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Die Einbettung einer Berufsausübungsgesellschaft in die gewachsenen Strukturen
der berufsbezogenen Haftung im Gründungsstaat darf nicht leichtfertig missachtet
werden. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn im Sitzstaat ein Anspruch
gegenüber dem Gesellschafter besteht, da insoweit der Intention des Gründungsstaates in Bezug auf die Gewährleistung der Haftung entsprochen wird.3525
Überdies illustriert die vorliegende Anpassungslage3526, dass bei einem bewussten
gesetzgeberischen Unterlassen auch im Verhältnis zu anderen Rechtsordnungen
keine sachgerechte kollisionsrechtliche Erfassung erreicht werden kann. Dieses
Beispiel illustriert, dass die herkömmlichen Kollisionsnormen eine Lücke aufweisen.
Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, eine Anknüpfung der berufsbedingten außervertraglichen Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung sowohl an
das Delikts- als auch an das Gesellschaftsstatut zu ermöglichen. Für die Zukunft
kann diese Möglichkeit der Anknüpfung an die beiden Statuten Rechtssicherheit und
gerechte Ergebnisse gewährleisten.
4. Ergebnis
Insgesamt sollte grundsätzlich eine Anknüpfung an beide Statuten ermöglicht werden. Doch ist nicht abschließend geklärt, ob die alternative Anknüpfung einen sachgerechten Lösungsweg darstellt. Neben der echten alternativen Anknüpfung kommen weitere Lösungsmöglichkeiten in Betracht, die nachstehend zu prüfen sind.
IV. Eingeschränkt alternative Anknüpfung
1. Theoretische Grundlagen
Neben einem echten Alternativverhältnis kommt auch die Abhängigkeit der alternativen Anknüpfung von der Ausübung eines Wahlrechts, welches einem der Beteiligten gewährt wird, in Betracht. Beispielsweise wird in Art. 40 Abs. 1 S. 2 und S. 3
EGBGB dem Verletzten das Recht eingeräumt, statt der Anwendung des Rechts am
Handlungsort die Anwendung des Rechts am Erfolgsort zu verlangen. Dieses Wahlrecht muss innerhalb einer gesetzlich vorgeschriebenen Frist ausgeübt werden.3527
Dadurch tritt an die Stelle des Günstigkeitsprinzips die Gewährung eines Bestimmungsrechts.3528 Dies wird auch als eingeschränkt alternative Anknüpfung 3529
bezeichnet.
3525 Siehe auch unten Teil 4 B V.
3526 Siehe oben Teil 3 D VIII.
3527 Siehe hierzu auch Kegel/Schurig, § 6 IV.
3528 MünchKomm/Junker, Art. 40 EGBGB Rdnr. 29.
3529 MünchKomm/Sonnenberger, Einl. IPR Rdnr. 673.
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2. Abwägung der Vor- und Nachteile
Vorliegend könnte erwogen werden, dem Geschädigten ein solches Bestimmungsrecht einzuräumen. Jedoch würde dies mit erheblichen Nachteilen für den Verletzten
einhergehen.3530 Schließlich tritt an die Stelle der Ermittlung des günstigsten Rechts
durch das Gericht die Pflicht, das Bestimmungsrecht auszuüben. Dies erfordert
Kenntnis des Optionsrechts, eigenverantwortliche Ermittlung des günstigsten Rechts
und die ordnungsgemäße fristgerechte Ausübung des Wahlrechts durch den Geschädigten.3531 Insgesamt sind keine wesentlichen Vorteile der Einschränkung der alternativen Anknüpfung durch ein Bestimmungsrecht des Geschädigten erkennbar.
Vielmehr überwiegen die Nachteile einer erheblichen einseitigen Belastung des
Geschädigten und der mit der Ausübung einhergehenden praktischen Probleme.
3. Ergebnis
Somit ist die eingeschränkt alternative Anknüpfung nicht in Betracht zu ziehen.
V. Subsidiäre Anknüpfung/Korrektivanknüpfung
1. Einführung
Ferner kommt neben der echten alternativen Anknüpfung die Subsidiarität der zweiten Anknüpfung im Verhältnis zur ersten Anknüpfung in Betracht. Mithin erfolgt die
Anknüpfung an eine zweite Rechtsordnung nur dann hilfsweise, wenn die primäre
Anknüpfung an die erste Rechtsordnung versagt3532 bzw. die gewünschte Rechtsfolge nicht eintreten lässt3533. Teilweise wird innerhalb des Grundtyps der alternativen
Anknüpfung nicht zusätzlich nach den Voraussetzungen der alternativen Anknüpfung differenziert.3534 Für den Fall der materiellrechtlichen Begünstigung verwendet
Kropholler die Bezeichnung der Korrektivanknüpfung 3535. Die Begriffe subsidiäre
Anknüpfung und Korrektivanknüpfung werden ausgehend von dieser Grundlegung
im Folgenden gleichbedeutend verwendet.
Grundsätzlich wird bei dieser Form der Anknüpfung eine zweite Anknüpfung
subsidiär zur Verfügung gestellt.3536 Dadurch wird die Begünstigung im Verhältnis
3530 MünchKomm/Junker, Art. 40 EGBGB Rdnr. 31.
3531 MünchKomm/Junker, Art. 40 EGBGB Rdnr. 31.
3532 Kropholler, § 20 III; v. Bar/Mankowski, § 7 Rdnr. 95; MünchKomm/Sonnenberger, Einl. IPR
Rdnr. 674.
3533 v. Hoffmann/Thorn, § 5 Rdnr. 118; Staudinger/Sturm/Sturm, Einl. zum IPR Rdnr. 157ff.
3534 v. Bar/Mankowski, § 7 Rdnr. 103.
3535 Kropholler, § 20 II 1); siehe auch Kropholler, § 20 I 1) 2) c).
3536 v. Hoffmann/Thorn, § 5 Rdnr. 118.
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References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.