler entstandenen Schadens gegenüber dem für die Gesellschaft verantwortlich tätigen Gesellschafter vor, so unterliegen diese Ansprüche dem Recht des Staates, nach dem die
Gesellschaft organisiert ist. Dies gilt nicht, wenn nach dem Recht des Staates, nach
dem die Gesellschaft organisiert ist, die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der
Gesellschaft haften.
IX. Europarechtliche Zulässigkeit
1. Problemstellung
Fraglich ist, ob die europarechtliche Zulässigkeit des entwickelten Lösungsvorschlages gegeben ist. Insbesondere ist zu untersuchen, ob eine Beschränkung der
Niederlassungsfreiheit vorliegt.
2. Vorliegen einer Beschränkung der Grundfreiheiten
Es wird lediglich eine zusätzliche, subsidiäre Anwendung der allgemeinen Grundsätze der Berufshaftung des Gründungsstaates vorgesehen. Diesbezüglich können
die obigen3577 Ausführungen zur europarechtlichen Zulässigkeit der Anpassung im
Wege der irregulären gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der professional
negligence übertragen werden.
3577 Siehe oben Teil 3 D IX 3 b) cc) (2).
484
Der Vorteil des unterbreiteten Vorschlages liegt darin, dass die allgemeinen Regeln des internationalen Deliktsrechts Anwendung finden. Zusätzlich werden nicht
etwa Schutzkonzepte des deutschen Sachrechts durchgesetzt, sondern die Grundsätze der Berufshaftung des Gründungsstaates unverfälscht zur Geltung gebracht.
Bei Hervorhebung des Umstandes, dass lediglich eine zusätzliche deliktische
Haftung Anwendung findet, ergeben sich keine europarechtlichen Bedenken.3578
Auch bei Abstellen auf die Überlagerung durch eine zusätzliche quasigesellschaftsrechtliche Dimension entstehen im Hinblick auf die Garantie der Niederlassungsfreiheit keine Zweifel, weil eine Regelung des Gründungsstaates authentisch zur Geltung gebracht wird.3579 Schließlich lässt die zusätzliche subsidiäre Anknüpfung keine weitergehenden Ergebnisse zu als die zur Auflösung der Anpassungslage vorgenommene irreguläre gesellschaftsrechtliche Qualifikation der
professional negligence.3580
Auch unter dem Gesichtspunkt einer Erweiterung des Regelungsvorschlages über
den konkreten Anpassungsfall hinaus ergibt sich kein abweichendes Ergebnis. Denn
die Gewährleistung der Achtung der Gesellschaft als Geschöpf des Gründungsstaates unter Berücksichtigung der gewachsenen Strukturen des Gründungsrechts ist
nicht nur gegenüber der LLP als eine den Leitlinien der Niederlassungsfreiheit entsprechende Vorgehensweise anzusehen.3581
Selbst wenn im Einzelfall die im Verhältnis zur Niederlassungsfreiheit subsidiäre
Dienstleistungsfreiheit nach Art. 50, 55 EGV einschlägig sein sollte3582, liegt aus
den genannten Gründen keine europarechtlich unzulässige Beschränkung vor.
3. Ergebnis
Insgesamt ist der Regelungsvorschlag für eine eigene Kollisionsnorm zur Erfassung
der berufsbedingten Haftung aus unerlaubter Handlung bei Gründung einer Berufsausübungsgesellschaft europarechtlich zulässig.
X. Ausschlusswirkung von Rom II
Der Regelungsvorschlag bleibt eine bloße Hypothese. Es besteht eine Ausschlusswirkung gegenüber einer ergänzenden autonomen Kollisionsregel, weil die Rom II-
Verordnung dem Zweck dient, die Regeln des internationalen Privatrechts für au-
ßervertragliche Schuldverhältnisse zu vereinheitlichen.3583 Daneben ist für zusätz-
3578 Siehe oben Teil 3 D IX 3 b) cc) (2).
3579 Siehe oben Teil 3 D IX 3 b) cc) (2).
3580 Siehe oben Teil 3 D IX 3 b) cc) (2).
3581 Siehe oben Teil 3 D IX 3 b) cc) (2).
3582 EuGH, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Ziff. 22.
3583 Erwägungen Ziff. 6 Rom II.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.